Lisa Sandlin
Claudia Schwartz (I & II)
Wallace Stroby
Estelle Surbranche
Lisa Sandlin
Any American of my persuasion would say we’re not ebbing but rushing to betray the ideals we stood for: rights, freedom, opportunity, an appreciation for the common good. Not that we achieved these goals. But some of us thought we stood for them anyway.
Mildred Hays, the protagonist of writer and director Martin McDonagh’s new black comedy, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, is neither waiting nor standing. Mildred (the always-amazing Frances McDormand), is campaigning against the lawmen who’ve failed to find the killer of her raped and murdered daughter. She rents three billboards to shame Sheriff Willoughby, played by Woody Harrelson, into producing results. It doesn’t matter to Mildred that the sheriff is himself dying. She rents the billboards now because they “won’t be as effective after you croak.”
Mildred runs afoul of Officer Dixon (a dynamite Sam Rockwell), a violent, racist, mama’s boy of a cop who injects into the film comedy and loathing in equal measure. The kind of forbearance she uses with her swamp of an ex-husband (John Hawkes) and his hilariously stupid young girlfriend shows what her marriage was like. Her high school-age son (Lucas Hedges) endures his mother’s public acting out in a pretty loyal fashion, considering what she does to a couple of his friends.
I liked McDonagh’s Oscar-nominated In Bruges, notably the scene in which hitman Colin Farrell stridently warns an obese American tourist not to labor up a staircase because “you’re a fookin’ elephant, aren’t ya?” Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (there is no such place) has no hitman garnish. It’s about a mother stripped of patience and inhibition. The one surprising character change is well set-up and thus believable—paid for by another character.
The great pleasure of the film is McDormand, whose face is real, raw, and convincing. She can convey contempt with the flutter of an eyelid. Though the plot is consistently, and sometimes not credibly, violent—after all, that’s what Americans are famous for—it captures some superbly gentle moments: Mildred tipping upright a bug trapped on its back; Mildred, in the midst of a tirade against the sheriff, reverting instantly to tenderness.
Mildred, meditating by a billboard, hoping there’s more in the world than the worst.
Lisa Sandlin is the author of „The Do-Right„, out in Germany as „Ein Job für Delpha“ – which just made No. 2 on CrimeMag’s Top Ten List 2017. Gratulations, Lisa! Exclusiv for CrimeMag-Readers: The Way Fayann Found, a story-ette for Delpha, by Lisa Sandlin; Katja Bohnet in CrimeMag über Lisa Sandlins „Ein Job für Delpha“: Tausche Schaukelstuhl gegen Bein.
Claudia Schwartz
Der Goldene Schuss — 2017
Unter diesem Titel schaut das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung immer auf das Tatort-Jahr zurück. Claudia Schwartz, die bei der NZZ als Autorin federführend für Fernsehkritik ist, hat für uns das Jahr 2017 zusammengefasst.
Ein mutiger Film mit Maria Furtwängler: «Der Fall Holdt» war unser Favorit im ausklingenden Jahr. Ein klassischer Kriminalfilm, der einen Entführungsfall konsequent bis zum bitteren Ende durchspielt – ohne falsche versöhnliche Gesten und mit einer Maria Furtwängler, die ihre Rolle der Polizeiermittlerin bis an die Grenzen auslotet. Im Kontext der #MeToo-Debatte sensibilisierte der atmosphärisch dichte Film dafür, wie alltäglicher Sexismus immer noch zu einem prekären gesellschaftlichen Klima beitragen kann. Ein eindringlicher und kluger Film, den man sich auch ein zweites Mal ansehen kann. Was die Einschaltquoten anbelangt, erreichte diese Folge den fünften Platz mit 10,28 Millionen Zuschauern.
«Die Kommissarin wird zur Antiheldin, sie begeht einen Fehler, weil sie aufgrund der eigenen Beschädigung die professionelle Distanz verliert.» Hier geht es zur NZZ-Kritik.

Das Dortmunder Erfolgsteam: Daniel Kossik (Stefan Konarske), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) (v. l. n. r). (Bild: ARD)
Auf Dortmund und Berlin ist Verlass: Die Dortmunder machten sich 2017 mit nur einem Fall rar. Aber die – wegen des Berliner Anschlags – verschobene Folge «Sturm» stellte ein Highlight in diesem an Höhepunkten nicht reichen Sonntagskrimi-Jahr dar. Der WDR bleibt mit seinem Team, welches das Niveau konstant hält, weiterhin an der Spitze. Der nächste Dortmunder Fall wird unter dem Titel «Tollwut» am 4. Februar ausgestrahlt.
«Dieser zehnte Faber-Krimi macht noch einmal schlagartig deutlich, wie sich das Dortmunder Team (dank einem konsequent umgesetzten Konzept des horizontalen Erzählens und einer eigenen, von den Darstellern getragenen realistischen Qualität) längst vom Durchschnitt des Genres abhebt.» Hier geht es zur NZZ-Kritik von Claudia Schwatz: Fabers Trauma ist das unsere.
Allerdings rückt das Berliner Duo mit Mark Waschke und Meret Becker allmählich auf, was Qualität und konsequente Eigenwilligkeit anbelangt. Und dies, obwohl der RBB das anfänglich gepflegte horizontale Erzählen bereits wieder aufgegeben hat und mittlerweile lose Folgen präsentiert. Dortmund teilt den ersten Preis 2017 für das Gesamtwerk hier also mit den Berlinern, weil beim Hauptstadt-Krimi «. . . die Richtung stimmt. Mehr davon, bitte!», wünscht sich unsere Rezensentin. Die NZZ-Kritik von Inna Hartwich finden Sie hier.
Das schönste Sightseeing . . . boten in diesem Jahr übrigens auch die Berliner. Die Folge «Dein Name sei Harbinger» war nicht nur ein sehenswerter Krimi, sondern auch ein wunderbarer Berlin-Film mit bildschönen Ansichten der Hauptstadt.
So rückte etwa der sogenannte Bierpinsel (1972–76) prominent ins Bild, der nach Plänen der Architekten Ralf Schlüter und Ursulina Schlüter-Witte erbaut wurde. In seiner spacigen Anmutung ist der 47 Meter hohe Turm mit einem Mehreckbau mit dem Internationalen Congress Centrum Berlin (ICC Berlin) derselben Architekten verwandt. Der Bierpinsel liegt an der Schlossstrasse in der Nähe des Botanischen Gartens in Berlin-Steglitz.

Treffsicher: Die Kommissare Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) überzeugten gleich zum Auftakt. (Bild: SWR)
Aus dem Schwarzwald, aber nicht hölzern: Einen erfreulichen Einstand zeigte das neue, in Freiburg i. B. stationierte Team. Die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) sind fürs Ermitteln im Schwarzwald zuständig – und kommen alles andere als hölzern daher.
«Eines ist der Ausflug in den Wald auf keinen Fall: eine ‹Tatort›-Alternative für ‹Landlust›-Leser.» NZZ-Kritik von Daniele Muscionico: Schwarzes Paradies.
Ein «Tatort» über das deutsche Trauma RAF: Es kommt eher selten vor, dass sich der «Tatort» mit deutscher Geschichte befasst. Für eine Folge zum heiklen Thema Deutscher Herbst hatte der SWR wohlweislich den Regisseur Dominik Graf verpflichtet. Dieser enttäuschte nicht mit seinem «. . . feinen Gespür für die historischen Hintergründe und dem Faible für kulturelle Anspielungen.» NZZ-Kritik von Tobias Sedlmaier hier: Dominik Graf überzeugt.

Nur wer wagt, gewinnt: Der SWR zeigte einen theatralischen Lena-Odenthal-Krimi: «Babbeldasch». (Bild: SWR)
Experimente nur zweimal jährlich? Der Südwestrundfunk wagte in diesem Jahr zudem ein ungewöhnliches Experiment mit der Folge «Babbeldasch», bei der eine Laientheater-Truppe das sonntägliche Genre gegen den Strich bürstete. Dem «Tatort»-Publikum behagte offenbar die Hommage an das Theater nicht so recht – die Zuschauerzahl blieb mit 6,34 Millionen unterdurchschnittlich. Unserer Kritikerin gefiel aber nicht nur der «. . . Charme des Echten, die Romantik des Lokalkolorits.»
Laut Medienberichten soll es in Zukunft übrigens nicht mehr als zwei «Tatort»-Folgen mit Experimentiercharakter geben. Das wäre eine reichlich dumme Vorgabe, weil sich Kunst selten ergibt, indem man sie plant. Kommt hinzu, dass der Reiz dieses Formates nicht zuletzt aus der Wettbewerbssituation unter den einzelnen Teams resultiert. Wenn hier nur noch klassische Kriminalfilme gedreht würden, wäre das vermutlich der Tod des Sonntagabendkrimis.

Das Erfolgsteam Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) im 2017 quotenstärksten «Tatort» mit dem Titel «Fangschuss». (Bild: WDR)
Und die Quoten-Gewinner sind . . .
Alle Jahre wieder – es bleibt vorerst dabei – fahren die Münsteraner die besten Quoten ein. Dieses Mal war es mit «Fangschuss» allerdings auch gleich noch ein Rekord: Die Folge sahen 14,57 Millionen Zuschauer. Das waren so viele wie zuletzt bei einem Fall im Jahr 1992, als Sonntagskrimis allerdings noch keine Konkurrenz wie Netflix und Co. hatten. Die Münsteraner halten also ihre Pole-Position, dabei «. . . begibt sich das schon seit geraumer Weile sichtlich erlahmte Duo Thiel/Boerne weit unters Niveau jenes höheren Blödsinns, für den wir die beiden einmal so liebten. NZZ-Kritik von
Und egal, was die Kritiker dazu sagen, das Publikum entscheidet, und so kam mit «Gott ist auch nur ein Mensch» auch der zweitbeliebteste «Tatort» in diesem Jahr aus Münster.
Was das Schräge anbelangt, so hat indes der Weimarer «Tatort» jenen aus Münster längst überholt. Am Stephanstag stellen Nora Tschirner und Christian Ulmen ihr komödiantisches Talent unter Beweis in der diesjährigen Weihnachtsausgabe «Der wüste Gobi» (mit Jürgen Vogel in einer weiteren Hauptrolle).
«So viel Schiller, Goethe und Stadtarchiv war im ‹Tatort› bis anhin nicht zu sehen. Aber das ist nur auf Lokalkolorit getrimmtes Nebenprodukt.» NZZ-Kritik «Tatort» Weimar: Nichts ist hier heilig. Übrigens: Weimar-Drehbuchautor Andreas Pflüger verrät in seinem Jahresrückblick (siehe nebenan), was er an seinem Co-Autor Murmel Claussen mag.
In puncto Beliebtheit beim Publikum nehmen 2017 die Plätze drei und vier übrigens die Kölner ein mit den Folgen «Nachbarn» und «Tanzmariechen», die immerhin noch 11,16 beziehungsweise 10,74 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm lockten.
Wer 2018 aufhört
Lena nimmt Abschied von Kopper: Am 7. Januar 2018 wird Andreas Hoppe alias Mario Kopper, der beim Sonntagskrimi für Wein, Spaghetti und Italianità zuständig war, in der Folge «Kopper» das letzte Mal Lena Odenthal bei der Mordaufklärung unterstützen. Dass das den «Tatort» aus Ludwigshafen und Ulrike Folkerts retten kann, die 1989 als Amazone dieses Formats antrat, ist allerdings zu bezweifeln. Es ist länger her, dass man sich an einen gelungenen« Tatort» mit Ulrike Folkerts erinnern kann.

Auch Alwara Höfels (Mitte) hört auf. Bild aus ihrer zweitletzten Folge «Déjà-vu», die am 28. Januar 2018 ausgestrahlt werden soll. (Bild: MDR)
Bye-bye, Alwara Höfels! Ihren Abgang angekündigt hat auch die Schauspielerin Alwara Höfels, die im Dresdner «Tatort» mit der Rolle der Henni Sieland eine wunderbar unverwechselbare Figur schuf. Wo der Anfang in Dresden vielversprechend war («Auf einen Schlag»: hier unsere Kritik), so sackte das Niveau bald auf olle Kalauer ab, die des ambitionierten neuen Frauenteams nicht würdig waren, wenngleich nun ausgerechnet der jüngste Fall aus Dresden («Auge um Auge») wieder Hoffnung schöpfen liess.
Es gibt Ermittlerteams, die wirken austauschbarer als andere. Zu diesen zählt das Dresdner Duo sicherlich nicht; Höfels war die burschikose Henni Sieland auf den Leib geschrieben. Die Begründung der Darstellerin zum Abschied lässt tief blicken und erinnert ein bisschen an die Ratlosigkeit, mit der sich beim MDR bereits der «Tatort» aus Erfurt unglücklich in nichts auflöste.
Es fragt sich allerdings, ob der Dresdner «Tatort» noch zu retten ist, nachdem nur zwei Folgen aus Dresden wirklich überzeugten, und Höfels kein Blatt vor den Mund nimmt, was ihren Abschied anbelangt: «Unterschiedliche Auffassungen zum Arbeitsprozess und ein fehlender künstlerischer Konsens haben nach vielen Gesprächen diesbezüglich dazu geführt, dieses renommierte Format zu verlassen, da ich meine Verantwortung als Künstlerin ansonsten gefährdet sehe.»
Der nächste Fall aus Dresden wird schon bald am 28. Januar unter dem Titel «Déjà-vu» ausgestrahlt. Alwara Höfels‘ definitiv letzter Fall in der Ermittlerinnenrolle ist für Pfingstmontag geplant.
Mit freundlicher Erlaubnis des Verlags der „Neuen Zürcher Zeitung“. Claudia Schwartz trat 1994 trat in die Feuilletonredaktion der NZZ ein, war zehn Jahre deren Kulturkorrespondentin in Berlin und ist bei der NZZ als Autorin federführend für Fernsehkritik. Ihre NZZ-Artikel hier. Ihre Präsenz auf Twitter hier. Claudia Schwartz bei CrimeMag.
Claudia Schwartz II
Serien, die das Jahr 2017 überdauern werden
Auch wenn einige Pessimisten die grossen Tage der Fernsehserien bereits schon wieder für gezählt halten, waren auch im Jahr 2017 ein paar grosse Entdeckungen zu machen und niveauvolle Fortsetzungen zu sehen, die all die Schlechtwetterbotschaften im Nu hinwegfegten. Um die Zukunft dieses kreativen Spielfelds muss man sich also noch nicht allzu grosse Sorgen machen, führt man sich etwa The Handmaid’s Tale (NZZ-Kritik hier) vor Augen. Mit der Verfilmung von Margaret Atwoods gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1985 (deutsch: Der Report der Magd, erschienen beim Piper-Verlag) landete der amerikanische Streamingdienst Hulu gleich einen Coup. Bei der Verleihung der amerikanischen Emmys räumte The Handmaid’s Tale zu Recht ab. Und auch wenn man mit Superlativen vorsichtig sein sollte, darf man diese erste Staffel (eine Fortsetzung ist bereits angekündigt) zu den ganz grossen filmischen Annäherungen an die Literatur zählen. Hier fliesst die Sprache der Dichterin ein, ohne dass sie auf die parteiische Wehmut des Vergleichs aus wäre. Aber nicht nur deshalb ist The Handmaid’s Tale ein grosser Wurf. Die Serie – mit einer beeindruckenden Elizabeth Moss (Top of the Lake, Mad Men) in der Hauptrolle – gibt einem unheimlichen Realismus Raum, der eine autoritäre Welt heraufbeschwört und sie gleichzeitig in Rückblenden zur Gegenwart ins Verhältnis setzt.
Netflix machte derweil mit dem Release von Ozark ( (NZZ-Kritik hier) deutlich, dass es nun nicht einfach darum geht, die Blockbuster-Tradition des populären Kinos zu adaptieren, sondern dass man auch in jene Lücke zu springen gedenkt, die sich mit dem allmählichen Verschwinden der Arthouse-Tradition auftut. Zu den absolut sehenswerten Neuerscheinungen im Jahr 2017 darf man Ozark zählen, die nahe heranzoomt auf eine vordergründig gewöhnliche Familie aus Chicago, die es ins Landesinnere von Missouri verschlägt. Ozark zeichnet ein erfreulich unideologisches, dabei aber vielsagendes Bild vom inneramerikanischen Kulturkampf. Die Serie könnte alle erdenklichen Stereotype durchdeklinieren – vom brutalen Drogenkartell über die vom Leben enttäuschte Ehefrau bis hin zu den schlichten Gemütern der Rednecks. Sie verzichtet darauf zugunsten einer eigenen realistischen Qualität und spiegelt etwa das Thema des Familienzusammenhalts an diesem See in Varianten quer durch die Schichten. Wer sich ein genaues amerikanisches Stimmungsbild jenseits der Medienberichte machen möchte, der sollte sich diese Serie unbedingt anschauen.
Jane Campions Fortsetzung von Top of the Lake irritierte gleich auf zwei Ebenen, indem sie die Geschichte von der neuseeländischen Landschaft ins australische Sydney verlegte, und sie mit einer eher pragmatischen Alltagstauglichkeit ausstaffierte. Die Seelenlandschaft projiziert Campion hier auf thematisch höchst interessante Weise ins Innere ihrer Frauenfiguren, die Mutterschaft in unserer Zeit ist das generelle Thema. Um eine Verklärung traditioneller Werte geht es allerdings mitnichten. Wo künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, Freigabe zur Adoption für Teenagermütter die Themen sind, entwickelt sich ein nachdenkliches Gesellschaftsstück über die Rolle der Frau.
Waren die beiden Produktionen der grossen filmproduzierenden Streamingdienste, Netflix (Dark) und Amazon (You Are Wanted) noch dazu angetan, die Klage zu untermalen, dass es in Deutschland keine guten deutschen Serien geben könne, so waren in diesem Jahr mit 4 Blocks und Babylon Berlin zwei überaus sehenswerte Serien zu entdecken, deren Stärke darin liegt, dass sie – vor der Kulisse des aktuellen beziehungsweise historischen Berlin – eine Vorstellung von deutscher Realität zu zeichnen wagen. Bei 4 Blocks läuft das über das brutale kriminelle
Milieu eines libanesischen Clans in Berlin-Neukölln. Die Miniserie zählt, rasant inszeniert und kompromisslos in der Aussage, zum stärksten, was 2017 international zu sehen war und zeigt, dass gutes Fernsehen dann gelingt, wenn es eben nicht einfach Durchschnittsware sein will. (Ein spezieller Gruss geht hiermit an die ARD- Verantwortlichen, welche die experimentelle Tatort-Obergrenze nun allen Ernstes bei zwei Filmen jährlich angesetzt haben).
Gehobene deutsche TV-Kultur fand sich erfreulicherweise auch in Babylon Berlin.
Wo die vielbeschworene, aber nie realisierte herausragende deutsche Fernsehserie in den letzten Jahren schon fast zur nationalen Aufgabe herangewachsen war, exorzierte Babylon Berlin dieses Problem ganz wunderbar in der Form einer Hommage ans Genre des film noir. Kommt hinzu, dass die Serie das Risiko des historischen Themas auf sich nimmt, das mit der Weimarer Republik all die Fragen der Vorgeschichte des Nationalsozialismus mitbedenken muss. Hier gelang Tom Tykwer und seinen Mitstreitern ein mutiger Sprung in Richtung gehobene deutsche Fernsehkultur.
Bei den Fortsetzungen schliesslich überzeugte gottseidank die siebte Staffel von Game of Thrones wieder, nachdem die sechste einen argen kreativen Einbruch ausgewiesen hatte. Die HBO-Produktion ist meiner Meinung nach immer noch eine Referenzgrösse, was TV-Serien anbelangt, weil das von seinen schillernden Charakteren und weniger durch Abenteuer vorangetriebene Epos beispielhaft vorführt, wie das serielle Erzählen fürs Fernsehen sich vertieft und verfeinert. Game of Thrones ist übrigens nach wie vor die richtige Serie, geht es um die Frage nach dem Konflikt von Moral und Politik – und nicht etwa House of Cards, das Netflix-Flaggschiff, das schon seit geraumer Zeit in Seenot war – und nicht erst, seit der Affäre Kevin Spacey.
Dass Fortsetzungen eine Serie umformend weitererzählen und trotzdem qualitativ genauso hochstehend sein können, illustrierte aufs Schönste die zweite Staffel von The Crown, mit der Netflix dieses Serienjahr 2017 wahrhaftig adelte. Es gibt viele Gründe, diese Serie anzusehen – die wunderbare Claire Foy vor allem, die Königin Elizabeth II hier noch einmal zum Niedernknien spielt. Wer die Queen verstehen möchte, die mittlerweile eine Epoche repräsentiert, wird zukünftig um The Crown nicht herumkommen. Die Serie führt auf stupende Weise Politik und Privates zusammen, die sonst getrennt sind in Nachrichten und Boulevard.
Wallace Stroby
The best crime film I saw in 2017 actually came out in 2015 – Stefano Sollima’s Rome-set mob drama Suburra. I’d enjoyed Sollima’s work on the TV series Romanzo Criminale and Gomorrah, but I think Suburra, his
second feature film, is his masterpiece to date. Based on the book by Giancarlo de Cataldo and Carlo Bonini, it’s a complex, multilayered tale that takes place entirely during a tumultuous seven-day period in November 2011. That week saw Italian prime minister Silvio Berlusconi resign, the government teeter on the brink of collapse, and Pope Benedict XVI decide to step down from the Papacy. Against this real-life backdrop, Sollima has three families of gangsters going to war over the development of a lucrative Rome waterfront project. The Mafia’s elder statesman – nicknamed “Samurai” because of his focused and icy demeanor – wants peace so that a corrupt politician can seal
the deal. A young and ruthless gangster known as Number 8 wants the respect he feels he’s owed for doing more than his share of the dirty work. A Gypsy crime family – the Anacletis – is also willing to shed blood for a share of the profits, especially after one of their own is killed by Number 8, during a fateful chain of events put into motion
by one of the politician’s sex and drug-fueled nights.
Suburra requires more than one viewing to really get a sense of all the pieces in play. Sollima gives us some unforgettable secondary characters as well, including Number 8’s loyal junkie girlfriend, a hapless pimp whose father is in debt to the Anacletis, and a hooker whose fate is sealed after she helps cover up the death of an underage girl. At the beginning of the film, all the characters are on top of their respective worlds. By the end, they’ve all been toppled. Some survive, some don’t.
Visually, Suburra is heavily influenced by the films of Michael Mann. It’s full of rain-wet streets, reflected neon and striking neo-noirish compositions, set to a haunting techno score by M83. But nothing in the film is glamorized. The violence feels real, scary and often out of control. During a harrowing shootout in a brightly lit supermarket, guns jam, assassins slip and fall, and innocent bystanders get caught
in the crossfire. Every act of violence in the film leads to an evenworse consequence.
Suburra has since spawned a prequel TV series, though Sollima has handed off directing duties. I’m looking forward to his next film, the English-language Soldado, a sequel to Denis Villeneuve’s 2015 film Sicario, again starring Benicio Del Toro and Josh Brolin. It’ll be out in 2018.
Disclaimer: CrimeMag editor Alf Mayer has to confess to that he is not completely innocent at bringing Wallace Stroby’s Crissa Stone novels to Germany. He admits that he let some publishers have a glimpse at that books at KrimisMachen2 in Frankfurt, but he let them read only the first sentences. It worked. Now he is just translating Crissa book #4, „The Devil’s Share“. „Kalter Schuss ins Herz“ and „Geld ist nicht genug“ did pretty well, „Fast ein guter Plan“ is coming out February 2018. Out from Wallace Stroby in Summer 2018: Some Die Nameless (Mulholland).
Estelle Surbranche
Meinen Schock des Jahres 2017 verdanke ich Cardi B. und ihrem Track „Bodak Yellow“ – Hip-Hop, auf Elektro-Basis. Über die Musik hinaus inspirierte mich ihr Charakter: geschlagene Frau, sie wurde zur Stripperin und verwandelte ihren Körper (sie ließ ihre Brüste wieder aufbauen und ihr Gesäß vergrößern), als würde sie zu einer Rüstung werden.
Eine ziemlich zeitgemäße Empowerment-Story für Frauen!
Seit sie 16 ist, lebt Estelle Surbranche in der Welt des Techno. Im DJ-Kollektiv Girls’n’Roses legte sie Platten auf und machte sich als DJ Estelle S. einen Namen in der Szene. 2003 schrieb sie eine Biographie über Supreme NTM, eine französische Hip-Hop- Gruppe aus der Pariser Banlieue Saint-Denis. Außerdem ist sie Mitbegründerin des Magazins Flavor, deren Chefredakteurin sie seit 2014 ist. Ihr erster Roman, So kam die Nacht, erschien – übersetzt von – Cornelia Wend – im Sommer 2017 im Polar Verlag. An ihrem zweiten schreibt sie gerade.