Im Jahre 2006 hat Heinz J. Galle die Neubearbeitung seiner Volksbücher und Heftromane in drei umfangreichen und reich bebilderten Paperbacks abgeschlossen. Hunderte von Serien und Autoren, die Geschichte einer populären Literaturgattung von ihren Anfängen bis zu Millionen Auflagen ist unterhaltsam, fundiert und mit persönlichen Erfahrungen/ Leseerlebnissen unterstrichen aufgearbeitet worden. Wie Herausgeber Dieter von Reeken und Autor Heinz J. Galle aber zugeben, sind viele Ideen angesichts eines beschränkten Umfangs auf der Strecke geblieben. In der Form des vorliegenden Almanachs der Titel soll das zu behandelnde Spektrum zumindest ansatzweise verdeutlichen kommen eine Handvoll nicht verbundener Themen zur Sprache. Alle gehören sie mehr oder minder in den Umkreis der populären, aber nicht immer akzeptierten Massenunterhaltung oder wie das frühe Kino standen in Konkurrenz zu den Kolportageromanen, den Vorgängern der Groschenhefte und jetzigen Romanhefte.
Das Auftaktkapital Die schlechtesten Früchte sind es nicht
zeigt deutlich Galles anfängliche Schwierigkeit, aus einigen in den Volksbüchern nicht berücksichtigten Ideen einen wirklich befriedigenden abgeschlossenen Artikel zu schaffen. Wenn er von den literarischen Jugendsünden eines Gustav Fröhlichs schreibt, so ist es die einzige Idee, die wirklich zur Überschrift passt. Im Fall des Belgiers Jean Ray vergleicht er diesen zwar mit Edgar Allan Poe und H.P. Lovecraft und verweist auf den Wurzeln im Groschenheftsektor, übersieht aber gänzlich, dass insbesondere Lovecraft nur für die Pulpmagazine geschrieben hat und sein Werk erst posthum wirklich bekannt geworden ist. Mit Gardner, Hammett und Chandler stellt er drei Autoren des bekannten Pulpmagazins Black Mask vor, bei denen der Unterschied zwischen ihren für die auf billig gedruckten Papier gedruckten Geschichten und ihre wenigen Romane keiner hat je eine ehrbare Veröffentlichung als Hardcover gesehen nicht hervorgeht. Darum wirkt seine Argumentation zu oft zu bemüht und in der Gesamtheit nicht effektiv genug. Es wäre sinnvoller gewesen, dieses Kapitel in seine Volksbücher und Heftromane zu integrieren, zumal der Text nicht sonderlich lang ist. Nahtlos übergehend berichtet Galle im nächsten Abschnitt von den Jugendsüden einiger inzwischen bekannter Autoren der Drehbuchautor Reinecker, H.G. Konsalik oder Herausgeber Henri Nannen während der Zeit des Dritten Reichs. Diese beschränken sich auf Groschenromane oder Propaganda- Texte für die Jugend. Sicherlich ein kurzer, interessanter Überblick, dem in einem weiteren Almanach vielleicht eine eingehende Untersuchung folgen sollte. Eine echte Ergänzung der Volksbücher und Heftromane stellt das folgende Kapitel Die deutschen Magazine der Weimarer Republik dar, in dem sich Galle nicht nur mit den Hochglanzmagazinen wie Uhu, sondern auch den ersten Herrenmagazinen auseinandersetzt. In kompakter Form stellt er die Magazine inklusiv der oft gesellschaftlich bekannten Herausgeber vor, dazu kommt eine kurze Übersicht über deren Zielgruppe und deren inhaltliche Gestaltung, sowie Verweise für die Anhänger der utopischen Literatur auf wichtige Veröffentlichungen. So hat sich insbesondere das Wiener Magazin bei den phantastischen Texten hervorgetan. Neben einer Reihe von interessanten Abbildungen wie in den Volksbüchern werden die zahlreichen farbigen Abbildungen in der Mitte des Bandes im Block präsentiert, die schwarzweißen Bilder lockern den Text auf reflektiert Galle auch den gesellschaftlichen Wandel, zeigt in einem Kurzportrait das expandierende, dekadente Berlin zu diesem Zeitpunkt die drittgrößte Stadt der Welt - und den gegenseitigen Einfluss auf die publizierten Magazine. Auch wenn sich Heinz J. Galle in diesem sehr kurzweilig zu lesenden Essay an eine wahrscheinlich sehr kleine Gruppe von Sammlern wendet, dient der Artikel als sehr guter Übergang zu dem komplexen Themenbereich des phantastischen Films der frühen Jahre. Über die Hälfte des Bandes nimmt die Auseinandersetzung mit diesem für die Volksbücher im Kern neuen Medium ein. Dabei zeigt sich, dass dank der neuen verbesserten Drucktechniken und der Verbreitung des Kinos als Massenmedium spätestens in der Weimarer Republik populäre Literatur vom Groschenheft bis zum Hochglanzmagazin und cineastische Ablenkung zusammengehören. In der Betrachtung der Geschichte des utopischen Kinos macht Galle nicht den Fehler, eine weitere Studie hinzuzufügen, die auf die Klassiker und wenigen inzwischen noch oder wieder erhaltenen Filme eingeht. Sicherlich hat er Recht, dass insbesondere die Stummfilme von der Vernichtung durch Zwei Weltkriege und dem Zahn der Zeit betroffen worden sind. Betrachtet der Leser die Gesamtheit der produzierten Werke, ist nur noch ein Bruchteil vorhanden. Vergleicht man allerdings Galles Auflistung mit Filmbüchern aus den siebziger Jahren siehe Eversons Die Klassiker des Horrorfilms, Goldmann Verlag - , dann ist es überraschend, erstaunlich und positiv verwunderlich, wie viele als verschollen gelistete Filme inzwischen wieder aufgetaucht und dank der modernen Digitalisierung und Restaurierung wieder in einem sehenswerten Zustand sind In soweit ist Heinz J. Galles Studie der unbekannten, aber nicht unbedingt gleich zweitrangigen Filme eine interessante Ergänzung anderer populärwissenschaftlicher Werke. So weist zum Beispiel John Brosnans 1978 erschienene Studie des Science Fiction Films Future Tense eine Reihe von gänzlich unbekannten Stummfilmen auf, welche der Verfasser des Werkes nicht gesehen haben kann. Insbesondere in Bezug auf den frühen deutschen/ europäischen phantastischen Film ergänzt Galle diese Studie mit weiteren Werken. Dazu kommen die sehr gut drucktechnisch wiedergegebenen, überwiegend unbekannten Fotos und Plakate dieser Filme.
Die ersten Abschnitte des Artikels über die Stummfilmzeit vor und während des Ersten Weltkriegs beinhalten nicht viele neue Informationen. Galle benutzt diese Exposition als fundierte und kompakte geschriebene Exposition für seinen Exkurs in den phantastischen Stummfilm der Weimarer Republik. Hier geben sich bekannte Fakten siehe Metropolis, allerdings fehlt bei Galle auch der Hinweis, dass die New Yorker Skyline Fritz Lang zur optischen Ausstattung des Films inspiriert hat und unbekannte Filme die Hand. Insbesondere in Kombination mit einer Reihe amerikanischer Filmbücher ist Galles kurzweilig zu lesender Text eine empfehlenswerte Bereicherung, wenn auch die Zeit des Dritten Reichs siehe Gold als verlorenes, ausgeschlachtetes Kleinod oder F.P. 1 antwortet nicht als Musterbeispiel einer Hans Albers Heroisierung überraschende und nicht nachvollziehbare Lücken aufweist. Neben einer kurzen Inhaltsangabe finden sich einige nützliche Informationen über die literarische Vorlage und das Team vor/hinter der Kamera. Das Essay ist aber in erster Linie als Einstiegshilfe zu verstehen, der Autor legt mehr wert, einzelne Strömungen dieser Zeit dabei ist das Gesamtwerk betrachtend der Übergang von Film, Groschenheft und Magazin fließend zu beleuchten und keine fundierte Studie abzuliefern. Leider greift der Autor zumindest an einigen Stellen nicht auf neuere Artikel zurück, so hat Tim Lucas kürzlich in einer seiner Video Watchdog Ausgaben fundiert und überzeugend für eine deutlich gewichtigere Rolle Edgar Wallace bei der Entstehung von King Kong argumentiert unabhängig von der Tatsache, dass er schon ein Jahr vor der Premiere des Films in Hollywood verstorben ist. Galle wiederholt die älteren Thesen, die Edgar Wallace nur eine Promotion Erwähnung im Film zugestehen.
Deutlich interessanter wird der Text, wenn sich Galle einem Subgenre zuwendet, dem auch beim geschriebenen Wort seine Liebe gilt. Die Detektivserien. Da insbesondere die deutschen Kinoserien bislang kaum oder gar nicht analysiert oder beleuchtet worden sind, gelingt es Galle, neben Abbildungen von Filmprogrammen und seltenen Aushangfotos dem Leser einige einleitende Hinweise und vor allem interessante Informationen zu geben. Dabei verweist Galle immer wieder auf die Heftromane, deren Inhalt er schon im ersten Band seiner Edition besprochen hat. Da im Titel auch Fu Man Chu erwähnt wird, wäre es an einigen Stellen sinnvoll gewesen, bislang eher spartanisch erwähnte Heftromanserie jetzt im Zusammenhang mit den Verfilmungen siehe beispielsweise Sax Rohmers Bücher ausführlich zu rezensieren und Zusammenhänge/ Unterschiede herauszuarbeiten. Zumindest bietet dieses Essay ausreichende Ansätze für eine ganze Reihe von Artikeln sollte der Almanach zu einer regelmäßigen, jährlichen Einrichtung werden. Mit einem sanften ironischen Unterton versehen lässt sich der Artikel sehr kurzweilig lesen. Im Anschluss schreibt Galle nur noch auf wenigen Seiten über die phantastischen Filme, die in den Jahren 1947 bis 1950 in Trizonesien und Österreich gelaufen sind. Eine kurze Aufzählung der Filme, dazu ein recht lockerer Umgang mit Zahlen Destination Moon lief erst im Jahre 1951 im deutschsprachigen Raum an und passt zumindest zeitlich nicht in die Titelzeile machen den Artikel eher zu einer persönlichen Hommage als einer interessanten Lektüre. Einige der besprochenen Filme hätten im vorangestellten längeren Artikel mit dem Hinweis auf eine deutschsprachige Premiere erst nach dem Zweiten Weltkrieg integriert werden können, andere Film stehen in einem stärkeren Kontext mit der Entwicklung des phantastischen Films in den fünfziger Jahren und darüber hinaus. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, eine stärkere persönliche Note in diesen kleinen Nachzügler zu bringen und das Erlebnis Kinobesuch im Nachkriegsdeutschland zu skizzieren.
Am Ende kommt die Sprache auf die Glückspilze, Käuze und Sammler. Ein wenig ironisch allerdings mit warmherzigen Unterton berichtet Galle von den legendären Schätzen auf dem Dachboden, Jahrzehnte vor der Witterung bewahrt, möglichst nicht gelesen und der lebenslangen Obsession. Da er Zitate aus Briefen des früh verstorbenen Sammlers Ehrig mit den Schicksalen von ganzen Sammlungen nach dem Tod des Besessenen vermischt, wirkt das Essay angesichts einer aussterbenden Generation insbesondere die Leser der Groschenhefte vor dem Zweiten Weltkrieg sind schon in den siebziger und achtziger Lebensjahren auch ein wenig melancholisch.
Als Ergänzung zu den Volksbüchern und Heftromanen ist der Almanach für populäre Literatur eine empfehlenswerte Lektüre. Im Gegensatz zu den sehr konsequent aufgebauten Volksbüchern sind die Themen breiter gesteckt worden, mit dem Blick über den Tellerrand hinaus Film und Herrenmagazine könnten vor allem Leserschichten angesprochen werden, die früher die Abenteuer- Almanache des Ronacher- Verlages gekauft haben. Es bietet sich allerdings an, neben dem fleißigen Heinz Galle auch andere Autoren zu motivieren und zu integrieren, die sachspezifisch längere Artikel zu einem Aspekt der Unterhaltungsliteratur beisteuern. Damit soll Heinz Galle als Autor weder herabgewürdigt noch seine Recherche-/ Schreibleistung kritisiert werden, aber eine jährliche Publikation zum Thema Abenteuerliteratur, die sich insbesondere an einen Kreis ernsthafter Leser und Sammler wendet, könnte zu einer zumindest intellektuell, wenn auch weniger finanziell lukrativen Einrichtung werden. Wie die ersten drei Bände sehr unterhaltsam geschrieben, drucktechnisch eine Augenweide das beginnt beim Cover und zieht sich über die Farbabbildungen im Innenteil bis zu den zahlreichen schwarzweiß Illustrationen trotz kleinerer Schwächen eine empfehlenswerte Lektüre.
Heinz J. Galle: "Zwischen Tecumseh und Doktor Fu Man Chu"
Sachbuch, Softcover, 190 Seiten
Dieter van Reeken 2007
27. Apr. 2007 -