Kodachrome
Lange bevor das Genre der Farbfotografie als dokumentarisches oder künstlerisches Stilmittel anerkannt wurde, nutzte Fred Herzog (*1930) dieses Medium für seine Alltagsbeobachtungen. Kodachrome-Filme, eingeführt 1935, galten bis in die 1960er-Jahre als Amateurprodukt für heimische Dia-Shows. Herzog jedoch widersetzte sich dieser Einschätzung und machte sich die Farbfotografie früh zueigen. Neben der komfortablen Handhabung der Farbfilmentwicklung überzeugte ihn die Möglichkeit, Farben, Texturen und Stimmungen detailgetreu abbilden zu können. Flanieren, Sehen und Entdecken waren seine Leidenschaften. Mit einer Kodak Retina I – und später einer Leica M 3 – fing der deutschstämmige Emigrant in seiner Freizeit das städtische Leben der kanadischen Westküste ein. Die gewöhnlichen Motive seiner Wahlheimat, die es nicht in Zeitungen schafften, zogen seinen fotografischen Blick an: Straßenzüge, Bürgersteige, Schaufenster, Geschäftsauslagen, Werbeplakate, Parkplätze und Hinterhöfe – mal menschenleer oder wie zufällig bevölkert von vorbeiziehenden Passanten.
Black Man Pender, 1958 © Fred Herzog und Equinox Gallery
Eines war bei dieser Herangehensweise besonders wichtig: eine unaufällige Kamera. Die Menschen, so Herzog, dürften nicht wissen, dass sie aufgenommen würden. Nur so entstünden gute Bilder. Herzogs Anliegen war das Erfassen des realen, unverfälschten Lebens: »Ich malte mir aus, wie ich vielleicht fünfzig oder hundert Jahre später den Menschen zeigen müsste, wie die Stadt einmal ausgesehen hat«, so der Fotograf. Was er in seinen Bildern beschreibt ist ein großer Städteroman, der das einzelne Bild als Teil der Narration begreift und dem kulturellen Status Quo eine Bleibe bietet.
Elysium Cleaners, 1958 © Fred Herzog und Equinox Gallery
Als Künstler sah Herzog sich selbst lange Zeit nicht. Seine Aufnahmen entstanden nach Feierabend in seiner Freizeit. Den Familienunterhalt verdiente der gebürtige Deutsche als Leiter der Foto- und Filmabteilung der University of British Columbia (UBC). »Als Fotograf ein Profi, als Künstler ein Amateur«, so beschreibt , Claudius Seidl, Feuilletonchef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, den Pionier der Farbfotografie. Erst Ende der 1960er-Jahre wurden erste Medien auf Herzog aufmerksam. Heute gilt er, mit seinem Konvolut von über 100.000 Farbaufnahmen, als Impulsgeber der »New-Color-Fotografie« avant la lettre.
Die jetzt bei Hatje Cantz erschienene Publikation Fred Herzog | Modern Color ist die bisher umfassendste Monografie des heute 86-Jährigen. Sie vereint mehr als 230 der wichtigsten Aufnahmen, von denen ein Gros nie zuvor reproduziert wurde. Autorenbeiträge von David Campany, Hans-Michael Koetzle und Jeff Wall ergänzen die Bildwelten um kunsthistorische Verortungen sowie um Hintergründe zur Vita des Künstlers.
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