Ins Mathematische verrückt
Dreh- und Angelpunkt von Georges Perecs nun wieder im regulären Buchhandel verfügbaren Kultklassiker ist ein Pariser Mietshaus, das in 99 Kapiteln ebenso viele Zimmer vorstellt, und deren exakt 1467 Figuren zählendes Personal (Bewohner und Besucher, Vorgänger und Liebhaber, Verwandte und Verflossene…) an einem Roman sondergleichen weben, an Romanen im Plural. Unwiderstehlich hineingezogen in ergreifende, tragische, witzige, unwahrscheinliche, verrückte Erzählungen lesen wir von Einsamkeit und Verstrickung, Scheitern und Glück und dabei stets große Literatur. Das Leben. Gebrauchsanweisung, erschienen bei Diaphanes, entwirft ein kaleidoskopisches Panorama, ein kunstvoll gestaltetes Puzzle der menschlichen Existenz.
Stefan Zweifel bespricht das Buch in der SZ:
„Nach Perecs Tod fand man in seinem Nachlass Hunderte Seiten, in denen er das Regelwerk seines Meisterstücks festlegte: das Leben als Gebrauchsanweisung. Zunächst stößt man auf Skizzen mit jeweils zehn Farben, Gesten, Möbeln oder Zitaten aus der Weltliteratur, die auf algorithmische Weise kombiniert werden, um für jedes Kapitel 42 Schlüsselworte festzulegen, um die sich das jeweilige Kapitel ranken muss. Diese Zwänge, dachte Perec, engen die Fantasie nicht ein, sondern entfesseln sie. So sei eine programmatische Notiz Friedrich Nietzsches zu verwirklichen: "Literatur des 20. Jahrhunderts: verrückt und mathematisch zugleich, analytisch-fantastisch: die Dinge wichtiger und im Vordergrund, nicht mehr die Wesen; ... mehr von der Geschichte im Kopfe erzählend als von der im Herzen."“
Georges Perec: Das Leben Gebrauchsanweisung. Aus dem Französischen von Eugen Helmlé. Diaphanes Verlag, Berlin 2017.
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