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Neu im Limmat Verlag und herausgegeben und übersetzt von Felix Philipp Ingold:
Pierre Chappuis: So weit die Stimme reicht / A portée de la voix. Gedichte und zwölf Aufzeichnungen, französisch und deutsch.
Pierre Chappuis ist ein Dichter der Natur. Durch sein ausserordentliches Gespür und die Unverwechselbarkeit seiner Poesie bringt er sie so einfühlsam zur Sprache, als hätte sie selbst das «Wort» ergriffen, um ihre Ödnis und Pracht, ihre Grausamkeit und Sanftmut, ihre Beharrlichkeit und ihren Wandel sprachlich zu offenbaren.
Die Natur hat bei Chappuis kein idyllisches und auch kein dramatisches oder exotisches Gepräge, sie erscheint zumeist in vordergründiger Unscheinbarkeit mit Feldern und Wäldern, Gewässern und Hügeln, Felsen und Pfaden, eine in sich ruhende, weitgehend unbeschädigte Welt, die freilich durch jäh klaffende Abgründe oder durch zivilisatorischen Lärm aus der Ferne – Autobahn, Eisenbahn, Fabrik – bisweilen auch bedrohliche Komponenten erkennen lässt. In «So weit die Stimme reicht / À portée de la voix» versammeln sich all die Themen, Motive und Verfahren, die der Autor im Verlauf vieler Jahrzehnte immer wieder aufgegriffen und dabei laufend differenziert und fortentwickelt hat.
„Pierre Chappuis, sprachmächtig und sprachskeptisch zugleich, hat sich eine negative Poetik zu eigen gemacht, ausgehend davon, dass die Dingwelt und deren Wahrnehmung nicht adäquat zu benennen, schon gar nicht zu beschreiben seien; dass jeder diesbezügliche Versuch seinen Gegenstand verfehle, verfremde, ihn letztlich verrate; dass also menschliche Rede – die Rede des Dichters nicht ausgenommen – bestenfalls «ein Stenogramm sein könne, ausgerichtet mit ganzer Energie auf das, wodurch sie negiert wird». Das Ding negiert demnach das Wort, das ihm nie wirklich «entsprechen», nie «gerecht» werden kann; das Wort wiederum negiert das Ding, indem es sich an dessen Stelle setzt, es mithin repräsentiert, ohne es tatsächlich präsent zu machen.“
Felix Philipp Ingold in der NZZ
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