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Poetische Kritik der mathematischen Vernunft

Redaktion: 

 

Manfred Chobot über José Muchniks „Poetische Kritik der mathematischen Vernunft“:

 

»Poetische Kritik der mathematischen Vernunft« nennt José Muchnik eines seiner Gedichtbücher. Ein Titel, der einen den Mund öffnen und ihn weiterhin offenstehen lässt. Möchte der Autor die Mathematik mit den Mitteln der Poesie aushebeln? Womöglich die Schwerkraft aus den Angeln heben? Ein Anspruch, der aufhorchen lässt, denn es gibt wohl kein Thema, das von der Poesie und der Lyrik bislang nicht in Anspruch genommen wurde. Ich behaupte, Gedichte über Mathematik sind noch weitaus rarer als Gedichte über Schrauben, Kühlschränke oder Kompressoren.

Mathematik und Poesie – zwei anscheinend oder scheinbar unvereinbare Gegensätze? Trachtet hier jemand, Feuer und Wasser unter einen Hut zu bringen, Ungeduld und Geduld miteinander in Einklang zu bringen, eine Einheit zu gestalten aus widersprüchlichen Paaren oder Widersprüche erst sichtbar zu machen? Einander ausschließenden Denkschemata ad absurdum zu führen. Sehr spannend!

Wie stabil ist ein mathematisches Gebäude? Und wie stabil ist ein poetisches Gebäude? »Sollte Poesie existieren, strebt sie gegen unendlich.«

 

Nichts ist reziprok
alles asymmetrisch

Mein Gesicht im Spiegel
ist nicht mein Gesicht

Dieser flüchtige Blick
reflektiert nicht meine Pupillen

Diese verschlossenen Lippen
schützen nicht meine Stimme

Diese ledrigen Falten
vermitteln einen anderen Schmerz

Meine Hand in einem See
ist nicht meine Hand

Reziproke Zeichen (Kehrwert)

 

José Muchnik: Poetische Kritik der mathematischen Vernunft. Aus dem argentinischen Spanisch und mit einem Nachwort von Manfred Chobot. Umschlaggestaltung von Juana Burghardt. Edition Delta, Stuttgart 2018

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