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Impressum | Mediadaten | Last update: 31.03.2013, 18:13

 

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Volk ohne Traum


Ein Statement
von Uve Schmidt

Es lebe der Mai!

Wenn ich mir die vielen guten Genossen
anhöre, die sozusagen privat ihre Meinung
über ausländische Genossen äußern als
„Ausnahmeerscheinungen“ (wozu sie wohl auch
mich rechnen), dann kommen mir Zweifel an der
internationalen Solidarität.
                                             Rosa Luxemburg, 1913

Wenn ich die vielen 1.Mai-Feiern in meinem unmittelbaren gesellschaftlichen Leben erinnere als  Teilnehmer an „festlichen Ummärschen“ vormittags in der mitteldeutschen Provinz, an Kundgebungen in westdeutschen Großstädten oder auf nachmittäglichen Gartenpartys unter befreundeten Genossen, dann kann ich verstehen, dass der Wochenschaubericht von Hitlers Tag der Arbeit auf dem Tempelhofer Feld 1933 einen „zutiefst ergreifenden Eindruck“ hinterließ, zumal, wenn man später Leuten begegnete, die damals dabei waren als klassenbewusste Industrie- und Bauarbeiter, Reichsbahner oder Postschaffner.  
Natürlich waren die Maifeiern in Moskau einsame choreografische Spitze und gewiss hatten auch die mongolischen Genossen Yakzüchter im fernen Ulan Bator etwas zu bieten, aber in toto war es Staatszirkus auf den Paradestraßen oder Ringelpiez mit Freibier & Waldmeisterbowle, denn der viel zitierte „Kampfmai“ in echt ist meiner Generation erspart worden. Womit ich nicht nur das Aufeinandertreffen von streikenden Arbeitern und der Gendarmerie meine, die Straßen- und Saalschlachten zwischen Linken und Rechten und nicht die Bierzeltraufereien unter besoffenen Volksgenossen aller Couleur, sondern die deutsche Arbeiterbewegung als Speerspitze sozialer Veränderungen, was Rosa Luxemburg nicht mehr erleben durfte und was sie vermutlich wenig gefreut und gewiss nicht befriedigt hätte.
Das Widerspenstige zwischen Theorie und Praxis politischer Arbeit ist leider (oder gottlob) kein alleiniger Geburtsfehler des Marxismus, sondern inhärenter Makel aller staatsphilosophischer Retortenbabys, eine Haltungsschwäche, welche zwar mittels Stahlkorsett ausgeglichen werden kann, das jedoch in unvertrautem Gelände ein Opfer der Schwerkraft wird, sobald die Stützen des Systems versagen oder sich entziehen. Ich habe mir das Stahlkorsett als Metapher für totalitäre Regime gegönnt, weil es taugt, wie ich denke, und weil meine Mutter, die durch lange peinvolle Jahre ein Stahlkorsett trug, niemals umfiel und keine Gehhilfe benötigte, sondern nach einer OP kein Korsett mehr brauchte, was zu der Ansicht verleitet, dass nicht alle Diktaturen chirurgischer Eingriffe bedürfen, um demokratisch zu funktionieren, solange gutes Zureden und ein personaler Pferdewechsel ausreicht. Dass das nicht klappt recte genügt, sehen wir in den meisten der einst kommunistischen Staaten und in fast allen arabischen Ländern sowie in jenen Demokratien, die sich mit dem Sondersegen des Vatikans freigewählte Parlamente leisten in Südeuropa und Südamerika, in Mexiko, auf den Philippinen und in der Karibik.

In solchen Ländern leben wir (u.v.a.) nicht, doch das kann sich alles noch ändern, wenn der aus dem Griechischen stammende Begriff Kleptokratie weiterhin nicht ernst genommen wird, weil  er sich dem Kabarett zu verdanken scheint. Tatsächlich scheint das Wort tabu, denn man hört und liest es beinahe nie, obwohl kein politischer Terminus die herrschenden sozialen Sachverhalte treffender kennzeichnet: Persönliche Bereicherung durch Ausnutzen gesellschaftlicher Privilegien. Der Verweis, in den hellenischen Stadtstaaten (und späterhin anderswo in Europa) seien damit der Adel, die Beamten und die Priesterschaft gemeint gewesen und diese Stände hätten a) spätestens seit 1918/19 ausgespielt und b) lebten wir nicht in rechtsfreien Räumen,  ist nur halbrichtig, weil asoziales bzw. kriminelles Verhalten in allen weltanschaulichen Systemen entstehen, sich entwickeln und enthemmen kann bis zum Exzess, wozu einem nicht nur die Schrecken des Europäischen Bürgerkriegs (Nolte) einfallen müssen, sondern auch die Entartungen unserer Tagespolitik auffallen sollten und das einfache hundsgemeine Leben der sogenannten Ärmsten, denn privilegiert sind wir mittlerweile alle.

In der Tat gibt es keine soziale Randgruppe, keine gesundheitlich, ethnisch, konfessionell oder sexuell beeinträchtigten Bittsteller, die nicht umgehend das Mitgefühl kirchlicher, staatlicher und privater humanitärer Einrichtungen finden bzw. veranlassen, entsprechende Beratungs- und Betreuungsstellen zu schaffen, nicht zu reden von den sich täglich gründenden sogenannten Selbsthilfekreisen, Hauspflegediensten und Kontaktagenturen aller Art, die sich sowohl dem Fiskus als auch jeder rechtspflegerischen Aufsicht entziehen, um sich kraft des gesellschaftliche Privilegs der Gewerbefreiheit zu bereichern,  indem sie die Dummheit oder Demut ihrer Pfleglinge und Ratsucher gezielt ausnutzen, und natürlich schlägt am meisten zu Buche die Ausnutzung von Gesetzeslücken und Blinden Flecken im Sozialstaatsunwesen. Zusätzlich werden wir von polnischen Fahrzeugdieben, Buntmetallhehlern und Enkeldarstellern geschädigt, von westafrikanischen Pseudoadvokaten geschröpft und von serbokroatischen Totogangstern abgezockt, und für das Gedeihen der kosmopolitischen Kavaliersdelikte sorgen die Deutschen selbst, wenn sie zum Schein exotische Wanderhuren heiraten, Rattenlöcher an illegale Ausländer vermieten und die selben als  Schwarzarbeiter vermitteln oder beschäftigen zu kriminellen Bedingungen. Man/frau ist ja solidarisch, vor allem aber deutsch: Von der geburtlich erlangten Staatsbürgerschaft (ggf. eine Religionszugehörigkeit durch Taufe o.ä.), von Erziehungsberechtigten gebotene heizbare Heimstätten und regelmäßige Nahrungszufuhr, amtlich gebotene Gesundheitskontrollen, Schulpflichtigkeit (plus Lernmittelfreiheit),  Spiel- und Sportangebote sowie kulturelle Sozialisierung durch musisch- technische Interessenpflege und –förderung, und selbstverständlich werden im Zusammenwirken von Elternhäusern und Schulen auch Vorbereitungen zur Berufsfindung und Arbeitsplatzwahl getroffen.

Dies ist das Trampolin für jedermann, seit ich 1946 in der Ostzone (SBZ) eingeschult wurde, und weil ich ein intaktes Elternhaus hatte, war ich zwar begünstigt, doch privilegiert nur insoweit, als auch mir von Amts wegen zustand, was alsbald das parteigesetzliche Privileg der Arbeiter- und Bauernkinder sein sollte, konkret, sie genossen gewisse Rücksichten und Vorteile und sollten unbedingt zum Abitur geführt werden, was Kindern bürgerlicher Herkunft nur noch bei Bestleistungen und tadelloser gesellschaftlicher Mitarbeit ermöglicht wurde. Heute riskiert man hierzulande den außenpolitischen Knatsch mit ehemaligen Ostblockstaaten, weil man nicht weiß, wie man minderjährige Roma & Sinti der Studienstiftung des Deutschen Volkes nahe bringt, ohne die analphabetischen Eltern aufzubringen. Tatsächlich ist das altindische Wandervolk in unseren Breiten und Tagen die privilegierteste Volksgruppe überhaupt: Als geschützte und gehegte historische Minderheit, als Überlebende des faschistischen Genozids, als eurasische Nomaden (die einzigen neben den arktisch begrenzten Samen) und als asoziale Außenseiter. Solange die Europäische Union und die UNO (UNESCO) kein defensives Konzept zur Zivilisierung der ziganischen Migranten vorlegen und durchsetzen, bereichern wir das persönliche Gewissen der gesellschaftlich Privilegierten ebenso wie das ihrer diesbezüglich gewissenlosen Schützlinge unter Ausnutzung einer desolaten Gesetzeslage und einer verunsicherten gutbürgerlichen Bevölkerung, welche nicht nur ihre Sozialkassen bedroht sieht, sondern auch den multikulturellen Burgfrieden.

Womit wir wieder bei den Werktätigen  wären, denen am 1. Mai (zumeist schon am Vorabend) in der  DDR ja keine vorrevolutionären Kampfziele gesetzt werden mussten, denn dank der Roten Armee und der SED hatte man ja alles erreicht. Also marschierten die Jugendlichen als FDJ, die Kinder als Junge Pioniere, die Rentner als Veteranen, viele Bühnenkünstler und freischaffende Frauen quasi als Gäste des Proletariats, welches sich verstärkt hatte vermittels Angestellter und Angehöriger der schaffenden Intelligenz, womit die Akademiker gemeint waren, sowie die Delegierten der Bauern und Landarbeiter/innen auf Traktoren mit Anhängern unter der Parole FÜR FRIEDEN UND VÖLKERFREUNDSCHAFT, und wenn ich mich recht erinnere, war dergleichen später auch im Westen zu lesen auf Transparenten, die nicht von K-Grüppchen getragen  wurden, sondern von verfassungstreuen deutschen Linken. Keine Ahnung, was diesmal gefordert oder gepriesen, gelobt oder geschmäht wird, ganz gewiss etwas wie WIR LASSEN UNS NICHT VERARSCHEN! Und weil es immer noch der Internationale  Kampftag der Werktätigen aller Länder (o.s.ä)  ist, werden auch die nationalen Großfamilien des antikapitalistischen und antiimperialistischen Widerstandes auftreten, aber komischerweise keine Zigeuner, obwohl ihnen der 1. Mai aus ihren volksdemokratischen Heimaten ja noch gut vertraut sein dürfte, als  sie nicht nur Tanzmusik machen mussten, sondern auch mitmarschieren durften, weil alle, alle noch Arbeit hatten und rote Nelken im Haar…

 

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Abendlanddämmerung klingt nach Titelschutzobjekt, ist aber keines, sondern die Alte Welt im Spätlicht ihrer Zivilisationsgeschichte, wahrgenommen von der Warte eines Kulturpessimisten. In der Tat verhelfen auch optimale Observationstechniken nur zu Bildern, welche richtiggedeutet werden ollen, im Zweifelsfalle zugunsten der jeweiligen Feindbildvorlage. Allerdings bedarf es keiner Satellitenfotos, um die Mondsichel über Kölln und Kreuzberg zu erkennen, das Kraushaar im europäischen Milchsee und den großen Graben zwischen Schlesien und Schwaben, Alt (Franz) und Jung (Claudia), Pontefix und Cybersex, zwischen Ideal und Kapital: Um die Eingeweide unserer hirnrissigen Gesellschaft auszuleuchten, langt die photopoetische Sonde des Uve Schmidt.

 


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