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Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Norbert Kron: Autopilot

Die Leere hinter den Bildern Michael Lindberg ist der posthumane Prototyp für das 21. Jahrhundert: Er ist Inhaber einer erfolgreichen Produktionsfirma am Hackeschen Markt in Berlin und hat sein Leben dank eines konsequenten Selbst-Managements fest im Griff. Vorbei sind die Utopien und Sinn-Debatten der 68er, entgegen Adornos Diktum geht es nun ganz genau darum „das richtige Leben im falschen“ zu führen: „Ich-Technologie, die Welt ist ein Bausatz, spielen wir Playmobil.“ Michael Lindberg ist der Protagonist von Norbert Krons Debut-Roman „Autopilot“. Lakonisch und mit einer feinen ironischen Grundierung führt uns derRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Sigrid Damm: Tage- und Nächtebücher aus Lappland

Ausbruch in den „Raum der Stille“ Tiefes, tranceartiges Glück und schwarze Melancholie wechseln sich auf dieser Reise ab Den Alltag hinter sich lassen, die Lasten der Zivilisation abwerfen und endlich wieder einmal zur Ruhe und zu sich selber kommen – wer träumte nicht davon? In ihrem neuen Buch präsentiert Sigrid Damm zusammen mit ihrem Sohn, dem Fotografen und Künstler Hamster Damm, die Ergebnisse eines exemplarischen Feldversuches: Sieben Tage wanderten beide unabhängig voneinander und autark durch die Einsamkeit Lapplands, durch einen schier unendlichen „Raum der Stille“. Die „Tage- und Nächtebücher ausRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Ulrich Peltzer: Bryant Park

Hoch konzentrierte Prosa-Montagen Ulrich Peltzer gilt seit seinem 1987 veröffentlichten Debut-Roman „Die Sünden der Faulheit“ als einer der vielversprechendsten und ambitioniertesten Autoren in der jungen deutschen Literaturszene. Doch auch nach zwei weiteren, von der Kritik gelobten Romanen und diversen Literaturpreisen ist er bis heute eher ein Geheimtipp geblieben – und das ist auch kein Wunder, denn der 1965 in Krefeld geborene und mit 18 Jahren nach Berlin übergesiedelte Autor serviert dem Leser kein leicht verdauliches Fast food mit künstlichen Geschmacksverstärkern, sondern kernige Kost, die gut gekaut und wohl verdaut seinRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher

Veit Heinichen: Die Toten vom Karst

In den Schluchten Istriens In Veit Heinichens fesselndem Debut „Gib jedem seinen eigenen Tod“ lachte noch die Sonne über Triest und mit seinem Comissario Laurenti tauchte der Leser tief ein in das mediterrane Azur von Himmel und Meer. Im zweiten Fall von Laurenti fegt nun die ungemütliche Bora Nera über Triest und bringt Schnee und Schafskälte. Doch nicht alleine das Wetter schlägt dem sympathischen Comissario schwer auf das Gemüt: Auch seine Frau hat ihn verlassen und sein Sohn Mario treibt sich in gefährlicher Gesellschaft herum – schlechte Vorzeichen für knisterndeRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher

Mo Hayder: Die Behandlung

Packender Psycho-Schocker Für diesen neuen Thriller von Mo Hayder sollten Sie sich unbedingt zwei bis drei Tage frei nehmen – denn freiwillig legt man es kaum vorher aus der Hand, als bis die letzte der 500 eng beschriebenen Seiten atem- und fassungslos verschlungen ist. Dazwischen liegt ein packender Horrortrip, der mit einer nie nachlassenden, fast schmerzhaften Hochspannung in die dunkelsten Abgründe des menschlichen Seins führt. Mo Hayders Kriminal-Fall ist im Süden Londons angesiedelt, am Rande des Brockwell-Parks, in direkter Nachbarschaft zum Stadtteil Brixton. Hier wird die Familie Peaches in ihremRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Bruno Richard: Desaster

Auf dem Wellenkamm der Zeit In unserer schnelllebigen Zeit sind die Schreckens- und Untergangs-Szenarien zum Jahrtausendwechsel schon fast wieder vergessen. In seinem Roman „Desaster“ legt Bruno Richard nun einen apokalyptischen Remix dieser vorgeblichen Zeitenwende vor – mit rasanten Breaks und harten Schnitten vor der schillernden Kulisse Berlins trendig inszeniert. In einer Welt, die zwischen Wahn und Wirklichkeit changiert und wenig sichere Orientierung bietet, sieht sich auch Bruno Richard nicht veranlasst, dem Leser einen roten Faden an die Hand zu geben. In abrupten Szenenwechseln jagt er durch die kontrastreichen Stadtteile undRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Stefan Sullivan: Sibirischer Schwindel

Go East Der 1966 geborene Stephen Sullivan legt in seinen beiden Abenteuer-Novellen los wie die Feuerwehr und entzündet ein sprachgewaltiges Feuerwerk voller Witz, Trash und Philosophie. „Go West“ hieß das Credo der hoffnungsvollen Siedler zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Nordamerika. „Go East“ könnte das Credo einer Generation heißen, die im Stillstand der Postmoderne aufgewachsen und von einem „vagen Gefühl der Rastlosigkeit“ und der „reizbaren Ungeduld“ zum Aufbruch getrieben wird. Zwischen seinem Schulabschluss und dem Eintritt ins richtige Leben entschließt sich so auch der Ich-Erzähler in Stephen Sullivans beeindruckendem Prosa-DebütRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Markus Orths: Corpus

Nachdenkliches Debüt Christof und Paul sind durch eine lange gemeinsame Kindheits- und Jugendzeit in einem kleinen Winzerdorf sowie ein tragisches Ereignis tief verbunden – nach Jahren, in denen sie sich aus den Augen verloren haben, treffen sie in Berlin wieder zusammen. In den Stunden diese Treffens, bei einem „großen Roten“ aus dem Weinkeller, lässt Markus Orths in seinem Roman-Debüt nun die Geschichte einer Freundschaft wieder auferstehen und leuchtet dabei die existentiellen Fragen von Sinn, Schuld und Liebe aus. Spröde und sperrig kommt Markus Orths Prosa zunächst daher und gleicht sichRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Reiner Stach: Kafka: Die Jahre der Entscheidung

Literatur als Fokus der Existenz Ohne Zweifel zählt Franz Kafka zu den wichtigsten Vertretern der literarischen Moderne und unüberschaubar ist das Meer von Aufsätzen, Kommentaren und Monographien zu seinem Werk – vergebens suchte man aber erstaunlicherweise bisher eine fundierte deutschsprachige Biographie. Diese Lücke schließt nun der Literaturwissenschaftler und Autor Reiner Stach: Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse erschien beim S. Fischer-Verlag der erste Teil einer auf drei Bände angelegten, voluminösen Kafka-Biographie. „Die Jahre der Entscheidungen“ lautet der Untertitel des ersten Bandes und Stach öffnet die biographische Blende im Jahre 1910 – zeitgleichRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Kem Nunn: Wellenjagd

Packendes Kino für den Kopf Kem Nunn sorgt für packendes Kino im Kopf: Mit wenigen Prosastrichen lässt er bildmächtige, uramerikanische Szenarios und Mythen auferstehen. In seinem im Original bereits 1984 erschienen Debut „Wellenjagd“ liegt so eine einsame, in der Hitze flimmernde Tankstelle in der Wüste, alte Männer nuckeln lethargisch an ihren Budweisern und ein Junge schraubt an seiner 36er Harley Knucklehead. Die Zeit steht still, die Sonne tanzt auf glänzendem Metall. Dann kommt ein Fremder. Er bringt eine Nachricht für den jungen Ike Tucker: Seiner Schwester, die das Wüstenkaff aufRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Frédéric Beigbeder: Letzte Inventur vor dem Ausverkauf

Ein Kanon im Remix Wir leben in einer unübersichtlichen Zeit, in der die Informationsfluten ständig weiter anschwellen und die letzten wegweisenden Leuchttürme schon längst versunken sind. Dankbar greifen wir daher nach Strohhalmen die ein wenig Halt und Orientierung zu bieten versprechen – und dementsprechend hat die Kanonbildung auch in der Belletristik wieder Konjunktur: Kritikerpapst Marcel Reich-Ranicki versammelt unter dem nicht unbescheidenen Titel „Der Kanon“ die Creme de la Creme der deutschen Romane von Goethe bis Musil und seine Kollege Joachim Kaiser stellt in seinem „Buch der 1000 Bücher“ Werke vor,Read More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Tim Staffel: Rauhfaser

Keine Hoffnung auf Erlösung Tim Staffels Romane kreisen ebenso manisch wie provokant um end- und eiszeitliche Gewalt- und Terror-Szenarien, die er mit einer tiefen Sehnsucht nach Liebe und Heimat kontrastiert. Nach der Apokalypse in „Terrordrom“ und dem Bürgerkriegs-Panorama in „Heimweh“ rücken in „Rauhfaser“ nun die (virtuellen) Medienwelten hart in den Erzähl-Vordergrund. Tim Staffels Ich-Erzähler Paul lebt mit der Lebensversicherung seiner früh verstorbenen Eltern in den Berliner Tag hinein und lässt sich über einen Beamer von „Achtunddreißig Programmen plus Premiere World“ tätowieren: In einer „Endlosschleife“ fressen sich Kosovo, Intifada, Neofaschisten undRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Zsuzsa Bank: Der Schwimmer

Packende Schöpfungskraft „Von mir ist nur der Blick auf die Dinge in diesem Buch“ – mit diesen Worten verblüfft Zsuzsa Bank all jene, die das Debut der 1965 geborenen Frankfurterin als „ungeheuer authentisch“ und als „wie wirklich erlebt“ gelesen und genossen haben. „Der Schwimmer“ heißt der Roman, für den die hoffnungsvolle Nachwuchsautorin den diesjährigen Aspekte-Literaturpreis verliehen bekommen und schon einige lobpreisende Besprechungen geerntet hat. Vor der Folie des Ungarn-Aufstandes 1956 erzählt Zsusza Bank in „Der Schwimmer“ von einer „Restfamilie“, die ohne ein Wort von der magnetisch vom Westen angezogenen MutterRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher

Andrew Vachss: Born Bad

Rosskur des Bösen Andrew Vachss weiß, wovon er schreibt: Der 1944 geborene Amerikaner hat Stationen als Sozialarbeiter, als Leiter eines Hochsicherheitsgefängnis für jugendliche Straftäter und als Jurist durchlaufen: Gewalt und Verbrechen stellten sein alltägliches Brot dar. In „Born Bad“ bietet uns Andrew Vachss so auch ein grelles Kaleidoskop des Bösen in all seinen Formen: Wir begegnen Massenmördern, Psychopathen, Spielern, Huren, korrupten Cops, Losern und Verdammten. In der titelgebenden Auftaktstory präsentiert Vachss das Psychogramm eines Massenmörders, der seinen Opfer – ausschließlich Frauen – das Herz herausschneidet. Die Ermittler arbeiten zusammen mitRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher

Jeffery Deaver: Manhattan Beat

Achterbahnfahrt mit Leerlauf In den USA wird Jeffery Deaver schon seit Jahren als „Meister der Zeitbomben-Spannung“ gehandelt, der seine Plots gnadenlos mit überraschenden Wendungen und fulminantem Finale vorantreibt. Als Auftakt einer Reihe um seine junge Ermittlerin Rune ist jetzt auch der bereits 1989 entstandene Krimi „Manhattan Beat“ auf deutsch erschienen. Wie von Deaver nicht anders zu erwarten, setzt „Manhattan Beat“ ungemein packend ein: Aus der Innenperspektive führt er in einem Hotelzimmer den schwer bewachten Kronzeugen Gittleman vor Augen, der sich zum ersten Mal seit Monaten „in Sicherheit“ fühlt. Doch erRead More

Posted On Februar 13, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Nick McDonell: Zwölf

Drogen, Sex, Gewalt Still ist es um die jungen und jüngsten literarischen Wunderkinder geworden, mit denen sich die deutschen Verlage seit Benjamins Leberts „Crazy“ zu toppen versuchten. Neue Sensationsmeldungen kommen dagegen nun aus Amerika: So das Debut des 17jährigen Nick McDonell, das selbst die ehrwürdige New York Times als „so schnell wie Speed und so erbarmungslos wie Acid“ bejubelte. McDonell erzählt in „Zwölf“ von White Mike, einem jungen Drogendealer, der selber absolut clean ist und cool dem Nietzsche- Credo des „Amor fati“ folgt. Getrieben vom hektischen Rhythmus seiner Heimatstadt NewRead More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet

Die schwarze Materie der Gefühle Der junge Amerikaner Jonathan Safran Foer legt ein ebenso wagemutiges wie faszinierendes Debüt vor. Jonathan Safran Foer ist der Shooting-Star und der Hoffnungsträger der jungen amerikanischen Literatur: Annähernd 500.000 Dollar strich der 25jährige für sein in den USA schon 100.000 mal verkauftes Debut ein, das jetzt unter dem Titel „Alles ist erleuchtet“ auch auf Deutsch erschienen ist. Um es gleich vorweg zu nehmen: „Alles ist erleuchtet“ ist ein verwegener, tief berührender und darüber hinaus auch erstaunlich weiser Roman. Er nimmt seinen Ausgang von einer Reise,Read More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher

Pablo Tusset: Das Beste was einem Croissant passieren kann

Viel Lärm um nichts Völlig außer Acht lässt Pablo Tusset bei seinem wortreichen Bemühen, witzig und schockierend zu sein, den Spannungsaufbau seiner Geschichte. Pablo José Miralles, wegen seiner Körperfülle auch „Balu“ genannt, ist ein schlampiger Faulpelz mit steinreichen Eltern und einem rasend erfolgreichen Vorzeige-Bruder. Seine Zeit schlägt sich dieser Anti-Held von Pablo Tussets in Spanien sensationell erfolgreichen Debut-Roman mit nächtlichen Streifzügen durch Barcelona oder mit der Entwicklung einer fadenscheinigen „Theorie der Erfundenen Wirklichkeit“ um die Ohren. Als sein Bruder plötzlich spurlos verschwindet, versucht sich Pablo im Auftrag seiner Schwägerin alsRead More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Alina Vituchnowskaja: Schwarze Ikone

Nihilistische Splitterbombe Wie ihr Leben sind Alina Vituchnowskajas Texte hoch energetisch, ungebändigt und mutwillig provozierend. Alina Vituchnowskaja ist eine schillernde Ikone der radikalen Moskauer Jugend und inszeniert ihr Leben als provokative Performance. Und wie das Leben der 29jährigen ist auch ihre Literatur – sie ist, wie es in einem frühen Manifest der russischen Futuristen heißt, eine schallende „Ohrfeige für den öffentlichen Geschmack.“ In den bruchstückhaften Gedichten, Prosa-Szenen, Tagebucheintragungen und Manifesten ihres Sammelbandes „Schwarze Ikone“ beschreit und beschreibt die 30jährige rücksichtslos eine postsowjetische Gesellschaft, in der das „schon immer geahnte Desaster“Read More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Georg Klein: Von den Deutschen

Ein deutsches Traumgespinst Georg Klein zeichnet in seinem neuen Erzählband mit schier unerschöpflichen Erfindungsreichtum ein schillerndes Bild der Deutschen und des Deutschen. Georg Klein ist ganz ohne Zweifel einer der originellsten und stilistisch exquisitesten deutschen Gegenwartsschriftsteller: Unwiderstehlich zog er die Leser in „Libidissi“ und „Barbar Rosa“ unter dem Deckmantel des Agenten- bzw. Detektivromans in surreal verfremdete (Metropolen-) Landschaften, in denen es von grotesk-exzentrischen Charakteren und ungeheuerlichen Begebenheiten nur so wimmelte. Eben diese hohe schriftstellerische Kunst stellt der mit seiner Frau Katrin de Vries und zwei Kindern im windig-kargen Ostfriesland lebendeRead More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Stuart David: Wie Nalda sagt

Wunderbare Allegorie über das Glück „Wie Nalda sagt“ ist nicht nur die Geschichte eines liebenswerten Sonderlings, sondern auch eine großartige Allegorie über das Vertrauen und das Glück, das zum Greifen nah und doch so fern sein kann. Es gibt Bücher, die scheinbar unbeeindruckt von Zeit und Raum entstehen und dann fremd und faszinierend wie ein Edelstein aus fernen Welten in die Hände des Lesers fallen. So ein wunderbares Buch ist „Wie Nalda sagt“, das Debüt des jungen Briten Stuart David. Stuart David lässt seinen Protagonisten in direkter Ansprache des LesersRead More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Antonia Logue: Die Könige von Amerika

Zwischen Avantgarde und Amor fou „Ein Tag mit Cravan ist wie ein Tauchbad in Säure“ – ohne Zweifel war Arthur Cravan einer der schillerndsten und faszinierendsten Gestalten der sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts formierenden Avantgardebewegungen: Der über 100 Kilogramm schwere 2 Meter-Mann war Poet, Box-Champion, Hochstapler, Herumtreiber und unwiderstehlicher Charmeur, dem die Frauen reihenweise verfielen – darunter auch die exzentrische englische Dichterin Mina Loy, die Cravan schließlich heiratet: „Ein Eintauchen ins Glück, wie es vollkommener nicht hätte sein können.“ In Form eines Briefromans zeichnet die junge irische Schriftstellerin AntoniaRead More

Posted On Februar 12, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Franzobel: Lusthaus oder die Schule der Gemeinheit

Wüste (Sprach-) Orgie Franzobel zeichnet in „Lusthaus“ bis zum parodistischen Salto Mortale ein bitterböses Panorama des „Menschlich Allzumenschlichen“. Dieses Buch ist ganz und gar unglaublich: Es ist in einem grandiosen Ausmaße monströs und morbid, wüst und wahnsinnig. Es ist ein wilder Rausch ohnegleichen, eine sinnliche Sprachorgie, ein barocker Bildertaumel, eine furiose Farce. Da reibt man sich die Augen, schüttelt den Kopf und kann es nicht fassen, zu welch obszönen Phantasmen, opulenten Bildern und magischen Metaphern das glühende Quecksilber der Sprache hier geronnen ist. Franzobel erweist sich einmal mehr als einRead More

Posted On Februar 11, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Annie Proulx: Mitten in Amerika

Ein Buch wie eine Landschaft Annie Proulx’ Prosa fasziniert einerseits durch eine Sinnlichkeit, mit der die Landschaft und die Menschen des Panhandle wie in einem Cinemascope-Film am inneren Auge des Lesers vorbeiziehen. Bei aller Bildmächtigkeit fehlt es dem Roman andererseits jedoch über die lange Strecke von über 500 Seiten eindeutig an Spannkraft und psychologischer Dynamik. Das Panhandle ist ein schier endloser, karger Landstrich im Dreiländereck von Texas, Oklahoma und New Mexiko. Die Luft ist hier „von wildem Beifuß und aromatischen Sumach gewürzt“, die Landschaft von knarrenden Windrädern, Getreidesilos, Kühen undRead More
Leben auf der Überholspur Ronald „Blacky“ Miehling kann auf eine rasante Karriere als Drogenschmuggler zurückblicken – tonnenweise schleuste er seit Ende der 80er Jahre Koks nach Deutschland. 1996 wurde er dafür zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Zusammen mit Helge Timmerberg, der unter anderem für „Stern“, „Die Zeit“ oder „Merian“ brillante Reisereportagen liefert, erzählt Ronald Miehling in Schneekönig aus seinem abenteuerlichen Leben als Drogenboss Als Sohn eines Polizisten in miefiger Spießeratmosphäre aufgewachsen, zieht es Ronald Miehling Anfang der 70er auf den Hamburger Kiez, wo er sich schnell einlebt: „Meine Lehrzeit alsRead More

Posted On Februar 11, 2004By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Aldo Nove: Amore mio infinito

Zauberhafte Reise zum Smarties-Planeten Berührend erzählt Aldo Nove vom schwierigen Erwachsenwerden in unübersichtlichen Zeiten Die Kindheit ist ein buntes Zauberreich, in dem sich die Zeit auf geradezu magische Weise bis ins Endlose auszudehnen scheint. Doch mit den Jahren zeigt die Zeit ihre scharfen Zähne und entpuppt sich als „ein Krokodil, dass die Leute auffrisst, sobald sie erwachsen sind“. Mit ungeheurem Einfühlungsvermögen erzählt Aldo Nove in „Amore mio infinito“ eine Geschichte vom Erwachsenwerden, vom schwierigen Abstieg aus dem Reich der Wunder und Träume in jenes der Notwendigkeiten und der Hektik, inRead More