TAG 6 beginnt
zwei Stunden später als geplant. Wir haben die Rechnung nämlich ohne
den Vodka gemacht. Den Wecker hören wir nicht. Die Panik beim
Erwachen wirkt dann aber eh viel besser als ein Koffeinkopfschuss.
Wir packen im Eilverfahren. Zahlen, taxen zum Flughafen, geben dem
Taxler die letzten 10.000 Sum, checken als letzte Passagiere ein,
lassen uns auch vom Papierkram-Vorweisen (diverse Registrierungen,
ein Zollwisch auf russisch!) nicht mehr nerven und abhalten, den
Flieger doch noch zu erwischen. Von Restalkohol kann noch nicht
gesprochen werden. Die Vodkablume blüht noch in all ihrer Pracht und
macht uns herrlich unbekümmert und zuversichtlich. Dass wir
tatsächlich um 8 Uhr 55 beim Gate B1 stehen (obwohl wir erst um 7
Uhr 45 das Licht dieses Tages erblickten), glauben wir – wären
wir nicht gerade allumfassend glückselig – selbst am
allerwenigsten. Aber der Vodkaboost macht's möglich. Der Taxler
schonte seine Blechdose auch nicht, die Schlange beim Check-in haben
wir uns erspart und zwei Stunden vor Abflug vor Ort zu sein, ist nur
was für Luschen, ist zu gewöhnlich, zu sicher, zu langweilig, ist
schlicht Zeitverschwendung.
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Mittwoch, 27. Februar 2013
Die Magenhyäne und der Koffeinkopfschuss
Dienstag, 26. Februar 2013
Vodka, Puschkin und Kampfbrüste
Der Bahnhof ist schön aber tot. Im letzten Eck eine Bar. Café möchte ich es nicht nennen. Denn es gibt
keinen Tee – dass uns das in Mittelasien einmal unterkommen würde,
hätten wir nicht gedacht – und den Löslichkaffee veredelt der
Bartender mit massig Zucker. Selten so geekelt. Aber die Sucht
macht's möglich auch diese Plörre zu trinken. Wir verstehen keine
Durchsage, wir können keine Anzeigetafel lesen, wir sind Idioten,
aber wir haben unsere Tickets und Pässe ja schon mehrmals
vorgewiesen und gestempelt gekriegt und ohne uns fährt der Zug
sicher nicht ab (was auch für den Flieger am nächsten Morgen gelten
sollte). Wir fahren 1. Klasse, der normale Zug ist eineinhalb Stunden
länger unterwegs und kostet nicht viel weniger (50.000 hin –
40.000 zurück) als der flotte „Afrosiyob“ (was übrigens einfach
der alte Name für Samarkand ist).
Zurück in Tashkent
geben wir uns abgebrüht, begegnen der Taxifahrermeute abgeklärt und
verhandeln erfolgreich. 5000 statt gewünschte 5 Dollar. Im Hotel
wissen sie diesmal zwar von uns, kopieren aber wieder fleißig und
umständlich unsere Pässe und der Anruf, der dann kommt, hat hohen
Unterhaltungswert.
Ich: „In this
house.“
Weibliche
Telefonstimme: „Where is this?“
Ich: „?!? - in
this hose?! Hotel Shodlik Palace!“
(…)
Aber hier leben –
nein, danke!, singen Tocotronic und sie haben damit sicher nicht
Tashkent gemeint, aber kommen mir wohl deshalb in den Sinn, weil
„Kapitulation“ im Goethe Institut zum Ausleihen aufliegt. Wir
marschieren pünktlich um zehn Minuten vor Lesungsbeginn ins GI ein.
Die Gastgeberinnen warten bereits seit einer Stunde mit Kaffee und
Keksen, über die wir uns dann auch gleich hermachen (also die Kekse
und den Kaffee, nicht die Gastgeberinnen). Gerne hätten uns die
Gastgeberinnen zum Essen geladen, aber danach mussten sie zu ihren
Kindern, davor waren wir noch nicht und am Tag drauf sind wir nicht
mehr da. Gehen wir halt selbst essen, zum Araber. Sehr okayer
Vorspeisenverzehr. Unterlage für ein Vodkagelage ist das natürlich
keine. Doch Vodka will sein! Viel! Viel und mehr. Auweia!
Im Green House,
unweit vom Georgier, sind wir zwar die einzigen Gäste, aber das
stört uns nur wenige Vodka lang. Es wird hitzig debattiert, von der
Hausmatrone Puschkin rezitiert und russisch karaokt, dass die
Schwarte kracht.
Ad Hausmatrone: Lederstiefel bis zum Knie, schwarz
Leggin, schwarzes Oberteil und drüber ein weißes, grobmaschiges
Häkelkleid. 60 Jahre, Kampfbrüste, durchaus etwas Transiges,
Verruchtheit zum Quadrat, ein kehliges „Icchliebe dicch“, stets
parat, routinierte Moves, die die Textzeilen unterstreichen, die
Brüste beben und die Zuschauenden erschauern lassen. Ein lasziv
roter, zum Lippenstift passender Funkmikroploppschutz, gewolltes
Übersteuern, verstörende Tanzeinlagen, trashig, peinlich,
unglaublich. Nüchtern nicht denkbar – betrunken das i-Tüpfelchen
von kultig.
Dass die dralle Lolkalheroine während ihrer Performance
mit ihrer Linken zärtlich ihre Lesebrille umschließt, die sie sich
nach ihrem Auftritt wieder inst Gesicht hängt, um nicht auf den
Türstock zu donnern, hat etwas das Gesamtbild für immer einzigartig
Abrundendes und lässt mich ergriffen glucksen.
Um unser Wohlbefinden
sind insgesamt drei Damen bemüht. Die blonde Koreanerin, die am Ende
des Abends geheiratet werden wollte, schenkt Vodka ein. Die junge
Usbekin bringt Bier und frische Aschenbecher und die alte Chefin ist
schlicht eine Nummer für sich. Ein Mann kommt erst ins Spiel, als es
ums Zahlen (und Heiraten der Vodkakoreanerin) geht, was wir nicht
ganz können (beides). Gut, dass man den Vortrinker und DAD-Lektor
Matthias bereits kennt, so bleiben uns blutige Nasen und trockene
Kehlen trotz leerer Taschen erspart. Denn der Mann ist zwar klein und
spärlich beflaumt aber ein Messer kann er sicher halten, lenken und
versenken. Man kennt das ja aus Filmen, die nicht immer schlecht sein
müssen. Danach Bewusstlosigkeit bis 7 Uhr 45.
Montag, 25. Februar 2013
Schaschlik, Popel und Grummelmodus
Samarkand macht
einen größeren Eindruck. Jedenfalls ist der Bahnhof ziemlich
außerhalb. Ein Zentrum gibt es in Samerkand nicht wirklich. Es gibt
die Altstadt, den sowjetischen Teil und die Touristenattraktionen.
Wären die nicht, wär's trist. Aber zugegeben, es sind viele. Wir
wohnen in der Altstadt: B&B Hotel Antica. Eine klamme Kammer aber
nett. Abends fällt der Strom aus. Es kann aber auf gespeicherte
Solarenergie umgeschaltet werden. Irgendwann n der Nacht geht das
Licht dann wieder an. Das kommt regelmäßig vor hier. 3.500
Kilometer sind es übrigens von Tashkent bis Istanbul. Von Tashkent
bis Samerkand sind es zwei Stunden mit dem schnellen Talgo und
dreieinhalb Stunden mit dem normalen Zug.
Das Frühstück im
Hotel Antica ist toll. Kürbisblinis, Omeletten, Maulbeer- und
Feigenmarmelade und diese Weizenkeimschmiere deren Namen ich mir
nicht gemerkt habe. Wir ziehen sogar unsere Schuhe aus und schlüpfen
in bereitstehende Puschen, was bei dem Zustand der Altstadtstraßen
(Schlammpiste mit Buckeln, Löchern und Abwassergräben) auch Sinn
macht. Die Vermieterin spricht perfekt deutsch, erzählt vom Elend
aber auch, wie schön es im Sommer ist und dass Matthias Politicky da
war und ein Buch geschrieben hat, das bald herauskommen wird.
Samerkand, Samerkand soll es hießen – altherrenoriginell. Momentan
ist natürlich Nebensaison. Aber man kann sich ganz gut vorstellen,
wie hier Touristengruppen durchgepeitscht werden und Reiseleiter ist
ein beliebter Studi-Job. Wir haben uns das anders vorgestellt, als es
hieß, Studierende würden uns die Stadt zeigen. Murat ist ein Tartar
und Vollblut-Guide. Er textet uns zu, lässt uns Eintritte zahlen und
am Basar ist er ebensowenig auf unserer Seite, wie beim Taxipreis
verhandeln. Das ist ungut. Ich schalte auf Grummelmodus, will nicht
geneppt werden und drücke das mit jeder Faser aus. Meine Frau und
Reisepartnerin geht ganz gut damit um. Schließlich essen wir Salat
und Brot auf der Veranda und zahlten dafür mehr als für ein
normales Mittagsmenü.
Samerkand liegt auf
750 Höhenmetern und wird an drei Seiten von Bergen gesäumt. Das
macht was her. Drei Seiten sind auch am Registan Platz gesäumt und
zwar von Medresen (das sind vereinfacht gesagt Schulen samt
Wohnzellen). Toll verziert, verspielte Svastikaornamente und der
Tiger, der auch vom 200 Sum Schein lacht. Daneben dann eine
megaprotzige Moschee mit der größten Kuppel Mittelasiens im
Mittelalter. In fünf Jahren gebaut, das war zu schnell,
Husch-Pfusch-Zusammenrumpel folgte und wieder gleich daneben ein
Basar. Die Nekropole haben wir nur von der Ferne gesehen aber ehrlich
gesagt interessieren uns die Sowjetbauten eh mehr. Und davon gibt es
in Tashkent mehr als in Samerkand.
Die Lesung ist dann
wohl einer der skurrilsten Auftritte ever. Vor allem, weil anfangs
nur alte Männer in der Runde sind und sich ein paar Studis erst
später dazu gesellen. Alter Mann: „Erzählen Sie uns was über
Österreichische Literatur!“ Ich: „Dafür bin ich nicht hier.“
Alter Mann: „Sie sind sicherlich talentiert. Singen Sie ein Lied!“
Meine Frau, Reisepartnerin und Mieze Medusa rappt, so geht die Zeit auch um und dann unterhalten wir uns mit einem Albino Usbeken bei Meinl Kaffee über Bichsel, Borchert und unerschwingliche Bücher. Der Albino Usbeke und Deutschlehrer ist nett. Wir fühlen uns ihm schlagartig so verbunden, dass wir ihn fast darauf hinweisen, dass seit Anbeginn unserer Unterhaltung ein Popelchen aus seiner Nase lugt, das sich an sich schon von der Naseninnenwand getrennt aber eben in den feinen Nasenhärchen verfangen hatte uns so bei all seinen Bewegungen mit wippt. Der wird beschenkt mit Sprechknoten. Danach ist es höchst Zeit für Fleisch. In Schaschlikform hatten wir uns dieses ja bisher noch nicht einverleibt.
Meine Frau, Reisepartnerin und Mieze Medusa rappt, so geht die Zeit auch um und dann unterhalten wir uns mit einem Albino Usbeken bei Meinl Kaffee über Bichsel, Borchert und unerschwingliche Bücher. Der Albino Usbeke und Deutschlehrer ist nett. Wir fühlen uns ihm schlagartig so verbunden, dass wir ihn fast darauf hinweisen, dass seit Anbeginn unserer Unterhaltung ein Popelchen aus seiner Nase lugt, das sich an sich schon von der Naseninnenwand getrennt aber eben in den feinen Nasenhärchen verfangen hatte uns so bei all seinen Bewegungen mit wippt. Der wird beschenkt mit Sprechknoten. Danach ist es höchst Zeit für Fleisch. In Schaschlikform hatten wir uns dieses ja bisher noch nicht einverleibt.
Also Leber-,
Hühner-, Rinder- und Mix-Spieß mit reichlich Salat und hinterher
den ersten Vodka (und das am vierten Tag!). Dass Tags drauf derer noch
viele folgen sollten, können wir zu dieser Stunde noch nicht wissen.
Wir gehen früh schlafen, um früh frühstücken und dann nochmal
Richtung Basar laufen zu können. Dass die Taxifahrer uns eine
lautmalerische Performance abverlangen, um auf die Idee zu kommen,
dass wir zum Bahnhof wollen, ist eigentlich sehr unterhaltsam. Wir
bezahlen außerdem weniger als unter Murats Schirmherrschaft. Nein,
der feiste Murat bleibt auch in der Erinnerung ein Grummelgrund.
Sonntag, 24. Februar 2013
Russischer Hering und Bruce Willis
An TAG 3
steht dann ein Fußmarsch an. Fußmarsch und Eigenerkundung der
Umgebung. Denkmäler, Paläste, Plätze alles da und am besten vom
17. Stock des Hotels Uzbekistan am Amir Timur Platz zu überblicken.
Die Sowjetarchitektur gefällt uns, ist immer für ein Foto gut, die
breiten Straßen weniger. Die Wege sind weit, wir aber gute
Fußgänger. Wir besänftigen den Magen mit Pasta Bolognese und sind
gespannt auf den Workshop. Wir erfahren, dass Facebook hier
Anaglasniki heißt, dass die Studis kein Problem damit haben,
vorzutragen und dass sie temperamentvoller sind, als man annehmen
wollte. Kein kühler russischer Emotionsmantel sondern
Gastfreundschaft, Herzlichkeit und emotionale Offenheit sind
festzustellen. Der Belohnungs- und Aufwärmjasmintee in der wohl
teuersten Etablissement weitum ist gut und leistbar, einige Getränke
aber schon absurd teuer (Ice Tea 17.000, Erdinger 44.000, Espresso
15.000). Nachdem wir beim Italiener schon 12.000 für einen frischen
Orangensaft, der dann ein frischer Apfelsaft war, bezahlt hatte,
schockiert uns das zwar nicht all zu sehr, aber es macht uns
vorsichtig. Es folgt ein Abstecher beim Georgier. Tolles Essen, nur
leider keine zeit, weil Bruce Willis auf russisch auf uns wartet.
Stirb langsam 5 (18.000 Sum) mit Kinobarbier (3.500). Ein Vergnügen
und – weil in Russland spielend – ja auch richtig gut passend.
Danach dann doch noch zwei Hotelbarbier, weil es grad schmeckt und
geredet werden will.
Hier brennt Hanno am Unabhängigkeitsplatz |
TAG 2 beginnt
mit dem gleich schlechten Frühstück. Die Topfenblinis und
Reisomeletten sind schon in Ordnung aber Obst, Gemüse und regionales
Brot gibt es nicht. Vom Kaffee wollen wir an dieser Stelle nicht
berichten, es sei nur erwähnt, dass der Beuteltee keine Alternative
ist. Wir treten also nicht kaffeegestärkt für den ersten Auftritt
an, werden von Camola und Chauffeur abgeholt und ins edle Gebäude
des Fund Forums gebracht. An den Wänden Fotos der bisherigen
Veranstaltungen. Auf vielen steht eine blonde Frau im Mittelpunkt
(des Präsidenten Tochter und die Fund Forum Chefin). Wir lernen sie
nicht kennen. Uns betreut einer, der in Wien studierte und fürs
Konsulat in der Pötzleinsdorfer Straße arbeitete. Dann Interview
vor laufender Kamera, dann doch noch Kaffee und darauf folgender
Schnellschiss und dann füllt sich der Raum mit angekarrten Studis.
Anfangs wird tatsächlich für einen Abgesandten des
Kulturministeriums simultan übersetzt, das stört natürlich – wir
sprechen ohne Mikros – das Übersetzunterfangen wird aber doch
recht bald aufgegeben (so ziemlich genau nach den ersten
Fruchtfleisch-Zeilen), der Dichtung sei Dank. Es wird eifrig
mitgemacht, applaudiert und gefragt. Es wird mitgefilmt und
fotografiert und ein deutschsprechender Zensor wird mit dem Material
sicher noch viel Freude haben. Danke.
Ab zur Weltsprachenuni.
Mittagessen mit Tee, Kefir, Salat und Lagman um 10.000 Sum. Das
Institutsgebäude wird nächstes Jahr abgerissen, das Haus krächzt
wohl schon seit Jahren. Aber toller, lebender Holzboden, himmelblaue
Schulbänke, farbenfreudige Fotos und weise Sprüche vom Präsidenten.
Alle zufrieden. Feierabend mit richtigem Espresso beim Italiener,
selbstgebrautem Bier im Bierhaus und leider viel zu viele Zwiebel zu
den russischen Heringen. Wir wollen sparen, weil noch ins Kino, es
gehen uns die Sum aus, weil noch 15 % aufgeschlagen werden und dann
haben wir mit rebellischem Magen und sumlos die Taxiheimfahrt
anzutreten.
Die Zwiebelaura unterbindet bis auf weiteres jeglichen
Nahkontakt.
Der Schlaf ist schlecht und selbst am nächsten Morgen
haben wir noch mit einigen hartnäckigen Restzwiebelschichten zu
kämpfen.
Plov, Kurt und Hotelbarbier
Brot wird in alten Kinderwägen am Straßenrand
angeboten und ist heilig (immer zwei kaufen, nie verweigern oder
irgendwo liegen lassen!), nur leider am Hotelfrühstücksbuffet nicht
in dieser Form zu kriegen. Vor dem Basar ist eine Handwerkerstraße.
Spezialisiert ist man hier auf Kinderbetten mit integriertem Topf und
einem Leitungssystem, das Kleinkinder windellos schlafen lässt. Dann
geht’s heim zum Dekan: Plov essen. Der Dekan der
Weltsprachenuniversität Tashket wohnt mit Frau, Sohn und Schwägerin
in einer Fünfzimmerwohnung in einem Plattenbau direkt an einer viel
befahrenen Straße. Töchter hat er auch, alle haben studiert und
arbeiten. Die Frau kocht. Wir essen. Es schmeckt.
Die Zugtickets
hätten wir ohne seine Hilfe wohl nur unter Aufbringung von viel Zeit
und Gestikgeschick erstanden. Die Bahnhöfe sind abgesichert wie
Flughäfen. Wir sind in einem -istan, einem Endsilben -istan-Land.
Bedrohung ist nicht virulent aber jederzeit möglich. Dass wir am
ersten Abend ein Lokal in Hotelnähe finden, das an sich einen noblen
Eindruck macht – Luster, Teppiche, schweres Gedeck – in dem das
Bier aber nur sensationelle 2000 Sum kostet, ist ein genehmes Wunder.
Im Hotelfernsehen dann ZDF Sonntagnachmittagsport (weil vier Stunden
Zeitverschiebung). Die 7000 fürs Hotelbarbier zahlen wir dann gar
nicht gern, zumal es in der „Hemingway Bar“ endlos trostlos ist.
TASHKENT
Denkmäler im Wandel: 1940 Stalin, 1967 Marx, seit 1993 Amir Timur |
Autos weiß, Kleider
schwarz, Kuppeln blau, Zäune türkis und Zähne gerne goldig. Soviel
zu oberflächlichen Auffälligkeiten.
Schlaglöcher und
Straßengräben. Löslichkaffee, Beuteltee und weiße Sprüche des
Präsidenten. Soviel zu evidenten Ärgerlichkeiten.
Sowjetarchitektur
prägt die Neustadt. Breite Straßen, riesige Plätze und massive
Kastenbauten. Da und dort ein neues, orientalisch anmutendes Hochhaus
mit Glas und runden Formen. Springbrunnen an allen möglichen Orten
und wo kein Springbrunnen, da ein Semigur. Das ist ein
geschichtsträchtiger Vogel.
Urwüchsige Bäume
und davon viele. Im Frühling grünt's hier wohl prächtig. Grün
auch die Uniformen der Wächter. Nicht hell, nicht dunkel, so ein
landesflaggenpetrolgrün – sehr kleidsam. Die Kopfbedeckungen (wie
nah „Bedeckung“ am Deckel ist, wird einem hier klar) sind ohnehin
unschlagbar.
Schal falsch. Zimmer im 9. Stock. Aufzug? Ja. |
Dass für
Late-night-check-in im Hotel Shodlik nur die Hälfte verrechnet wird, ist toll. Dass
es so ausschaut, als wäre für uns nicht reserviert, ist zur
Ankunftsstunde (3 Uhr 30) weniger lustig. Aber wir werden schließlich
aufgenommen und dürfen gegen 4 Uhr und 13 Stunden Reise in die
Betten sinken. Daheim ist's grad Mitternacht.
Scheingefühle. Ein Währungsgedicht
Die Währung in Usbekistan heißt SUM |
Wenn ich dich in
meine Arme schließe
Wenn ich dich
berühr, dich zart begreife
Spür ich nicht den
Funken einer Krise
Sondern nur die Aura
deiner Reife
O Sum, o Sum, o Sum,
Sum, Sum
Du bist keine Biene,
hast keine Flügel
Du bist eine Währung
und hast Scheine
O Sum, du summst
nicht, sichst nicht, machst keinen Honig
Du zahlst, kaufst,
zählst für mich
O Sum, du machst
mich zum Millionär
O Sum, du beulst mir
die Taschen aus
O Sum, du lehrst
mich das Zählen von 1,2,3,4,5,6,7,8,9 bis 100
O Sum, gäb's dich
nicht in 100er Päckchen, hätt' ich nie Gummibänder zur Hand, um
damit im Unterricht Papier-U-Häckchen zu verschießen
O Sum, gerne fächel
ich mir mit dir Wind zu
O Sum, o Sum, o Sum,
Sum, Sum
Ich komm sum Schluss
– Warum?
Cogito ergo sum!
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