30.09.17
Viehmarkt
Der Viehmarkt ist eröffnet, ich hinterher einem Arbeitspferd, das in 5 Tagen das meine sein könnte, die Ganaschen aufgefüttert, die Zähne wie marmorne Skulpturen, langgewachsne Kronen, die Fladen freundlichster Psilocybin=Nährstoff. Für wenig Mark hat es viel Mark in den Knochen. Es geht langsam, freilich, aber mit der End=Fasan(ung) muß gerechnet werden, am Abakus Rechenpfennige, die hin und her geschoben werden, das Maul klamm, die Augen den extremen Lichtverhältnissen angepaßt. Meine Unruhe ist eine CoffeinBare; Formel : C8H10N4O2. Die Bettgeschwindigkeit erhöht.
29.09.17
Cocktail
Sprecher: Fafnir Fiedler / Michael Perkampus
»Es tut mir leid, es Ihnen auf diesem Wege mitteilen zu müssen ...« sagte der Butler, und stand da, wie ein Stock eben dasteht »aber Ihre Frau läßt ausrichten, ich solle Ihnen eine in die Fresse hauen und sie ließe sich scheiden. Da ich zu ersterem nicht erzogen bin, muß ich leider Fehl gehen, und kann Ihnen nur die zweite Botschaft sachgetreu übermitteln.«
Da standen sie, gaben an, und tranken Cocktails, die sie noch nie in ihrem Leben getrunken hatten. Eine Gesellschaft voller Pärchen, die sich scheiden ließen. Wenn man es treiben wollte, ging man nach oben; dort war alles mit blödem Plüsch ausgarniert, aber die Betten quietschten nicht. Handschellen gab es für zwanzig Mäuse zum ausleihen.
»Danke, Bernie. Das ist nett!« Ich schob ihm einen Geldschein in die hohle Hand. »Das haben Sie gut gemacht!«
Ohne das Geschehen mit den eigenen Augen zu begleiten, verschwand der Schein in einer der unzähligen Taschen, die alle beschriftet waren. Ich konnte nicht lesen, was darauf stand, und hätte mich vorbeugen müssen, um es dennoch zu tun.
»Sir! Außerdem wartet jemand auf Sie, ebenfalls eine Miß. Diese aber will nun, daß ich Sie zu ihr führe. Sie läßt ausrichten, sie sei nackt, und darüberhinaus überglücklich, daß Sie das mit Ihrer Scheidung nun endlich regeln wollen. Sie sagt, Sie sollen sich beeilen, sie friere entsetzlich.« »Danke, Bernie. Das ist nett!« Ich schob ihm den nächsten Geldschein in die hohle Hand. Das mechanische Getriebe begann erneut leise zu schnurren, und das Geld verschwand, jedoch in einer anderen Tasche.
»Was steht da eigentlich auf Ihren Taschen?« Ich hatte lange genug gewartet, und wollte mich noch immer nicht vorbeugen.
28.09.17
Robert Johnson - Crossroads
Die größte Mythe der Musikgeschichte stammt aus dem Blues. Unter den Delta-Blues-Musikern der 30er und 40er Jahre sind einige der wichtigsten und doch schwer faßbaren Figuren aufzufinden. Unabhängig davon, ob man jemals Robert Johnsons musikalisches Vermächtnis gehört hat, ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, daß man zumindest diejenigen kennt, auf die er einen gewaltigen Einfluß ausübte: Led Zeppelin, The Doors, Eric Clapton und unzählige andere.
Er starb mit 27 und begründete damit eine andere Legende: den Club der 27er, dem so illustre Persönlichkeiten wie Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Amy Winehouse angehören. Die Ursache seines Todes sowie die Lage seines Grabes sind unbekannt, über sein Leben ist so gut wie nichts bekannt – es gibt allenfalls einige Anekdoten von Musikern, die mit ihm spielten, als er das Land durchstriff – aber es existieren zumindest drei Fotografien von ihm. Es kommt also einem Wunder gleich, daß gerade Robert Johnson den Mittelpunkt des größten Mythos der gesamten musikalischen Landschaft bildet.
Die Legende besagt, daß der junge und verarmte Robert, der auf einer Mississippi-Plantage wohnte, seine eine wahre Sehnsucht entdeckte: ein Meister des Blues zu sein. Leider war er damals ein mittelmäßiger Musiker. Eine dunkle Gestalt, die von seine Notlage hörte, empfahl ihm, mit seiner Gitarre um Mitternacht zu den Dockery Plantation Crossroads zu gehen. Allerdings mußte es eine mondlose Nacht sein. Dort traf Johnson an der Kreuzung den Teufel in Gestalt eines großen schwarzen Mannes, dem er die Gitarre gab und der ihm damit eine wahre Spukmusik um die Ohren blies. Als der Mann die Gitarre an Robert zurückgab, fand dieser heraus, daß er die volle Beherrschung über das Instruments hatte. Natürlich zum allseits bekannten Preis, denn den Teufel bezahlt man stets mit seiner Seele.
Bei solchen Legenden ist es ungemein schwierig, eine Quelle auszumachen, aber es ist wahrscheinlich, daß sich die Geschichte bildete, als Roberts Talent und Musikalität innerhalb kürzester Zeit zu einer Meisterschaft avancierte, die sich niemand erklären konnte. Von seinem plötzlichen und scheinbar unerklärlichen Fortschritt verstört, begannen die Einheimischen zu behaupten, er müsse seine Seele an den Teufel verkauft haben. Es ist aber möglich, daß Robert Johnson von den Einheimischen bereits als eine verdammte Seele mit einer Tendenz zum Makaberen angesehen wurde. Außerdem ist bekannt, dass Johnson und seine Freunde häufig spät in der Nacht auf Friedhöfen spielten, vermutlich weil es dort still war und sie wußten, daß sie dort von niemandem belästigt wurden. Die geheimnisvollen Umstände von Roberts Tod spielen natürlich ebenfalls jenen in die Hände, die an den Crossroads-Mythos glauben.
In der "Sandsteinburg" nehmen die Lines des Textes eines der vielen Grundmotive ein
Der achtspurige Gehsteig
Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Wahrheit im Einkaufskorb dieser Frau Zu finden ist. Gerne erlaubt sich das Produkt Einen Spaß, indem es fleißig winkt, ohne Einen Blinker zu setzen. Das ist die falsche Richtung, denkt man und steigt nicht wieder ein. Wozu auch? Der Lebenslauf führt etwas anderes im Schilde, mit mehr Enthusiasmus, versteht sich. Da es manche ohne ihr Zutun wissen, als stecke es In den Genen einer jeden publizierten Arbeit, Schlagen wir es nicht in einem Lexikon nach. Der Tanz stoppt wegen der viel zu schlechten Schuhe. Gestern waren sie noch schwarz. Auch die Fotos von früher haben Hängetitten, manche Sind sogar barfuß. Auffällig ist der rechte Rand, Der einem Schafott gleicht, die Klinge mit Sojamilch Gereinigt. Wenn die Linse das gesehen hat, was Hindert uns daran, alles zu wiederholen? Der Fahrtwind kommt von oben – Aber kann das sein? Die Rache steckt noch im Kühlschrank, der Verdichterspirale, fest, neben der Butterdose Ein Zelt aus Polymeren. Mit einem Mal löste die Schrift ihre Knoten und hinterließ einen sehr Langen Regenwurm, der sich durch ein Komma stülpte. Der Text war augenblicklich nicht mehr zu gebrauchen, Selbst das Papier hatte aufgehört, sich mit Gedanken zu beschäftigen. Durch ein Radio konnte man Kontakt mit dem Zimmer nebenan bekommen. Peilsender sind das Ziel einer Yagi=Antenne. Im Spiegel Wirken sie unnötig wiederholt. Nur achtet niemand auf Dieses zweite Lied. Ein Fehler, wie sich schon oft Herausstellen ließ. Die künstlichen Felle sind Wahrscheinlicher. Auf einer Leine sterben sie in ihrer Haut. Eine Zehntelsekunde lang wird alles wieder wie früher sein, Oder aber die Täuschung ist mehr als gelungen. Auch Der blaue Fleck auf dem Stuhl kehrt wieder. Es handelt Sich um eine Wunde, mit Pfennigen geschlagen. Ödland ist von der Terrasse aus zu sehen, Gold wächst heran in eisernen Kisten, zerschossen, Aber unbenutzt. Könnte je ein Hammer (Impuls und Energie) so etwas anrichten? War es vielleicht Etwas anderes? Nehmen wir den Wiesenfleck dort - Er könnte das ganze Kapitel für sich beenden. Der Philosoph arbeitet mit seinem Bart, Stahlseile hängen von Kinn und Wangen, Worte tropfen aus dem fiebrigen Mund, hinterlassen einen Teller voll Buchstabensuppe. Die Umkleidekabine ist angefüllt mit Wäsche, Ein einsamer Badeanzug hängt an der Klinke und stampft mit den Füßen auf. Später Gesellt sich die Verwandtschaft hinzu. Der Dorfkrug weint, weil er kein Geld mehr hat, Die Reise zu bezahlen. Andere trachten ihm Nach seiner Bleibe. Irgendwann wird er sie Teilen oder sich verändern. Nur nicht heute. Die Stadt heißt uns willkommen, auch wenn Sie uns nicht einläßt. Noch schlafen die Menschen Auf den Tischen, sorgen für einen Geräusch- Pegel, der Insekten vertreibt. Der Ortswechsel Kommt mir vor, als wäre ich schon einmal da gewesen, Zwischen all den Kisten aus Glas, dem Taubenreigen, Der Präsenz ominöser Bilder an den eingekerbten Wänden, Taschenbücher ohne Rückgrat. Eine Wiege schaukelt Im Foyer, hängt träge in einer unwirklichen Stellung fest, bis ich komme, eine Hand unter die Kufen klemme, die Dielen loslasse, sozusagen die Fangarme spreize, um zu fangen, was aus dem Anzug rinnt. Das Schaukelpferd ist nur ein Steckenpferd, das Kajak Eine Luftmatratze. Wer die Stimme hört, verschafft sich die Argumentation. Dazu gehört ein lang anhaltender Atem, Ein Sirenenton, von Rippen erzeugt, durch das unbewegliche Ausmaß gepumpt. In Teilen bleibt der Eindruck bestehen, Hier sei etwas heimisch. Originalität ist ein Pfeifen in den Ohren.
27.09.17
1, 2, 3, 4, 5 ...
Es stand Eine hinter mir. Ich saß auf einem Stuhl, mit nacktem Oberkörper, vor einem Spiegel und schaute, wie sie meine Brüste formte. Bis zu ihren Schultern sah ich sie. Empfand sie schön. Tat sie einen Schritt zurück, verschwand sie in samtiger Schwärze. Tat sie einen vor, war mein Gesicht für mich im Spiegel nicht erkennbar. Ich stand auf, tat einen Schritt nach vorn und drehte sie um.
2
Er (unbekannt) hat meinen Oberkörper abgetastet. Hielt am Rücken, auf Höhe der rechten Niere, und sagte: Teichbestandteile.
Warum ihr ein Mann an seinem Pferd (braun) erklärt hat, wie sie es küssen soll, hat sie nicht verstanden. Dafür aber, warum sie die versammelte Gesellschaft in der Kirche sitzen ließ. Nicht zum ersten Mal. Dabei ist sie nie eingetreten. Atemnot, Herzrasen und körperlicher Widerwille im schnörkellos weißen, hochgeschlossenem Pompsteifkleid, mit auslaufenden Ärmeln. Das Haar unterm Schleier, der zu einem Dutt gebunden. Nur ihr Gesicht, starkfarben geschminkt, war, außer ihren Händen, einzig sichtbarer Teil ihres Körpers. Dir Davongeflogene.
Und ich fand sie schön.
Du hast mir Sauerstoffblasen unter Wasser gegeben. Ich wollte eine von ihnen in meinen Mund nehmen. Doch das Wasser drang immer zuerst hinein. Verdrängte sie. Ich versuchte es wieder und wieder. Es gelang mir nicht. So schaute ich ihnen nach. Sah sie aufsteigen: Scheuschnell, um an der Oberfläche aufzugehen. Silberringe. Wunderschön und nicht von Dauer.
5
Schmales Weibchen stand blaustrümpfig im gleißenden Sonnenfall: Die Mimik der Seele kann nur durch eine andere sichtbar gemacht und wahrgenommen werden: Ebenso schön, wie sich vorzustellen, was im klitzekleinen Hirn eines Schmetterlings vor sich geht, wenn er hört und sieht, dass Rahm in einem Kelch geschlagen wird.
Sein Gesicht war nass. War zu einem geworden, das in Erde fiel, während sie ihn nahm, eines, das sich ihm wieder und wieder löste. Wurde und wurde. Das fiel und fiel in dieses nasse Bewusstsein zu sickern.
Dopplereffekt
Damals auf dem Schrank wähnte ich mich unsichtbar, denn auch den Staub hatte niemand bemerkt, seine Jahresschichten intakt. Es fehlte nicht viel zur geweißten Rauhputzdecke. Das Gesicht in Deckennähe, der Grund und Boden so weit unter mir. Wenn ich über den Holzrand spähte, überkam mich das Gefühl der Fremde, wenn ich fallen würde, fiele ich in eine Welt, die ich augenblicklich verlassen hatte, um Höhe zu spüren, die Stimmlage dieser Höhe, ein Käfer, der sich tarnt, an Ort und Stelle verharrt. Da hatte ich einen einen kurzen künftigen Blick erhaschen können, nichts daran war spektakulär, keine Posaune, keine Hydra, die ein Tor bewacht, kein epileptischer Anfall, nur die Wand mit ihren Poren, ein Wink aus der Zukunft. Das konnte nur bedeuten: es gab diese Zukunft, ich war bereits dort zugange, darauf wartend, daß ich aus dem Jetzt ankam. Dort angekommen widerfährt mir ein Déjà-Vu, ein Dopplereffekt im Hirn, jedoch keine 'Fausse reconnaissance', nichts, was da nicht sein dürfte. Die wichtigste Frage an die Vergangenheit lautet: Was ist in diesem Schrank? Die Einnerungsmoleküle müssen früh ausgestreut werden, sie bestehen aus Gerüchen und Symbolen, aus Standbildern (alles Fließen ist ein Trug).
26.09.17
Bei den groben Steinen
Mit einem Abbild der Welt auf meinen Lidern
legte ich eine Weile zu den groben Steinen mich,
mich einmal nicht mehr zu fragen:
Wann, Mensch, bist du endlich deiner Stimme, einem anderen Menschen Wort?
Wann, Mensch, bist du mit allen Sinnen Auge?
und dachte: Wacker, was einfach beieinander liegt!
So legte ich mich auch zu dir.
Wacker auch die Arachnide auf meiner linken Brust, die ich dort hinsetzte,
die blieb, ihre Zeit aus ihrem buntgemusterten Hinterleib zu seiden.
Wacker bei den groben Steinen zu liegen
umspinnt mit allen Sinnen Auge Sanftes Hartes für Weilen.
legte ich eine Weile zu den groben Steinen mich,
mich einmal nicht mehr zu fragen:
Wann, Mensch, bist du endlich deiner Stimme, einem anderen Menschen Wort?
Wann, Mensch, bist du mit allen Sinnen Auge?
und dachte: Wacker, was einfach beieinander liegt!
So legte ich mich auch zu dir.
Wacker auch die Arachnide auf meiner linken Brust, die ich dort hinsetzte,
die blieb, ihre Zeit aus ihrem buntgemusterten Hinterleib zu seiden.
Wacker bei den groben Steinen zu liegen
umspinnt mit allen Sinnen Auge Sanftes Hartes für Weilen.
24.09.17
Die Reise SANDSTEINBURG
Wie sehr ein Werk an einem Menschen zehren kann, bis es ihn fast aufzehrt, da es notwendigerweise von ihm zehrt, ist demjenigen ins Gesicht, ins Gewebe geschrieben, der es, trotz der Gewaltigkeit, mit der es sich durchzusetzen fordert, die der Seele keine Ruhe lässt, schreibt.
12 Jahre : 7 Fassungen: die um die 10 Entwürfe brauchten. 7 Fassungen, die notwendig waren, um nun in zwei dickwandigen grauen Ordnern lose zu liegen, im Keselground, auf meiner Bettseite. Ich erinnere mich noch gut, wie ich die vorletzte Fassung in den Händen hielt, oder war es die vorvorletzte?, die ich zu lesen begann. Stück für Stück. Kapitel für Kapitel (: und wieder von Neuem beginnend, da du von vorne begannst, umstelltest, verwarfst: hadertest.). Dir meine Eindrücke schilderte, mich dir als Leserin vorstellte, die dir erzählte, wie es ihr erging. Spannend für beide Seiten. Zumal du zuvor gelobt hattest: Mit dir schreibe ich die SANDSTEINBURG fertig. Gesagt. Und tatsächlich getan. Ich ahnte, was für eine Kraft sie bisher gekostet hatte, erlebte in den letzten Etappen die Mühen, das Kreuz, die Zweifel, die Zerrissenheiten mit. Unzählige Gespräche folgten: über das "Absolute Buch", über Erzählformen und Strukturen, über den Roman als solches und was ein Roman eigentlich ist, über das Medium Schreibmaschine vs. PC, das zu wählende Format der Blätter, die Unterteilung der Kapitel und ihre nicht notwendigen Reihenfolgen, ... und noch vieles mehr. Das Auf und Ab. Das Für und Wi(e)der : Die von dir genommene Substanz, die sich in diesem Werk entfaltet, in jener Sprache, dem inhärenten Kosmos in ihr, der ersteht, sobald das erste Blatt von ersten Augen besehen wird, die sich auch einem der anderen Blätter hätten zuerst widmen können, wie es jederzeit und erneut möglich ist. Ganz gleich, ob ich sie in der Folge lese, wie sie nummeriert sind oder ob ich irgendwo eines herausnehme und dann ein nächstes. Oder ob ich sie in die Luft werfe, warte bis sie zu Boden gekommen sind und ich mir einen eigenen Reim machen darf: Ene mene Muh, und der schöne Schabernack mit der Bedeutung : Der Fingerzeig, das Schicksal, die Muster, der Zufall und die Wahl.
Es gibt keinen Anfang. Es gibt kein Ende. Kein Alpha. Kein Omega. Wie aufgeworfen so manches Wesen, das zu lesen imstande ist, sich vorfinden kann, wird so bereits in der Annäherung, dem Zur-Tat-Schreiten offenbar. Mit einer Wildvogelschleppe werde ich es tun. Mal auf diese, mal auf jene Weise, in Anordnung der Blätter, wie ich sie nummeriert in ihren Schlummer vorfinde, oder: wie es mir belieben wird. Phantastisch! Ich weiß es selbst noch nicht. Denn anders als es dem Hl. Sebastian geschah, der, an den Stamm eines Baumes gebunden, von den numidischen Bogenschützen ins Visier genommen wurde und als Zielscheibe diente, steht es mir als Leserin frei, wie ich mich diesem Werk nähere, mich darin bewege, es aufnehme. Da es zum einen, wie bereits erwähnt, keine vorgegebene Leserichtung gibt, und zum anderen, soweit ich bisher sagen kann, es kein Werk ist, das den Leser im Geschehen bei der Hand nimmt, ihn führt, ihm die Flüsse eines Kosmos als ununterbrochene, linear und kausal fließende präsentiert. Da es keinen Plot entwirft, der mich in beschreibender Weise von A nach B lotst, um ein ACHSO zu generieren, das der Realität und was sie eigentlich ist, einen Filter vorschaltet, als wäre es möglich der Gründe Gründe jemals erreichen zu können.
Ich stehe also wieder am Anfang. Höchst fraglich, was das eigentlich ist: ein Anfang. In meinem Fall ist es der Beginn einer Reise, von der ich erzählen möchte, da mich die Wucht dieses Werkes bannt, und ich zuvor nur kleine Textanteile, die von mir sog. Chimären, die zuvor noch Tableaus hießen, kannte. Chimären wie diese (die sich jedoch nunmehr in der vorliegenden Endfassung der SANDSTEINBURG durchaus anders präsentieren):
Ich erträumte mir das letztliebliche Tal neben Pfannenstiel und Nachtberg, das die Historienmacher aufgegeben haben wie jeden paphischen Hain der Fürsten in abgelegenen Regionen, das Geheimnis eines Geheimnisses, im Traum wird hingebosselt, was der erlebte Körperschmied gar nicht wissen kann, was der Wachzustand vergrämt und vergrätzt, was ihn eng an einer Schnur in der Zeit behält. Ich plündere mich in den Kellern, verpuppe den Plunder dort, der ohne Herzberührung selbst keinen Puls mehr spüren ließe, ein jedes Symbol ist mir Tür ins Weite, einer neuen Verlorenheit entgegen, die sich anhauchen läßt, Farbtöpfe vor einer gilbgewordenen Leinwand; nur: nein, ich male nicht, ich schreibe Bilder ein ins Leben, ein Bücherfutteral. Niemals schläft die Welt, die in der Erfindung zu finden ist. Niemals schläft.
Wir müßten uns alle totmachen, um wie erfrischt und neu in unserer Einbildung nach einem Bilde zu leben, das wir uns vorbereitet in die Nachttischschublade oder einen verlegten Strumpf gestopft haben, der Entdeckung vorgreifend. Und: jetzt, ja, bin ich allein mit dem Bild, im Bild.
Ich greife vor und sehe bereits die ganze Erzählmaschine anrumpeln und abraspeln, was dann in diesen ledernen Teig fällt. Ich sehe dich gehen, ich sehe dich gegangen, ich weiß nicht wann, noch weiß ich wo. So suche ich, ohne mich augenscheinlich zu bewegen, vor (der) mir, hinter mir – gilt nicht – ich komme!
Als hätte ich jemals einschlafen können, schlief ich ein, muß wieder eingeschlafen sein, denn ich kann mich an eine kurze Phase des Wachseins erinnern, die mir die Konturen näher brachte, große graue Brücken, von denen nur die Pfeiler zu erkennen waren, die mein Domizil stützten.
Aus bisheriger Leseerfahrung weiß ich: ganz gleich, wo ich wieder zu lesen beginne, ich weiß nie, wo ich mich gleich befinden werde, wie lange mir dieser oder jener Augenaufschlag sein wird, wie lange ich mir und all dessen, was mich umgibt, gewahr sein kann. Ich weiß nur, dass es so kommen wird, dass diese oder jene Landschaft, Dorfschenke oder Brücke gleich nicht mehr sein wird. Die Brücke, die nur ist, um mich in ein Anderes zu stürzen, immer tiefer hinab, damit ich Zeiten später doch erneut zu ihr gelange, sie in einer anderen Vegetation, in einem anderen Licht wieder passiere. Mit einem anderen Augenaufschlag. Ich bin dann nicht mehr dieselbe. Wo nur war ich? Wo bin ich gewesen? Alles ist Traum, ist Erinnerung, ist Gedachtes. Flora und Fauna, Landschaften, Dörfer, Städte und ihre Architekturen sind selbst gewaltige Akteure. Alles ist beseelt. Noch jedes Haus, jeder Stein stülpt mir farbpsychosomatisch sein Innerstes, sein Dasein entgegen.
Das Bloße in diesem Werk, soviel kann ich als Pionierin bereits verraten, ist der Leser.
Es gibt keinen Anfang. Es gibt kein Ende. Kein Alpha. Kein Omega. Wie aufgeworfen so manches Wesen, das zu lesen imstande ist, sich vorfinden kann, wird so bereits in der Annäherung, dem Zur-Tat-Schreiten offenbar. Mit einer Wildvogelschleppe werde ich es tun. Mal auf diese, mal auf jene Weise, in Anordnung der Blätter, wie ich sie nummeriert in ihren Schlummer vorfinde, oder: wie es mir belieben wird. Phantastisch! Ich weiß es selbst noch nicht. Denn anders als es dem Hl. Sebastian geschah, der, an den Stamm eines Baumes gebunden, von den numidischen Bogenschützen ins Visier genommen wurde und als Zielscheibe diente, steht es mir als Leserin frei, wie ich mich diesem Werk nähere, mich darin bewege, es aufnehme. Da es zum einen, wie bereits erwähnt, keine vorgegebene Leserichtung gibt, und zum anderen, soweit ich bisher sagen kann, es kein Werk ist, das den Leser im Geschehen bei der Hand nimmt, ihn führt, ihm die Flüsse eines Kosmos als ununterbrochene, linear und kausal fließende präsentiert. Da es keinen Plot entwirft, der mich in beschreibender Weise von A nach B lotst, um ein ACHSO zu generieren, das der Realität und was sie eigentlich ist, einen Filter vorschaltet, als wäre es möglich der Gründe Gründe jemals erreichen zu können.
Ich stehe also wieder am Anfang. Höchst fraglich, was das eigentlich ist: ein Anfang. In meinem Fall ist es der Beginn einer Reise, von der ich erzählen möchte, da mich die Wucht dieses Werkes bannt, und ich zuvor nur kleine Textanteile, die von mir sog. Chimären, die zuvor noch Tableaus hießen, kannte. Chimären wie diese (die sich jedoch nunmehr in der vorliegenden Endfassung der SANDSTEINBURG durchaus anders präsentieren):
Wir müßten uns alle totmachen, um wie erfrischt und neu in unserer Einbildung nach einem Bilde zu leben, das wir uns vorbereitet in die Nachttischschublade oder einen verlegten Strumpf gestopft haben, der Entdeckung vorgreifend. Und: jetzt, ja, bin ich allein mit dem Bild, im Bild.
Ich greife vor und sehe bereits die ganze Erzählmaschine anrumpeln und abraspeln, was dann in diesen ledernen Teig fällt. Ich sehe dich gehen, ich sehe dich gegangen, ich weiß nicht wann, noch weiß ich wo. So suche ich, ohne mich augenscheinlich zu bewegen, vor (der) mir, hinter mir – gilt nicht – ich komme!
Als hätte ich jemals einschlafen können, schlief ich ein, muß wieder eingeschlafen sein, denn ich kann mich an eine kurze Phase des Wachseins erinnern, die mir die Konturen näher brachte, große graue Brücken, von denen nur die Pfeiler zu erkennen waren, die mein Domizil stützten.
Aus bisheriger Leseerfahrung weiß ich: ganz gleich, wo ich wieder zu lesen beginne, ich weiß nie, wo ich mich gleich befinden werde, wie lange mir dieser oder jener Augenaufschlag sein wird, wie lange ich mir und all dessen, was mich umgibt, gewahr sein kann. Ich weiß nur, dass es so kommen wird, dass diese oder jene Landschaft, Dorfschenke oder Brücke gleich nicht mehr sein wird. Die Brücke, die nur ist, um mich in ein Anderes zu stürzen, immer tiefer hinab, damit ich Zeiten später doch erneut zu ihr gelange, sie in einer anderen Vegetation, in einem anderen Licht wieder passiere. Mit einem anderen Augenaufschlag. Ich bin dann nicht mehr dieselbe. Wo nur war ich? Wo bin ich gewesen? Alles ist Traum, ist Erinnerung, ist Gedachtes. Flora und Fauna, Landschaften, Dörfer, Städte und ihre Architekturen sind selbst gewaltige Akteure. Alles ist beseelt. Noch jedes Haus, jeder Stein stülpt mir farbpsychosomatisch sein Innerstes, sein Dasein entgegen.
Das Bloße in diesem Werk, soviel kann ich als Pionierin bereits verraten, ist der Leser.
Wir kommen nicht vom Dasein weg
Statt ein vollständiges Buch zu schreiben, von jenem vollkommenen Buch zu träumen, das bisher nur Schlegel und Mallarmé mißlang, und jedes Wort in seiner Verbindung zum nächsten als das anzuerkennen, was es folglich nur sein kann: Etappe, Fragment. Das geträumte Buch ist das vollkommene Buch und es ist ein Buch, in dem alles wandelbar bleibt, ein ewiger Strom gesagter und nichtgesagter Dinge. Alle Gegensätze heben sich folglich darin auf und trennen sich darum um so schärfer und klarer, zeichnen sich kristallklar ab für einen verschwindend kleinen Moment, der nicht zu messen ist.
Nein, wenn wir Bücher schreiben, schreiben wir keine vollständigen Bücher, wir reißen nur ein Stück aus der Ewigkeit heraus. Wir haben bereits erlebt, daß die Avantgarde in Form kleinerer und größerer Feuer die Ordnungshüter und Traditionalisten in helle Aufregung versetzte. Die Feuer verzehrten sich selbst oder wurden von den aufgeschreckten Bürgern erstickt. Vorher hatten sich jedoch manche an diesen Feuern gewärmt und am Spiel der Flammen erfreut, hatten miterlebt, daß verfestigte Strukturen aufgebrochen werden können, und hatten die zurückgebliebene Asche als Nährboden für Schreibweisen entdeckt, die sich immer weniger an literarische Traditionen gebunden fühlten. Künstler sein, das heißt ja nicht erst seit kurzem gegen jede Art von traditioneller Kunst zu Felde zu ziehen, weil es in der Welt, so wie sie ist, nichts Nachahmenswertes gibt.
Die Allmacht des Bewußtseins wird durch die Aufwertung des Traums und des Unbewußten in Frage gestellt, die religiösen, sozialen und sexuellen Tabus werden durch ein von den Instinkten gelenktes spontanes Handeln durchbrochen. Folgt der Schriftsteller dem magischen Diktat des Unterbewußten, so besteht Aussicht, den poetischen Urzustand des Menschen wiederzugewinnen. Der avantgardistische Dichter wird so zum Demiurgen, der aus dem Unbewußten neue Welten schafft. Es geht also weniger um die Übernahme bestimmter Inhalte und Ausdrucksformen als darum, daß der Drang nach völliger Erneuerung ansteckend wird in einer radikalen Abkehr von allem Überkommenen und dem bedingungslosen Einsatz für eine völlig neue Welt, einen völlig neuen Menschen und folglich eine völlig neue Kunst. Autoren und Leser sollen aus Worten neue Welten schaffen, und wer Welten schafft, nimmt dadurch göttliche Züge an. Von Huidobro stammt der Satz: Der Dichter ist ein kleiner Gott.
An die Stelle einer logischen tritt eine magisch-assoziative Verknüpfung, die das Gesetz des Widerspruchs ebenso außer Kraft setzt wie das von Ursache und Wirkung, eine Verknüpfung, die räumlich und zeitlich Getrenntes, Elemente des Mikro- und Makrokosmos, Konkretes und Abstraktes, Natur und Technik in eins setzt. Wenn wir das tun, haben wir in der Vorstellung eines Vogels mit ausgebreiteten Schwingen gleichzeitig ein Flugzeugs und ein Kreuz. Wir können von dem Tier als biologisches Attribut, als Symbol (Amsel, Rabe, Nachtigall) oder als Nachfahre der Flugechsen sprechen, vom Flugzeug als Transportmittel, dem Traum des Menschen, fliegen zu können, vom Kreuz als religiöses Zeichen, als geometrische Figur, und schließlich wieder als Vogelscheuche.
Wenden wir uns vom abstrakten Vogel des Beispiels zum konkreten Raben, können wir gar eine Sprache schaffen, in der die Wörter ihren Status als arbiträre Zeichen zugunsten einer engeren Verbindung zwischen „Bezeichnendem“ und „Bezeichnetem“ aufgeben. Das funktioniert folgendermaßen: Für Morpheme gilt die Semantik der Arbitrarität, der zufälligen, aber konventionalisierten Verbindung von Lautvorstellung und Objektvorstellung. Daß man Hunde Hunde nennt und nicht etwa Globen oder Teppiche, hat keinen anderen Grund als den, daß sich Hund durchgesetzt hat. Das Wort Hund hat nichts Hundiges an sich. Daß man Jagdhunde Jagdhunde nennt, hat dagegen System: Das Wort erweitert die Bedeutung von Hund um die Bedeutung von Jagd. Hier greift das Prinzip der Kompositionalität.
Nehmen wir uns jetzt einmal den Raben vor. Jeder weiß, was ein Rabe ist, zumindest weiß jeder, daß dies irgendein Vogel ist. Wir können nun die jeweils bekannten Schöpfungen nehmen: Rabenschwarz, Rabennacht, Rabenmutter, und gehen über in die Kühnheiten: Rabhalla, Rabhaarig, Rabmystisch; warum nicht sogar Rabelais? Moderne Poesie hat mit dem Irrealen und der Magie in Verbindung zu stehen, mit Reinheit, Lust, Gewalt, Freiheit, Leben und Tod. Die eigentliche Bestimmung des Menschen ist das Unterbewußte, wo die Dichtung die Verbindung zwischen dem Leben und Phänomenen wie Traum, Hellsehen und Wahnsinn aufzeigen soll. Es ist nicht neu, daß sich manche avantgardistische Bewegungen hierzu bestimmter poetischer Mittel, wie des Delirium, des unkontrollierten Sprechens, der Liebe, des Zufalls oder des Verbrechens bedienten – also all dessen, woran juristische, medizinische oder religiöse Normen den Menschen zu hindern suchen. Wir dürfen niemals vergessen: Die Dichtung ist der höchste Ausdruck der Freiheit, da sie allein in der Lage ist, alle sozialen, moralischen und mentalen Fesseln zu sprengen.
Der Dichter kann sich seiner Überlegenheit gegenüber Politik, Philosophie und Geschichte gewiß sein, er repräsentiert die Menschheit, keine anderer ist Mensch wie er. Das Poetische gründet sich auf ein Spannungsgefüge aus Rhythmus, Bild und Analogie, das, im Gegensatz zum segmentierenden, rationalistischen Denken und der teleologischen Auffassung von Geschichte, prinzipiell subversiv ist. In der poetischen Inspiration manifestiert sich die Ontologie der Andersheit. Das erotische Begehren und die Grenzerfahrung werden mit dem Hier und Jetzt der körperlichen Erfahrung verbunden, wodurch sich die Selbstbehauptung des Poetischen gegen die Diskurse der Gesellschaft und der Politik artikulieren soll.
Nein, wenn wir Bücher schreiben, schreiben wir keine vollständigen Bücher, wir reißen nur ein Stück aus der Ewigkeit heraus. Wir haben bereits erlebt, daß die Avantgarde in Form kleinerer und größerer Feuer die Ordnungshüter und Traditionalisten in helle Aufregung versetzte. Die Feuer verzehrten sich selbst oder wurden von den aufgeschreckten Bürgern erstickt. Vorher hatten sich jedoch manche an diesen Feuern gewärmt und am Spiel der Flammen erfreut, hatten miterlebt, daß verfestigte Strukturen aufgebrochen werden können, und hatten die zurückgebliebene Asche als Nährboden für Schreibweisen entdeckt, die sich immer weniger an literarische Traditionen gebunden fühlten. Künstler sein, das heißt ja nicht erst seit kurzem gegen jede Art von traditioneller Kunst zu Felde zu ziehen, weil es in der Welt, so wie sie ist, nichts Nachahmenswertes gibt.
Die Allmacht des Bewußtseins wird durch die Aufwertung des Traums und des Unbewußten in Frage gestellt, die religiösen, sozialen und sexuellen Tabus werden durch ein von den Instinkten gelenktes spontanes Handeln durchbrochen. Folgt der Schriftsteller dem magischen Diktat des Unterbewußten, so besteht Aussicht, den poetischen Urzustand des Menschen wiederzugewinnen. Der avantgardistische Dichter wird so zum Demiurgen, der aus dem Unbewußten neue Welten schafft. Es geht also weniger um die Übernahme bestimmter Inhalte und Ausdrucksformen als darum, daß der Drang nach völliger Erneuerung ansteckend wird in einer radikalen Abkehr von allem Überkommenen und dem bedingungslosen Einsatz für eine völlig neue Welt, einen völlig neuen Menschen und folglich eine völlig neue Kunst. Autoren und Leser sollen aus Worten neue Welten schaffen, und wer Welten schafft, nimmt dadurch göttliche Züge an. Von Huidobro stammt der Satz: Der Dichter ist ein kleiner Gott.
An die Stelle einer logischen tritt eine magisch-assoziative Verknüpfung, die das Gesetz des Widerspruchs ebenso außer Kraft setzt wie das von Ursache und Wirkung, eine Verknüpfung, die räumlich und zeitlich Getrenntes, Elemente des Mikro- und Makrokosmos, Konkretes und Abstraktes, Natur und Technik in eins setzt. Wenn wir das tun, haben wir in der Vorstellung eines Vogels mit ausgebreiteten Schwingen gleichzeitig ein Flugzeugs und ein Kreuz. Wir können von dem Tier als biologisches Attribut, als Symbol (Amsel, Rabe, Nachtigall) oder als Nachfahre der Flugechsen sprechen, vom Flugzeug als Transportmittel, dem Traum des Menschen, fliegen zu können, vom Kreuz als religiöses Zeichen, als geometrische Figur, und schließlich wieder als Vogelscheuche.
Wenden wir uns vom abstrakten Vogel des Beispiels zum konkreten Raben, können wir gar eine Sprache schaffen, in der die Wörter ihren Status als arbiträre Zeichen zugunsten einer engeren Verbindung zwischen „Bezeichnendem“ und „Bezeichnetem“ aufgeben. Das funktioniert folgendermaßen: Für Morpheme gilt die Semantik der Arbitrarität, der zufälligen, aber konventionalisierten Verbindung von Lautvorstellung und Objektvorstellung. Daß man Hunde Hunde nennt und nicht etwa Globen oder Teppiche, hat keinen anderen Grund als den, daß sich Hund durchgesetzt hat. Das Wort Hund hat nichts Hundiges an sich. Daß man Jagdhunde Jagdhunde nennt, hat dagegen System: Das Wort erweitert die Bedeutung von Hund um die Bedeutung von Jagd. Hier greift das Prinzip der Kompositionalität.
Nehmen wir uns jetzt einmal den Raben vor. Jeder weiß, was ein Rabe ist, zumindest weiß jeder, daß dies irgendein Vogel ist. Wir können nun die jeweils bekannten Schöpfungen nehmen: Rabenschwarz, Rabennacht, Rabenmutter, und gehen über in die Kühnheiten: Rabhalla, Rabhaarig, Rabmystisch; warum nicht sogar Rabelais? Moderne Poesie hat mit dem Irrealen und der Magie in Verbindung zu stehen, mit Reinheit, Lust, Gewalt, Freiheit, Leben und Tod. Die eigentliche Bestimmung des Menschen ist das Unterbewußte, wo die Dichtung die Verbindung zwischen dem Leben und Phänomenen wie Traum, Hellsehen und Wahnsinn aufzeigen soll. Es ist nicht neu, daß sich manche avantgardistische Bewegungen hierzu bestimmter poetischer Mittel, wie des Delirium, des unkontrollierten Sprechens, der Liebe, des Zufalls oder des Verbrechens bedienten – also all dessen, woran juristische, medizinische oder religiöse Normen den Menschen zu hindern suchen. Wir dürfen niemals vergessen: Die Dichtung ist der höchste Ausdruck der Freiheit, da sie allein in der Lage ist, alle sozialen, moralischen und mentalen Fesseln zu sprengen.
Der Dichter kann sich seiner Überlegenheit gegenüber Politik, Philosophie und Geschichte gewiß sein, er repräsentiert die Menschheit, keine anderer ist Mensch wie er. Das Poetische gründet sich auf ein Spannungsgefüge aus Rhythmus, Bild und Analogie, das, im Gegensatz zum segmentierenden, rationalistischen Denken und der teleologischen Auffassung von Geschichte, prinzipiell subversiv ist. In der poetischen Inspiration manifestiert sich die Ontologie der Andersheit. Das erotische Begehren und die Grenzerfahrung werden mit dem Hier und Jetzt der körperlichen Erfahrung verbunden, wodurch sich die Selbstbehauptung des Poetischen gegen die Diskurse der Gesellschaft und der Politik artikulieren soll.
Die Antwort
Mir bleibt noch etwas Regen in diesem
aufgeräumten Gefäß, weggeschlossen zwar,
aber nicht unerreichbar, wenn ich einen
Stuhl auf den anderen stelle.
Die Trockenheit unter der Zunge ist
für ein besonderes Klima verantwortlich.
Als könnte man leise eine Treppe
hinab schweben, keine Spuren im Staub.
Mittags schälten sich die Passanten aus dem Laub,
die Straße aber blieb bestehen.
Die Folgen eines Bisses,
ein Fetzen Luft zwischen den Zähnen,
mit allen brillanten Brechungen vereint.
Jetzt endlich kaufte sie den Stuhl,
um den Ereignissen beizuwohnen.
Heute weiß ich es nicht,
aber morgen werde ich mich gefragt haben.
23.09.17
Crash (Cronenberg)
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auf diese Extremitäten,
die Knochen,
die äußeren Flächen.
Das Hervortreten der Schulterblätter.
Die Unterbindung des Blutflusses der Beine.
Das Gras berührt,
die Wange den Boden.
Das Klaffen der oberen Lippe.
Die Beckenschaufel wieder und wieder in Erde bewegt.
Die starkschnellen Schläge. Links, unter meiner Brust.
Unter den Rippenbögen, die flache Atmung.
Die Weite von vorn,
von hinten Wärme.
Die Haut deiner Hand.
Das Blut schmeckt eisern.
„Maybe the next one. Maybe the next one.“
Das mag wirklich alles gewesen sein
Zunächst drückte sie mir den nassen Spülschwamm ins Gesicht, den ich als gerechtfertigt betrachtete und nahm wie ein Mann. Ich hatte eine gewisse Art, die Dinge zu benennen, die man unmöglich durchgehen lassen konnte. Dann suchte sie der Reihe nach meine Sachen, die ich überall verstreut herumliegen hatte, machte die Wohnungstür auf und warf sie nacheinander die Treppe hinunter. Jedes mal mußte sie das Licht im Treppenhaus neu starten. Statt daß ich sie daran hinderte, eilte ich meinen Habseligkeiten nach und riskierte damit, daß mir weitere Dinge nicht nur um die Ohren flogen, sondern mich sogar trafen. Sie zu hindern wäre einfacher gewesen, aber ich wollte sie den Rausch auskosten lassen, mich samt und sonders vor die Tür zu setzen. Als sie nichts mehr fand, das sich mir entgegenwerfen ließ, fing sie an zu heulen und sagte, ich solle wieder nach oben kommen. Das ging natürlich nicht. Ich weiß, daß ihr Schriftsteller manchmal bescheuert seit, sagte sie, aber du bist ja noch keiner. Womit sie Recht hatte oder auch nicht, so genau ließ sich das nicht sagen. Dummerweise war ich auf dem Weg dorthin, ob ich wollte oder nicht. Dabei konnte ich noch nicht einmal richtig schreiben und versuchte mich in Gedichten, die sich entsetzlich reimten. Und ein Thema hatte ich ebenfalls nicht, Honigtopfmänner und Kloaken. Wäre H., den ich natürlich angerufen hatte, nicht gekommen, hätte ich wohl eine weitere Nacht in ihrem Bett und Opiumduft verbracht, aber H. kam und wir fuhren in seinem Ford Taunus in eine neue Überlegung hinein.
Schwerkraft zum halben Preis
Nebenan, beinahe in der Hinterstube, so aber doch noch im Wintergarten, verkaufte Frau Emsrente Schwerkraft zum halben Preis. Es ist da in den letzten Jahren gehörig etwas ins Wanken geraten, und da man zu keinem Zeitpunkt wußte, was Schwerkraft überhaupt ist, wußte freilich auch niemand, wie man ihr Fehlen kompensieren sollte. Aber Frau Emsrente hatte einen Schwerkraftmixer, eigentlich ein zylindrisches Haushaltsgerät, das von außenliegenden Solarringen umschlossen wurde, und auf dessen Innenseite eine mit Sauerstoff gefüllte Biosphäre angelegt war. Man kaufte Frau Emsrentes Schwerkraft, wenn man etwas im Umland spazierengehen wollte.
22.09.17
Die Mädchen wehen die Bäume
Sie sagten, die Mädchen wehen die Bäume. Schließen Sie die Augen und versuchen Sie sich zu erinnern. Um was ging es? Warum wehen die Bäume? Wir müssen wissen, warum die Bäume wehen.
Ich weiß nicht so genau. Erinnere mich nur an diese eine Patientin, über Fünfzig war sie. Sie hat mir davon erzählt. Es ging um irgendwelche Mädchen, die über ihr wohnten bzw. vorbeikamen, um dort eine Radiostation zu betreiben, mit der sie das Wetter beeinflussen konnten und durch die sie sich mit ihr unterhielten, sie aber auch beschimpften. Die Mädchen wehen die Bäume, hat sie immer wieder gesagt. Die lackieren sich die Nägel auf Russisch. Das wären nämlich Russinnen, die sie „fertig machen“ wollen. Sie wäre ihr Hund oder so. Hat auch recht viele Redewendungen benutzt, nur immer sehr eigensinnig abgewandelt. Das Interessante war, so abstrus das alles klang, nach einer Weile kamen immer mehr Informationen hinzu, die die Lebensgeschichte dieser Frau dahinter durchschimmern ließen. Sie hatte Germanistik studiert und war mal Lehrerin in einer reinen Mädchenklasse. Das hat auch viel über ihr Selbstbild als Frau und aus dieser Zeit erzählt. Sie sagte immer wieder: Die Mädchen. Die Mädchen wehen die Bäume. Ich weiß nicht, wieso. Was wollen Sie von mir?
Ich weiß nicht so genau. Erinnere mich nur an diese eine Patientin, über Fünfzig war sie. Sie hat mir davon erzählt. Es ging um irgendwelche Mädchen, die über ihr wohnten bzw. vorbeikamen, um dort eine Radiostation zu betreiben, mit der sie das Wetter beeinflussen konnten und durch die sie sich mit ihr unterhielten, sie aber auch beschimpften. Die Mädchen wehen die Bäume, hat sie immer wieder gesagt. Die lackieren sich die Nägel auf Russisch. Das wären nämlich Russinnen, die sie „fertig machen“ wollen. Sie wäre ihr Hund oder so. Hat auch recht viele Redewendungen benutzt, nur immer sehr eigensinnig abgewandelt. Das Interessante war, so abstrus das alles klang, nach einer Weile kamen immer mehr Informationen hinzu, die die Lebensgeschichte dieser Frau dahinter durchschimmern ließen. Sie hatte Germanistik studiert und war mal Lehrerin in einer reinen Mädchenklasse. Das hat auch viel über ihr Selbstbild als Frau und aus dieser Zeit erzählt. Sie sagte immer wieder: Die Mädchen. Die Mädchen wehen die Bäume. Ich weiß nicht, wieso. Was wollen Sie von mir?
Holzwurm
Im obersten Stock des Cafés gingen die Rinderhälften einher; getragen wurden sie von mächtigen Rücken, denen der Skrupel fehlte, zusammenzubrechen. Filet auf Filet, die Füße auf dem ausgewalkten Teppich; auf dem Tisch: Kaffeeflecke ringelten sich wie die Jahreskreise eines gefällten braunsaftigen Baums, olympisch, Zelle für Zelle; ein Tag. Am Abend sangen sie alle Wish You Where Here, wozu sie Jim Beam aus einer Dreiliterflasche soffen und den Tränen immer näher kamen; aus der Kneipe herauf quoll der Blues wie Hirsebrei aus dem Topf.
„Töpfchen koch!“
Oh, ihr Gäste, ihr fremden Menschelgen, heute abend schob ich keine Pizzableche in den Feuerschein, verzupfte nicht Salat, schlug keine Filets, zerstieß kein angetrocknetes Mehl, heute versoff ich das Geld, das ich gestern in der Küche verdient hatte, vor Feuerschein und Gurke. Setzt euch doch!
„Setzen wir uns doch!“
Auf die Stühle, die ich mir borgen mußte, genauso wie den Tisch, den wir nicht brauchten, weil wir alles auf den Boden schmissen; oh Hasi, Hasi, der feiste Baß : „Töpfchen steh!“
Dann unten : alles voll, die lange Theke : nur noch für mich ein Platz zwischen den rauchenden, schwelgenden Leibern. Du unnahbares Objekt meiner Begierde, mit Augen wie Bambi (Bam Bam Bambi), du Körper der Lust, du Heizdecke (ich widdere dich), rauchiges Universum (der Blues).
Now I left home this mornin’, I swore I've stopped and think
Made my friends a promise, I wouldn't even take a drink
Of that bad, bad Whisky.
Oh, ihr Gäste, ihr fremden Menschelgen, heute abend schob ich keine Pizzableche in den Feuerschein, verzupfte nicht Salat, schlug keine Filets, zerstieß kein angetrocknetes Mehl, heute versoff ich das Geld, das ich gestern in der Küche verdient hatte, vor Feuerschein und Gurke. Setzt euch doch!
„Setzen wir uns doch!“
Auf die Stühle, die ich mir borgen mußte, genauso wie den Tisch, den wir nicht brauchten, weil wir alles auf den Boden schmissen; oh Hasi, Hasi, der feiste Baß : „Töpfchen steh!“
Dann unten : alles voll, die lange Theke : nur noch für mich ein Platz zwischen den rauchenden, schwelgenden Leibern. Du unnahbares Objekt meiner Begierde, mit Augen wie Bambi (Bam Bam Bambi), du Körper der Lust, du Heizdecke (ich widdere dich), rauchiges Universum (der Blues).
Now I left home this mornin’, I swore I've stopped and think
Made my friends a promise, I wouldn't even take a drink
Of that bad, bad Whisky.
21.09.17
Julio Cortázar - Erzählungen
Julio Cortázar war einer der Begründer dessen, was als Lateinamerikanischer Boom bekannt wurde. Ein Romanschriftsteller, Dichter, Dramatiker und Essayist war er, aber - und das ist das Wesentliche seiner Arbeit - vor allem ein fleißiger Erzähler von Kurzgeschichten. Er begann seine Arbeit unter dem Einfluß des Surrealismus. Seine phantastischen Erzählungen beginnen meistens mit einem gewöhnlichen Setting, in das unerwartet das Fremde, Seltsame einbricht. Seine Tätigkeit als Übersetzer, inklusive der Erzählungen Poes, beeinflussten sein Schaffen ebenfalls.
Viele phantastische Geschichten kommen um eine thematische Ähnlichkeit nicht herum. Es scheint oft so, als stünden sie in Beziehung zueinander, wären verbrüdert und verbunden durch eine Röhre. Viele solcher Geschichten haben gemeinsame Einflüsse wie Arthur Machen oder H.P. Lovecraft, während andere unheimliche Elemente benutzen um zeitgenössische Stimmungen einzufangen. Manchmal sind diese Verbindungen offenkundig, in anderen Fällen braucht es mehrmaliges Lesen, bevor sie verstanden werden. Das ist der Fall bei Julio Cortázar.
Nehmen wir das Beispiel 'Axolotl' und daraus den ersten Absatz, der die Transformation vorwegnimmt:
Am Anfang der Geschichte geht der Erzähler angefangen von der Faszination dieser Amphibien im Larvenstadium dazu über, mehr und mehr Informationen über sie zu sammeln. Tag für Tag besucht er sie im Jardin des Plantes.
In seinen Geschichten verwendet Cortázar das Unerklärliche, um die Wirren des Lebens zu erforschen. In "Das besetzte Haus". Die alternden Geschwister, die in Abgeschiedenheit im Haus ihrer Großeltern leben, spüren, dass etwas in ihren abgeschlossenen Lebensraum eindringt und sie dazu zwingt, das Haus zu verlassen. Es ist ein langsames, schleichendes Grauen, das durch die Erzählung sickert.
"Südliche Autobahn" ist weniger eindeutig. Die Erzählung beginnt mit einem endlosen Stau im kafkaesken Stil. Die im Stau steckenden versuchen, sich irgendwie zu beschäftigen. Einige schlafen miteinander, andere versuchen, sich soweit wie möglich von allem und jedem zu entfernen. Beide Erzählungen ähneln "Axolotl", indem sie von eindeutiger Realität in seltsame, surreale Landschaften hineinrutschen. was real ist und was Ausgeburt der Phantasie, verschmilzt unentwirrbar miteinander, wird zu einer halluzinatorischen Einheit.
In den "Hüpf- und Sprungszenen" seines grandiosen Anti-Romans "Rayuela" zeichnet Cortázar das Leben eines argentinischen Emigranten in Paris und seine Suche nach seiner einstigen Geliebten Maga. Auch hier kommt es zum Zusammenprall der Kulturen, zu einer verschwommenen Linie zwischen Halluzination und Realität. In Horacio Oliveira erkennen wir den fast wahnsinnigen Erzähler aus "Axolotl". Sein Taumel durch Paris und Buenos Aires, auf der Suche nach Maga, kann ebenso für die Suche nach einer schwer fassbaren Realität stehen. Die Anti-Struktur des Romans dient dazu, das Gefühl des Halluzinatorischen der Suche zu verstärken. Da gibt es Momente der stillen Bedrohung, ähnlich der des "besetzten Hauses"; und dann sind da die Momente, in denen Oliveiras Suche Quixotische Züge annimmt.
Im Laufe seiner 35 Jahre währenden Karriere als Schriftsteller hinterließ Cortázar eines der mächtigsten und unvergesslichsten Werke der Literatur des 20. Jahrhunderts unter Verwendung des Surrealismus, des Kulturkrachs, Selbstidentität und der Frage, wo Realität endet und Halluzination beginnt. Seine instabilen, aber schmerzhaft aufmerksamen Erzählerfiguren erlaubten ihm, durch das Unerklärliche Aussagen über das heutige Leben zu machen, wie es ein 'Realismus' niemals zu Wege bringen kann. Cortázar taucht tief in die Psyche seiner Protagonisten und offenbart dadurch beunruhigende Wahrheiten darüber, wie wir die verrückte Welt um uns herum wahrnehmen. Manchmal wird das durch den Verlust der Identität und der Trennung von unserer Vergangenheit ausgedrückt wie in "Axolotl" oder "Das besetzte Haus".
Das Unheimliche dient Cortázar als Kanal und seine Geschichten funktionieren auf mehreren Ebenen. Es ist beinahe unmöglich, diese unglaubliche Nuanciertheit bei einem ersten Lesedurchgang zu erfassen und er ist einer jener wenigen Autoren, die man wieder und wieder mit Genuss lesen wird.
Viele phantastische Geschichten kommen um eine thematische Ähnlichkeit nicht herum. Es scheint oft so, als stünden sie in Beziehung zueinander, wären verbrüdert und verbunden durch eine Röhre. Viele solcher Geschichten haben gemeinsame Einflüsse wie Arthur Machen oder H.P. Lovecraft, während andere unheimliche Elemente benutzen um zeitgenössische Stimmungen einzufangen. Manchmal sind diese Verbindungen offenkundig, in anderen Fällen braucht es mehrmaliges Lesen, bevor sie verstanden werden. Das ist der Fall bei Julio Cortázar.
Nehmen wir das Beispiel 'Axolotl' und daraus den ersten Absatz, der die Transformation vorwegnimmt:
"Es gab eine Zeit, in der ich viel an die Axolotl dachte. Ich besuchte sie im Aquarium des Jardin des Plants und brachte Stunden in ihrer Betrachtung, der Betrachtung ihrer Unbeweglichkeit, ihrer dunklen Bewegung zu. Jetzt bin ich ein Axolotl."Der Schlüssel an dieser Stelle ist nicht die ausgesprochene Transformation, sondern die Beobachtung und das andächtige Schauen. Man kann die Geschichte als eine Absonderung und einen symbolischen Abstieg in einen schizophrenen Zustand lesen, vor allem durch die Schlusssätze, in denen Cortàzar das erzählerische "uns" (Axolotl) mit dem menschlichen "ihn" (der Mensch) vertauscht.
Am Anfang der Geschichte geht der Erzähler angefangen von der Faszination dieser Amphibien im Larvenstadium dazu über, mehr und mehr Informationen über sie zu sammeln. Tag für Tag besucht er sie im Jardin des Plantes.
"Ich stützte mich auf die eiserne Stange, die die Aquarien einfasst, und widmete mich ihrer Betrachtung. Daran ist nichts Besonderes, denn ich hatte vom ersten Augenblick an begriffen, dass wir miteinander in Verbindung standen, dass etwas wenn auch grenzenlos Verlorenes und Fernes uns offenbar vereinte."Hinter dem Gefühl der Obsession lauert etwas anderes. Es ist die Schärfe der Selbstidentifikation mit etwas Fremden. Im Laufe der Geschichte beginnt sie mit wiederholten Verweisen auf ihr Ursprungsland Mexiko, zurück zu den Azteken, die über das Land herrschten, bevor die Spanier kamen, Formen anzunehmen. Der Erzähler scheint verrückt zu sein, zumindest könnte man die Erzählung so deuten. Und doch könnte das alles auch eine Metapher sein für die Faszination für eine fremde Kultur, die soweit geht, komplett in sie eintauchen zu wollen, und zwar soweit, dass sie mit der ursprünglich eigenen Kultur getauscht wird. Dieses Gefühl fremder Akkulturation taucht in vielen Geschichten und Romanen Cortázars auf. Emigranten in surrealistsichen Geschichten, wie in seinem brillanten und epochemachenden Roman "Rayuela".
In seinen Geschichten verwendet Cortázar das Unerklärliche, um die Wirren des Lebens zu erforschen. In "Das besetzte Haus". Die alternden Geschwister, die in Abgeschiedenheit im Haus ihrer Großeltern leben, spüren, dass etwas in ihren abgeschlossenen Lebensraum eindringt und sie dazu zwingt, das Haus zu verlassen. Es ist ein langsames, schleichendes Grauen, das durch die Erzählung sickert.
"Südliche Autobahn" ist weniger eindeutig. Die Erzählung beginnt mit einem endlosen Stau im kafkaesken Stil. Die im Stau steckenden versuchen, sich irgendwie zu beschäftigen. Einige schlafen miteinander, andere versuchen, sich soweit wie möglich von allem und jedem zu entfernen. Beide Erzählungen ähneln "Axolotl", indem sie von eindeutiger Realität in seltsame, surreale Landschaften hineinrutschen. was real ist und was Ausgeburt der Phantasie, verschmilzt unentwirrbar miteinander, wird zu einer halluzinatorischen Einheit.
In den "Hüpf- und Sprungszenen" seines grandiosen Anti-Romans "Rayuela" zeichnet Cortázar das Leben eines argentinischen Emigranten in Paris und seine Suche nach seiner einstigen Geliebten Maga. Auch hier kommt es zum Zusammenprall der Kulturen, zu einer verschwommenen Linie zwischen Halluzination und Realität. In Horacio Oliveira erkennen wir den fast wahnsinnigen Erzähler aus "Axolotl". Sein Taumel durch Paris und Buenos Aires, auf der Suche nach Maga, kann ebenso für die Suche nach einer schwer fassbaren Realität stehen. Die Anti-Struktur des Romans dient dazu, das Gefühl des Halluzinatorischen der Suche zu verstärken. Da gibt es Momente der stillen Bedrohung, ähnlich der des "besetzten Hauses"; und dann sind da die Momente, in denen Oliveiras Suche Quixotische Züge annimmt.
Im Laufe seiner 35 Jahre währenden Karriere als Schriftsteller hinterließ Cortázar eines der mächtigsten und unvergesslichsten Werke der Literatur des 20. Jahrhunderts unter Verwendung des Surrealismus, des Kulturkrachs, Selbstidentität und der Frage, wo Realität endet und Halluzination beginnt. Seine instabilen, aber schmerzhaft aufmerksamen Erzählerfiguren erlaubten ihm, durch das Unerklärliche Aussagen über das heutige Leben zu machen, wie es ein 'Realismus' niemals zu Wege bringen kann. Cortázar taucht tief in die Psyche seiner Protagonisten und offenbart dadurch beunruhigende Wahrheiten darüber, wie wir die verrückte Welt um uns herum wahrnehmen. Manchmal wird das durch den Verlust der Identität und der Trennung von unserer Vergangenheit ausgedrückt wie in "Axolotl" oder "Das besetzte Haus".
Das Unheimliche dient Cortázar als Kanal und seine Geschichten funktionieren auf mehreren Ebenen. Es ist beinahe unmöglich, diese unglaubliche Nuanciertheit bei einem ersten Lesedurchgang zu erfassen und er ist einer jener wenigen Autoren, die man wieder und wieder mit Genuss lesen wird.
Olga und der Ring
Olga öffnete die Tür und fand einen Ring. 'Natürlich', wird jetzt jeder sagen, 'natürlich fand sie einen Ring. Das ist ein Märchen, und da findet irgendjemand, der dann vielleicht auch noch die Hauptfigur ist (oder mit ihr in direktem Kontakt steht), ihr Gegenspieler sein mag, immer einen Ring oder ein anderes Artefakt.' Trotzdem hatte es etwas Besonderes mit diesem Ring auf sich: Er war nämlich gewöhnlich.
20.09.17
Nymphentag 77
Die beiden Belegexemplare der Sonderausgabe IF sind heute angekommen, und ich muß sagen: das ist ein fettes, umfassendes Kompendium, das jetzt schon Kultfaktor besitzt. Tobias Reckermann, selbst Autor und kurzzeitig im Nymphenbad als Rumor zugange, hat hier hervorragende Arbeit geleistet. Natürlich unterscheidet sich das Nymphenbad von den Anforderungen des Magazins. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Leser mit einer gehörigen Portion Unverständnis auf das reagieren, was sie im Weblog lesen, nur muß ich anmerken, daß ich, um mental dorthin zu gelangen, wo noch niemand gewesen ist, keine Grenzen der Sprache anerkenne. Überhaupt sind die Machenschaften einer Konsensliteratur für mich ein steter Quell des Zorns, der an Dummheit nicht mehr zu überbieten ist. Das phantastische Element, das wir in der gegenwärtigen Hochphilosophie vorfinden (wo es auch hingehört), darf nicht durch künstliche Grenzen des Sagbaren aufgehalten werden. Die Strukturen des Phantasmas begründen eine Wirklichkeit, die wesentlich ernster genommen werden muß als das grenzdebile Geschwätz von "Realität" oder "Realismus". Mensch lernt natürlich nichts im Laufe der Zeit, und Akademiker lernen in der Regel am wenigsten, sie gehören meist zu den "schlausten Deppen" des Planeten. Wir benutzen unsere Sprache falsch, wir benutzen eine falsche Sprache. Das ist der Ansatzpunkt. Unmögliches ist nicht zu beschreiben, dazu braucht es eine "unmögliche Sprache". Diesbezüglich bin ich natürlich ein Sprachpionier, ein notwendiger, geächteter Solitär der deutschen Sprache.
Aber ich habe hin und wieder auch etwas zu erzählen, und wenn das so ist, werde ich es mit Inbrunst tun. Jetzt aber werde ich mir die "Bibel des Horrors" durchlesen und mich daran erfreuen, etwas Wertschaffendes in Händen halten zu können, es kommt ja selten genug vor.
Aber ich habe hin und wieder auch etwas zu erzählen, und wenn das so ist, werde ich es mit Inbrunst tun. Jetzt aber werde ich mir die "Bibel des Horrors" durchlesen und mich daran erfreuen, etwas Wertschaffendes in Händen halten zu können, es kommt ja selten genug vor.
19.09.17
Ball & Bällin
Ich wollte sprechen. Doch es kam nichts. Meine Stimme. Sie blieb mir einfach im Hals stecken. Ich versuchte es erneut, wollte dir doch unbedingt etwas sagen, wollte mich äußern. Doch wieder blieb sie stecken. So, als hätte sie ihren eigenen Willen. Ich spürte sie in meiner Kehle. Nicht einmal unangenehm. Weich sogar. Ich fasste an meinen Hals. Dorthin, wo ich sie spürte. Sie bewegte sich, fand den Weg nach oben in meinen Mund. Das war in keiner Weise unangenehm, eher salbig in meiner Kehle. Ich spürte sie auf meiner Zunge, gar nicht sehr konsistent, aber wie schon gesagt: irgendwie weich. Ich schaute dich an. Du wartetest. Wartetest, dass ich etwas sagte. Ich ließ sie auf die Innenfläche meiner linken Hand hinab. Sie sah aus wie ein kleiner Nebelball. Nebel, der sich bewegte. Du schautest erstaunt, wolltest auch etwas sagen, aber du konntest es ebenso nicht, dir passierte dasselbe. Auch du ließt dir deinen von deiner Zunge über deine Lippen auf deine linke Handinnenfläche gleiten. Betrachtetest ihn. Gabst ihn mir in die Innenfläche meiner anderen Hand. Meine Bällin fing zu vibrieren an, hüpfte leicht. Deiner tat es ihr nach. Wir schauten uns beide an, völlig verwundert. Ich nahm meine beiden Hände zu einer Schale zusammen. Sofort begann dein Nebelball meine Bällin zu umkreisen. Kreiste und kreiste um sie. Sie vibrierte wieder. Rempelte gegen deinen. Wollte ausbrechen, ihn auch zu umkreisen. Deiner rempelte zurück. Sie rempelten sich. Ein bisschen fest, wie ich fand. Und so standen sie dann nach einer kurzen Weile, ohne sich zu bewegen, voreinander. Atmeten. Zogen sich zusammen. Breiteten sich aus. Als würden sie sich tatsächlich anschauen und verschnaufen. Wir lächelten darüber. Waren zu alledem ja nackt. So nackt, wie zwei Menschen es nur sein können, wenn sie das erste Mal voreinander entblättert stehen. Wir legten uns. Ich gab dir meine Bällin in deinen Bauchnabel, behielt deinen bei mir. Er hüpfte wieder. Aber diesmal vor Vorfreude. Als wüsste er, was meine gleich tun würde.
Was tat sie dir? Gib es zu, sie leckte!
Leckte sofort drauf los. Leckte deinen Bauch, leckte über deinen mons pubis, rollte wild auf dir umher. Saugte an deiner linken Brustwarze. Ich legte mich auf meinen Bauch. Du nahmst mir deinen aus der Hand, gabst ihn mir auf Steißhöhe in die Mulde meiner Wirbelsäule. Mein Nebelball stand dabei still auf dir. Glomm im Innern. Deiner rollte sich mehrmals meine Mulde hinauf und hinab, nahm Schwung auf, erklomm meinen Hintern. Biss mich.
Wie das denn?
Meine Bällin hüpfte auf dir. Und wie sie es tat! Zerließ sich beim fünften Aufkommen auf deinem Bauch, rann wieder zusammen, floss zu deinem Mund hinauf. Das tat deiner meiner nach, floss aber in die Spalte meines Hinterns, langsam und nach vorn. Ich schloss die Augen, fasste nach dir. Du fasstest nach mir. Mein Stimme, sie tropfte von dir auf mich, tropfte als du über mich kamst. Ich hob meinen Oberkörper an. Sie sammelte sich auf mir, umlief meinen Rücken zu beiden Seiten, küsste meine Zitzen und tropfte herab. Ich hörte dich stöhnen. Ich hörte mich. Wir hörten uns.
Was tat sie dir? Gib es zu, sie leckte!
Leckte sofort drauf los. Leckte deinen Bauch, leckte über deinen mons pubis, rollte wild auf dir umher. Saugte an deiner linken Brustwarze. Ich legte mich auf meinen Bauch. Du nahmst mir deinen aus der Hand, gabst ihn mir auf Steißhöhe in die Mulde meiner Wirbelsäule. Mein Nebelball stand dabei still auf dir. Glomm im Innern. Deiner rollte sich mehrmals meine Mulde hinauf und hinab, nahm Schwung auf, erklomm meinen Hintern. Biss mich.
Wie das denn?
Meine Bällin hüpfte auf dir. Und wie sie es tat! Zerließ sich beim fünften Aufkommen auf deinem Bauch, rann wieder zusammen, floss zu deinem Mund hinauf. Das tat deiner meiner nach, floss aber in die Spalte meines Hinterns, langsam und nach vorn. Ich schloss die Augen, fasste nach dir. Du fasstest nach mir. Mein Stimme, sie tropfte von dir auf mich, tropfte als du über mich kamst. Ich hob meinen Oberkörper an. Sie sammelte sich auf mir, umlief meinen Rücken zu beiden Seiten, küsste meine Zitzen und tropfte herab. Ich hörte dich stöhnen. Ich hörte mich. Wir hörten uns.
Der Pionier
Da es ihm nun schon einmal passiert war, wollte er es natürlich auch
verschweigen.
Daß sich vor ihm Brücken bildeten, wenn er auf ein Hindernis
zusteuerte,
das kam erst später. Also saß er auf der Küchenbank, drückte
sein Gesicht in die Suppe und erinnerte sich an all seine Taten,
bei denen er die rechte Hand nicht eingesetzt hatte, verschluckte
sich an mehreren Wintern, trug diesmal jedoch nicht so dick auf.
"Ich sterbe", dachte er, was immer das zu bedeuten hatte.
"Ich sterbe im Saloon zu Memphis." Und damit war der Fall erledigt.
18.09.17
SSB - 4 - Nach dem Sturm, Einschub 1 (Der Böhmwind)
Die Augenbirnen in den Nußschalen, in regengebadeten Prismen, also ein künstliches Land. Ohne mich zu kennen, bin ich gerannt und schüttelte Hände im Sturm Alabasters, die Sagen vergessen das Land unbekannt. So stehen die Ritter bei Grabe und schmettern Gewölk vom Gesicht in die Tiefe aus den Höhlen der Mesmerei, dort hatten sie einst Schafe erschaffen mit Wolle durch silberne Lettern und Angst an der Wand stets in Blei. Es scheint mir alles zu sein und ich weiß nicht : es scheint eine Art Stille zu sein, die uns in ein Vakuum fließen läßt und ich weiß nicht : es scheint eine Art Verzweiflung zu sein, die uns einander näher bringt.
Empfinden und Loch
Das Empfinden wird in eine große Sache gegossen. Die große Sache ist demnach zur Hälfte voll geworden. Das Loch ist zu groß für das Empfinden. Die große Sache ist das Loch, das zu groß ist für das Empfinden, das zu klein ist für das Loch, die große Sache.
Natürlich wurde falsch empfunden und dann bemessen – ebenfalls falsch, weil falsch empfunden wurde. Man mußte das Empfinden wieder herausnehmen aus der großen Sache und das Loch zur Hälfte zuschütten, aber das Loch fraß alles, die Erde und alles, und vorher das Empfinden und alles. Das alles.
17.09.17
Nymphentag 74
Die Erkenntnis wurde erfunden = sie ist kein Bestandteil der menschlichen Natur, nicht der älteste Trieb des Menschen; sie ist nicht keimhaft in ihrem Verhalten, ihrem Streben und Trieb. Die Erkenntnis ist das Ergebnis der Konfrontation und der Verbindung des Kampfes und des Kompromisses zwischen den Trieben. Weil die Triebe aufeinander stoßen, miteinander kämpfen und schließlich zu einem Kompromiß gelangen, entsteht etwas. Und dieses Etwas ist die Erkenntnis. Sie gleicht dem Funken zwischen zwei Schwertern, der ja auch selbst nicht aus Eisen ist. Es gibt keine vorgängige Übereinstimmung oder Affinität zwischen der Erkenntnis und den zu erkennenden Dingen. Das ist der große Bruch mit der Tradition der abendländischen Philosophie. Der Gesamtcharakter der Welt ist Chaos, nicht im Sinne einer fehlenden Notwendigkeit, sondern der fehlenden Ordnung, Gliederung, Form, Schönheit, Weisheit. Die Welt versucht keineswegs, den Menschen nachzuahmen; sie kennt keinerlei Gesetz. Die Erkenntnis hat mit dieser Welt zu kämpfen. Für die Natur ist es keineswegs natürlich, erkannt zu werden. Erkenntnis kann den zu erkennenden Dingen nur Gewalt antun.
Zeit ist der Träger der Qualität eines Ereignisses im Raum. Raum entsteht erst durch Zeit, und wenn man eines Tages ihre Dimensionen anerkennt, wird das Modell eines Raums nicht mehr benötigt. Synchronizität ist nicht durch Dimensionsausweichung des Raumes zu erklären, zumindest nicht befriedigend. Die Koexistenz von Raum und Zeit, ihre gegenseitige Bedingung (etwa durch eine Raumzeit) ist eine weitere Illusion. Ein zeitloser Raum ist undenkbar. Eine raumlose Zeit nicht.
Zeit ist der Träger der Qualität eines Ereignisses im Raum. Raum entsteht erst durch Zeit, und wenn man eines Tages ihre Dimensionen anerkennt, wird das Modell eines Raums nicht mehr benötigt. Synchronizität ist nicht durch Dimensionsausweichung des Raumes zu erklären, zumindest nicht befriedigend. Die Koexistenz von Raum und Zeit, ihre gegenseitige Bedingung (etwa durch eine Raumzeit) ist eine weitere Illusion. Ein zeitloser Raum ist undenkbar. Eine raumlose Zeit nicht.
Eins Zigarette & Eins Bier
Oh. Die Säfte sind traut. Oh. In den Pausen verstaut. Der Hafer des Balkons, die Sonne der Lenden, die güldhuschenden Finger=Fische fangen an einem Anfang an und zapp=happeln all over the great white north der Körperkuppeln, die sich ungestüm auftürmen und Lechzer fahren lassen über das Tal des Raumes (denn links in der Ecke fehlt die Erhebung des Lagers); aber bald wird Draht; und bald werden die Windungen der Ornamentik Einzug halten. Es war: die Magd die Körperkulisse ("Und wirst du ...?!" - "Ich werde ...!" - "Und ob du wohl ...!"), die Herrschaft die Grafschaft die Zeitverschiebung der Körpertau die Mitte der Draperie.
In den Pausen: Morgen bekommst du.
Eins Zigarette & Eins Bier.
In den Pausen: Morgen bekommst du.
Eins Zigarette & Eins Bier.
SSB - 3 - Der Elvegust, Einschub 1 (Der Böhmwind)
Ich bin im Schloß gewesen, denn dort lebten wir neben der schmerzlindernden Kanzblume am Flußrad, überginstert mit diesem morschen Zaun, der sich die Zähne aushob, frisch gebrochene Latten, von den Fähen im Trittbild wechselnder Schrittlängen mit dem Wildwuchs Hand in Hand (am Johannistag steckt in den Mulden Bergwohlverleih, um den Bilmenschneider zu verschrecken). Schandhaube oder Hahnenkamm, das Geschenk an dich. Es biegt sich um deine Nase, läßt sich für immer Frühling nennen, für immer aufgetanes Wunder, immer First auf Firsten, ochsenköpfig schneebebergt.
Die Novelle : hört es sagen von der abgerollten Rolle gelesen (als stünd’ er da in Stulpen) mit diesem Erlaß (und kann die Kurrentschrift schlecht lesen) scharrt auf dem Podest, ein Knopf weist auf eine Schublade hin die unter dem Rhetor andere Rotuli enthält, Frikative Labiale (hier etwas Speichel in den Backenofen fahren lassen, an der Zunge zunken, wie eine Zitze zutzellen, schnaupen durch ein einziges Nasenloch, Atem pfeifend ausstoßen, Luft anhalten um einen roten Kopf).
16.09.17
Komposita über das Sterben im Gemäuer
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Ultima Thule |
Baudelaire bescheinigt dem Bildnis, dass Poe dort ein recht französisches Aussehen an den Tag lege, in Wahrheit war der Dichter vom Alkohol gezeichnet. Das ursprünglich recht feminine Gesicht weißt tiefe Furchen auf, die Augenpartien zeichnen sich unsymmetrisch ab.
Doch nun geschieht etwas Merkwürdiges in einem Leben voller Merkwürdigkeiten. Am 13. November, also vier Tage später, sieht Poe bereits wesentlich erholter aus. Zu sehen auf dem ›Whitman-Daguerreotypie‹ bezeichneten Portrait.
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Whitman-Daguerreotypie |
Poe war, als ich ihm begegnete, etwas älter als ich. Er befand sich wohl, wenn auch die Schatten einer schweren Melancholie die tiefen Augen wie Vorhänge einrahmten. Es faszinierte mich nicht wenig, zu beobachten, wie er nahezu täglich sein Aussehen änderte, ohne jedoch seine charismatische Persönlichkeit einzubüßen. Für uns beide war die Zeit ein Instrument der Willkür, weswegen wir uns nicht an sie zu halten brauchten. Von ihm lernte ich zwei bedeutende Dinge, die er mir, jetzt, wo er auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen hatte, anvertraute. Das eine war das ›richtige Trinken‹ des Absinth. Er bemängelte, dass es sich in der heutigen Zeit allenthalben nur noch um ein Naschen handeln konnte. Er aber, der Künstler des Rausches, gab sich nicht mit den einfachen Genüssen ab. Er scheute sich zu keiner Zeit, in das Innerste eines jeden Tempels vorzudringen, auch wenn das bedeutete, die Kontrolle zu verlieren.
Das andere war das Konzept, sich durch die Geisteskraft immer tiefer in sich selbst hineinzubewegen. Er sprach in diesem Zusammenhang nicht selten von einem Labyrinth mit dem Minotaurus in der Mitte. Das gab er mir als Grund an, warum er niemals einen Roman geschrieben habe, auch wenn er, wie er zugab, oft daran denken musste.
»Die meisten Romane«, sagte er, »sind wie der Faden der Ariadne. Zum einen scheinen sich die Dichter auf sicherem Boden bewegen zu wollen, um den Weg in jedem Fall wieder zurückzufinden. Zum anderen hängt selbst alles an diesem Faden und jeder könnte ihm folgen, wie viel Verwicklungen und Abzweigungen es auch immer geben mag.«
Er selbst wolle jedoch jeden einzelnen Schritt so ausleuchten, dass man sich auf diesen Faden nicht erst konzentrieren müsse, sondern vielmehr den Ort und dessen Atmosphäre im Auge behalten könne. Neben dem Gedicht gäbe es nur eine einzige Vollendung innerhalb der Poesie. Und das wäre die kurze Erzählung. Diese allerdings nahm er in die Pflicht, das Arabeske und das Groteske so herauszustellen, dass sie dem Spiel einer flackernden Kerze ähnele, deren Licht über die Wände des Labyrinths irrlichtert.
»Es geht nichts über die Strategie einer analytischen Logik«, sagte er. »Nur so geschrieben kommt die Erzählung einer Komposition gleich.« »Die Erzählungen der Ratiocination nehmen – obwohl Sie doch jeder mit Ihrem Namen in Verbindung bringt, dann wohl doch den geringsten Teil Ihres Oeuvres ein. Im Gegenteil strapazieren Sie die Logik dort gehörig!« sagte ich, schon etwas trunken ob der späten Stunde.
»Was zerschmettert uns mehr als das Hinscheiden einer geliebten Frau? Was wäre poetischer als der Tod eines blassen Schwans, so dass unser Geist die wildesten – wohlgemerkt tief purpurnen – Blüten treibt?
Ist die Komposition mit einem ästhetischen Gemäuer verknüpft, das wie im Zusammenspiel von Grundton, Terz und Quinte nur auf ein Ziel zusteuern kann: den Wahnsinn, aus Schmerz und tiefer Verzweiflung erlangt, dann ist sie nichts anderes als der Kontrapunkt. Denn der Wahnsinn und die Dekadenz, aus der die Empfindungen sprießen, die wir jenseits vermuten, sind gerade der Gipfel einer analytischen Logik, die sich darin gleich wieder selbst karikiert. Denn dass die Liebe über den Tod hinaus akut bleibt, ist keine Zutat der reinen schwärmenden Phantasie, sie ist das Monströse unserer eigentlichen Einsamkeit.«
Mr. Poe war oft sehr schwer betrunken, was man ihm nicht eindeutig ansah. In diesen Momenten trieben seine Dämonen ihm Blüten auf die Wangen und seine Augen zeugten von erhöhter Nervosität. Die Qual der Besessenheit indes wusste er nur zu mildern, indem er die Feder zur Hand nahm, was er aber nur vermochte, sobald die Wirkung des Alkohols im Abklingen begriffen war. Es galt ihm, den richtigen Moment zu erkennen, denn sobald der Zenit des Rausches überschritten war, kam sehr schnell der Kater über ihn, den er nur mit Opium zu lindern vermochte.
Wie alle Lebenselixiere, ist gerade das Feuerwasser das Gefährlichste. Es stärkt den Geist durch flüssig gewordenes Blut, das Leben rast durch die Adern und bringt alle Eindrücke, die der Körper kaum mehr zu archivieren weiß, in magische Aufruhr. Sie werden überdacht und neu zusammengesetzt.
Was also der Körper dort am Grabe von ihrem Geist empfing, hat weder das Auge bemerkt, noch vermochte das Gefühl durch die Kleidung zu dringen, so dass ich hätte seufzen mögen: »Virginia ist’s dort im Windhauch.« Und doch: es blieb dem bisschen Leben nichts anderes, als nur sie wahrzunehmen. Vielleicht hing die Erinnerung zuletzt gar nicht im Hirn, sondern außerhalb von uns.
Dok1 / to wait
Ein mit Propofol gefüllter milchweißer Kubus schwebt in der Mitte des Teilnehmerparkours. Wer ihn als erster erreicht und auf die richtige seiner sechs Flächen stellt, darf, nach 30 Jahren Abwesenheit, das, bei geführter Hand, selbst signierte Selbstportrait „Happy“ in einer eigenen Ausstellung betrachten, in der jeder vom Himmel geholte Black Hawk der protokollierten Kriegsgeschichte der Menschheit von der Decke herunter ragt. Die anderen entfallen. Das zu tragende Flügelhemd wird dem Sieger zuvor an der Garderobe ausgehändigt.
Ist dies geschehen, wird zu seinen Füßen der Schatten eines Falken erscheinen, der ihn, begleitet von kräftigen Ovationen, zu seinem Empfang führt. Tief dort unten im Eise. Dort, wo es dunkel ist, sind die Empfänge heller.
15.09.17
Die Rückläufigen Ängste der Konz
Tanze, Konz,
Tanze in der Milch menschlicher Kindheit!
Brosamen-Skizze, Katarakt-Design, Wildflächenstraße,
Reh-Hirsch kreuzt beim Rasieren das Waschbecken des
Grauens. Her mit der Hand, du Wildwuchs der
Posaune! An den Schunkel-Liedern erstickt die
Gefällige Masse, der Spasmen-Fanclub. Das
Blöde Licht spottet der Morgenwäsche, dem
Eingeölten After, der rasierten Zwetschge.
So ein Tag, so butterbroten wie heute. Im Porno
Kino : Minnie Maus mit Dildo.
Das Veloziped ronderte und rumpte über die
Schlank anzusehende
Straße ohne Kurve, ohne Gerade, ohne Teer, ohne Fuß
Gänger, überhaupt gab es keine Straße &
Das Veloziped war vielmehr ein Bein in Socken,
Oder zwei Beine, vom Rumpf getrennt, die über
Ein Waschbrett stompten & Geräusche machten,
Als würde Seifenlauge gemischt. Aber hinten
Krächzte ein Hahn, stellen Sie sich das vor!
Fand der Metzger seinen Dollar wieder, den er
In einer Schweine-Fud vor dem Finanzamt versteckt hatte?
Aber ja, Konz, aber ja! Gegrillt
Eines Tages & ganz speckig.
„Kettjupp!“
Worte der Freude, auch bei einem, der
Mit dem Messer tapeziert
Blutwände & Bänke, Tische, Spülbecken, Eimer,
Nußschalen, Girlanden, Nähnadeln, Zwirnkammern,
Büchsengemüse, mexikanische Hemden, Politikerfratzen,
Scharniere, Windeln, Tagträume & Wochenenden.
Setze dich nieder
Mit einer Dose Bier &
Quantisiere!
Die Klospülung betätigen, um das
Meer rauschen zu hören, eine Palme
Aus Scheiße modellieren. Das bist du,
Der aus der Ordnung für die Ordnung
Wieder in der Ordnung unterkam. Du
Befehligst eine Armee; die Soldateska besteigt
Dich königlich, spritzt das Fieber unter deine
Haut & wartet, bis du zum Transport bereit bist.
Gummistern in den Himmel,
Wenn kein Stern da ist, ein
Gummistern zu sein, oder
Wenn kein Himmel da ist, das
Licht ausknipsen.
Knipsen & schalten sind Geschwister,
Gummistern ist nur ein Wort wie
Jedes andere. Kennen Sie Hui Buhs
Gesammelte Werke? Dort steht der
Verwandlung nichts im Wege.
IF#666 - das Magazin für angewandte Fantastik
Philosophisch in den Herbst hinein geht es mit der Sondernummer des IF-Magazins, das just ab heute zu beziehen ist. Tobias R. hat sehr viel Mühe investiert, und ich kann noch nicht beurteilen, wie die anderen Beiträge sind, da es mir noch nicht vorliegt, aber über Alberas Essay: Die Erotik im literarischen Horror, oder das Zwiegespräch zwischen mir und Tobias: Horror denken, lässt sich sagen: Es sind Statements. Darüberhinaus gibt es neben vielen anderen und stilistisch abwechselnden Stories meine Dorothea zum ersten Mal in der Endfassung. Daß ich zudem das Vorwort beitragen durfte, ist mir eine besondere Ehre.
Nicht der sein
Nicht der sein, mit dem man sich trifft, sondern der Getroffene, der dort schon steht, wohin der Weg die Schritte lenkt; hinausschreiten, ausschreiten: dann verwandelt sich alles in die Erlebniswelt dessen, was erinnert ist.
Wie es mich beruhigt, wenn sich die Schatten legen, wenn sich die Nacht klart und schließlich aufhellt, wenn die Sonne der Lustfaktor ist, wenn ich mich mit den Schatten versöhne, die den Weg frei geben zur Rose, wenn Schmetterlingsflügel Transformationen ankündigen. Die Rose, die dem Blut des Adonis entsprang, dem schönen Liebhaber der Aphrodite, blüht noch dort, wo der Eber Ares ihn tötete.
Hier ist es geschehen, hier überblickt man das Rosenbett, die Blüten, die sich zur Sonne hinwenden, weiblich, mit ihrem Duft erregenden Rosenduft zwischen den Schenkeln.
Wie es mich beruhigt, wenn sich die Schatten legen, wenn sich die Nacht klart und schließlich aufhellt, wenn die Sonne der Lustfaktor ist, wenn ich mich mit den Schatten versöhne, die den Weg frei geben zur Rose, wenn Schmetterlingsflügel Transformationen ankündigen. Die Rose, die dem Blut des Adonis entsprang, dem schönen Liebhaber der Aphrodite, blüht noch dort, wo der Eber Ares ihn tötete.
Hier ist es geschehen, hier überblickt man das Rosenbett, die Blüten, die sich zur Sonne hinwenden, weiblich, mit ihrem Duft erregenden Rosenduft zwischen den Schenkeln.
14.09.17
Aiga und Hybris
Wie ich dann doch einmal komplett verzweifelte, war eine Geschichte, die ich mir selbst erzählt hatte. Vor langer Zeit. Näher gebracht hatte ich sie dir. So nahe, dass du eigentlich durch sie hindurchschauen konntest. Denn noch näher wäre nicht möglich gewesen. Unmöglich gar. Aber das Wunderbare am Unmöglichen ist ja, dass wir es wieder und wieder versuchen. Manchmal auch mit einer gewissen Hybris, egal ob beide Beine mitmachen oder nicht. Ob du einfach einen Fuß vor den anderen setzen kannst oder nicht. Bis es wieder in Ordnung ist und du über Schrittabfolgen nicht mehr nachdenken musst. So, wie zuvor.
H y b r i s. Allein das Wort legte sich manchmal wie ein Kranz um ihren Kopf. Als wär´s ihr Haar. Dann ist es, als wolle sie nackt, nur mit einem Rock bekleidet, diese Nordwand erklimmen. Und sie tat es. Während Aiga, die felsige Trollin, herzlich darüber lachte. Ihr Handy trug sie dabei in ihrer Rocktasche, um ihre Mutter sprechen zu können, sollte es möglich sein. Ihr zu sagen, dass sie, immer wenn sie mit ihr telefonierte, wenn diese in den Bergen weilte, jedes Mal empfand, sie höre einem Mädchen zu, das noch ganz leicht seine Träume träumt.
Oftmals, nach einem solchen Gespräch, stellte sie sich vor, dass sie irgendwann einmal ein Säugling war, den diese junge Frau gestillt hatte. Und so muss es ja auch gewesen sein. Nur kam ihr dieser Gedanke dermaßen seltsam vor. Sie. Ein Säugling? Denn tatsächlich war ihr jene hellklingende Stimme, die sie soeben auf der anderen Seite der Leitung gehört hatte, fern, irgendwo inmitten der Berge, derart real, dass es sie selbst - in diesem Moment - doch gar nicht geben dürfte. Eine Tatsache über die sie lächeln musste.
H y b r i s. Allein das Wort legte sich manchmal wie ein Kranz um ihren Kopf. Als wär´s ihr Haar. Dann ist es, als wolle sie nackt, nur mit einem Rock bekleidet, diese Nordwand erklimmen. Und sie tat es. Während Aiga, die felsige Trollin, herzlich darüber lachte. Ihr Handy trug sie dabei in ihrer Rocktasche, um ihre Mutter sprechen zu können, sollte es möglich sein. Ihr zu sagen, dass sie, immer wenn sie mit ihr telefonierte, wenn diese in den Bergen weilte, jedes Mal empfand, sie höre einem Mädchen zu, das noch ganz leicht seine Träume träumt.
Rauschhafte Zeremonien am Rande des Gartens
Vor einem Jahr
Der Einschlag geschieht in den richtigen Sektoren; die Woche hat ihren Mittwoch erreicht. Bereits jetzt schält sich aus gewissen Lichtungsergebnissen eine Reise in den neblichten Aspekt, anberaumt für das nächste Jahr, aus den Ereignissen heraus, die sich nicht nur mehr überschlagen, sondern, ganz famos, gleichzeitig sind. Ein Zustand also, den das Wort nicht erreicht, sobald es Raum betritt. Hier schichten sich Schichten zu neuen Schichten, verankern sich, bedingen sich und weben neues Sphärenmaterial.
Frühstück auf dem Markt; im Künstlerhaus am Nachtmittag treffen wir Kokko. Das wir ist kein Zufall. Wie schnell man sich verdoppelt, wie schnell man sich wirklich verdoppelt und dann vierfach sieht. Ende für heute.
Der Einschlag geschieht in den richtigen Sektoren; die Woche hat ihren Mittwoch erreicht. Bereits jetzt schält sich aus gewissen Lichtungsergebnissen eine Reise in den neblichten Aspekt, anberaumt für das nächste Jahr, aus den Ereignissen heraus, die sich nicht nur mehr überschlagen, sondern, ganz famos, gleichzeitig sind. Ein Zustand also, den das Wort nicht erreicht, sobald es Raum betritt. Hier schichten sich Schichten zu neuen Schichten, verankern sich, bedingen sich und weben neues Sphärenmaterial.
Frühstück auf dem Markt; im Künstlerhaus am Nachtmittag treffen wir Kokko. Das wir ist kein Zufall. Wie schnell man sich verdoppelt, wie schnell man sich wirklich verdoppelt und dann vierfach sieht. Ende für heute.
13.09.17
Links ist da, wo der Daumen rechts ist
Gesagt : getan, die Wahl: steht noch aus. Trotz vier Beinen, die aus zweierlei Gründen den Erdball im Gummilauf nahmen, standen wir beide pünktlich um Zehn auf der roten Matte der Linken. Dass sich solch ein noch Farbe bekennendes Politzelt in Kempten aufschlägt, ist erstaunlich und gut, steht dem Rot in extremo doch allenfalls noch ein Braun gegenüber, das sich, folgt man der Logik der Verdauung, konsequenterweise einen Weg in die Welt bahnt, stellen wir den Hirntod des jeweils weiterhin wandelnden Wirtes fest, der seine Denkmuskeln abbaute, ohne es je mitbekommen zu haben, freilich: da er sie ja nie nutzte. Alle anderen Farben sind entweder abgewaschen oder stark gebleicht. O.k., ich räume ein: Kapitalschwarz gibt es noch. Und das in erster Linie. Und höchstwomöglich bis zum Schluss.
Wann ist das eigentlich: Schluss?
Die Apokalypse war ja schon. Scheint nur oft so, als hätte es niemand mitbekommen. (So allgemein gefühlt. Was sonst. Individuelle Ansprache und Antwort gebärdet sich ja doch. Wenigstens das.) Liegt an den Glocken in Aspik! Wo möglich wurden sie stillgelegt. Ja, seit wann sind wir denn Postapokalyptiker? Sind wir es seit der Einführung des Euro? Sind wir es seit der 68er Bewegung und ihren Folgen? Oder sollte ich nicht globaler denken und mich fragen: Sind wir es seit wir uns mit Pelz und Keule auf Wanderschaft begaben, uns hier und dort siedelnd niederzulassen?
Niederlassungen. Kniefälle. Herabkünfte: Worte, die poetisch wabern aber dunkel im Gehalt. Hiobs Scharen. Oder warten auf die Engel archai?
Der wirtschaftliche Anschluss ist ein dickes Kabel, das Deutschland in die Dose des Weltkapitalmarkts steckt. Humanfaserbündelung nenne ich das. Oder: Die Helix des Grauens.
So demokratisch, so kapitaldiktatorisch. Demokratie als perfideste Diktatur beurteilt, die ein Wählerabbild in Form gießt, das niemals als eine Repräsentative der Bedürfnisse eines einzelnen Bürgers oder einer Familie verstanden werden darf, dass sich den Einzelnen herausnimmt, ihn zu versklaven, da er, taub und seiner Sinne beraubt, ein Kreuz setzt, wo man es ihm / ihr eben anriet, indem man Meinung machte. Eine in dieser Weise ausgeführte Demokratie ist nichts als eine Diktatur, der ein Apparat einen Schleier nähte und überwarf, auf dass das Gros nicht erkennt, was uns geschieht, bis wir es merken. Was aber ist das Gros? Es gibt es nicht. Dieser Schleier ist wegzureißen. Und solange das so ist, ist die Wahlurne eine Urne. Eine, in die wir unsere Stimmen werfen, uns ein Grab auszuheben, in dem wir stimmlos liegen werden, werden auf diesem Weg Wähler zur Wahl bewegt. All das funktioniert von Weitem betrachtet sehr gut. Wirtschaftlich natürlich. Der Einzelne aber stöhnt vor Schmerz. Wettbewerb durch Arbeitslager. Einkommens- und Lebenserhaltungs-kostengefälle: Die Schere der Nornen ist weit gespreizt. Eingerastet, den Faden nicht mehr so einfach durchschneiden zu können. Der Film Soylent Green stellt eine Alternative vor.
Es sollte nicht jeder einfach so wählen dürfen, die Möglichkeit aber: sollte gegeben sein.
Zum Markt haben wir es dann doch nicht mehr geschafft. Wir Zwei. Dafür aber mit jungem Gemüse gesprochen, das sich engagiert. Sich beauftragt fühlt. Nach und nach kamen immer mehr Zuhörer, Interessierte. Nicht viele, aber immerhin.
Zur Belohnung gab's Bier: Meckatzer Hell. Aus alter Flaschenform. Seit Monaten mal wieder. Eins Bier & Weißwurst zum Frühstück gen Mittag. Gleich nochmal losgehen, noch eins Bier kaufen. °
Joi, was will ich noch sagen ...: Ich bin süß und du bist Ente:
und ein Enthusiast:
PUNKT
Wann ist das eigentlich: Schluss?
Die Apokalypse war ja schon. Scheint nur oft so, als hätte es niemand mitbekommen. (So allgemein gefühlt. Was sonst. Individuelle Ansprache und Antwort gebärdet sich ja doch. Wenigstens das.) Liegt an den Glocken in Aspik! Wo möglich wurden sie stillgelegt. Ja, seit wann sind wir denn Postapokalyptiker? Sind wir es seit der Einführung des Euro? Sind wir es seit der 68er Bewegung und ihren Folgen? Oder sollte ich nicht globaler denken und mich fragen: Sind wir es seit wir uns mit Pelz und Keule auf Wanderschaft begaben, uns hier und dort siedelnd niederzulassen?
Niederlassungen. Kniefälle. Herabkünfte: Worte, die poetisch wabern aber dunkel im Gehalt. Hiobs Scharen. Oder warten auf die Engel archai?
Der wirtschaftliche Anschluss ist ein dickes Kabel, das Deutschland in die Dose des Weltkapitalmarkts steckt. Humanfaserbündelung nenne ich das. Oder: Die Helix des Grauens.
So demokratisch, so kapitaldiktatorisch. Demokratie als perfideste Diktatur beurteilt, die ein Wählerabbild in Form gießt, das niemals als eine Repräsentative der Bedürfnisse eines einzelnen Bürgers oder einer Familie verstanden werden darf, dass sich den Einzelnen herausnimmt, ihn zu versklaven, da er, taub und seiner Sinne beraubt, ein Kreuz setzt, wo man es ihm / ihr eben anriet, indem man Meinung machte. Eine in dieser Weise ausgeführte Demokratie ist nichts als eine Diktatur, der ein Apparat einen Schleier nähte und überwarf, auf dass das Gros nicht erkennt, was uns geschieht, bis wir es merken. Was aber ist das Gros? Es gibt es nicht. Dieser Schleier ist wegzureißen. Und solange das so ist, ist die Wahlurne eine Urne. Eine, in die wir unsere Stimmen werfen, uns ein Grab auszuheben, in dem wir stimmlos liegen werden, werden auf diesem Weg Wähler zur Wahl bewegt. All das funktioniert von Weitem betrachtet sehr gut. Wirtschaftlich natürlich. Der Einzelne aber stöhnt vor Schmerz. Wettbewerb durch Arbeitslager. Einkommens- und Lebenserhaltungs-kostengefälle: Die Schere der Nornen ist weit gespreizt. Eingerastet, den Faden nicht mehr so einfach durchschneiden zu können. Der Film Soylent Green stellt eine Alternative vor.
Es sollte nicht jeder einfach so wählen dürfen, die Möglichkeit aber: sollte gegeben sein.
Frühe Vögel |
Zur Belohnung gab's Bier: Meckatzer Hell. Aus alter Flaschenform. Seit Monaten mal wieder. Eins Bier & Weißwurst zum Frühstück gen Mittag. Gleich nochmal losgehen, noch eins Bier kaufen. °
Joi, was will ich noch sagen ...: Ich bin süß und du bist Ente:
und ein Enthusiast:
Der dichtende Erpel beim Parteivorsitzenden Riexinger |
PUNKT
Nymphentag 70
Von der Backfront : noch gestern (dunkel war's, kein Mond schien helle) in den Herbstduft gestiegen, mich hingetastet (obwohl ich doch ein Elektrokleingerät zum Kneten) an den perfekten Honigbatzen, von dreien zwei nach Rachen=Erkenntnis genuß=gut, für die nächsten hellen Tage : noch mehr Honig, noch mehr Zimmet, etwas weniger Nelkenpulver; ach : und Hirschhornsalz fehlte auch diesmal. (Ob ich da mal selbst im Wald?)
Im Rachen kitzelt das KlingGlöckchen und ich lege mich ganz sicher jetzt schon ins Bett; im GrammaTau bis 20 hochgelesen, am Stand der Linken, man hat in dieser schwarzbraunen Kloake doch tatsächlich einen roten Lichtblick.
Honey Baby |
Modellbau
aufgenommen in der klangschmiede süd februar 2011 text und regie: michael perkampus aufnahmeleitung und mastering: fafnir fiedler
erschienen in der edition taberna kritika
sprecher: michael perkampus, stephanie petrussek, fafnir fiedler, claudia maulwurf
»Das sieht alles so roh und verletzlich aus …«
»Nunja, es ist ja auch frisch geschlachtet.« Ogreiner grinst sein fleischiges Mundwerk zur Kundin hin. Im Hintergrund die Poster mit den Hellebarden, eins mit dem Porträt des alten Perdix, Sägemotoren zu seinen Füßen. Im Öl schwimmen Rinderhüften, Haut, Horn. Auf einem großen abgeschabten Holztisch Schlachtschussapparate, eine Wanne voll Blut, auf der einige blau perlende Blasen wippen, zumindest sieht das so aus. Die Knochen … »wenn Sie die nicht zerhacken, können wir sie wieder zusammenbasteln. Die Kinder hätten ihre Freude daran, wollten schon immer ein Skelett. Klar, die Kuh ist ziemlich groß (oh ja), die paßt nicht in ein Kinderzimmer … Wissen Sie, wir haben ja beide Bankert in nur einem Zimmer unterbringen können (verstehe), andererseits wäre es doch mal was anderes …«
»Ich kann Ihnen aber auch ein Kalb von den Knochen schälen, wenn Sie das …«
Sie schürzt die Lippen, ihr Atem will raus. »Ich hätte da aber eine Bitte. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Na sagen Sie schon!« Kauft seit Jahren ihr Fleisch in der Werkstatt, da will man nicht Nein sagen: Rinder, Lämmer, Hühner, die ganze Arche Noah; den Tranchierkurs besucht sie auch, auf dem Auto ein Aufkleber: ›Wir fressen Vieh‹.
T-Shirts, Taschen im Haut-Look, sogar die Marmelade im Schweinsdarm, Brot in der Pelle, Fleischreste im Hundetrog … »kochen wir immer ab, ich sag's Ihnen, roh würde der uns doch glatt selber anfallen, der Heini.« Heini der Molossoide. »Könnten Sie die Knochen nummerieren?«
Wie er also da kniet und die Knochen, auf dem Boden rutschend, die Zunge zwischen den Zähnen wie ein weggetretenes Kind, nummeriert, kommt Ameli rein und fragt, was er da treibe. »Ich nummeriere die Knochen eines Kalbes. Frau Ludwig hat mich drum gebeten.«
Ameli hat sowieso das Gefühl, daß er zu viel für die Kunden übrig habe … »aber sag mal, ist das nicht überhaupt eine gute Idee, das Schlachtvieh als Modellbausatz anzubieten? Besser als hier im blutigen Sibber rumzurobben.«
»Scheiße, das Gelenk ist hinüber!« Ogreiner wirft es in die Ecke. »Gib mir mal das andere.« Er deutet wurstig auf den Tisch.
»Das Schweinsding?«
»Ja.«
12.09.17
lull & lall
Ja: Einfach nur müde. Leicht in Watte gepackt, empfinde ich das als völlig angenehm. Frühes Zubettgehen gestern Nacht.
Vorher: noch die klamme Wäsche auf dem Wäscheständer befühlt, den Duft mit den Nüstern angehoben. Der Mund, sich schon zu einem Brunnen wandelnd, aus dem mehr & sehr floss, was wollte, plapperte noch: Bald schneit es! Du lachtest. Ich tat mir vor meinem inneren Auge einen Knoten ins Tuch, nicht zu vergessen, vor dem nächsten Holunderstrauch meinen Hut zu ziehen, ihr Tribut zu zollen, dass sie mich in der Weise an sich erinnert. Zeitbrot hatte A. Lausbub am großen Abendtisch mir als Wort angeboten, während alle außer ihm aßen.
Morgen um Zehn geht´s zum Stand: Die Linke. Danach dann wieder Markt.
18:40 es duftet nach Teig. Du backst gerade Honigkuchen.
Vorher: noch die klamme Wäsche auf dem Wäscheständer befühlt, den Duft mit den Nüstern angehoben. Der Mund, sich schon zu einem Brunnen wandelnd, aus dem mehr & sehr floss, was wollte, plapperte noch: Bald schneit es! Du lachtest. Ich tat mir vor meinem inneren Auge einen Knoten ins Tuch, nicht zu vergessen, vor dem nächsten Holunderstrauch meinen Hut zu ziehen, ihr Tribut zu zollen, dass sie mich in der Weise an sich erinnert. Zeitbrot hatte A. Lausbub am großen Abendtisch mir als Wort angeboten, während alle außer ihm aßen.
Stell' die Worte um, Fischseele!
Dann: Ruhe wahrgenommen: Die Brustkorbhebung. Die Brustkorbsenkung. Die Halbdunkelheit. Die Annahme der Geräusche der Welt. Den eigenen Talg auf dem Kopfkissenbezug riechen. Den Schlaf kommen lassen. Die Verstärkung der Wahrnehmung der Düfte. Keine Codes. Keine Sinne der Gewohnheit. Mich neben dich schlafen legen während du in Entenhausen bist. Mal müde sein. Ja. Morgen um Zehn geht´s zum Stand: Die Linke. Danach dann wieder Markt.
18:40 es duftet nach Teig. Du backst gerade Honigkuchen.
Die Fahnen
der Mann, der so an der Theke krümmt und sagt : Sie schulden. Und ich schulde ja nicht, ich bin nur da und ich habe mir das alles nicht ausgedacht.
Sie hatte die Idee, die A3=Fahnen vielleicht aufzuhängen; wie sie dann auf der Leine baumeln und bammeln : was wäre das für ein Leinen=Büchlein, für ein Bestimmungsort; ich stelle mir 200 flatternde Seiten vor, Tableaus allesamt, aber noch mehr wie sie wäschegleich wedeln und genausoviel zu sagen haben wie etwa Unterhosen, die irgendwo gewesen sind, verschreibe mich manchmal, schreibe „sie“ statt „sich“ und umgekehrt, tja – und dann noch das Weckblech, das nicht mehr will, weil vermutlich niemand hört
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