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15.09.17
IF#666 - das Magazin für angewandte Fantastik
Philosophisch in den Herbst hinein geht es mit der Sondernummer des IF-Magazins, das just ab heute zu beziehen ist. Tobias R. hat sehr viel Mühe investiert, und ich kann noch nicht beurteilen, wie die anderen Beiträge sind, da es mir noch nicht vorliegt, aber über Alberas Essay: Die Erotik im literarischen Horror, oder das Zwiegespräch zwischen mir und Tobias: Horror denken, lässt sich sagen: Es sind Statements. Darüberhinaus gibt es neben vielen anderen und stilistisch abwechselnden Stories meine Dorothea zum ersten Mal in der Endfassung. Daß ich zudem das Vorwort beitragen durfte, ist mir eine besondere Ehre.
02.09.17
Fallen
Wir lesen Worte über uns.
Geschrieben von jemand anderem.
"Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird."
Wir frohlocken.
Weil wir nicht verstehen, dass Leben in den Abständen stattfindet.
Nicht auf den kurzen Silben dazwischen.
Wir warten.
Geschrieben von jemand anderem.
"Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird."
Wir frohlocken.
Weil wir nicht verstehen, dass Leben in den Abständen stattfindet.
Nicht auf den kurzen Silben dazwischen.
Wir warten.
28.08.17
entfernt
Am Bahnsteig
flattert ein Schirm.
Lehnt am silbernen Mülleimer
der blaue Himmel
entfernt
Wolken.Lehnt am silbernen Mülleimer
der blaue Himmel
Der Zug ist schnell.
Vergessen.
Vergessen.
25.08.17
Im Stolperschritt durchs Elysium
Ich versuche der gescheckten
Realitität aus dem Weg zu gehen, was mir vormittags, wenn mein Schritt noch beschwingt
ist, nicht allzu schwer fällt. Sie stellt sich mir nur dort in den Weg, wo die
Sonnenstrahlen feindselig durch die Baumkronen der Allee stechen. Ich umschiffe
diese hell flimmernden Flecken geschickt. Melvin ist das egal. Er wandert
einfach hindurch, immer die große Wiese vor den Augen, die für ihn das Elysium
ist. Nicht, dass er zwischen hier und dort groß unterscheiden würde – zwischen
dem Glück und dem Pfad dorthin. Er verliert seine Vorsätze diesbezüglich niemals
aus den Augen. Wenn es also stimmt, dass der Weg das Ziel ist, dann ist er
schon längst angekommen. Darum beneide ich ihn. Dafür liebe ich ihn.
Wie so häufig in letzer Zeit, kann ich
schreiben, dass meine Tage voller Geschichten sind. So betrachtet ist dies eine
glückliche Phase, die nicht zu vergehen scheint. Hin und wieder frage ich mich,
womit ich das verdient habe. Aber es wird schon berechtig sein, ich werde schon
irgendetwas richtig gemacht haben. Wenn ich morgens aufwache und meinen Polster
ausschüttle fallen sie bereits heraus – Fragmente vieler unterschiedlicher Leben, in ihre Bestandteile
zerlegte Träume, übermittelte Gedanken fremder Personen, die mich bitten, dass
ich dem großen Monomythos von ihnen erzähle. Neben dem Frühstück sortiere ich
sie nach Größe und Farbe, um sie später griffbereit zu haben, wenn ich durch die
Welt wandere, die ich momentan zusammenleime.
Ich befinde mich wieder
im Nachtspiel, im Morgengrauen bereits schreibe ich an der Geschichte über
Attila und Herkules und den Mönch, dem sie das ewige Leben so schwer gemacht
haben. Es ist der Eingang zu Teil zwei meiner Trilogie, die jetzt tatsächlich bald erscheint. Das offizielle Werbesujet auf der Verlagsseite bestätigt
das. Die ersten Leute lesen bereits das Probekapitel, das zur Verfügung steht.
Es hat begonnen. Ich sollte mich ab hier an Melvin halten, und nicht unterscheiden,
zwischen dem Glück und dem Weg dorthin. Aber mein ewig ratternder Geist behindert mich dabei. Das, und die flackernde Realität, die spätestens ab Mittag
sengend mit den Sonnenstrahlen auf den Boden knallt und dort heimtückisch herumwandert.
Ich muss höllisch achtgeben, dass ich nicht über meine eigenen Füße stolpere,
während ich ihr ausweiche. Das, was momentan meine Geschichten begünstigt,
begrenzt meine Weitsicht, wenn es um persönliche Dinge geht. Es kommt eben
nichts ohne Preis.
19.08.17
Schlangenbauchsprung
Heute in einer fremden
Stadt. Dieser Gedanke begleitet mich bereits frühmorgens zum Sport. Aber es ist
ein geruhsam vor sich hintröpfelnder Tag und es gehen sich keine zwei Kilometer
im ungewohnten Becken aus. Vor allem, weil ich keine Lust dazu habe, mich über
die Motivation hinaus zu schinden. Das ist sowieso ein Spiel, das man nur mit
Bedacht treiben sollte.
Mittags wende ich der
Welt auf dem Sofa meine verletzliche Vorderseite zu und besuche den erhebenden
Ort zwischen den Träumen, an dem man überall zugleich sein kann. An dem sich
die Wirklichkeiten treffen. Von wo ich auch Material für meine Geschichten
mitbringe.
Nachmittags dann in einem
unbekannten Café mit Begleitung. Meine Blicke schlängeln sich unwillig durch
das graue Gegenlicht, begleitet vom einschläfernden Klingeln Dutzender Löffel,
die gleichmäßig über Keramik kratzen. Dem Gespräch, das eigentlich an mich
gerichtet ist, folge ich nur mit einem halben Ohr. Alles, was ich daraus
mitnehme ist die Erzählung über jemanden, der auf eine Südseeinsel fuhr, um
sich dort für teures Geld selber zu finden. „Nicht alle, die verloren sind,
wandern.“, erwidere ich darauf. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Es schien
in diesem Augenblick einfach nur passend.
So wunderschön
schauerhaft. Der Stunden sind langsam und feucht und farblos. Das hinterlässt ein
angenehm taubes Gefühl.
Manchmal verlaufen wir uns unversehens im Ort und in der Zeit. Manchmal ist es
pures Glück. Auch wenn wir die Reise eigentlich akribisch planten, sind wir unterwegs
an einer Kreuzung willkürlich falsch abgebogen. Und ich spreche hier nicht vom
Weg.
Ich habe mich beim
Absprung vom Fünfmeterbrett am Morgen (mir war irgendwie danach, den neuen Turm zu
erklimmen) zur Abwechslung entschieden, nicht Richtung Wasser zu fallen.
Stattdessen landete ich wie auf Daunen, in einem der blassgrauen Wolkenberge.
dahin
Straßenblick siebenter Stock
von Giebeln läuft Schnee
in die Regenrinnen
man schmeckt die Stille
dem letzten Nachtbus folgen
die Angst sitzt mir im Genick
17.08.17
Hinter den Aufbauten der Welt
Das Leben eines
Geschichtenerzählers ist voller Eingänge, Durchgänge, Abgänge, geschlossener
Türen und offener. Fenster, durch die man einsteigen kann, wenn man sich nur
ein Herz nimmt. Manchmal auch Schaufensterfronten, auf denen fingerdick der
Dreck von Jahren klebt. Dahinter stieren, zerlegt und durcheinandergeworfen,
Kleiderpuppen mit leeren Gesichtern, auf denen schon vor langer Zeit die
Beschichtung gerissen und abgebröckelt ist, direkt durch einen durch. Sie waren einmal weiß, aber mittlerweile hat die Sonne sie gilb gemacht.
Es ist eine Passage, die
man nur durchqueren kann, wenn man den verborgenen Zugang kennt. Oder durch
Zufall entdeckt. Direkt neben der lebendigen Touristenhauptschlagader einer blühenden
Weltstadt. Wenn einem das Ambiente
gefällt, kann man sich zu den ausrangierten Plastikkörpern in der Auslage
gesellen und leer auf die Straße starren. So tun, als gehörte man dazu. Zu
allem.
Das tausendstimmige
Murmeln von draußen schwirrt durch die Stille dieses abgelegten Orts. Es kann
etwas Befreiendes haben, ganz nahe an der Welt zu sein, und trotzdem unbemerkt.
Man kann die Umgebung völlig ungeniert beobachten. Dabei den sommertäglich
flirrenden Staub tief in den Brustkorb inhalieren und sich bewusst darüber sein, dass
es die Reminiszenzen längst vergessener Tage sind, was einem da in der Lunge
kratzt. Kleingerieben von unaufhaltsamen Äonen. Das anschließende Husten
befreit. Macht den Moment nur umso wertvoller.
An Tagen wie diesen, auf
Stimmungsjagd, beim Pflücken von Hintergründen für seine Geschichten, beim
Fremdsein in Geborgenheit, weiß man, was man daran hat, ein Mitteiler sein zu dürfen. Man wandert auf leisen Sohlen durch die Aufbauten und Verstrebungen
hinter den Alltagskulissen und sucht sich geeignete Gucklöcher, um die Dinge
aus ungewohnten Perspektiven wahrnehmen zu können. Man trägt den farbenprächtigen
Strauß an Eindrucksblumen, den man sich in liebevoller Kleinarbeit
zusammensucht, stets mit sich herum, um ihn bei jedem gegebenen Anlass
hervorzuholen und stolz der Welt zu präsentierten.
Nun gut, vielleicht nicht
der ganzen Welt. Halt jedem, der ihn sehen will. Aber immerhin.
16.08.17
Nacht und Hegemon
das letzte Licht geht aus
die Stadt entkleidet sich
trägt nur den Staub der dürren Tage
Nylon reibt an Stein ein Stöhnen
blinde Fenster blinzeln
irritiert
Hitze hält die dunklen Kreaturen
in den finstren Ecken
isoliert
(2009)
(2009)
14.08.17
Die Geister im Keller
Ich weiß von einem
Keller, den es nicht mehr gibt. Beziehungsweise existiert er wahrscheinlich zwar
noch, aber er ist nicht mehr zugänglich. Er lag unter einem Lokal, in einer
Straße, auf der ich schon lange nicht mehr gegangen bin. Bis heute. Obwohl ich
eine ganze Weile in dieser Gegend gewohnt, gelebt und gearbeitet habe, kehrte
ich ihr irgendwann – fast erleichtert – den Rücken. Aber das ist lange her. So
lange, dass man fast schon vom Anfang sprechen kann. Der Beginn von was auch
immer.
Ich sagte, ich wäre
erleichtert gewesen. Das trifft es wohl am ehesten, wenn ich an meine
Abkehr von diesem Ort denke. Dabei wirkte die Gegend, von der ich hier spreche,
auf den ersten Blick eigentlich wirklich nett. Ruhige Gassen auf denen man im
Abendgesäusel friedlich lächelnde Leute beim Flanieren zwischen golden
beschienen Hausfassaden begegnen konnte. Oben. Aber unter den Häusern lagen die
Keller. Rochen muffig und hatten meist nur mit baufälligen Stufen ohne Geländer
und willkürlich funktionierenden Lampen aufzuwarten. Das kann man als Passant
natürlich nicht ahnen. Aber wenn man dort wohnte, dann entdeckt man sie bald,
in den Hinterhöfen und Séparées – die Türen, die in das untere Stockwerk führen,
und aus denen einem schon beim Näherkommen die klamme Zugluft entgegenschlug.
Es waren steil abwärts
führende Stufen, die man niemals betreten würde, hätte man die Wahl. Aber
manchmal stellt sich einem diese Frage einfach nicht. Und ebenso wie an alles
andere im Leben, gewöhnte man sich auch schnell an den Anblick da unten, wenn
man ihn erst einmal oft genug gesehen hatte. Dann fielen einem die aufgebogenen
Fußbodenbretter und die abgeschälten Tapeten nicht mehr auf. Man fühlte die
Feuchtigkeit nicht mehr, die in allen Ritzen hauste, und einem das Atmen schwer
erscheinen ließ. Und die Geister – die fahlen, durchlässigen Gestalten, die mit
hängenden Köpfen zwischen den kleinen Pyramiden herumirrten und sich
Gutenachtgeschichten gegen ihre Einsamkeit ausborgen wollten – sie wurden zum Alltagsgeschäft, bei dem man
sich schon bald abgewöhnte, ihm direkt in die Augen zu schauen.
Dieser eine, bestimmte
Keller, dieser Limbus, von dem ich weiß, er wurde offenbar verschlossen. Dort,
wo sein Zugang war, ragt heute die glatt verputze, weiße Hinterwand eines
piekfeinen, jungen Architekturbüros auf. Drinnen sitzt gut gekleidetes,
erfolgreich wirkendes Personal – Sorte High End Businessmaterial. Sie warfen
mir heute Vormittag seltsame Blicke zu, als ich zu lange an ihrer spiegelnden Glasfront stand,
und mit plattgedrückter Nase versuchte, einen Blick auf den vermeintlichen Kellerabgang
zu erhaschen. Aber niemand kam heraus, um mich zurechtzuweisen. Vielleicht
wussten sie ja, wonach ich Ausschau hielt. Vielleicht wollten sie daher jedes
Tamtam vermeiden.
Irgendwann gab ich es auf
und ging weiter die Straße hinab. Versuchte, mich wieder auf die netten Fassaden
zu konzentrieren. Den Keller wieder Keller – oder bessergesagt – jetzt sauber
verputze Hinterwand sein zu lassen. Dabei tat ich mir aber schwer, den Gedanken
an die Geister beiseitezuschieben, die man vielleicht für immer im Keller
eingemauert hatte. Ich fragte mich, ob es die kleinen, schiefen Pyramiden des
Videoshops da unten noch gab.
12.08.17
Indianerweisheit
Der Spaten fährt hinab, verfehlt nur um
Haaresbreite den Maulwurf, der sich im letzten Augenblick unter der Erdscholle
verkriechen konnte. Am Leben. Noch.
Die Tomaten an den Büschen faulen vor sich
hin. Im Sommer waren sie süß, jetzt hängen nur noch Nachzügler an den Büschen.
Grünbraun, Orange und gelblich Rot. Die Disteln in den Wiesen sind riesig, wie
bedornte Kelche, die versuchen, vom Himmel zu trinken. Regen, tagelang Regen,
Stunden wie Wasser, durch das man zu tauchen versucht. Nicht ein trockener
Knochen mehr im Leib. Aber schön langsam, alles schön langsam. Wir wären wie
Wolken dieser Tage, würden wir schweben, würden wir weinen. Still und grau und
fern. Wir zerlaufen zu Schlamm, wie die Blätter am Boden, flüchten uns
in die Erde und träumen vom Schlaf, der mit dem Frost kommt. Der Winter scheint
unser Erlöser, die Sonne der Feind, der uns hinterging, und wir, wir sind die
Versehrten aus dem letzten Krieg. Zerschlissen und einsam. Wir sind fertig mit
kämpfen.
Der Erdhügel vor mir wächst und mit ihm mein Erregung.
Ich teile den feuchten Grund mit dem Spaten, mit den Würmern, mit den Wurzeln,
mit niemand anders als mir selbst. Ich denke an die bemooste Marie-Luise, die
ich gesehen habe, als ich gerade mal acht war. Ich denke an ihre tiefen,
schwarzen Augen, ihre fleischlosen Lippen und das breite Grinsen, das mit dem
Tod gekommen ist. Die meisten der Cowboys sind weggelaufen, konnten den Anblick
ihrer Zukunft nicht ertragen. Christian, Kurt und ich sind
geblieben. Wir waren Indianer. Mit Taubenfedern im Haar und Kriegsbemalung aus
überreifen Erdbeeren im Gesicht. Wir waren frei, an diesem Tag. Den ganzen Tag
lang. Frei.
Marie-Luise lag im Wald, wo sie gefallen war,
friedlich. Sie war der Wald. Oder bessergesagt, sie wurde Wald. Über ihr rauschten die Blätter, neben ihr
tummelten sich Käfer. Ein halber Hase verschwand hinter einer Kiefer, kam auf
der anderen Seite nicht mehr hervor. Wir begrüßten Marie- Luise, und huldigten
ihr mit offenstehenden Mündern und glänzenden Augen. Wir waren keine Kinder an
diesem Tag, wir waren uralte Wesen, in unserem Verständnis um die Dinge, in
unserem frei sein, mit unseren Stöcken, mit denen wir Marie-Luises Gliedern
neues Leben schenkte, mit unserem Atem, der „Ah“ hieß, zuerst, und „Oh“. Wir
waren was wir sein sollte, wozu wir bestimmt wären, wenn wir lange und tief
genug in uns hinein hörten. Bis die Cowboys wiederkamen, mit Männer mit Hunden und uns Marie-Luise nahmen.
Sie zudeckten, als wäre sie furchtbar, als müsste sie sich schämen, für das,
was sie war, wozu sie geworden ist. Wir waren traurig, traurige Indianer, als
unsere Eltern uns holten.
Wenn der Wurm klug ist, sehnt er sich nach dem
Spatenstich, sehnt sich nach dem kurzen Schmerz, der den langen ablöst, der der
Einsamkeit ein Ende bereitet. Er wird mehr als die Summe seiner Teile, so wie
Marie-Luise, mehr!
Den viereckigen Himmel betrachtend denke ich
an Peter. Der Spaten, der in Marie Luise fuhr. Nur weil er es konnte, weil es
in der Natur des Spaten liegt herabzufahren. Sonst wäre er zu nichts nütze.
Während die Erde von den Kanten krümelt und ich knietief liege, warm und
feucht, denke ich auch daran, wie Peter mich angesehen hat, als ich ihn
letztlich sah. Nach all den Jahren, die ein Leben waren. Mit seinem Altmännergesicht
und den stumpfen Augen. So ähnlich, wie ein Wurm gucken würde, wenn er Augen
hätte. Wie er den Hals einzog, als er aus der Trafik kam und die Straße
hinabwanderte. Als würde er auf Schläge warten. Als wenn es jeden Augenblick damit
beginnen könnte, Steine zu regnen.
Der Himmel ist blau. An manchen Tagen lohnt
es, solche Dinge festzustellen. Der Himmel ist blau und ich kralle meine Hände
in die dunkle, klamme Erde, beobachte die Wolke, die zuerst nichts ist. Dann ein
Berg, ein Baum, ein Haus mit Garten, ein Teich, eine ganze Stadt, ein
Ballonfahrer auf dem Weg nach Westen. Und dann wieder nichts. Fetzen und Knäul,
Nebel und Schwaden.
Peters gebeugter Rücken will mir nicht aus dem
Kopf. Peter, der auch mein Spaten hätte sein können wenn ich damals nicht so
schnell gewesen wäre, wenn ich die Lücke im Zaun nicht gekannt hätte, durch die
ich mich geschlängelt habe, seine Hände hinter mir zurücklassend. Seine
nikotingelben Finger nach mir grabschend, heischend, flehend. Ich floh mit
meinem Herz in den Armen, und dann war alles vergessen, waren da wichtigere
Dinge, als Peter, der vielleicht nur spielen wollte, weil er sonst keine
Freunde hatte. Außerdem ist da noch immer Marie-Luise, die die Lücke im Zaun
wahrscheinlich nicht gekannt hatte, Marie- Luise, die Heilige, die für einen
kurzen Augenblick zu unserem Tempel geworden ist, zu unserem Schlachtfeld, auf
dem wir glorreich siegten. Und wichtiger wurde als Pausenbrottausch und
Sommerferien, bedeutender als die wahre Liebe zu finden und seine Träume leben.
Schicksalsträchtiger, als sich zu verwirklichen, sich selber treu zu bleiben
und niemals aufzugeben. Schwerwiegender als jede Schlacht. Endgültiger als jene
Marie Luise, die sie gewesen ist, bevor sie zu dem wurde, was wir im Wald
fanden.
Je unwichtiger die Dinge werden, die einem eigentlich
immer so wichtig waren, desto klarer dämmert es mir. Das Wissen aus dem Wald
kehrte irgendwann wieder, kämpft gegen die Langeweile, gegen die
Abgestumpftheit und schlussendlich gegen diese ganzen anderen, verfeindeten Wichtigkeiten.
Die Ahnung wandelte sich zu etwas Neuem. Zu altem Indianerwissen, das mich
schon einmal verließ, nur um nun erstärkt wiederzukehren. Zur uralten Religion.
Die Kenntnis darum, dass der Tomatenstrauch sich nicht darum sorgen muss, dass
es keinen Sinn macht, jetzt noch Früchte zu treiben, die niemals reifen können.
Es ist dem Strauch egal. Warum also sollte es mich kümmern?
Ich beginne zu singen, in dem Loch, in dem ich
liege. Es klingt dumpf. Der Maulwurf, streckt überrascht seinen Kopf aus der
Wand neben mir und stimmt ein, in das alte Lied, das keine Sprache kennt, das
nicht nur mit dem Mund gesungen wird, sondern mit allem was man ist. Mit den
Augen und den Ohren, mit Haut und Gliedmaßen und Eingeweiden. Sogar mit den
Zähnen und dem Haar und den Nägeln. Das Lied, das von allem handelt. Von allem,
was da ist. Und von mir. Selbstverständlich auch von mir.
(ERA 2009)
(ERA 2009)
11.08.17
Delokation
Dies sind die Tage der
großen Korrektur. Ich muss zugeben, ich fühle mich derzeit hin und wieder etwas
verloren. Daher tut es gut, mich selber in den Worten zu suchen. Und meistens auch
zu finden. Es ist nicht zu unterschätzen, welcher Balsam die Überarbeitung
seiner Geschichten auf die geschundene Autoren-Seele sein kann, die so knapp vor
der anstehenden Veröffentlichung natürlich regelmäßig von Selbstzweifeln
heimgesucht wird. Die Arbeit am Werk hilft dagegen definitiv. Auch wenn nach
den langen, intensiven Sitzungen die Finger steif, der Rücken krumm und die
Augen entzündet sind. Hauptsache die Seele jubiliert.
Es sind stille Tage, an
denen ich es genieße, in den wenigen Minuten, die ich nicht dem Monitor
entgegengebeugt verbringe, zu schweigen und für kurze Zeit nicht nach Worten
suchen zu müssen. Vielleicht ist es auch gerade das, was man als Schreibender
an seiner Arbeit so unheimlich zu schätzen lernt. Das alles, was man zu sagen
hat, seine Zeit und seinen Ort hat. Der ausdruckslose Frieden dazwischen ist
redlich verdient.
Der Sommer ist heute gebrochen.
Wieder einmal. Der Regen fiel ab Mittag im seltsamen Stakkato. Er schien sich
nicht richtig mit den Wolken abgesprochen zu haben. Zumindest ließ sich für
mich die meiste Zeit über aus den Himmelsformationen keine genauen Rückschlüsse
über sein Kommen und Gehen herbeiführen. Ich habe einen Regenbogen dabei
beobachtet, wie er sich zwischendurch über die teilnahmslosen Köpfe der
Passanten auf der Einkaufstrasse aufschwang. Sogar er selbst wirkte vom Timing etwas
irritiert. So, als hätte er eigentlich gar nicht damit gerechnet, und dadurch prompt
seinen Auftritt verpasst. Aber so fühle ich mich derzeit auch, wenn ich über
die Straße wandere. Als wäre jede Häuserecke, jeder Straßenzug, jeder
geschotterte Weg durch den Park, eine kleine, abgekapselte Welt für sich
selbst, die es separat zu durchqueren gilt. Ich habe sogar sicherheitshalber meinen
Pass eingesteckt, falls ich unterwegs in eine Kontrolle geraten sollte.
Irgendetwas ist ganz klar
erkennbar in Bewegung. Ich fühle deutlich, wie sich das Bild um mich herum verschiebt
und erwarte gespannt und auch ein bisschen entkräftet das Endresultat.
„…Oft begreifen wir das letzte Mal im jungen Alter, vor allem weil wir da
noch über genügend Ruhe verfügen, dass die essentiellen Dinge meist im
entsprechenden Licht betrachtet werden wollen. Die Jahreszeiten, zum Beispiel,
sind nicht nur Begleiterscheinungen unseres, später einmal viel zu rasch
vorbeiwehenden, Lebens. Nein, tatsächlich sind sie vielmehr große Portale,
die uns alle gemeinsam durch eng aneinanderliegende Welten tragen. Es sind ja
auch sämtliche Anzeichen dafür vorhanden, wenn man weiß, worauf man achten
muss. Jede Menge Wasser zum Beispiel, in Form von Regen und Schnee, das uns durch
die Übergänge zwischen den einzelnen, saisonalen Ebenen trägt. Oder auch unser
Erstaunen, wenn wir erst einmal dort angekommen sind. Man denke nur daran, in
welche trostlose Ebene uns immerwährende Dürre im Gegensatz dazu verbannen
würde. Ein weiteres Indiz für eine allgemeine Delokation durch den
Jahreszeitenwechsel ist auch die Verwirrung, die ein allzu schneller Übergang
mit sich bringen kann. Alleine dadurch, dass wir diese unterschiedlich
beschaffenen Abschnitte der Zeit durchlaufen, werden wir so zu Reisenden
zwischen den verschiedenen Dimensionen der Erde, auch wenn wir das als
Erwachsene oft belächeln und gerne als unsinnig abtun würden. Das Wetter, ein
stetes Zusammenspiel der Elemente, ist und bleibt zeitlebens einer unserer
wichtigsten Anker in der allgemein gültigen Gemeinschaftsrealität. Ob wir das
nun wollen und glauben, oder eben auch nicht. Aber wehe denen, die beim
Übergang ihren Weg verlieren….”
Aus meinen Phasen der Furcht, über die ich eigentlich nur
schreiben kann, weil ich sie meistens bereits abgelegt habe. Wenn man älter
wird, gewinnt ja oft ein gewisser Phlegmatismus die Oberhand.
Der Abend lockt mich heute bereits frühzeitig mit seinem Sonnenuntergang.
Die Tage werden kürzer. Das ist ein Geschenk. Ich suche mein Tor nach morgen nun mit einem Buch auf dem Schoß und Melvin selig zusammengerollt an meiner Seite.
10.08.17
Bilder von wir (mit mir)
mein Bild
von dir
mit mir
mit mir
wir waren wie wir waren
im Rahmen
der goldene Spiegel
schrieb im Kerzenschein
unsere Liebe
an die Wand gefahren
und wie
wir waren was
wir eben waren
mit mir
wir waren wie wir waren
im Rahmen
der goldene Spiegel
schrieb im Kerzenschein
unsere Liebe
an die Wand gefahren
und wie
wir waren was
wir eben waren
(2008)
06.08.17
Sonntagsweisen
„Was ist das Magische, an tristen,
wolkenverhangenen Tagen voller Nichtstun und Melancholie, das die Vergangenheit
in solch lebendigen Bildern hervorzurufen vermag. In jedem Gesicht sieht man
Freunde, geliebt und gehasst, Anvertraute aus früheren Zeiten, beiderlei,
lebendig und begraben und auch die, zwar noch lebendig, aber sonst schon lange
im Herzen begraben liegen. Jedes Gebäude, jede Ecke gebietet einem über das
Verstrichene nachzudenken, über die Dinge, die vorbei sind, die man nicht mehr
zu ändern vermag. Man rüttelt an der Zeit wie an einem Apfelbaum im Herbst,
schüttelt die Früchte aus seiner Krone und hört sie ringsum zu Boden plumpsen.
Hin und wieder wird man dabei ganz unvermutet am Kopf getroffen, wenn man zu
heftig rüttelt und dabei nicht acht gibt.“
Sonst heute nichts für mich. Danke.
05.08.17
Entrückung auf leisen Sohlen
Giebelblicke, Kopsteinpflasterschritte,
Ladengebimmel, Willkommensgruß, vertraute Gesichter – nebenan liegt die Welt
des Erinnerns. Meine Blicke gieren über aufmagazinierte Wandregale voller
Bücher. Meine Hände liebkosen unzählige Einbände. Sie sind alle so unterschiedlich.
Ich liebe sie dafür.
Die Türen, die mir heute
zugedacht sind, besitzen nicht immer Klinken, oder Rahmen, oder was auch immer
es sein muss, damit wir sie als solche bezeichnen dürfen. Durchgänge,
Übertritte, Teleportation – wenn die Tide der Entrückungen spricht, sollte man
schweigen, damit der Absprung punktgenau passt.
Ich steige durchs Fenster aufs kleine Vordach,
mache es Victor vor, der die wohlwollenden Stimmen an der Wohnungstüre nicht
mehr erträgt. Zeige ihm seinen Ausweg. Der Krieg beginnt – ich habe den Anfang
für Nachtspiel und Morgengrauen Band 2.
Regen schleicht sich auf
leisen Sohlen an. Ich kann ihn schon riechen. Ich lasse heute Nacht die Fenster
offen, um ihn entsprechend willkommen zu heißen.
Verlandung
ich weiß,
wie die Flößer leben
ich weiß wie sie leiden müssen
an Land
warum sie bei Regen
den Schotter am Straßenrand küssen
dazwischen die erdfarbenen Bäche lecken
sich an den Straßenrand legen
um den Himmel zu schmecken
die anbrandende Sehnsucht begrüßen
an Land
warum sie bei Regen
den Schotter am Straßenrand küssen
dazwischen die erdfarbenen Bäche lecken
sich an den Straßenrand legen
um den Himmel zu schmecken
die anbrandende Sehnsucht begrüßen
im neu schwellenden Bach
den tosenden Reifen lauschen
und in ihrem nassen Verlangen
aus vollem Mund Liebschwüre
den tosenden Reifen lauschen
und in ihrem nassen Verlangen
aus vollem Mund Liebschwüre
murmeln
gierig, gurgelnd
ich weiß warum sie glücklich
an ihren Tränen ertrinken
gierig, gurgelnd
ich weiß warum sie glücklich
an ihren Tränen ertrinken
04.08.17
Songline
Entlang der Traumpfade ziehen
heute ziellos Stampeden durch die Stadt. Lassen keinen Stein auf dem anderen.
Ich krieche ihnen hinterher und verteufle die Luftwalzen auf ihrem Weg. Unterwegs
begegnen mir die Plagegeister des Sommers und versuchen pausenlos, mich mit
ihren Faxen für sich zu gewinnen.
Unter der Silberlinde vorne
am Platz lag träge mein Gestern auf einer der Bänke. Ich bin aufs Geradewohl
daran vorbeispaziert. Es war mir ehrlichgesagt zu heiß, um mich dazuzusetzen
und über die schöne alte Zeit zu plauschen. Wir treffen uns bald, rief ich ihm
zu und es schien zu verstehen.
Ich entwirre den ganzen
Tag Sätze aus Nachtspiel und Morgengrauen. Komme dabei ein gutes Stück weiter
und denke ich bin auf dem richtigen Weg. Ich bin wieder davon überzeugt, das es
was werden kann. Auch der Dialog über Ann Radcliffe ist fertig geworden.
Im hinteren Haus werden
die Fenster getauscht. Es gab wohl nie eine bessere Zeit dafür als momentan.
Die Tage werden endlich wieder kürzer. Bald ist es geschafft. Ich freue mich maßlos
auf den anstehenden Traumüberhang.
02.08.17
Wispernde Statuen und ein verzweifelter Kranführer
Das Wichtigste zuerst:
ich beginne heute mit einer neuen Geschichte. Einem Frontbericht. Darauf freue
ich mich. Ich habe die letzten Tage diesbezüglich viel über Küstengebiete, Espressi
und feindliche Spione nachgedacht. Ich glaube, ich bin jetzt soweit. Der erste
Absatz ist bereits im Kopf geschrieben. Das ist zumeist die offizielle Aufforderung
an meine Hände für den Tanz über die Tastatur.
Die Dächer gleißen
gnadenlos, die Leute schwitzen. Ich habe einem Kranführer dabei zugesehen, wie
er den Arm seines hohen Gefährts unbeladen hin und her schwenken ließ, um
sich Luft zuzufächeln. Armes Schwein.
Ich schlafe wenig, träume
dafür aber mehr. Das ist der Deal. Tagsüber liege ich oft herum, sofern es die
Zeit zulässt, und höre ausgiebig in mich hinein.
Während ich vorhin unter
dem wispernden Blätterdom in der Hundezone am Karlsplatz saß, habe ich die
Statuen auf den Firsten rundum nicht aus den Augen gelassen. Ich wollte sehen, ob sie sich eventuell selbst
verraten, indem sie sich in einem Moment, in dem sie sich unbeobachtet wähnen,
den Schweiß von der Stirn wischen. Ich habe keinen Hitzestich, um das
anzumerken. Ich habe nur für meine Geschichte recherchiert. Eine neue Welt zu
betreten, zu erforschen, zu erdenken. Das ist ein Gefühl, für das es sich zu
leben lohnt.
Melvin badete ausgiebig im
großen Brunnen in der Mitte des Platzes. Es war eine Freude im dabei zuzusehen.
Er ist der wahre Sonnenschein dieser Tage.
verstummt
(entstanden zur Mondscheinsonate von Beethoven)
Blätter am Ast, windgepflückt
geschwind im Mond, im silbrigen Mond
mein Haar, mein krauses am Stoff meines Kragens
gewohnt, gewohnt das
leise Schaben meines Leibes unter dem Kleid
das Gurgeln von Milch am Morgen
der feuchte Klang meiner Sorgen
das Klopfen des nervösen Schuhs auf die Dielen
die vielen kleinen Dinge
sie singen nicht mehr
das Klappern des Deckels
wenn das Wasser kocht
und allzu oft nun, allzu oft
auch der leise Applaus
von weichen Frauenhänden
schlich zum Fenster hinaus wie
das Kratzen der Feder auf Papier
entfloh mir schon gestern
und fester, und fester
die Sehnsucht, den Hass
der ins Papier gedrückte Gesang
der Tinte verschwand
und dann
das wutentbrannte Schlagen der Türen
das Klatschen der Faust auf die Wange
bis das zornige Lauschen verklang
versank geschwind wie das Jaulen des Winds
der grölende Gassengänger bei Nacht
verlief sich mitsamt der Wirtshaussänger
der Leierkastenmann spielte für mich die Leier kaputt
Geschirr zerbrach, und ich versprach
mir letztlich nichts mehr davon
Feuerwerk und die Glocken des Doms
verklungen
Samstagmarkt und Sommergedonner
verstummen
ein Schrei, mein letzter Schrei
dann ist alles, alles ist vorbei
…
und doch könnte ich schwören
ich kann die Musik noch hören
01.08.17
Die grauen Flusen der Zeit
Es ist ein höllisch
heißer Tag. Ich habe beschlossen, ihn stoisch zu ertragen. Ich durschiffe ihn
auf den sanften Wellen der Zeit, die ich heute in den kleinen Pausen zwischendurch
ausgestreckt auf meinem Sofa durchkreuze. Die Minuten und Stunden sind treue
Begleiter, die mich verlässlich vorwärtstragen. Melvin hält unterdessen friedlich
Siesta im Halbdunkel unter mir. Zwischendurch begleitet er mich fröhlich auf
unseren kleinen Streifzügen in den gnädigen Schatten der Stadt.
Wenn ich heute nicht
gerade die bedächtig wogenden Silhouetten beobachtet habe, die der Baum vor meinem Fenster
an die Zimmerdecke wirft, dann habe ich mich erhoben, um meine Geschichte über
die Zugfahrt nach Carcosa ein letztes Mal korrekturzulesen, bevor sich sie in die
Ablage verschiebe, wo sie bis zur Veröffentlichung liegen wird, meine letzte Antwort über die
Horror/Terror-Dualität an Tobias Reckermann formuliert und mit meinem Herausgeber
und Lektor über die anstehende Veröffentlichung von „Nachtspiel und
Morgengrauen“ korrespondiert.
So sehr ich mich darauf freue, dieses Debüt drückt mir auch ein bisschen aufs Gemüt. Wir haben
heute über meine Schwächen als Autor gesprochen. Darüber, wo mir die Waage
noch fehlt. Wo ich zum substanzlosen Palavern neige. Was gut ist. Also nicht
das Palavern, sondern der Hinweis darauf. Denn von nichts kommt nichts, wie es
so schön heißt. Ich weiß, dass ich noch am Anfang stehe und viel zu lernen habe.
Aber gleichzeitig war ich mir im Leben noch niemals über etwas sicherer: ich
will Geschichten erzählen.
Ich bin unterwegs. Die
Richtung ist nicht mehr ungewiss. Aber die Furcht, die mich dabei begleitet
ist, ob man mich aus einem mangelhaften Debüt heraus (das zu bewerten fällt schließlich
der Leserschaft zu) weiter begleiten will, um zu schauen, wieviel ich zu lernen
bereit und imstande bin. Es wird schon schief gehen, denke ich jetzt. Nach
einem Buch kommt das nächste, dann noch eins und noch eins. Wie ich schon
sagte: die Zeit ist ein verlässlicher Begleiter, die uns vorwärtsträgt. Es gibt
keinen Zweifel daran.
Die schläfrigen
Lidschläge zwischen meinen Gedanken werden bespielt von den grauen Flusen der
Wolldecke auf meiner Couch, über die träge mein Atem streicht. Immerhin. Ein
Debüt. Das ist doch schon was.
31.07.17
Klimatisierte Melange
Es ist heute so schwül,
dass sich wieder alle bemüßigt fühlen,
durch die Gegend zu schreien, um ihre hitzigen Gemüter zu kühlen. „Wo bist
Du?“, ist dabei die Frage der Wahl. „Ich bin genau hier, verdammt nochmal. Wo
soll ich schon sein?“ Der Bus rauschte klimatisiert durch die Gegend und ich fühlte
mich veranlasst, wildfremden Leuten auf meinem Weg zum Nachmittagskaffee
freundschaftlich zuzuwinken. Ich war Tourist in der eigenen Stadt. Bestaunte
die vorbeigleitenden Häuserzüge in der flimmernden Luft und musterte interessiert
die architektonischen Schnörkel der Jugendstilhäuser entlang des Wienkanals.
Normalerweise schlendere ich diesen Weg zu Fuß und denke über meine Geschichten
nach, aber der Hund und ich bewegen uns momentan lieber mit Air-Conditioner
fort.
Überall riecht es heute
nach Palmwedel und Kokosöl. Eine klebrige Melange die selbst mir offensichtlich
aus allen Poren trieft, obwohl ich mich eigentlich nicht damit identifizieren
kann. Was soll´s. Über die Hitze jammern ist mitten im Sommer obsolet. Da gibt
es diesbezüglich ohnedies nur eine gangbare Richtung: Augen zu und durch.
Ich widme mich heute dem entzügelten
Cover für Alberas „Rote Bastarde“, das ich in meiner Art zuerst an die Leine
legen musste, um es anständig striegeln zu können. Später darf es ohnedies frei
auf der Wiese laufen, wie es ihm gefällt. Ich dichte dem König in Gelb eine Liebesaffäre
an. Ich denke über den Teufel nach. Wie er sich wohl gäbe, wenn er bereits
in Frühpension wäre und auf seinem Altenwohnsitz einen neuen Nachbar zu
malträtieren bekäme. Wäre er einsam? Lädt er den Neuzugang daher vielleicht
sogar zu Kuchen und Kaffee, um ihm freudig von vergangenen Zeiten und seiner
verblassten Größe erzählen zu können?
Ein Busfahrtheorem,
mittags notiert, nicht weiter darüber nachgedacht: Unbekannterweise kann man
für andere Menschen eine Frage, oder die Antwort sein. Aber niemals beides
zugleich.
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