Geschrieben am 1. Juli 2019 von für Crimemag, CrimeMag Juli 2019

Bloody Questions (29) mit Louise Penny

Louise Penny © WikiCommons

„This isn’t a hobby

The Crime Questionnaire – von Marcus Müntefering

Seit 2014 schickt der Literaturkritiker Marcus Müntefering Krimischriftstellern, die er schätzt, per E-Mail seinen Fragbogen „Bloody Questions“ (in seltenen Fällen stammen die Antworten auch aus Gesprächen). 

Auch als Kritiker muss man den Mut zur Lücke haben, und ich gestehe, dass ich Louise Penny bis vor Kurzem ignoriert habe. Oder, schlimmer als das: Ich wusste nicht einmal, dass es sie gibt. Und vermutlich hätte sich daran auch durch die Wieder- und Neuveröffentlichungen im Kamapa Verlag nichts geändert, denn die Titel und die Umschlaggestaltung schickt potenzielle Leser auf die falsche Fährte, das schmeckt nach cosy crime. Alles änderte sich, als ich Sylvia Staudes famose Rezension in der „Frankfurter Rundschau“ las und mir den Roman sofort besorgte. Schnell war er gelesen und die Redaktion des leider jetzt eingestellten LiteraturSpiegel von einer Rezension überzeugt. Und weil die nur im Print (bzw. hinter der Paywall) lesbar war, veröffentlichen wir sie hier noch einmal, zur Einstimmung auf Louise Pennys Antworten auf den Crime Questionnaire Bloody Questions. Viel Vergügen mit Louise Penny.

(Erstveröffentlichung: LiteraturSpiegel, Ausgabe 11/2018)

Val McDermid, die Grande Dame des schottischen Krimis, überraschte unlängst bei einer Rede ihre Zuhörer mit einer steilen These: „Bei Kriminalliteratur geht es eigentlich gar nicht um den Mord.“ Vielmehr würden die Leser nach Büchern suchen, die ihnen zeigen, wie die Welt, in der wir leben, funktioniert – oder grade nicht. Natürlich weiß auch McDermid, dass diese Krimis (und entsprechende Leser) eher die Ausnahme und schwer zu finden sind.

Der neu gegründete Kampa-Verlag hat mit Louise Penny so eine Entdeckung gemacht. Wiederentdeckung müsste man eigentlich sagen, denn „Hinter den drei Kiefern“ ist der 13. Roman der in Nordamerika extrem erfolgreichen Kanadierin, von denen allerdings die letzten acht nicht ins Deutsche übersetzt wurden. 

Pennys Geschichten spielen meist in einer pittoresken Kleinstadt, deren Personal aus liebenswerten und schrulligen Charakteren besteht, die man aus unzähligen Romanen und TV-Serien zu kennen glaubt. Doch ein gemütlicher Regionalkrimi, wie auch Covergestaltung, deutscher Titel und Klappentext suggerieren, ist „Glass Houses“, so der treffendere Originaltitel, mitnichten. Three Pines heißt der fiktive Ort, liegt unweit von Montreal und markiert für Penny nicht weniger als einen Gegenentwurf zu den Verwerfungen der Moderne. Eine – manchmal trügerische – Idylle, in der auch ihr Serienheld Armand Gamache zu Hause ist, der im Laufe der Romanreihe zum Polizeichef der Provinz Québec aufgestiegen ist.

Gamache ist ein sanfter Superheld, der Strategien gegen das Unrecht ausklügelt, eine Märchenfigur, die den unbedingten Willen zum Guten nie verliert, auch wenn sie allzu viel Böses gesehen hat. Nachdem er in früheren Büchern mit der Polizeikorruption aufgeräumt hat, widmet sich Gamache jetzt einem nicht weniger ambitionierten Projekt: dem Kampf gegen Kanadas größtes Drogensyndikat. Er entwickelt dazu einen Plan, der ihm selbst eine moralische Flexibilität abverlangt, die er eigentlich verabscheut. Ein Plan, so kühn und überraschend, dass an dieser Stelle nicht mehr darüber verraten werden darf, als dass er Gandhis Idee von einem höherem Gericht als dem irdischen mit dem Dekret des Eroberers Cortés vereint, der 1519, nach der Landung bei San Juan de Ulúa, seine Männer anwies, all ihre Schiffe zu verbrennen.

Was das wiederum mit einer schwarz vermummten Figur aus der spanischen Mythologie zu tun hat, die eines Tages in Three Pines auftaucht und wenig später ermordet wird, enthüllt Penny nach und nach, selbst die Identitäten von Opfer und angeklagter Person verrät sie erst spät. Die Konstruktion der Geschichte – die Handlung entspinnt sich parallel zur Zeit des Mordes und während der Gerichtsverhandlung acht Monate später – ist von schnurrender Perfektion. Fast noch aufregender ist es allerdings, den Figuren dabei zuzusehen, wie ihre moralischen Koflikte, wie Gefühle von Schuld und Reue und Rachedurst sie an den Rand bringen – und manch einen darüber hinaus. 

Am Ende wird das Verbrechen aus Three Pines vorläufig vertrieben sein, doch die Erkenntnis bleibt: Es gibt keinen Ort, an dem man sich vor der Welt verstecken kann. Wer Sicherheit und Geborgenheit sucht, muss dafür kämpfen. Jede Idylle hat ihren Preis. 

Bloody Questions Vol. 29: Louise Penny

1 Have you ever thought about committing a crime/committed a crime?

As a child I shop lifted and got caught.  Was so traumatized by it, I never did it again.  In school I plagerized a poem, and again got caught (not exactly a mastermind, here), and again was so traumatized by it, I never did it again.  Wish I could say my  life on the straight and narrow was because of a keen moral code, but really, more a fear of getting caught.  

2 Who is the worst (or best) villain of the history of (crime) literature?

Not a clue…but would have to  think it’s someone who fits right in.  Someone we might see in a mirror.

3 Do you remember the first person you ever killed in your novels?

I do. Miss Jane Neal. You never forget your first…

4 The Beatles or Stones question: Chandler or Hammett?

Preferred Stones when I was younger, now I prefer Beatles.  And I don’t read either Chandler or Hammett. Not a big fan of old school American crime writers.  

5 Have you ever seen a dead body? And how did it affect your life?

I used to volunteer in a paliative care unit, so saw many.  But none died violently.  It was peaceful, some even beautiful.  But again, had it been „before their time“, in an accident or by willful violence my reaction would have been different.  

6 Have you ever witnessed a crime?

No

7 Is there anybody in the world you’d rather see dead?

Perhaps best not to answer that.  

8 How did you make a living before you became a success as a writer?

I was a journalist for the Canadian Broadcasting Corporation.  I hosted a daily, live, current affairs interview programme.

9 If you wouldn’t write crime novels – what would you (like to) do?

A professor in Oxford or Cambridge, teaching history.  

10 Do you listen to music when you are writing? And if this is a yes: What kind of music?

I never listen while I’m writing, but music plays a huge role in my creative process.  It takes me to places I could not normally go. I plug into my headphones on flights, and see whole scenes of the book I’m writing, or planning.  Feel what the characters might be feeling.  Music opens passenges for me.  I cannot imagine writing a book without the help and inspiration of music. All sorts. Dire Straights, Bach, Gregorian Chants, Leonard Cohen, Coolio, Nina Simone, Rag n Bone Man, Crash Test Dummies, The Who…

11 Do you prefer to write at day or at night? At your desk at home or everywhere you go?

I am very disciplined and my day is, by necessity, structured. I’m at the laptop first thing in the morning. I set a word count and hit it. I can write anywhere, but prefer in my home, at dining room table, in front of the fireplace.

12 Are the any days where you can’t write a word? What do you do then?

No. This isn’t a hobby. I force myself to write, knowing it’s only the first draft and if it’s crap, it will be taken out in second, third, fourth drafts.  But I always write. And always stop writing when I know exactly what will come next. Are there days I don’t feeling like writing? Almost every day. But I do it anyway. Nothing good comes of giving in to fear or laziness.  

13 What happens after death? And: What should happen after death?

We meet the people we love, who have gone before. And then are re-born, and meet them again, but often in different guises. My husband becomes my brother. My mother is my best friend. My best friend becomes my father. Etc, etc. 

14 Crime and Punishment: What do you think of capitol punishment?

I understand the drive for revenge, but cannot see how killing a killer is somehow OK.

15 What do you make of Bert Brecht’s statement: „What is the robbing of a bank compared to the founding of a bank?“

Sounds like something meant to be clever and egalitarian but is quite empty and silly.  

16 What should be written on your tombstone?

Surprised by Joy

Die Internetseite von Louise Penny. Die Autorin bei Kampa. Erscheint am 30. August: „Auf einem einsamen Weg„.

Die Bloody Questions von Marcus Müntefering auf CrimeMag:

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