Scheinfreiheiten
Byung-Chul Han. Foto: S. Fischer-Verlag
Vor wenigen Tagen besprach Meike Feßmann das neue Buch von Byung Chul Han im Tagesspiegel:
„Es ist der Anschein von Freiheit, der die Sache seiner Meinung nach so infam macht. Der Kapitalismus der Gegenwart diszipliniert die Individuen nicht, indem er ihnen etwas verbietet oder sie zu etwas zwingt. Er diszipliniert sie, indem er sie dazu verführt, etwas für Freiheit zu halten, was ein Zwangssystem eigener Art ist: die Angst, nicht mithalten zu können oder etwas zu verpassen, verlegt die Leistungsanforderung ins Innere des Individuums. Je mehr es kann, desto mehr fordert es sich ab. „Die Freiheit des Könnens“ erzeugt „mehr Zwänge als das disziplinarische Sollen“, schreibt er in seinem neuesten Buch, „Psychopolitik – Neoliberalismus und die neuen Machttechniken“.
Darin finden sich eine Menge schmissiger Sätze. Beispielsweise dieser: „Jedes Dispositiv, jede Herrschaftstechnik bringt eigene Devotionalien hervor, die zur Unterwerfung eingesetzt werden. Sie materialisieren und stabilisieren die Herrschaft. Devot heißt unterwürfig. Das Smartphone ist eine digitale Devotionalie, ja die Devotionalie des Digitalen überhaupt. Als Subjektivierungsapparat fungiert es wie ein Rosenkranz, der in seiner Handlichkeit auch eine Art Handy darstellt. Sie dienen beide zur Selbstprüfung und Selbstkontrolle. Die Herrschaft steigert ihre Effizienz, indem sie die Überwachung an jeden Einzelnen delegiert. Like ist digitales Amen. Während wir Like klicken, unterwerfen wir uns einem Herrschaftszusammenhang. Das Smartphone ist nicht nur ein effektiver Überwachungsapparat, sondern auch ein mobiler Beichtstuhl. Facebook ist die Kirche, die globale Synagoge (wörtl. Versammlung) des Digitalen.“
In der ZEIT findet man heute ein Interview mit Byung-Chul Han.
Byung-Chul Han: Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014.
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