Spracherkundungen
Spracherkundung ist das Stichwort und wenn man es googelt, kann man sehen, daß es in den Feuilletons zur Kennzeichnung vieler Poetiken nicht nur aus dem letzten Jahrzehnt herangezogen wird, z.B. für Elke Erb, Hendrik Jackson, Hans Thill – man könnte die Liste unangestrengt aus je eigener Sicht fortsetzen, denn das ist ja ziemlich stimmig: Gedichte sind Erkundungen in der Sprache.
Entscheidend ist nur der Umstand, wem diese Erkundungen dienen sollen: einem Sinn oder Unsinn, der sich offensichtlich (mit oder ohne Grübeln) finden läßt, oder einem unsichtbaren Hintersinn (z.B. wie spreche ich eine Sprache, die neu aussieht und mich als lyratechnischen Virtuosen ausweist – daran ist nichts verwerflich, das machen Jazzer und Instrumentalisten auch), der die Gestaltungsprinzipien bestimmt. Etwas anders formuliert: dient die Erkundung dem Gedicht oder dem Standing des Verkünders? Und hier vermischt sich heute sehr vieles bis ins Unkenntliche. Was dient denn dem Gedicht, das ja zuerst ein noch zu erkundenes Gebiet ist? Man liefert etwas Unbekanntem zu. Und was ist, wenn der Egohintersinn interessanten Eigensinn entwickelt, der zudem noch Spaß macht? Das kann man alles nur durch aufmerksames Lesen und dann auch nur für sich entscheiden.
Manchmal jedenfalls hat man das Gefühl vor genialem Sprachwitz und mutiger Kuriosität in die Knie gehn zu sollen, während der Sinn der vorgebrachten Sprache absolut zweitrangig bis beliebig ist. So ein Gedicht hat natürlich auch seinen Sinn, behaupte ich versuchsweise: nämlich möglichst so stattzufinden, daß seine Kosmologie aitiologisch unerreichbar bleibt. Komm mir bloß nicht in die Küche. Das Hermetische ist quasi von den Grundintentionen her mit eingebaut (was für den am Esstisch Sitzenden prinzipiell kein Grund zur Besorgnis ist, wenns trotzdem schmeckt). Bei anderen wiederum (nennen wir mal Dagmara Kraus und Matthias Traxler) spürt man eine offene Begeisterung für mögliches neues Terrain, eine ganz anarchische Entdeckerfreude, die einladend wirkt statt abweisend (finde ich). Man muß wirklich für sich entscheiden, auf welches Spiel man sich einlassen will und was einem nichts sagt. Spracherkundungen durchführen. Erkunden, was ein anderer gefunden hat bei seinen Erkundungen.
Es gibt noch viele weitere Erkundertypen, z.B. den Allesverneiner, der im neuen Terrain partout keinen Sinn entdeckt, um Derridas Himmel willen keinen entdecken will, und sich nicht mehr traut „dem intrinsischen Wert der Dinge auf vielfältigere und subtilere Weise zu begegnen als mit Coolness oder Ironie“ (Jürgen Brôcan).
Frank Milautzcki
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