Outcastcocktail
Der junge Anatol von Steiger (Quelle: derbund.ch, zvg)
Seit gestern neu auf dem immer wieder wunderbaren planetlyrik: Anatol von Steiger, u.a. das umfangreiche Vorwort von Felix Philipp Ingold zu den im Ammann Verlag 2007 erschienenen gesammelten Gedichten „Dieses Leben“:
„Auch wenn Steiger durchaus kein Neuerer war, keine Formzertrümmerung betrieb und keine Großtadtlyrik verfaßte – ein unbedarfter Provinzler wie die Mehrheit seiner schreibenden Zeitgenossen in der deutschsprachigen Schweiz war er mitnichten. Er hatte – es wurde bereits erwähnt – seine hochentwickelte Formkunst aus der Tradition der Petersburger Dichtung zwischen Puschkin und den Akmeisten orientiert, zu seinen Vorbildern gehörten nebst Annenskij, Kusmin oder Gumiljow die Lyriker Stefan George und Rainer Maria Rilke, und in ästhetischer beziehungsweise lebenskünstlerischer Hinsicht stand er Proust, Gide, Cocteau, Radiguet nahe. Mit dem sprichwörtlich gewordenen „Abseits“, in dem die damalige Schweizer Literatur insgesamt befangen war, hatte Steigers „Außenseitertum“ nichts zu schaffen – er stand nicht als Autor im Out, er war existentiell ein Outcast: durch die Zeitläufte im eigentlichen Wortsinn „hinausgeworfen“ aus seiner sozialen Klasse, aus dem Land, das er als Heimat empfand, aus seiner Muttersprache, aus der Gemeinschaft der als „normal“ geltenden Menschen.“
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