Jedes Erwachen zieht fürchterliche Konsequenzen nach sich. Die Elemente des Traumes pressen sich zu einem verschwindenden Punkt zusammen und drücken von innen gegen die Augäpfel, bevor sie vom Blut aufgegriffen und in den Verdauungstrakt befördert werden. Zumindest fühlt es sich so an, als wolle sich der Körper augenblicklich von aller Illusion befreien, so gering sie auch immer scheinen mag. Es sind nur Bruchteile von Sekunden, die darüber entscheiden, wo man aufwachen wird. Jede Nacht verändert die Struktur des Denkens.
Adam erwacht im Hotelzimmer seiner Chimären und mit ihm erwacht seine doppelte Existenz. Jeder der beiden möchte die Oberhand gewinnen. Das ist wichtig, um ihm zu sagen, wer er ist, wer er heute ist, wer er gestern war. Der Ausschluß der anderen Existenz ist der konsequente Wegfall vieler alternativer Möglichkeiten, aber Existenz selbst ist so schwammig, daß jedes Philosophieren darüber nur ein weiteres Spiel bleibt, ein Zeitvertreib; jeder Gedanke an ein anderes Leben ein Schatten, der nie wirklich da ist, aber auch niemals ganz verschwunden.
Dieses Hotelzimmer der Schimären. Unter verklebten Lidern befindet sich noch ein Rest der wirklichen Umgebung, eine dampfende Laterne, von Faltern umschwärmt. Da ist keine Erinnerung, nur eine trockene Kehle. Körperfunktionen halten inne, der Puls ein kleinwüchsiges Klopfen, die Säfte erstarrt, tief ins Gewebe zurückgezogen; die letzten Inseln lauernder Funktionslosigkeit. Bilder kehren mit dem Blut zurück, reisen
mit Transferrin im Eisenwaggon an, Schubtore geschlossen, damit während der Langsamfahrt niemand aufspringen kann, Rucksack in die Ecke, Guitarre raus (ein Hobo!). Nichts gegen den King Of The Delta Blues Singers oder Seasick Steve, wir aber reden hier von Gedanken, von Geschehnissen. Das ist kein Swamp-Soundtrack, das ist eine Geige, die sich Ritzen sucht. Da fällt durch, was sie ausscheidet, klagende, kratzende Diarrhoe.
Das Licht spielt, wie es von jeher mit der Welt spielte. Planetenstaub, angebumst von koronalen Massenauswürfen, Tiktaalik rosea, der dann Affe wurde.
Bettzeug, das nach barocken Liebeslagern muffelt. Die Zunge der Zeit hat hier mit fetten Zotten den frischen Geschmack in ihren Rachen genommen. Der Eindruck ist nur noch ein finsteres, oxidierendes Relief.
"Wo bin ich?"
Er will nur seine Stimme hören, die ihm der Katzenjammer zugesteht. Es gibt Märchen, da antwortet der Teekessel überschwappend der magischen Brühe: "Rauss mitt dirr, bevor man die Prinsessin skalpiert!"
Und ein Pferd tritt ein. (Ah! es ist ein Friesenhengst, mit Hafer in den Ganaschen), der junge Held von burlesker, ganymed'scher Schönheit, tränkt seinen Körper im jetzt golden dahinfunkelnden Sonnenschein, der durch die Risse der garstigen Schwiegermutter-Scheiben taumelt.
Dann ein recht merkwürdiger Name. Sagen wir, Behrokh, sagen wir, Behrokh Espenlauba, die zitternd mit noch blonder Mähne im Turmzimmer zu Karstenfels ganz oben unterm Dach dem Einen harrt, der eine sehr sehr durstige Kehle hat. Das Märchen beschreibt das runde, zugige und von außen abgeriegelte Zimmer mit ein, zwei romantischen Paradesätzen, verschweigt die Bettpfanne, den stinkenden Essenstrog, erwähnt allerdings die Unmöglichkeit, das Gemäuer zu erklimmen. Viele haben's schon versucht, hört man da, alle sind sie schauerlich deformiert und zerbreit an ihrem Leib ins Geisterreich gefahren.
Unstet das Klirren der Nerven, ungestimmt. Die Figur eines
sitzenden Mannes, Laken, Laken und Wasser. Schuppen, am
Bauch abgerundet, nicht gekielt. Die Lasur des Schweißes ein
Wellenkamm, die Pleura hinkt, unter die Oberfläche des
Lakens gedrückt, geschlürft ein nackter Traum, eine Attacke des Lebens
gegen die Suffokation, gegen unstillbaren Durst. Die Tür schließt
nicht mehr richtig gegen den Wind, springt aus der Wiege, Tanzpartner
eines flüchtenden Gastes, der zum Fenster eilt, durch den korallenroten
Giebel zurückkommt, Blickkontakt mit einer leeren Stelle,
das Leben, die See.
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