Dienstag, 2. Juni 2015
7. Allianzregime
Später fehlte ihr ein Pantoffel, den dieser Dichter ihrer Ansicht nach besitzen mußte. Sie stellte sich vor, wie er nachts allein unter dem Sternenzelt daran schnüffelte, sie ihm als Dunst des kaum wirklich wahrzunehmenden Geruchs erschien wie ein Engel.
In ihrer Familie fehlte jämmerlich der Tod (woher also die Romantik?). Sieht man einmal von Onkel Arnulfs Kehlkopfentfernung ab – einer Tragödie, die man feierlich zu hüten verstand, gab es in ihrer Ahnengalerie noch nicht einmal Akne. Es muß doch aber jemand zu beklagen sein! Man schämt sich fast, wenn man die Nachbarn auf den Knien prozessieren sieht, die Urnen über den Kopf gen Himmel haltend, heulend wie die Banshees, die selbst keinen gräßlicheren Laut aus ihrem einzigen Nasenloch hervorstümpern könnten, in schwarze Lappen gewickelt, verschleiert, die Gesichter von salzigen Tränen in der Mitte geteilt: das rote Meer des Stammes Israel. Wieviel Geschmack doch in den Tränen zu finden ist, langes Rinnsal auf dem Weg. Da singen sie ihr Lied in der Familiengruft, wo (seien wir ehrlich) allerhand los ist. Die Ahnen liegen da alle mit gefalteten Skeletthänden in Sarkophagen aus Granit, entfleischt im Knochenmehl.
Doch lassen wir uns, liebes Publikum, liebe Voyeure, nicht täuschen! Auch hier ist die Familie Umschlagplatz zwischen Sexualität und Allianz, sie führt das Gesetz und die Dimension des Juridischen in das Sexualpositiv ein und transportiert umgekehrt die Ökonomie der Lust und der Intensität der Empfindungen in das Allianzregime.
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