Vielgestalt
Peter Hamm stellt in der NZZ heute eine neue Sammlung der Gedichte von Fernando Pessoa vor:
„Von allen rätselhaften Dichtern der modernen Weltliteratur bleibt Fernando Pessoa neben Franz Kafka der rätselhafteste, wobei die Rätselhaftigkeit des Portugiesen vielleicht noch verstörender wirkt, weil die Person Pessoa so absolut ungreifbar ist. Dass im Portugiesischen «pessoa» sowohl «Person» als auch «Maske» oder «niemand» bedeutet, passt zu seinem Bild. Pessoa, dessen poetisches Credo lautete: «Sei vielgestaltig wie das Weltall!», und der sich getreu seiner Devise: «Gott ist nicht einer, wie könnte ich es sein», in das Labyrinth seiner Heteronyme verzweigte, erscheint in jedem von diesen als ein radikal Anderer. …
«In jedem Winkel meiner Seele raucht ein Altar für einen anderen Gott», heisst es in einem Gedicht Pessoas, der überzeugt davon war, dass «alle Religionen wahr sind», und in einem Kommentar zu seiner Vision des «Fünften Reiches» forderte: «Schaffen wir das höhere Heidentum, den obersten Polytheismus! In der ewigen Lüge aller Götter sind nur alle Götter die Wahrheit.» Auf Pessoas Heteronyme übertragen, heisst das: Erst die Summe aller heteronymen Fiktionen ergibt die Wahrheit Pessoa. Zu dieser Wahrheit zählen auch die lange übersehenen jüdischen Wurzeln Pessoas, der als Nachfahre von Marranen – unter ihnen ein Astrologe, Okkultist und Psalmist, der 1706 Gefangener der Inquisition war und mit Konfiskation bestraft wurde – quasi auf Verstellung dressiert war.“
Fernando Pessoa: Er selbst. Poesia – Poesie. Aus dem Portugiesischen von Inés Koebel. S. Fischer, Frankfurt/Main 2014.
Neuen Kommentar schreiben