Das Sonett von Kunst
Ein Gedichtband wie ein Streifzug durch einen Luna-Park: Wir treffen einen Wikinger an der 54. Straße, versuchen, aufblasbare Münzen durch die ihnen zugewiesenen Löcher zu quetschen, besteigen Barthelmes Ballon in der Nähe des Central Park, fliegen in einer Disziplin unserer Wahl zu den inoffiziellen Weltmeisterschaften nach Milwaukee, behalten einen Kaugummi während eines Kreditgesprächs im Mund. Alles in allem sind wir in diesen Gedichten keine Freunde von mittelmäßiger Gesellschaft. Eine letzte Arche Noah sticht in See, mit Walen, Salamandern und Ratten, wenn nur genügend Gewässer rund um den Ararat zusammengefunden haben.
*
Claudia Kramatschek heute im Deutschlandfunk über den neuen Band von Thomas Kunst, der ab heute im Handel ist:
„Denn Kunst erweist erneut, dass er vor allem das Sonett – mit dem er hier augenzwinkernd in Form eines Sonettenkranzes spielt – meisterlich beherrscht, nicht zuletzt um zu verbinden, was sich eigentlich nicht verbinden lässt. Alles folgt hier nämlich assoziativen, eher musikalischen Mustern – daher auch die Plattenliste im Anhang des Bandes. Alles ist geleitet von einer nervösen, zugleich seismisch genauen Notation. So öffnen sich mittels eindringlicher Bilderfolgen unerwartete Zusammenhänge, die mit melancholischem Unterton von einer Welt erzählen, die aus den Fugen ist, wenn etwa seltene Delphine sterben, weil tumbe Menschen mit ihnen Selfies machen. Es gibt Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb, der KZ-Gedichte und Betroffenheitspathos liebt – aber auch Liebeserklärungen an jene Schriftsteller, die wie Zaimoglu für Thomas Kunst wahre Brüder sind oder Weggenossen und Vorbilder waren.“
Thomas Kunst: Kolonien und Manschettenknöpfe. Gedichte. Suhrkamp Verlag 2017
Neuen Kommentar schreiben