Mittwoch, 3. September 2014

Das Konservieren eines Dorfes

Es war mir nicht gelungen, alles zu verhindern, einen Pakt mit der Zeit konnte ich nicht gültig schließen, aber für Vergessen sorgen. Das gelang, sobald ich mein gegenüber in meine Vision hineinzog, so daß es weiterexistierte, wie man es in den ihm bekannten Kreisen kannte. Vielleicht etwas stumpfer an mentalen Prozessen sowie an Nous, Wortkarg zumeist, verträumt, wie es in diesem Landstrich jedoch nicht weiter ins Gewicht fällt. Aber es interagierte mit seiner Umgebung, auch wenn der Wunsch, fortzugehen, so stark wurde, daß er nicht mehr einzudämmen war.
In den wenigen Fällen, da dies aus unbekannten Gründen mißlang, halfen die Moiren mit der ganzen Verve eines unverfänglichen Unfalls nach, wie es bei ZeBe von Nöten war:
Sie lag, sich immer wieder aufrappelnd, immer wieder im leimigen Matsch ausrutschend und aufs Gesicht fallend, in diesem Bach. Eigentlich wäre sie fast ertrunken, wenn dieser LKW nicht gewesen wäre, der sie rauszog, als schon der Sumpf derart nach ihr gierte, sie des Schlammes eigen zu machen drohte. Durch ihre Poren drückten sich Moose, Schleimsand, Kraut; die Augen riesengroß / schwarz / rund: oxidierte Schädeldecke; silbriger Bewuchs auf den honorigen Brüsten. Ihre Arme und Stelzen ruderten nur mit halber Kraft voraus. Der Lastwagen beschleunigte sauerstoffgefräßig. Sie faßte nach der Anhängerkupplung. Voller Schmiere das starke, steife Stück. Zwischen ihren Fingern glitschte das Maschinenöl, spritzte ihr Reste ins Gesicht, der Auspuff fönte ihr Haar zu einer ehernen Skulptur nach hinten. Als sie dann auf der Straße lag, keuchte ihr verklebter Mund. Autos hupten in langsamer Vorbeifahrt, nur dasjenige nicht, das ihr Magen, Leber, Milz aus dem Hals drückte.
Die Romantische Zeit. Ich möchte sie mir gerne vorstellen als den sensiblen Aufbruch des Geistes, der sich seiner Fesseln entledigt. Mir selbst ist das Licht der Gegenwart zu grell. Man geht bekleidet vor die Tür und kehrt völlig nackt zurück, weil die Umgebung mächtig gefräßig die Plünnen abreißt. Wenn man dann in ein Gemälde hineingehen könnte, Farbäste beiseite beugen (ein wenig ducken muß man sich schon, ein wenig in die Farbe tauchen). Rascheln alter Pinsel, die niemand mehr führt. Die Bewegung nur eine mathematische Gleichung. Ich bin eingeplant, ein X, eine Rune: Klamotten, die im Bild ich trage.
Oder ich denke mir: Wenn ich so einen Garten hätte, in dem die Blumen zur Erdmitte hin wachsen, müßte ich niemanden absorbieren, um dieses Dorf zu konservieren.

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