Sonntag, 9. November 2014

Carl GontardsTriumphbogen

Schloß Kaiserhammer, Garten zur Eger
Elisabeth Friederike Sophie von Brandenburg=Bayreuth geisterte in den frühen Morgenstunden ihres 25. Geburtstages in der Waldmulde an der Eger herum, betatschte unausgeträumt den noch gar nicht fertigen, glattkühlen, jetzt ja noch von der Nacht umschwärmten Triumphbogen.
Es kann nicht ausbleiben, daß sie an einen aufgeweckten Penitenzer denkt, dessen weiche Haut den starken Trägerbalken abschirmt, wie sie da am kühlen Gips schabt. Sie befand sich nun seit einem Jahr im Bayreuther Umkreis, hatte nicht vor, an den Württembergischen Hof zurückzukehren. Ihr Vater nannte das hier die Wildkammer seines Landes – und vornehmlich war das der Selber Forst, das Egertal mitsamt der Zuflüsse, die Moorgebiete der Häuseloher Verebnung, die Weiherketten am nördlichen und südlichen Rand des Wellertales, das Hengstberggebiet & die Schneeheide=Kiefernwälder; während ihre Mutter ständig unzufrieden über den popeligen & primitiven Landadel schnaubte, der sich hier fand. Hier waren sie nicht nach der französischen Mode gekleidet, sprachen kein Französisch & die Läuse in den Perücken dieser Leute hatten wohl einen älteren Stammbaum als die Adeligen selbst. Außerdem lebten sie wie die Phäaken.
Seit einem Jahr stand dieses neue Jagdschloß nun in diesem lernäischen Gebiet. Der Geruch orgiastischer Riten hing über dem Ort & selbst die Mägde torkelten trunken & zerrauft einher. Casanova, der Sophie das bezauberndste & hübscheste Mädchen der deutschen Lande genannt hatte, als sie noch ein Mädchen war, hätte diesen Ort nicht besser ersinnen können für seine Liebesmahlzeiten. Freilich war er nur ein Aufschneider, wenn auch ein Galan, der dem Hühnerstall niemals etwuchs. Von wahrer Bedeutung fand sie das, was die Bauernmädchen hier veranstalteten. Heute vielleicht schon. Bei Hofe wurde nur unter die Kleider geschaut, pralle Früchte zeigte nur das Land. Außer Ernst Buguslaw von Wobeser hatte sie an diesem frühen Morgen noch niemanden gesehen. Diese Hofschranze, die ihren weißgepuderten Schwanz, die fettigen Finger obendrein, in jede Öffnung steckte, war gerade aus dem Küchenflügel gehastet, ungelegen geknöpft, ein dämmerungsaktiver Buntmarder, der die angekündigte Sonne verschlafen will, an den Fingern suckelnd, den angetrockneten Traubenmatsch ablutschend einschläft.
Von außen fand man sich gleich in der Welt Carl Gontards wieder, aber die Spiegelscherbenkabinette im Innern waren doch ganz & gar ähnlich vorzüglich wie in der Schloßanlage zu Bayreuth, die man in den ausgewogensten Verhältnissen vorfindet: ein feines, zartes Relief der Gliederung. All das würde sich die Natur eines Tages wieder holen, Busch & Baum, aufsteigend in Fontänen von Strahlen & Strahlenfiguren.

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