Intoxicatio cocainum
Der Militärmedikamentenakzessist (Quelle: www.kulturvereinigung.com)
„Am 2. November 1914, abends, verkündete der Militärmedikamentenakzessist Georg Trakl, gebürtig aus Salzburg, seinem Burschen Mathias Roth, dass man in zwei Tagen das Krakauer Garnisonsspital verlassen und zwecks Erholungsurlaub nach Innsbruck gehen könne. Er möge ihn am nächsten Morgen um halb acht Uhr wecken und sich nun schlafen legen.
Was dann geschah, ist heute an entscheidenden Stellen unklar – fünfundfünfzig Jahre später wäre aus solchen Ereignissen ein popkultureller Mythos geworden. Trakl hat „wohl zu viel Kokain genommen, das er versteckt bei sich getragen haben muss. Den ganzen nächsten Tag (3. November) lag er bewusstlos in seiner Zelle. Roth durfte nicht drinnen bleiben, es wurde ihm sogar verwehrt, sie noch einmal zu betreten.“ Erst am Morgen des 4. November sieht der Bursche den zugedeckten Leichnam Trakls – in der Nacht zuvor ist er gestorben, offiziell an einer „Herzlähmung“, laut Obduktion jedoch an einer „Intoxicatio cocainum“, einer Kokainvergiftung.
Es ist nicht ganz klar, ob diese Vergiftung ein Selbstmord war oder nicht, oder ob Trakl den Tod als Option in Kauf nahm. Hans Weichselbaum, der Leiter der Trakl-Forschungsstätte in Salzburg, verzichtet in seiner nun neu erschienenen, überarbeiteten Biografie des Dichters auf fruchtlose Spekulationen. Was man weiß, ist traurig genug, und der daraus zu ziehende Schluss liegt letztlich im Auge des Betrachters: „Als alle, die er um einen Besuch gebeten hatte, ausblieben und er seine Hoffnungen, wieder ,ins Feld‘ und an die Front zu kommen, aufgegeben hatte, dürfte er sich absichtlich in die gefährliche Zone zwischen Leben und Tod begeben haben.“
Johannes Schmidt bespricht auf literaturkritik.de die anlässlich des 100. Todestags Georg Trakls erscheinende überarbeitete Biografie von Hans Weichselbaum: Georg Trakl. Eine Biographie. Otto Müller Verlag, Salzburg 2014.
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