Parallelgesellschaften
Björn Bicker (rechts) (Quelle: www.bjoernbicker.de)
Zum 125. Jubiläum des Wiener Burgtheaters im Oktober 2013 hielt Björn Bicker einen Vortrag über die Frage, wem das Theater gehört, der aktuell anläßlich des Saisonrückblicks unter der Überschrift „Aufbruch zu neuer Relevanz“ auf nachtkritik.de wieder aufgeblättert wird:
„Wenn man von einem dynamischen, nicht auf Besitzstand zielenden Begriff von Kultur ausgeht, von einem Begriff, der alle Lebensäußerungen des Menschen, egal welcher Herkunft und welchen Geschlechts, sei es Kunst, sei es Unterhaltung, sei es Sport, sei es Religion, als Äußerung seiner Eigenheit als Mensch begreift, dann ist klar, dass die Kultur niemandem gehört oder umgekehrt: allen. Oder noch präziser: Kultur ist nichts, was einem gehören kann. Kultur ist auch nichts, was statisch wäre, Kultur ist Veränderung, Kultur ist Dynamik und Kulturen kämpfen auch nicht gegeneinander, sondern fließen ineinander über.“ …
„Das Theater, das die Wirklichkeit darstellen will, das sie nur kritisiert und dabei so tut, als könne es eine Position irgendwo außerhalb ihrer einnehmen, dieses Theater wird immer hinter dieser Wirklichkeit zurück bleiben. Es ist überheblich. Es könnte arrogant wirken. Vielleicht sogar dumm. Das ist das Dilemma des Theaters seit jeher. Theater ist nicht das Leben, es tut nur so, als ob. Das, worum es geht, ist immer abwesend. Das ist die unentrinnbare Struktur der Repräsentation. Das unterscheidet Theater im Kern vom realen Vollzug eines religiösen Rituals. Das ist der Unterschied zwischen Apollinischem und Dionysischem Prinzip. Das ist die Differenz zwischen Party und Aufführung. Das ist leider allzu oft der Graben zwischen Politik und Kultur. Das ist, ganz allgemein gesagt, die alte Dichotomie von Kunst und Leben, die in den letzten Jahren so deutlich hervorgetreten ist, wie selten zuvor.
Die Akteure und die Zuschauer ergehen sich in sich selbst genügenden Ritualen, bei denen es Abend für Abend vor allem darum geht, sich selbst und den anderen zu bestätigen, wie kritisch, aufgeklärt und wissend man ist.
Gerade das zeitgenössische Regietheater in seiner elaborierten Form, forciert die gesellschaftliche Trennung verschiedener sozialer und ethnischer Gruppen, indem es genau diese Differenzen durch seine, böse ausgedrückt, bildungshuberischen Barrieren kunstvoll zementiert. Sei es noch so dekonstruktiv oder popkulturell: Letztlich steht das aktuelle Theater für die affirmative Selbstvergewisserung einer überschaubaren Gruppe von gebildeten, wohlhabenden Menschen, für die der Kokon aus Bühne und Zuschauerraum zum Naherholungsgebiet unverfänglichen Unter-Sich-Seins geworden ist. Eine Parallelgesellschaft mit Ausschlusscharakter.“
Was diese Zitate in der fix zone zu suchen haben, verstehe wer will (und dabei Selbstkritik verträgt).(FM)
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