Laudatio auf Ljudmila Ulitzkaja
Ljudmila Ulitzkaja beim Poetenfest Erlangen. Foto: Erich Malter
Morgen. am Samstag, den 26. Juli 2014, wird in Salzburg der "Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur" an die russische Autorin Ljudmila Ulitzkaja verliehen. Eine Laudatio von Karl-Markus Gauß erschien heute im Standard:
„Erzählt sie von heutigen Menschen, zeichnet sie nicht nur deren einprägsames Charakterbild, sondern holt auch ein, was von ihren Eltern, von deren persönlichen Hoffnungen und politischen Illusionen in Erfahrung zu bringen ist, sie unterrichtet uns von den Krankheiten und Leidenschaften der Großeltern, von deren Lebensträumen und den Umständen ihres Todes, von Tanten, die zeitlebens Unglück mit ihren Liebhabern hatten, und von all den berühmten und berüchtigten Büchern, die einst der Großonkel begeistert gelesen hat. Im Geflecht der Familien und im Netz der Freundschaften zeigt Ljudmila Ulitzkaja, wie die große Geschichte aus lauter kleinen Geschichten gemacht wird und das Tun und Unterlassen des einen Menschen Folgen für den Lebenslauf vieler anderer zeitigen kann.
Ihre Romane sind epische Kolossalgemälde, wie sie in Russland nicht nur Leo Tolstoi geschaffen hat, von dem sie gleichwohl gelernt haben könnte, wie man von Individuen so erzählt, dass sie gänzlich unverwechselbar sind und in ihnen doch zugleich die Epoche selber kenntlich wird. Worüber immer sie schreibt, sie öffnet uns die Augen für historische Vielfalt und kulturelle Vielgestalt, für den Reichtum an Lebensformen, Eigenheiten und Eigenschaften, den jeder Einzelne in sich birgt und der der Gesellschaft nützen könnte, wenn sie ihn achten und fördern würde und nicht als störenden, gefährlichen Wildwuchs zu beseitigen trachtete.“
Ljudmila Ulitzkaja: Das grüne Zelt
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