Zu Samen geschnitten
Jonas Mekas - Still aus dem 365 Day Project (Quelle: ZKM)
Eine Ausstellung im ZKM | Medienmuseum eröffnete letzten Freitag: Jonas Mekas. 365 Day Project.
Der 1922 in Litauen geborene Filmemacher und Lyriker Jonas Mekas gilt als einer der einflussreichsten Protagonisten des Experimentalfilms seit den 1960er-Jahren. Durch die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts fand er seine zweite Heimat bereits 1949 in New York. In beständiger persönlicher Auseinandersetzung mit den künstlerischen Bewegungen der Stadt und ihren Protagonisten avancierte Mekas dort zu einer der zentralen Figuren der Avantgarde.
Mekas’ Arbeit dreht sich einerseits immer wieder um den für seine Biographie so zentralen Komplex der Erinnerung, reflektiert dabei aber andererseits auf eindrückliche Weise ebenso die medialen Eigenheiten der zum Einsatz kommenden „Erinnerungsapparate“, vom klassischen 16-mm-Film über digitale Videosysteme bis zur internetbasierten Videoplattform und anderen Formen der nicht-kollektiven Rezeption jenseits des Kinos. „Mekas on film“, Mekas auf Film gebannt, ist deshalb immer auch „Mekas on film“, Mekas über den Film.
Im 365 Day Project, für das Mekas an jedem Tag des Jahres 2007 ein Video produziert hat und das am ZKM | Karlsruhe zum ersten Mal als große Installation auf 52 Monitoren zu sehen ist, begegnet dem Betrachter dementsprechend eine vielfältige Sammlung von Ausschnitten aus Mekas’ Leben. Landschaftsaufnahmen wechseln sich ab mit Mitschnitten von öffentlichen Veranstaltungen, Treffen mit Freunden wie Jean-Jacques Lebel, Archivaufnahmen und philosophischen Betrachtungen.
Die Installation erlaubt es dabei, sowohl alle Filme gleichzeitig, gewissermaßen als bewegtes Mosaik, als auch einzeln zu betrachten. Das filmische Mittel der Montage, in dem sich für Walter Benjamin das revolutionäre Potenzial des Films manifestiert, verschiebt sich aus dem Werk in den Raum hinein und wird so dem Betrachter überlassen. Gleichzeitig wird es bei Mekas ergänzt durch die weicheren Kategorien des Lichts und der Farbe. Das „Dynamit der Zehntelsekunde“ (Benjamin) verweist bei Mekas immer auch auf die Zehntelsekunde der Belichtung, nicht nur des Schnitts.
Das 365 Day Project ist dennoch weder Abschluss noch Höhepunkt von Mekas’ Werk, sondern, wie alle punktuellen Manifestationen seiner Arbeit, nur ein Teil unter vielen, ein Teil einer sich fortsetzenden Chronik des Geschehenden. Auf Mekas’ Website sind bereits die filmischen Tagebucheinträge der letzten Wochen abrufbar.
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