Fix Zone

POLIVERSALE 2016

Redaktion: 

Das 4. Internationale Wiener Lyrik-Fest der Alten Schmiede 31.5.–5.7.2016

Sie ist praktisch, die Lyrik, sie bringt auf kleinem Raum Entferntestes zusammen, lässt sich leicht mitnehmen, auswendig lernen, inwendig bedenken, und sie gehört doch zu den Ausdrucksformen, die einen schrankenlosen Umraum dringend brauchen, um ihre intensiven und widerständigen Kräfte, ihren Eigensinn zu entfalten. Gerade angesichts der weltweiten Bedrohungen und Einschränkungen des freien Wortes steht sie für Freiheit des Ausdrucks und für eine offene, kritische, anspruchsvolle Beziehung zum Wort, die seit Jahrtausenden gepflegt wird und deren Gedächtnis der steten Wiederbelebung bedarf.
In diesem Sinne öffnet die Alte Schmiede nun zum vierten Mal mit dem Internationalen Wiener Lyrik-Fest POLIVERSALE 2016 ein einmonatiges Fenster, in dem sich dem Publikum an 19 Abenden etwa 40 unterschiedliche poetische Ansätze zeigen, die eine erstaunliche Vielfalt des

Zeichnung © Gundi Feyrer / Bearbeitung: fuhrer

dichterischen Ausdrucks aus einem guten Dutzend verschiedener Sprach- und Kulturräume und aus mehreren Dichter-Generationen zur Geltung bringen.

Dank der sechs mit der Alten Schmiede kooperierenden Partner-Institutionen – der Schwe-dischen Botschaft in Wien, der Universität Wien, der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, dem Volkstheater, dem Afro-Asiatischen Institut und dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen – erweitert sich heuer der Resonanzraum der beim Festival erklingenden Gedichte in der Stadt.

Das Festival möchte der Dichtung einen Rahmen zur freien Entfaltung und offenen Begegnung bieten. Darüber hinaus sind die Werke unter bestimmten Motti in unterschiedlichen Konstellationen zusammengestellt, sodass zwischen diesen wechselseitige Beziehungen, Verbindungen und Perspektiven sichtbar und verständlich werden können.

Das Spektrum der poetischen und ästhetischen Ansätze reicht vom Eröffnungsabend mit der italienischen Dichterin ANNA MARIA CARPI und dem schottischen Poeten ROBIN ROBERTSON (31.5., Alte Schmiede), deren existentielle Dichtungen erstmals in Wien zu hören sind, bis zum Abschlussabend mit dem ukrainischen Dichter SERHIJ ZHADAN (5.7.), der mit seinen neuen »Gedichten aus dem Krieg« zeigt, dass Dichtung auch ein taugliches Instrument bietet, die nachhaltigen und tief reichenden Destruktionen des Krieges abseits der alltäglichen Kolportage und der sie begleitenden Bildfluten darzustellen.

Ein Abend auf der Basis der unlängst vom schon legendären Afrika-Experten, dem Schweizer Literaten Al Imfeld (mittlerweile leider mit ärztlichem Reiseverbot belegt) herausgegebenen, über 800-seitigen Anthologie Afrika im Gedicht richtet die Aufmerksamkeit auf die in Europa noch viel zu wenig wahrgenommene, reiche lyrische Produktion dieses großen Kontinents. Gleichsam in Doppelperspektive, von innen und von außen, werden die in Nairobi geborene und zeitweise im norwegischen Exil lebende Autorin (mittlerweile Präsidentin des kenianischen PEN) PHILO IKONYA, der aus der Republik Kongo stammende und derzeit in Wien lebende Dichter FISTON MWANZA MUJILA und der sudanesisch-ägyptisch-stämmige Autor TAREK ELTAYEB, der an Universitäten in Krems und Graz lehrt, Dichtungs-Perspektiven aller topographischen und kulturellen Großregionen Afrikas entwerfen, in denen sie auch ihre eigenen Gedichte positionieren. (20.6. im Afro-Asiatischen-Institut).

Motivische Verknüpfungen zwischen der Dichtung der europäischen Antike und der Gegenwart stellen die Werke der bisher nicht ins Deutsche übersetzten Schwedin LOTTA OLSSON (7.6. im Schwedenhaus) und von ANNE CARSON, einer der gegenwärtig prominentesten Dichterinnen Nordamerikas (27.6., Alte Schmiede), her; darüber hinaus widmet sich die Ernst-Jandl-Poetik-Dozentur der deutschen Dichterin und Übersetzerin BARBARA KÖHLER an der Universität Wien (8.6., 15.6.) dem Ursprungswerk europäischer Literatur schlechthin: Homers Odyssee.

Neben zahlreichen lyrischen Neuerscheinungen, die zu entdecken sind, wird auch der analytischen und angewandten Reflexion von Gedichten immer wieder der nötige Raum eingeräumt, beispielsweise mit ANJA UTLERs Studie Über die poetische Erfahrung gesprochener Gedichte, die FERDINAND SCHMATZʼ jüngstem, das Mediale der Sprache untersuchendem Gedichtband Das gehörte Feuer. orphische skizzen gegenübergestellt wird (13.6.), oder in der Untersuchung von LIESL UJVARYs Band rosen, zugaben (1983) als einem Grundbuch der österreichischen Literatur seit 1945 (24.6., Alte Schmiede).

Dem lebendigen Dialog der Lyrik mit anderen Künsten in der Tanz-Performance von MARTINA HEFTER und dem Pop-Konzert des ERSTEN WIENER HEIMORGELORCHESTERs können wir mit dem Volx/Margareten einen angemessenen Raum bieten (17.6.).

Die dreisprachige Dichterin ROBERTA DAPUNT (Südtirol; italienisch – ladinisch – deutsch, 16.6.), KATARINA FROSTENSON (Schweden, 7.6.), ISTVÁN KEMÉNY (Ungarn, 9.6.), BERNARD NOËL (Frankreich, 23.6.) eröffnen weitere Register zeitgenössischer europäischer Dichtung und treten damit in produktiven Dialog mit den zahlreichen Gästen des Festivals aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die zusammen zeigen, wie intensiv, frei, sinnlich und kritisch zugleich die Lyrik mit Sprache und Welt umzugehen versteht. 

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