Elizabeth de la Vega
...
Sergeant Ricky Clousing
Nach seiner unehrenvollen Entlassung aus der
US-Army sitzt der ehemalige Soldat Ricky Clousing eine
dreimonatige Militärstrafe in Camp
Lejeune
in North Carolina ab:
Der 24-Jährige Friedensaktivist
will ein Zeichen
setzen –
ein Zeichen gegen die Invasion, gegen die Besatzung des
Irak.
(01. 12. 2006) |
Kristina Werndl
...
Boy sucht Oma
Warum empfinden wir es als so lächerlich, wenn einmal
die Rollen vertauscht sind und sich eine ältere Frau
einen jungen Liebhaber nimmt?
(01. 12. 2006) |
Lothar Quinkenstein
...
Die Widerspur
Die beiden Männer, die auf dem in verschlungenen Mustern
gepflasterten Hof dem schlammbespritzten Fiat entstiegen und im Laufschritt
dem Eingang des herrschaftlichen Gebäudes zueilten, während jeder in der
einen Hand eine kleine Reisetasche trug und versuchte, sich mit der anderen
notdürftig gegen den Wolkenbruch zu schützen, mit einer Zeitung der eine,
mit einer Windjacke der andere, dabei Haken um die Pfützen auf dem Kiesweg
schlagend.
(01. 12. 2006) |
Eva Fischer
...
Miniatur
Egon nahm den schönen Satz und band ihn zu einer Krawatte.
Ich wollte ihn davon abhalten, ein Knoten tut dem schönen Satz nicht
gut, sagte ich, er blockiert seinen Energiefluss, schwächt seine
Aussagekraft. Doch Egon bestand darauf, er hatte den Knoten bereits
fachmännisch geformt und zog die Krawatte nun so fest, dass er fast
keine Luft mehr bekam.
(01. 12. 2006) |
H. W. Grössinger
...
Namen sind Schall und Rauch
Wer zu viele Bekannte hat, vermag sie einfach nicht mehr auf
seiner Mattscheibe festzuhalten. Einer aus dem Strom der Passanten lächelt
und bleibt stehen. "Hallo, wie geht’s?" Der
Angesprochene, der natürlich nicht weiß, wo er diesen hintun soll, kontert:
"Und selber?" Und jetzt beginnt die Suche in allen Gehirn-Schubladen. Ist
man per Du mit seinem Visavis oder per Sie? Woher kennt man ihn?
(01. 12. 2006) |
Kristina
Werndl
...
Engel am Arsch
Der mit seinem Roman "Engelszungen" zu Ruhm und Ehren gelangte
Schriftsteller Dimitré Dinev versuchte
sich als Dramatiker: "Haut und Himmel" wurde
im Wiener Rabenhof Theater uraufgeführt.
(Rabenhof Theater,
01. 12. 2006) |
Kristina Werndl
...
Eine Ode ans Chlorophyll
Der österreichischen Erstaufführung von Händl
Klaus’ Stück mit dem klangvollen Namen
"Dunkel lockende Welt" scheinen einige Probleme vorangegangen
zu sein. (Burgtheater,
01. 12. 2006) |
Reinhard Winkler
Künstlervereinigung Maerz
Zwei Autoren und zwei Autorinnen lasen in der Künstlervereinigung
Maerz. Mit
"allen nicht möglichen"
war das Thema vorgegeben wie ein frommer Wunsch zur
Korrespondenz, der gar nicht erst auf seine Erfüllung hofft. Es folgten vier
Lesungen, die aufzeigten, dass Bedeutungen nichts weiter als vorgegaukelte
Tatsachen sind.
(01. 12. 2006) |
Kristina Werndl
Er behält die Hose an
Neil LaButes Stück über einen Yuppie,
der ausfährt und seine Verflossenen aufsucht, bevor
er in den Hafen der Ehe einläuft, bewegt sich hinsichtlich Sprache und
Regie in sattsam bekannten Gewässern.
(Akademietheater, 01. 12. 2006) |
Reinhard Winkler
Christoph Ransmayr: Der fliegende
Berg
In seinem neuesten Buch "Der
fliegende Berg"
erzählt Christoph Ransmayr über essentielle
Dinge: Liebe, Tod und die gnadenlose Schönheit der Welt an Orten, die sich
der Mensch nur deshalb noch nicht Untertan gemacht hat, weil die Luft dort
oben am Himalaya dafür zu dünn ist.
(01. 12. 2006) |
Bernhard Flieher
Wo Liebe fehlt, da hilft ein Lied
Der größte unbekannte Songschreiber
der Gegenwart heißt Will Oldham. Sein aktuelles Album
"The Letting Go" nahm der Eigenbrötler aus
Kentucky im Studio von Björk
in Island auf. Es schmolzen die Gletscher!
(01. 12. 2006) |
Franz Wagner
Schrecken ohne Ende
Christoph Ransmayrs dritter Roman "Morbus Kitahara" beschreibt eine
verfallende Welt am Ende eines grausamen Krieges, in der Sieger und Besiegte
immer tiefer in eine Spirale aus Vergeltung, Hass und Abstumpfung geraten.
Liebe, Vernunft, Hoffnung und Mut existieren nicht mehr. Der Stillstand, der
die Menschen befällt, ist ein Zeichen der Ausweglosigkeit. Keiner entkommt
seinem Schicksal. Wer einmal im "Steinernen Meer" leben musste, den lässt es
nicht mehr los.
(01. 12. 2006) |
Reinhard Winkler
Carla Bley "Als ich vor
50 Jahren meinen ersten Job als Barpianistin in Montery hatte,
spielte ich die traditionellen Jazz-Standards. Manchmal hatte das
Publikum spezielle Wünsche, aber es war mir nicht möglich, Nummern
zu spielen, die ich nicht mochte. Somit war das mein letzter Job als
Barpianistin."
(Carla Bley)
(01. 11.
2006) |
Kristina Werndl
Kräftiges Lebenszeichen der
deutschsprachigen Dramatik Schottenberg sei
Dank! Er hat mit dem Hundsturm 2005 eine Stätte für
junges Theater
und Publikum geschaffen. Im Oktober waren dort die
teilweise famosen
Ergebnisse eines Theater-Workshops
zu sehen.
(01. 11.
2006) |
Hans Walter Grössinger
Ottos abenteuerliche Möbelschau
Das vor Otto liegende Einladungsschreiben zur
hypermodernen Wohnkultur-Show ist tiefschwarz mit kleinen,
weißen, kaum lesbaren Schnörkelbuchstaben. Und in der Tat, was
er dort zu sehen und zu spüren bekommt, ist zweifellos auch sehr
seltsam. Die Gäste, die er in dieser Lack- und
Leichtmetall-Kollektion trifft, sind etwa dieselben, die auch
häufig die Ausstellungen abstrakter Gemälde oder
Free-Jazz-Abende besuchen und hartnäckig auf Godot warten.
(01. 10.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur
Man servierte uns wieder diesen besonderen
Saft, die Essenz. Wir nippten und schon sahen
wir Leute mit Seele, Seeleute in kleinen Booten
zwischen großen Wellen.
(01. 10.
2006) |
Walter Wagner
Almträumen
Wie soll ich über meine Alm reden, die in Wahrheit Faschinger
gehört? fragte ich mich, als ich vom Kremsursprung kommend durch den
Buchenwald hinaufwanderte, Stadler immer wenigstens zehn Schritte
hinter mir, jeder schweigend, weil mit sich selbst beschäftigt (oder
besser gesagt: mit dem genius loci, der uns im Gebirge immer
und sogleich zur Hauptbeschäftigung wurde) und die unfassbare Stille
unter den Laubdächern einsaugend – staunend und euphorisch wie
immer, wenn es um die Alm ging.
(01. 10.
2006) |
Reinhard Winkler
Brecht im Kofferraum
Nach Stifter, Joyce und Mozart hat sich Kurt Palm
nun mit Bert Brecht eine weiteren großen Künstler
vorgeknöpft. Spätestens jetzt ist klar, dass der
unkonventionelle Umgang des selbsternannten
Volksbildners mit den alten Meistern und ihren Werken
Methode hat.
(01. 10.
2006) |
Hans Durrer
Istanbuler
Momentaufnahmen
Im Zug nach
Sapance fallen
meine Blicke auf zwei Männer, die,
während sie sich
unterhalten, heftig mit den Händen gestikulieren und es für das
Normalste auf der
Welt zu halten scheinen, von Zeit zu
Zeit die Hand auf dem Oberschenkel des Partners liegen
zu lassen. Ob das unter Schweizern auch vorkomme?, fragt
meine aus Australien stammende Wohngenossin
Nellie. Eher nicht. Und in Australien? Wenn das einer
machen würde, würde ihm der andere eine scheuern.
(01. 10.
2006) |
Noam Chomsky
US-Intervention in
Venezuela und Lateinamerika
Am
6. Oktober
2006 wurde am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
eine öffentliche Veranstaltung zum 30.
Jahrestag des Bombenanschlags auf ein kubanisches
Flugzeug
abgehalten, bei dem 1976 73 Passagiere
ihr Leben verloren. Anlässlich dieses
Ereignisses fand eine Diskussion mit Noam Chomsky, dem französischen
Gelehrten und Kuba-Spezialisten Salim Lamrani
sowie dem Präsidenten der National Lawyer's
Guild, Michael Avery, statt. Thema:
Die amerikanische Außenpolitik gegenüber
Kuba und Lateinamerika, der Fall Luis
Posada Carriles und die 'Cuban Five'. Im
Folgenden Chomskys Antwort auf eine Frage aus dem Publikum.
(01. 10.
2006) |
Norbert Trawöger
"Kultur
und Kunst kann so aufregend sein!"
Franz Welser-Möst
im Interview:
Der Welser Stardirigent Franz Welser-Möst war im September
mit seinem Cleveland-Orchester (USA) auf
Europatournee. Möst und sein Orchester hatten beim
Linzer Brucknerfest eine erfolgreiche dreitägige
Orchesterresidenz. Das
Gespräch fand nach der Tour in Linz
statt.
(01. 10.
2006) |
Kristina Werndl
Im Supermarkt des Wissens
Die
Bibliotheken an Österreichs öffentlichen Universitäten sind noch
Lichtjahre von den Service-Leistungen
englischer oder amerikanischer Universitäten entfernt.
Mit ihren knappen Benutzerzeiten diskriminieren sie indirekt jene
Studierenden,
die einem Job innerhalb der Normarbeitszeiten nachgehen.
(01. 10.
2006) |
Reinhard Winkler
Triotonic: Homecoming
Ich sitz vor meiner Stereoanlage wie vor einem Altar und
lausche den Klängen von Triotonics CD
"homecoming". In der
Abgeschiedenheit zwischen den Lautsprechern des Kopfhörers macht
sich Stimmung breit.
(01. 10.
2006) |
Karl Müller
Hermann Nitsch in Rauris...
Nitsch: "Ich verwende in meinen
Aktionen Kultgegenstände von allen Religionen – aber dies keineswegs
in herablassender Art. Meine Aktionen sind keine Entsublimierung
alter 'frevlerischer' oder 'heidnischer' Kulte, mir geht es einzig
und allein um Aufdeckung, Bewusstmachung und Sublimierung des
Triebhaften – also letztlich um ein tiefes, begeistertes Ja zum
Leben."
(01. 09.
2006) |
Eva Fischer
Also denkt mein Zwerg...
Mein
Gartenzwerg hat eine fixe Idee. Er hält sich für ein
Kunstwerk. Niemand kann ihn davon abhalten. Der Zwerg hält es für
sein Recht, selbst zu bestimmen, wofür er sich hält. Eine Diskussion
über seinen Kunststatus hält er für überflüssig.
(01. 09.
2006) |
Vasile V. Poenaru
EU: Wie weiter? Wo geht's entlang?.....
Tief in die oft divergierenden
Mentalitäten der neuesten Europäer wagt sich Karl Markus
Gauß, der Salzburger Kultur-Scout hinein, um der Integration auf die
Zähne zu fühlen. Er ist nicht
immer optimistisch aufgelegt, doch einfach in die Rolle des
Euro-Skeptikers zu schlüpfen,
das wäre ihm zu viel – oder eben doch zu wenig.
(01. 09.
2006) |
Martin K. M. Menzinger
"Ich
war immer in der Obdachlosigkeit des Schreibens zu Hause"...
Ein literarisches Gespräch
(Villa Roccamont. Neapel).
"Aber was erzähl ich Ihnen all dies. Als
Literaturwissenschaftlerin haben Sie ja keine
Ahnung von all dieser Einsamkeit all dieser Schreibarbeit. Und
unsere Kinder sind
die Opfer unserer Verrücktheit. Mein Gott. Unsere
Töchter. Unsere Töchter. Paula. Pauline.
Und Augustine. Dumm. Dumm aber hübsch. Mein ganzer Stolz."
(01. 09.
2006) |
Robert Fisk
Amerikas Muslime...
Amerikas Muslime sind eine kleine
Minderheit. In Amerikas Städten und Kleinstädten
sind sie auf sich alleine gestellt, vermutlich fühlen sie sich wie
unter Belagerung und spüren das Misstrauen,
ja selbst Hass.
(01. 09.
2006) |
Hans Durrer
Manipulierte Bilder
Kriegsfotografen, die es verdienen, dass man ihnen
traut, müssen unparteiisch
und der Wahrheit verpflichtet sein.
Zumindest müssen sie sich darum bemühen.
(01. 09.
2006) |
Bernhard Flieher
Aus der Tiefe des Alters...
Ramblin' Jack Elliott,
Wegbegleiter von Folklegende Woody Guthrie und Ahnherr im Land der
ewigen Lieder, nahm mit 74 Jahren noch einmal ein Album auf.
Erinnerungen an Songs mit ewigem Leben.
(01. 09.
2006) |
Kristina Werndl
Von irren Ärzten und Kindern
Witzig, unprätentiös und
frech wie gewohnt
ist Paulus Hochgatterers neuer Roman.
Aber auch dunkler, verstörender und
komplexer.
Ein Whodunit mit
faszinierenden Charakteren, dessen Spannungsenergie
nach Buchende nicht aufgebraucht ist.
(01. 09.
2006) |
Tanja Brandmayr
I'm every woman
Und das auch noch gleichzeitig? Eine komplett
verrückte, geradezu durchgeknallte Variante von Mehrfachanforderung.
Jede Frau sein zu wollen.
Hier befällt mich leider die Idee, dass
dieses jede-Frau-sein-wollen
nicht einer freien Wahl der Identitätsfindung oder dem
Ausdruck eines
ozeanischen Gefühls entspricht als
vielmehr dem Zwang, jede Frau sein zu müssen, um von jedem
begehrt zu werden und letztendlich nicht
betrogen werden zu können.
(01. 08.
2006) |
Peter Hodina
Nachgedanken zum Tod meines Freundes
Hermann Maier
Es ist alles so schnell
gegangen. Hermann Maier ist auch schon begraben. Wie auch immer es
bei diesem Begräbnis zugegangen sein mag. Hermann wäre es wichtig
gewesen. Denn er fuhr mit dem Rad bis zum Grab von Albert Camus nach
Südfrankreich. Wenn wir so wollen: ein Wallfahrer. Und so werde auch
ich - verspätet - an Hermanns frischgeschaufeltem Grab eintreffen
und etwas hinterlassen: einen Stein oder eine Blume oder ein
Blumengebinde. Oder etwas solcher Art.
(01. 08.
2006) |
Hans Durrer
Ein großer Journalist
Nachruf auf Ernst
Müller-Meiningen jr.: M.-M.jr., wie seine
Beiträge gezeichnet waren, arbeitete von 1946 bis 1979
in der Redaktion der
Süddeutschen Zeitung. In mehr als 4000 Leitartikeln, Glossen
und
Kommentaren setzte er sich für einen humanen und liberalen
Rechtsstaat ein.
(01. 08.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur
Meinst du etwa, dass dreifaltig dasselbe bedeutet wie
dreifach einfältig, fragte
mich Egon. Ich konnte mir
seine Frage nicht erklären.
(01. 07.
2006) |
Vasile V. Poenaru
Handke-Dimension des Schreibbaren...
Peter Handke ist
zu vehement, als dass man ihn heute noch wirklich so ohne
Vorbehalt mögen könnte. Er ist in seiner
Polemik, er ist in seinen Feststellungen, in
der
Beweisführung und in den
Standortbestimmungen rund um
"seine" Serben viel
zu weit gegangen.
Er hat zu offen gesprochen. Er hat zu unüberlegt
gesprochen. So geht das Gerücht.
(01. 07.
2006) |
Uri Avnery
Syrien durch das Zielrohr...
Wenn es klar wird, dass
nichts hilft, dass Hisbollah weiter kämpft und Raketen
weiterhin nach Israel fliegen, wird die politische und militärische Führung
Israels
dem Bankrott
gegenüberstehen. Sie werden dann jemandem die Schuld geben müssen.
Aber wem? Nun, natürlich Assad. Dann werden die
Generäle verlangen, dass die Straßen und
Brücken in Syrien bombardiert werden. Dafür muss aber die syrische Luftwaffe
neutralisiert werden, kurz gesagt: ein wirklicher Krieg, der Auswirkungen
auf den ganzen Nahen Osten haben würde.
(01. 07.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur
Im Vogel behauptet sich das Selbst, las Egon mir aus dem Lexikon
des Eigensinns vor. Es war Mittag und wir hörten Vivaldi. Egon
liebt Lexika. Er schätzt die prägnanten Formulierungen, die er
dort findet. Ich cremte mich gerade mit Musik ein, nahm deshalb,
was Egon las, nur verschwommen wahr.
(01. 06.
2006) |
H. W. Grössinger
Herr Johann
/
Die Kette im See
Im Schatten der Mauer unter dem hohen roten Dach der Kirche
geht der Herr Johann. Er geht sehr langsam. Sein schwerer alter
Körper ist weit nach vorn gebeugt. Den kahlen Schädel trägt er tief
und müde zwischen den Schultern. Mit dem Stock tastet er unsicher
über den holprigen Boden der Gasse. Herr Johann ist im vergangenen
Monat 90 Jahre alt geworden.
(01. 06.
2006) |
John Pilger
Der Krieg gegen Kinder
Am 23. Mai
2006 wurde vom US-Repräsentantenhaus mit
361 zu 37 Stimmen die
Sperrung der Hilfsgelder für NGOs
genehmigt, die das humanitäre Rettungsseil
für
das besetzte
Palästina
darstellen. Israel hält palästinensische Steuern zurück, die
sich auf
60 Millionen $
im
Monat belaufen.
Solch eine kollektive Strafe, die nach den Genfer
Konventionen als Verbrechen
gegen die Menschheit betrachtet wird,
erinnert an
die Strangulierung des
Warschauer Gettos
durch die Nazis und die amerikanische
Belagerung
des Irak
in den 90er Jahren.
Dies ist der Preis, den die
Palästinenser
für ihre demokratischen
Wahlen im Januar zahlen müssen.
(01. 06.
2006) |
Hans Durrer
Inszenierte Wirklichkeiten
Michael Moore, schrieb Geoffrey O’Brien in der
New York Review of Books, mache
weniger Dokumentarfilme als Filme mit Dokumenten, und manch einer
wird sich da fragen,
wo denn dabei der Unterschied liege.
(01. 06.
2006) |
Kristina Werndl
Odysseus über den Wolken
Mit dem Polit-Thriller
"Opernball" landete Josef Haslinger 1995
einen spektakulären Erfolg,
drei Jahre später wurde das Buch fürs Fernsehen verfilmt. In
"Zugvögel" nimmt der
gebürtige Niederösterreicher, der am Deutschen
Literaturinstitut Leipzig unterrichtet, den
Leser mit in die Kirschbaumkronen der österreichischen Provinz und
die sonnenfreien Darmwindungen von New Yorks
Metro.
(01. 06.
2006) |
Bernhard Flieher
Die Sehnsucht der Favelas
heißt Profivertrag
Die Hoffnung nach
dem großen Fußballgeld verschärft im Kickerexportland Brasilien die
sozialen Probleme der Unterschicht.
(01. 06.
2006) |
Nina
Michael
Lemminkainen und seine Mutter
Die Kalevala
ist ein von Elias Lönnrot im 19. Jahrhundert auf Grundlage der mündlich
überlieferten finnischen Volksdichtung zusammengestelltes Epos. Es gilt
als das finnische
Nationalepos und zählt zu den wichtigsten literarischen Werken in
finnischer Sprache.
(01. 05.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur...
Kunst ist eine
subjektive Behauptung, sagte ich
zu Egon. Er spitzte die Lippen und blies ein Ornament in die Luft. Es
verschlang meine Aussage. Da formte ich ein Figürchen mit schärferem
Profil und warf es meinem Alter Ego an den Kopf.
(01. 05.
2006) |
Andrea Noll
Casus belli
oder: Die normative Kraft des Faktischen
Was wir derzeit erleben, ist eine Krise der Vereinten Nationen. Anstatt
ihrer Rolle gerecht zu werden und die
Souveränität ihrer Mitgliedsländer zu schützen, lassen es die
Vereinten Nationen immer öfter zu, dass die UN-Charta und
insbesondere der Sicherheitsrat,
zur Legitimierung unprovozierter Angriffskriege missbraucht
werden.
Und je folgenloser dieses Handeln, desto
"normativer" wird es.
(01. 05.
2006) |
H. W. Grössinger
Noten im Wind
Hallo Alter",
rief Müller junior,
"wusstest du, dass Johann Sebastian Bach 1685
geboren wurde?"
Der Junge war soeben vom Klavierunterricht nach Hause gekommen.
"Tatsächlich?", staunte der Vater.
"Und mir ist, als wäre es erst neulich
gewesen. Wie die Zeit verfliegt!" "Du mit
deinen Witzen", erwiderte der Junior,
"aber die werden dir bald vergehen!"
(01. 05.
2006) |
Vasile V. Poenaru
Ahornsaft und
Tulpenduft...
"Colonel
By Drive"
ist eine Straße, an deren Etymologie sich einer lange den Kopf
zerbrechen mag. Man wundert sich. Man
ärgert sich. Man flucht über die verheerenden Folgen
der neuen Rechtschreibreform, vor denen einer wohl nicht
einmal jenseits des Altantischen Ozeans
sicher ist. Man will das Straßenschild korrigieren. Den
Bürgermeister anrufen. Man
fragt sich, was damit gemeint sei. Doch ein Standbild in Major's
Hill Park klärt die Dinge
auf und beruhigt die Gemüter. Es
leuchtet ein, dass By keine Präposition ist,
sondern ein Name, genauer gesagt, der
Name des Mannes, der einst die Stadt
Ottawa gründete. Colonel John By.
(01. 05.
2006) |
Hermann Maier
"Dieser
unglaubliche Egoismus"
Erwin Wagenhofer, Regisseur von "We feed the world", im Interview "Von
den 25 Millionen Kaffee produzierenden Familien, die es heute auf der
Welt
gibt, müssen mindestens 10 Millionen
'bereit sein zu verschwinden’. Das verlangen
die globalen Kräfte des
Marktes, so Hans Joehr, der Direktor der
Abteilung Landwirtschaft bei Nestlé.
Na gut, und wo sollen die hin
verschwinden? Und was machen sie dann dort, in
den Elendsgegenden
der Großstädte, z.B. in den Favelas von Sao Paulo?"
(01. 05.
2006) |
Marianne Leersch
Das Kleid
Langsam näherte sie sich dem schweren eichenen
Eingangstor, das in der Mauer, welche den großen Garten vor
neugierigen Blicken schützten sollte, eingelassen war. Kühl und
abweisend blickten sie die Bohlen des sonst warmen Holzes an,
sie hatten sie sofort als nicht zugehörig, als unwürdig
durchschaut und hätten ihr, wäre es auf ihre schon zwei
Jahrhunderte alte Weisheit angekommen, den Zutritt verweigert.
Sie hätten sie um die Mauer herumdirigiert zur kleinen Pforte,
die an der Rückseite des Gartens für ihresgleichen gedacht war.
Eingehend betrachtete sie das schwere Tor, ihre Hände befühlten
das kalte Metall der kunstvoll geschmiedeten Beschläge und
streichelten sanft das Holz, um es zu besänftigen.
(01. 04.
2006) |
Andrea Noll
Durch Energieautonomie zur
Energiesicherheit 'Der Neue
Kalte Krieg - Kampf um die Rohstoffe'
titelte der Spiegel vom 27. März 2006. Diesem Artikel
liegt die These zugrunde, dass der "Kampf um Rohstoffe"
die künftige Außen-
und Sicherheitspolitik
der Industriestaaten prägen und die Gier nach immer
knapper werdenden
fossilen Ressourcen zu heißen und kalten Kriegen führen wird.
Hermann
Scheer, Vorsitzender
des Weltrats für Erneuerbare Energien,
dreht den Spieß
einfach um: Eine Energiepolitik im Sinne der Energieautonomie
könnte maßgeblich zu einer
friedenssichernden Außenpolitik beitragen.
(01. 04.
2006) |
Kristina Werndl
Oksana Sabuschko: Feldstudien über
ukrainischen Sex Schlachtfeld
Paarbeziehung:
ein wirrer Kultroman aus der Ukraine
mit bedenklichen Tendenzen.
(01. 04.
2006) |
Bernhard Flieher
Kreisen um den Fels
Wenn alles gesagt ist, wenn jedes Wort gedreht und gewendet und gedeutet
ist, wenn jeder Stein, auf den der Betrachtete getreten war, gehoben und
darunter biografische Details entdeckt worden sind, dann bleibt nur noch
die persönliche Erinnerung, um sich einem Monolith wie dem irischen
Schriftsteller Samuel Beckett anzunähern.
(01. 04.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur
Ich fange an, den Irrtum zu genießen, dachte ich,
das Mäandrieren der Gedanken, wenn die Linien
verfliedern. Mein Blick glitt zu Egon hinüber. In
eine schilfgrüne Decke gehüllt saß er im Lehnstuhl,
seine Augen waren auf mich gerichtet. Was
wäre,
wenn der Mensch Tier geblieben wäre, fragte er.
(01. 03.
2006) |
Uri Avnery
Von Rache zu Rache
Wie kann jemand am Morgen aufstehen und beschließen, dass er sich mitten
in einer Menschenmenge in Jerusalem oder Tel Aviv in die Luft
sprengt? Einige der Leute
fragen vielleicht auch: Wer sind sie? Wie sieht ihr Hintergrund aus? Wie
sind sie dazu gekommen?
Der Film "Paradise-now" beantwortet diese
Fragen. Nicht mit Slogans,
nicht mit
Propagandareden oder mit einer akademischen
Untersuchung.
Er predigt nicht, lobt
nicht
und wird nicht wütend. Er erzählt eine
Geschichte. Die Geschichte sagt alles.
(01. 03.
2006) |
Karl Farr
Mein Verhältnis zur
Freiheit
In Essen
heißt ein Platz vor dem Bahnhof "Auf der
Freiheit". Jahrelang überlegte ich mir,
was das Ganze
nun eigentlich mit der Freiheit zu tun
habe, bis ein Bekannter mich
vor Kurzem aufklärte: Dieser Platz war
früher einmal stark bebaut. Man riss dann
kurzerhand die Gebäude ab, bis er frei
war. So kommen manchmal
Plätze und Straßen zu ihren Namen!
(01. 03.
2006) |
Nick
Büscher
Direktor und Dichter
auf dem Theater
Die Musiker und Künstler von BON JOVI stehen stellvertretend für den
Widerstreit von Musikkritik und Unterhaltungsindustrie, den die
zeitgenössische Kulturszene beherrscht.
(01.
03.
2006) |
H. W. Grössinger
Der nächste Montag kommt bestimmt
Draußen vor dem Stadtzentrum stehen die Wohnsilos,
aufgefädelt an frisch asphaltierten Gassen. Hinter der Tür Nummer 10
eines dieser Häuser wohnt die Sekretärin Gabriele von Montag bis
Freitag. An Sams- und Sonntagen aber lebt sie auch noch drinnen.
Denn das bereits etwas verblühte Mädchen erträgt das Dasein recht
gewissenhaft gegen einen beachtlichen Betrag fünf Tage in der Woche
zwischen den vier Wänden eines einfach möblierten Wohnzimmers.
(01. 03.
2006) |
Eva Fischer
Miniatur
Ich
sah die Tunnelröhre als
Hohlhippe und ich sah Egon beim Versuch, sie mit einem Schweizer
Kracher in die Luft zu jagen. Er werde sämtliche Hohlhippen
Österreichs sprengen, hörte ich ihn sagen, und alle Hippen weltweit
und darüber hinaus.
(01. 03.
2006) |
Hans Durrer
Von der Aufklärung
verschont
Immanuel
Kant
meinte, dass man "nur langsam zur
Aufklärung gelangen" könne, und
antwortete auf die Frage
"Leben wir jetzt in einem aufgeklärten
Zeitalter?" mit: "Nein, aber
wohl in einem Zeitalter der Aufklärung." Das war im Jahre
1784. Dort befinden
wir uns, was unsere Einstellung
anlangt, noch immer. Weil es eben
so bequem ist, unmündig zu sein.
(01. 03.
2006) |
Vasile V.
Poenaru
Ein demokratischer Señor
aus der Schweiz
Ein hochgradiges Ergründungsvermögen und die Achtung für
seine Mitmenschen haben Hugo
Loetscher dazu veranlasst, poetische Bilder in den Raum zu
stellen, die wie
kulturtheoretische Abhandlungen anmuten,
ohne dabei Distanz und Kälte
zu verströmen.
Seine Dichtungen sind wohlrecherchierte und vielfach
reflektierte kritische Analysen: mit Witz und
Herz niedergeschrieben. Seine Reportagen wiederum
genügen allen Ansprüchen der Dichtung, so dass sich daraus
ein ausgewogenes
literarisches Gesamtwerk zusammenfügt.
(01. 03.
2006) |
Robert Fisk
Tod ist Leben, Niederlage
Sieg Vor
einigen Wochen kam
US-Außenministerin Condoleezza Rice nach
Beirut. Rices Besuch war
typisch für jene Grausamkeit, die derzeit in Washington herrscht. Sie
sprach kühn von knospenden "Demokratien" im
Mittleren Osten. Das Blutbad im Irak ignorierte
sie auf ganzer Linie ebenso wie die wachsenden sektiererischen
Spannungen im
Libanon, in Ägypten und Saudi-Arabien.
(01. 03.
2006) |
Kristina Werndl
Egyd Gstättner: Das Mädchen im See
Dieses Buch über die Qualen des Nichtrauchens ist besser als jede
Raucherausstiegshilfe:
Zwar kuriert es nicht die Lust am blauen Dunst, sondern steigert
sie – aber so lustig wie Egyd Gstättners Leidensmanifest ist garantiert
kein im Laden
erhältlicher Ratgeber. Kein Plädoyer fürs Rauchen – aber eines
fürs Lesen.
(01. 03.
2006) |
Angelo John Ashman
Organische Vermögenswerte
Wer kennt das nicht? Der
Wecker klingelt. Ein 'Aus Vorhandenem Neues schaffen wollen' steht im Raum.
Beim entschlossenen hin und her des 4ward2moreofwhat macht sich ein leichtes
Kopfschütteln bemerkbar. Also weg mit dem Karma und weg mit den Trümmern des
Akkordarbeiters. Zeitversetzt kreisen dressierte Gedanken um glaubwürdige
Argumente zur Aufhellung der Hintergründe.
(01. 02.
2006) |
Peter Hodina
Lineamente einer Ethik der
Unabgeschlossenheit
Es sollen ja auch Menschen unter uns
leben, deren Naturell so glücklich veranlangt ist, daß sie weder
sich noch andere besonders quälen, deren Leben nicht von Idealen –
weder von hellen noch von dunklen – verzerrt wird, die aber deswegen
noch lange nicht in einer trüben, unempfindlichen Mittelmäßigkeit
versacken.
(01. 02.
2006) |
Bernhard Flieher
Und ich müsste ganz
woanders sein
Der Berliner Liedermacher
Funny van Dannen beschreibt
herrlich banal, wie Deutschland ist.
(01. 01.
2006) |
Reinhard Winkler
Text & Bild (2)
komm ich zu früh ins Stifterhaus zu einer Lesung, noch kein Schwein
da, steh ich in der Gegend rum und guck in die Luft, kommt von
hinten ein Mädchen daher und sagt: Machst ein Foto von mir?
(01. 01.
2006) |
John Pilger
Die Revolution der Nachrichten
hat begonnen
Die Beweise
für amerikanische und britische Kriegsverbrechen im Irak
sind
umfangreich und werden von Flüchtlingen, Ärzten,
Menschenrechtsgruppen und ein paar
mutigen Ausländern geliefert, deren Arbeit nur im Internet erscheint.
(01. 01.
2006) |
Hans
Durrer
Fotos, Labels, Wahrnehmung und
Realität
Bilder,
auf denen nicht zu erkennen ist, ob sie die
Wirklichkeit darstellen oder nur gestellt sind, müssen
erklärt werden. In der Praxis bedeutet das, dass eine
"credit line"
(die darüber Auskunft gibt, wer das Bild gemacht hat)
je nachdem "Fotografische
Darstellung von" oder
"Fotografische Illustration von" oder eben
"Foto von", lauten muss und
damit dem Betrachter verstehen hilft, was er vor Augen hat.
(01. 01.
2006) |
Reinhard Winkler
Text & Bild
Wenn ein
Pressefotograf die Lesung einer österreichischen Literaturikone wie Robert
Menasse besucht, dann möchte er nicht nur hübsche Pressebildchen knipsen, er
möchte auch unterhalten werden.
(01. 01.
2006) |
Vasile V.
Poenaru
Österreichs
Visitenkarte à la Salzburg
"Literatur und Kritik" auf zwanzigtausend Seiten
Vierzig
Jahre nach
ihrer Gründung
erscheint Österreichs traditionsreiche
Literaturzeitschrift mit einer Auswahl von
Beiträgen aus den ersten
fünfundzwanzig Jahren ihres
Bestehens,
um wieder einmal das schreibende Österreich
zu beleuchten: von H.G. Adler bis O.P. Zier.
(01. 01.
2006) |
Heinz Pusitz
garnelendrive
im süden des
landes gab es nie genug hütten. vielerorts führte dies zu
überlegungen, ohnehin benötigten wohn/raum in weites land zu
verwandeln und vielerlei leuten stellte die behörde ein motorrad zur
verfügung. damit. der bau der hütten war in dieser nicht mehr
notwendig. gertz war einer dieser besitzer eines behördenmotorrades.
ohne zu wohnen war er, wie alle, zu hause. waschmaschinen gab es
neben tankstellen, die wiederum in essensvergüngungs-stationen
mündeten. so fahren unter weitem himmel die behördlich verfügten
motorradfahrer.
(01. 01.
2006) |
Angelo John Ashman
Für eine Handvoll Digitales
Es gibt mal wieder nur
Interessantes an dem ersten Arbeitstag dieser dunstigen Woche, hier irgendwo
in dem Dixie-Klo, welches sich flussabwärts durch Farbe und Geruch extrem
auszeichnete und auf dem die Reiberichtung des durchsichtigen
Reinigungspapiers frei wählbar war. Das ersparte einige Hautabschürfungen.
So ein Tag, bestückt mit flüchtigen Momenten, die scheinbar über ein
Eigenleben verfügen, bekommt eine dynamische Blindekuh-Melancholie, die
einem die Luft aus den Fingernägeln zieht.
(01. 01.
2006) |