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Unterricht im Doppelpack
Zu Ehren des
hundertsten Geburtstages von Eugène
Ionesco bot das
Pygmalion Theater dem Wiener Publikum zwei Versionen ein und
desselben Stücks: "Die Unterrichtsstunde" lieferte reichlich
Anschauungsmaterial,
wie aus Sprachlosigkeit
und Verwirrung Mord werden kann. Ein Höhepunkt des absurden
Dramas und zugleich einer der menschlichen Abgründe. (Irina
Wolf, 15. 12. 2009) |
Geklonte Identitäten
Fast zwei Stunden
scheinbar wirrer Episoden, Livemusik auf der Bühne,
Filmeinblendungen auf der Leinwand, Tanzsolos und einstudierte Bewegungen
im Gleichtakt
mehrerer Tänzer: Dies sind unverwechselbare
Merkmale einer Theaterperformance
des flämischen Künstlers Jan Lauwers und
seiner Needcompany. (Irina Wolf, 01. 12. 2009) |
Frauen sind trügerisch
Duca ist ein Zyniker. Die unschuldige Gilda opfert ihr Leben für ihn, während er im Schlafzimmer einer anderen singt. La donna e mobile ...? (Martha Schlickenrieder, 25. 11. 2009) |
Schmalhans als Küchenmeister
Auch die
Bukarester Theaterfestspiele mussten im
Wirtschaftskrisenjahr
2009 gehörig
Federn lassen. Mit
nur der Hälfte des früheren Budgets
auszukommen, verlangte von der jungen
Intendantin ein gehöriges Maß an Improvisationstalent. Trotz der
Einschränkungen erlebten die Besucher ein Spektakel der Sonderklasse:
Über neun Tage hinweg
wurden fünfunddreißig
Stücke aufgeführt, darunter fünf Debüts und eine Handvoll Opern. (Irina
Wolf, 20. 11. 2009) |
Erinnerungsräume, Sprachgedächtnisse
Wie
steht es eigentlich um das Verhältnis der
jugoslawischen Nachkriegsstaaten und ihrer Bevölkerungen zueinander? Sind die alten Konflikte
zwischen den nunmehrigen Nachbarn
immer noch spürbar? War Jugoslawien tatsächlich eine "Lüge"?
(Katharina
Manojlović,
10.
11. 2009) |
Dämonen der
Morgendämmerung
Als Kind saß man zu
Füßen der Großen, auf dem Perserteppich, die Großen dagegen
thronten auf schweren Möbeln. Eine Öde stank einen dort förmlich
an, es war niemals lustig. Wir Kinder waren die Zierkinder,
Belustigungs- und viel mehr noch Ermahnungsobjekte. Waren Gäste
da, tat die Mutter mit uns nachsichtig, ziemlich schnell wurde
mit Blicken, auch mit Worten abgemahnt, bis sich die Lage wieder
beruhigte – Ohrfeigen gab es erst, nachdem die Gäste weg waren.
Lange konnte ein Kind es dort, wenn Gäste da waren, nicht
aushalten. Die Gespräche, die die Großen führten, bezogen die
Kinder überhaupt nicht ein, obwohl dann wieder so getan wurde,
als würde sich um die Kinder alles drehen, vor allem um deren
Bravheit. Drei Brüder waren wir, und anfangs mussten wir,
wenn Gäste kamen, uns aufreihen wie die Orgelpfeifen. Wir
waren kaum mehr als Ornamente dieser licht- und
luftdurchfluteten Öde ...
(Peter Hodina, 01.
11. 2009) |
Feder, Geige und Dirigentenstab
Eine Wolke
aus Musik schwebte im September über der rumänischen Hauptstadt.
Vier Wochen lang feierten die Bukarester das Vermächtnis eines
ihrer größten
musikalischen Dichter: George Enescu.
(Irina Wolf, 08. 10. 2009) |
Enzyklopädie der Melancholie
Die
vergessenen Ränder
der Geschichte, die Außenposten der Gesellschaft, das waren
seit jeher die
großen, sich stetig
wiederholenden Themen im Schaffen des 2001 verstorbenen
deutschen Schriftstellers W. G. Sebald. Kein
anderer deutscher
Autor hat in seinen Büchern
die Verwüstungen der Zivilisation drastischer vorgeführt, keiner
die Atmosphäre der Hysterie,
in der Geschichte und Zivilisation sich entfalten, in
bedrückenderen Bildern einzufangen
gewusst als Sebald, der als eigenständiger Stilist literarische
Gattungsgrenzen
sprengte und Genres kunstvoll miteinander vermischte.
(René Steininger, 15. 09. 2009) |
Zug des Lebens
Ihr
Erstlingswerk brauchte Zeit, um zu reifen: Bereits 1983 ist
Domnica Radulescu aus
Rumänien in die USA geflüchtet, hat dort eine Familie gegründet
und sich zu einer angesehenen
Romanistin und Theaterforscherin emporgearbeitet. Ihren ersten
Roman schrieb sie aber
erst jetzt: "Zug nach Triest" ist die autobiographisch
inspirierte Geschichte einer Frau,
die sich auf einer Lebensreise quer durch alle Sphären befindet
–
beginnend mit dem
kommunistischen
Rumänien, einer Flucht quer durch Europa bis nach Übersee ins
Exil.
(Irina
Wolf, 17. 08. 2009) |
Handkes gutmütiges Lächeln
Was bedeutet es, von
einer "österreichischen" Literatur zu sprechen? Auf welche Weise
lernt man sie am ehesten kennen? Über die Seitentür deutscher
Dichtung? Über das Gespenst des Multikulturalismus? Über ein
Dutzend Zechlieder? Übers Wochenende? Über die Presse? Über den
Kurier? Über das Gesetz der großen Zahl? Oder gar über das
Gesetz einer großen Erzählung? Eines ist sicher: Um Österreichs
schreibender Zunft auf den Zahn zu fühlen, muss man sich mit
allen Wassern waschen.
(Vasile
V. Poenaru, 15. 07. 2009) |
Baby shaking
Ich habe einmal in einer Doku über medizinische Experimente in
KZs gesehen,
wie ein KZ-Arzt ein kleines Kind "pendeln" ließ. Und mich daran
erinnert, dass
ein Klavierlehrer, als ich sieben bzw. dann acht Jahre alt war,
etwas
Ähnliches mit mir anstellte ... (16.
06. 2009) |
Blitzgescheiter Menschenkenner
Der
"Realitätenvermittler"
Thomas Bernhards, Karl Ignaz Hennetmair, nimmt nach
dem Tod des Meisters seinen "Vermittlungsauftrag"
gewaltig ernst. Bernhards
Prosaschrift "Ja" ist
eine Reminiszenz an den Freund.
(Marietta
Böning, 01. 05. 2009) |
Die Straße gehört uns!
Die Leichtigkeit der Straßenmusik
zieht sich wie ein dicker roter Faden durch alle Tracks
der französichen Band La Rue Kétanou.
Die fröhlichen Rhythmen ihrer Musik verleiten zum Mithüpfen oder wenigstens
Pfeifen. Wer genauer hinhört, erkennt in ihren Texten jedoch auch subtile
Gesellschaftskritik: La Rue Kétanou singen von Rassismus,
Religionsfreiheit und gesellschaftlichen Werturteilen, und zwischendurch
auch von Liebe und Freundschaft.
(Martha Schlickenrieder, 14. 04. 2009) |
Ein Österreicher auf Umwegen
Wie ließe sich wohl
am ehesten in Erfahrung bringen, was die Welt im Innersten zusammenhält? Die
Antwort darauf kann ebenso banal und irrlichternd sein wie die Fahrt, auf
die sich ein Geschöpf des Vorarlberger Schriftstellers Wolfgang Hermann
begibt: "Herr Faustini verreist" ist ein Roman, der seinen Protagonisten in
einen kleinen Bus setzt, um an die großen Antworten zu kommen. Hier reist
ein Österreicher, der überall hinfährt, aber nirgendwo richtig da ist, ein
einsamer Außenseiter, der sich
fremd vorkommt in seiner eigenen Haut. Vielleicht ist er deshalb
auf der Reise:
Um in der Fremde Ausschau nach dem Heimweg zu halten.
(Vasile V. Poenaru, 01. 04. 2009) |
Wachbleiben im Dunkeln
Auch wenn der
Selbstmord das große Thema in Emil Ciorans Büchern ist, entschied sich der
rumänischstämmige Schriftsteller persönlich doch immer gegen den Freitod.
Ein Widerspruch, den ein französischer Dichterkollege mit dem gespielten
Vorwurf quittierte: "Sie haben kein Recht mehr zu leben!"
(Peter Wegenschimmel, 08. 03. 2009) |
Von der Freiheit, schutzlos zu sein
Die Figuren der
Marlen Haushofer sind Leidende, ihre Schreie erklingen leise,
fast unhörbar. Sie ziehen sich von der Welt zurück und umgeben
sich mit Mauern,
mit einer Wand, weil sie verletzt worden sind. Die
Wunden, die sie erlitten haben, rühren
vom
Gesellschaftskörper
her und reichen hinein bis Privateste. Dort hinterlassen sie
unauslöschliche Spuren. Diese Spuren sind sichtbar und können
benannt werden, die meist
weiblichen Träger jedoch bleiben anonym, die strukturelle
Aggression hat beharrlich
abgetragen, was an ihnen autonom war, hat sie unkenntlich
gemacht.
(René Steininger, 09. 03. 2009) |
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