Die Freuden der Hölle
Jorge Kanese (© ABC color)
Luxbooks bringt neue Gedichtbände mit auf die Messe:
Die Tür zu seinem Arbeitszimmer, in das man durch einen Vorgarten gelangt, steht offen. Im Schein einer Schreibtischlampe wartet Jorge Kanese, Mikrobiologe und Dichter, 1947 in Asunción geboren, auf mich. Kanese ist ein spitzzüngiger, ironischer Mensch, der seine Heimat, Paraguay, mit der gehörigen Skepsis betrachtet. Nach einem kurzen politischen Engagement als Studentenführer und Redakteur der Zeitschrift El Criterio wurde er in den 1970er Jahren unter dem Regime des deutschstämmigen Generals Alfredo Stroessner verhaftet und gefoltert. Kanese, der mehr als 20 Bücher mit Gedichten und Erzählungen veröffentlicht hat, ist bis heute ein Autor, den man, wie er selbst sagt, „suchen muss”. Die junge Generation paraguayischer Dichter erkennt ihn als Vorläufer der aktuellen Strömungen der paraguayischen Poesie an: des „Portunhol selvagem“ (der wilden Spanisch-Portugiesisch-Mischsprache) und des „Triple-Frontera-Mix“ (des „Dreiländereck-Mix zwischen Argentinien, Paraguay und Brasilien). Es sind Bewegungen, die die Hybridität der paraguayischen Kultur aufgrund der Einflüsse der Nachbarn und der indigenen Komponente, des Guaraní, nicht zurückweisen oder geringschätzen, sondern als etwas Positives annehmen. Kanese war hier Pionier: Schon in den 1980er Jahren verwendete er das Yorapá, eine Mischung aus Guraraní und Spanisch, in seinen Texten.
»Ich habe immer noch keine Art gefunden, mich selbst zu übersetzen«, schreibt Jorge Kanese. Er mischt und deformiert und erfindet Sprachen. Dem paraguayanischen Lyriker geht es mit sich und mit den Texten so, wie es der Sprache in ihnen geht: Es ist ein Verhältnis der Selbstfremdheit, der Entfremdung.
Mit diesem Buch liegt erstmal eine Auswahl des derzeit wichtigsten Lyrikers Paraguays vor, einem Vorreiter der sprachmischenden Literatur aus dem Dreiländereck Paraguay-Brasilien-Argentinien. Léonce W. Lupette hat für die Übersetzung ebenfalls eine Mischsprache erfunden (Deutsch-Türkisch) und sie mit Kommentar und ausführlichem Nachwort versehen.
Jorge Kanese, Die Freuden der Hölle. Ausgewählte Gedichte. Zweisprachig. Übersetzt und mit einem Nachwort von Léonce W. Lupette. Luxbooks.Latin.
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