Semiotische Autonomie
Thomas Palzer im Deutschlandfunk über das neue Buch von Michael Hampe:
""Wenn man erst einmal merkt, wie Sokrates es beispielhaft getan hat, dass es einen Spielraum gibt, über die Welt zu sprechen, und vor allem, wenn man merkt, dass weder die Welt "da draußen" noch andere Menschen endgültig festlegen, wie wir über die Welt zu sprechen haben, dann kann ich mir überlegen, ob ich ebenfalls so wie die anderem sprechen und dementsprechend handeln will. Oftmals findet so etwas wie ein Kidnappen der individuellen Existenz durch allgemein anerkannte Sprechweisen statt, und das Ergebnis sind Menschen, die sich in ihrem eigenen Leben und Reden nicht wiedererkennen."
Das Suchen nach Wahrheit ist kein Privileg der Wissenschaft, denn Wahrheit lässt sich nicht nur über die Vernunft oder, besser, nicht nur über die rationale Vernunft erschließen. Auch im Alltäglichen und in den "Volkskulturen" sucht man mit unterschiedlichen Strategien nach Wahrheit. Auch die Kunst sucht nach Wahrheit, ohne dass sie deshalb immer vernunftgeleitet wäre. Ähnlich wie der Methodenpluralist Paul Feyerabend erkennt Hampe in der Vernunft nur deren Plural: Vernünfte. In ihnen offenbart sich eine Vielzahl von Denkstilen - so wie es in der Kunst vielfältige Stile gibt. Theorie und Erzählung, wissenschaftliche und ästhetische Reflexion lassen sich darum kaum voneinander scheiden.
Hampe zeigt in seinem Essay "Die Lehren der Philosophie", dass Doktrinen und Systeme dem Individuum niemals gerecht werden, weil sie die Erfahrungen des Einzelnen abwerten und die Subjekte über einen Kamm scheren - so, als handelte es sich bei Einzelwesen nicht um Einzelwesen, sondern um Soldaten.
Hampe sympathisiert mit einem Gedanken des amerikanischen Philosophen Richard Rorty, der in der Literatur die einzige Möglichkeit gesehen hat, wo sich säkulare und aufgeklärte Gesellschaften noch "religiös" betätigen können. Sein Buch "Die Lehren der Philosophie" ist ein Essay über und ein Aufruf zur Freiheit"
Michael Hampe: Die Lehren der Philosophie. Eine Kritik. Suhrkamp Verlag, 2014.
Neuen Kommentar schreiben