James A. Owen
Der zeitlose Winter (Babylons Meridians)
Aus dem Amerikanischen von Sara Schade
Leipzig: Festa Verlag 2004 221 S. 18.95
(Kai Meyers Mythenwelt 3)
Der Roman beginnt nicht schlecht, mit einer Anspielung auf den berühmten Beginn von Herman Melvilles Moby Dick, es wird eine Gestalt namens Fischmehl eingeführt, was lautlich an Ishmael anklingt; ein afghanischer Bücherliebhaber mit bizarrer Kriegsgeschichte, der als Matrose auf einem Seelenverkäufer fährt, einem renovierten Schrott-Öltanker, von der Besatzung Milchkanne genannt, der als Schmuggelschiff die Weltmeere unsicher macht und aktuell mit einer Ladung Milchkühe von den Großen Seen in Amerika nach Europa unterwegs ist. Und einem Paket, das der Kapitän zur Beförderung übernommen hat und das Fischmehl auspackt. Darin befindet sich ein sprechender Kopf, der durch auf seiner Zunge eingeritzte Runen belebt wird, ein Skalde, der sich schließlich als der Gott Bragi herausstellt so wie auch Fischmehl sich als einer der Erlkönige erweist, welche über das Schicksal der Welt bestimmen. Es scheint, dass es verschiedene historische Zyklen gibt, die auf mehr oder minder sanfte oder gewaltsame Weise von anderen abgelöst werden. Eine solche Totalumwälzung wird als Galder-Umkehrung bezeichnet. So wurde ein römischer (Romulus) durch den Opfertod Joshuas beendet. Das ist in einer Bibliothek festgehalten, und das wird von diversen Gestalten, darunter von einem König Lucius, der in einer steinzeitlichen Landschaft aus seinem Grab geholt wird, Hammurabi und Buddha, erörtert. Zunächst jedoch kommt es zu einem sea change in der Welt; das Meer gefriert plötzlich, das Schiff mitsamt seinen Kühen und der als Passagiere mitfahrenden Blues-Band ist auf dem Eis gestrandet, Kapitän Pickering verwandelt sich in einen Minotaurus, und es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen das Buddha-Kind durch bloße Gedankenkraft die Gegner verbrennt oder von plötzlich auftauchenden Felsen zerquetschen lässt. Zuvor ist schon ein Pilot mit einem Flugzeug gelandet, das in der veränderten Welt ohne Treibstoff fließt. In der Hauptsache wird aber geredet, wobei sehr abstruse Erklärungen geliefert werden, in der eine geheime Bibliothek, daraus verloren gegangene Bände und Ankoriten (Anchoreten) eine zentrale Rolle spielen. Wie in den vorhergehenden Bänden und bei dem Ideenlieferanten Kai Meyer meistens, handelt es sich um eine Mythenklitterung, bei der die disparatesten Elemente zusammengeführt werden. Ich könnte nicht sagen, dass sich für mich daraus ein erkennbarer Sinn ergäbe, wie auch in den laufenden Romanen Jonathan Carrolls wird sehr viel Unsinn geschwätzt, den kein Mensch im normalen Leben glauben würde; und dass es in einer surrealistisch aus dem Lot geratenen Welt, in der alles Beliebige möglich ist, geschieht, macht die ganze Sache nicht überzeugender. Ein paar nette Einfälle, vor allem Sprachspielereien, verborgen unter sehr viel Wortgeröll, das ist der Eindruck, den zumindest ich von diesen Romanen davontrage, die letztlich derivativ und schwächlich sind, eine belanglose, intellektuell alles andere als befriedigende Spielerei.
27. Feb. 2007 -