Frank Festa, Hrsg.
Der Cthulhu-Mythos 1976 2002
Almersbach: Festa Verlag 2003 296 S. 20.00
(H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Band 12)
Auch der zweite Festa-Band von Erzählungen aus dem Cthulhu-Mythos enthält meist sehr beachtliche Erzählungen, die versuchen, Lovecrafts Schöpfung entweder in seinem Geiste weiterzuführen und seiner Bilderwelt, seinen Geschöpfen und verderblichen Büchern getreu zu bleiben oder auch respektvolle neue Varianten zu erfinden. Lange Zeit vergebens bemüht sich so der Held von Lovecrafts und Lin Carters Die Glocke im Turm den Weg zu jenen unbekannten Abgründen zu finden, die jenseits des Verständnisses der Astronomen oder der Erkenntnisse weltlicher Kosmographen lagen die namenlosen Strudel noch niemals erträumter Seltsamkeiten, wo Form und Symmetrie, Licht und Hitze und sogar Materie und Energie selbst undenkbare Metamorphosen durchlebten oder sogar völlig fehlten die entferntesten, ungeahnten Regionen jenseits der Strukturen von Zeit und Raum, wo die Regeln der euklidischen Geometrie oder die Gesetze von Ursache und Wirkung oder des geradlinigen Zeitverlaufs keine Gültigkeit besaßen, und wo das Schimärische und das sich selbst Widersprechende die Norm, das Rationale und das Fassbare hingegen nichts weiter als müßige Phantasien sind (S. 57). Häufig sind auch die Bezugnahmen auf gewisse arkane Formeln, zungenbrecherische Namen und uralte, verbotene Bücher (Robert M. Price, Der runde Turm, S. 78) oder den Dunwich-Habitus, Menschen von nicht geheurem Aussehen mit einer seltsamen Ahnenreihe, die in rückständigen Landstrichen hausen, wo sich unterdrückte Kulte noch immer erhalten haben.
Ramsey Campbells Die Stimme des Strandes beeindruckt durch seine eindrückliche Bildhaftigkeit, die völlig dem Meer, dem Wasser und jenen Grenzlinien entlehnt ist, wo Land und Wasser zusammentreffen, während Michael Siefeners Bildwelten, einer von drei deutschen Beiträgen in dem Band, von den Bildern eines besessenen Malers erzählt, die auf den Protagonisten eine ähnlich gefährliche Sogwirkung ausüben, ihn in einen Strudel jenseitiger Fremdartigkeit ziehen, wie die verbotenen Bücher in so vielen Geschichten. Brian Stableford wendet in Das Innsmouth-Syndrom die Nüchternheit der zeitgenössischen Gen-Forschung auf die wenigen Bewohner von Innsmouth an, die sich die Besonderheiten ihrer Abstammung von Fischwesen noch bewahrt haben; aber die Genetik vermag nicht die seltsamen Albträume zu erklären, von welchen die Träger dieser Gene heimgesucht werden, und das Wissen ist auch nicht imstande, das Unheil abzuwenden, das einer Frau droht, die ebenfalls den alten Drang verspürt, zum Teufelsriff hinauszuschwimmen, um sich mit den Wesen der Meerestiefen zu vereinigen. Auch Geraldine Stanbury in Michael Marshall Smiths Blick aufs Meer, entgeht ihrem Schicksal nicht. Nicht selten in diesen Geschichten hat sich der gefürchtete Feind, wie in den Geschichten von Lovecraft, bereits in den eigenen Genen heimisch gemacht, und das Grauen liegt für viele Gestalten in der eigenen Abstammung. Diese fatalen Gene haben sich auch bereits im Erzähler von James Ambuehls Der Schrecken von Toad Lake eingenistet; die fremden Wesen kommen hier krötenförmig daher, in einem Sumpfgebiet, und selbst ein Ausrottungsfeldzug mit Feuer ist wenig Erfolg beschieden. In Brian Hodges Die Feuerbrand-Symphonie liegt das überwältigend Fremdartige in bestimmten Tonfolgen, und das macht den Vormarsch unaufhaltsam.
Der Band wartet auch mit drei Beiträgen deutscher Autoren auf, und man muss sagen, dass diese keineswegs schlechter sind als die ihrer berühmteren amerikanischen Kollegen. Michael Siefeners Bildwelten wartet mit dem horriblen Bild wurmiger Überwältigung auf, bleibt also noch ziemlich konventionell, während Malte S. Sembtens Die Krakelkult-Kampagne die angestrebte Machtübernahme Cthulhus als Produkteinführungskampagne für ein vorerst unbekanntes, aber allgegenwärtiges Produkt orchestriert. Und in Christian von Asters Ein Porträt Torquemadas haben die Anhänger Cthulhus sogar die katholische Kirche unterwandert und haben sich damit unausrottbar festgesetzt.
Frank Festa ist mit diesem Band wieder eine vorzügliche Zusammenstellung gelungen.
27. Feb. 2007 -