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Duras im Filmmuseum

Redaktion: 

Le Navire Night - (Das Nachtschiff) 1979, Marguerite Duras. Quelle: Filmmuseum

 

Das Klavier begann zu spielen. Das Licht erlosch. Suzanne fühlte sich unsichtbar, unbesiegbar und begann vor Glück zu weinen. Das war die Oase, der dunkle Saal am Nachmittag, die Nacht der Einsamen, die künstliche und demokratische Nacht, die große, alles gleichmachende Nacht des Kinos, die echter ist als die echte Nacht, entzückender und tröstlicher als alle wahren Nächte, die auserwählte Nacht, die allen offen ist …
Marguerite Duras, 1950

Die französische Kultur kennt nur zwei Künstler, die als Filmschaffende von ebenso großer Bedeutung sind wie als Literaten: Jean Cocteau und Marguerite Duras (1914–96). Während ersterer auch als Regisseur populär wurde, blieb letztere lange Zeit ein cinephiles Geheimnis: Man wusste zwar, dass Duras Filme machte – in den 1970ern, ihrer Hauptschaffensphase, fast jedes Jahr einen –, doch nur wenige hatten diese Werke gesehen. Dabei war Duras zuvor schon in zentraler Funktion an einigen kanonischen bzw. vieldiskutierten Filmen beteiligt gewesen; und auch in ihren Romanen spielte das Kino eine bedeutende Rolle: als Sehnsuchtsort, dessen „künstliche und demokratische Nacht“ reale Kräfte der Befreiung entfaltete.

Ihr eigener Eintritt ins Filmmetier kam einem Knalleffekt gleich: Duras verfasste die Drehbücher zu drei Hauptwerken der Zeit um 1960 – Alain Resnais’ Hiroshima mon amour, ein Schlüsselfilm der Moderne; Peter Brooks Moderato cantabile (basierend auf ihrem gleichnamigen Roman); sowie Henri Colpis wunderbares Erinnerungsdrama Une aussi longue absence. Letzterer gewann 1961 ex aequo mit Luis Buñuels Viridiana die Goldene Palme in Cannes – und ist heute fast vergessen: ein œuvre maudit. Ein gewisses Renommee hatte Duras bereits mit ihrem ersten Nachkriegsroman Un barrage contre le Pacifique (1950) erlangt, doch weltberühmt wurde sie durch das Buch zu Hiroshima mon amour: Das Raunen darüber, wo der jeweils andere nie gewesen war und was ihm/ihr auf immer verschlossen bleiben würde, dieses gedankliche Ausschreiten eines Niemandslands, auf dem Überlebende des Zweiten Weltkriegs einander begegneten, traf die Menschen jener Zeit mitten ins Mark.

Zum 100. Geburtstag der großen modernen Autorin und Regisseurin Marguerite Duras läuft bis zum 8. Mai eine Retrospektive im Filmmuseum, das  ihr oft vernachlässigtes filmisches Werk würdigt.

Im Standard berichtet Gerhard Midding  im Zusammenhang mit der Retrospektive im Oesterreichischen Filmmuseum von einer Anekdote:
„Unter den vielen Masken, die ein Regisseur tragen muss, gehört die Souveränität zu den wichtigsten: die Versicherung, alles in einem Film sei absichtsvoll. Marguerite Duras verstand sich meisterhaft auf derlei Maskierung. India Song, mit dem sich die Schriftstellerin 1975 endgültig als Regisseurin durchsetzte, hätte eigentlich eine andere filmische Gestalt annehmen sollen. Michel Lonsdale, einer ihrer Darsteller, erzählte einmal, wie Duras' Plan durch ein Versehen vereitelt wurde.

Es war nicht vorgesehen, dass die Dialoge der Darsteller aus dem Off erklingen sollten. Ihre Szenen waren ganz konventionell als Mischung von Stimme und Musik geplant. Aber dann legte der Toningenieur heftigen Widerspruch ein: Die Schauspieler würden übertönt von der Musik, die Duras auf dem Set einspielen ließ. Sie müsse sich für einen Direktton entscheiden, den der Schauspieler oder der lautstarken Begleitung.

Duras wählte die zweite Variante und entschuldigte sich bei den Darstellern: "Ich bin schließlich keine Filmemacherin, sondern nur eine Schriftstellerin, die auch Kino macht." So bewegen sich Lonsdale, Delphine Seyrig und ihre Partner nun schweigend wie Geister durch die Szenen. Duras machte sich ein Missgeschick dienstbar, das im Nachhinein prächtig zu ihrem erzählerischen Konzept zu passen scheint.“

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