Schuldt in Togo
Schuldt
„«Leben und Sterben in China», so heisst eines seiner Bücher. Es enthält 111 Fabeln, die auf ein chinesisches Wörterbuch zurückgehen, das auf 1500 Seiten allen chinesischen Ideogrammen englische Äquivalente in sehr unterschiedlicher grammatischer Hierarchie gegenüberstellt. Mit der Hilfe eines weiteren Wörterbuchs werden die englischen zu deutschen Wörtern und damit zum Material kurzer Geschichten. Und ein anderes Buch trägt den Titel: «Mamelucken antworten». Es präsentiert 64 Akronyme: Jedes Gedicht nimmt auf jeder Zeile in den Wortanfängen die Buchstaben des Wortes wieder auf, das als Überschrift über dem jeweiligen Gedicht steht. Auch das Verb «duzen» kann zum Akronym werden: «Deutsche U-Bootfahrer ziehen einander noch / Dienstags unreine Zähne, einzelne Nerven (. . .)» usw.
Schuldt – ein Hamburger Dichter und Essayist mit Jahrgang 1941, der seinen Vornamen gerne verschwinden lässt – publiziert nur sehr gelegentlich, und seine wenigen literarischen Werke lassen sich nicht so leicht einer Tradition zuordnen.“ Martin Zingg gestern in der NZZ
Schuldt: In Togo, dunkel. Geschichten. Rowohlt-Verlag, Reinbek 2013
Von John Drydens Edlem Wilden bis zu der Sehnsucht des Börsenmaklers Gauguin nach dem Paradies war die exotische Ferne eine Idee, die sich der Europäer zurechtgelegt hatte. Sie enthielt seine Hoffnungen und Einbildungen, seine Ängste und Eitelkeiten. Die Geschichten dieses Bandes lassen uns durch das andere Ende des Fernrohrs blicken: Die Vernünftigkeit des Europäers hält der Verwunderung der Eingeborenen nicht stand, sie entpuppt sich als Willkür, Verrücktheit, Anmaßung der Phantasie.
«In Togo, dunkel» macht geistige Kolonisierung auf ebenso vergnügliche wie abenteuerliche Weise rückgängig. Aberwitzige Missverständnisse beschwören Gefahren für Leib und Leben herauf. An entscheidenden Wendepunkten steht den Menschen das schier Unverständliche bis zum Hals. Wenn im letzten Augenblick die Lage sich doch noch aufklärt, alle mit heiler Haut davonkommen, weil ein Funke zwischen den gegensätzlichen Kulturen übergesprungen ist, wird blitzartig die Urkomik deutlich, die Absurdität des Menschseins.
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