Specklit-Debatte
Literaturbetrieb (Quelle: Deutschlandradio)
Man liegt im Prinzip gar nicht weit auseinander, aber beim Checken der Gewichte mischt sich reichlich Eigenideologie hinein statt heraus und macht das richtige Auswiegen schwierig – dieses Gefühl habe ich, wenn ich die zusammengefassten Beiträge zur Debatte um die Specklit lese (bei denen die Hinweise aus der fixzone fehlen).
Ausleuchtend, ergiebig und konstruktiv, stets bei der Sache, finde ich den Beitrag von Bertram Reinecke in der Jungen Welt vom 22.02.2014.
„Wo Kessler dennoch recht hat: Die Aufnahmeprüfungen dieser Schulen sind mit der richtigen Herkunft zweifellos leichter zu bestehen. Wenn man die richtigen Dreßcodes kennt, bei der Theater-AG Textpraxis gewann, und ein Auslandsaufenthalt schadet auch nicht… Andere jedoch holen gerade an Schreibschulen solche Kenntnisse nach. Sie haben damit aber noch nicht gleichgezogen. Nicht jeder hat von den Eltern gelernt, daß die Welt ihm gehört: Wer traut sich später, seinen Professor um ein positives Gutachten für eine Stipendienbewerbung zu bitten? Wer jobbt stattdessen? (Am besten in Nachtschicht, denn die Studienzeitregeln sind rigider geworden.) Wer hat die coolen Praktika aus Papas Adreßbuch in seiner Vita?
In einem Umfeld, das bestimmte Lebensläufe begünstigt, sind Schreibhochschulen überfordert, das völlig auszugleichen, was anderswo schiefläuft.
Wenn man seinen Blick lediglich auf die literarische Großöffentlichkeit richtet, sieht man nicht alles. Etwa den Agenten nicht, der einen jungen Autor anraunzt: »Mit dieser Vita kann ich nicht arbeiten«. Autoren, die wie Mara Genschel oder Kai Pohl wider allen Gegenwind radikal politisch arbeiten, ohne vom Betrieb als Maskottchen der Pluralität entdeckt worden zu sein, tauchen leider auch bei Florian Kessler nicht auf. Man versteht schon: Randständigkeit könnte ja immer auch auf mangelnder literarischer Qualität beruhen.“
Bertram Reinecke in der Jungen Welt.
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