12.07.17

Chimäre Ich

Ich habe nur, was ich kann. Bringe mit, wie ich atme. Sonst nichts. Habe nicht einmal mich. Niemand hat irgendetwas. Ich bin absichtslos. Ich habe Bedürfnisse, Sehnsüchte, Ängste und Freuden. Ich habe ein Bild von mir. Das Bild bin nicht ich. Das ist jemand, den ich annehme für mich, und das tue ich nur, weil es jemand anderen gibt, der nicht ich ist, der mir Spiegel ist, dem ich Spiegel bin, der nicht nur sich mitbringt, sondern auch diesen Menschen, den er sieht, wenn er auf mich reagiert. So bin ich etwas, was ich nicht bin. Bin eine Chimäre. Für mich und den Anderen. Nichts sonst. Habe nur das. Weil ich sie sehe durch dich. Siehst deine durch mich. Doch ist eine Chimäre immer eine Chimäre. Der Wunsch eines Werdens, einer durch Austausch erzeugten Annahme von mir. Das ist es, was ich kann, und ich kann es auch nur durch dich, durch deine, die ich sehe, deiner nicht gleich. So habe ich nichts. Habe eine Annahme, habe ein Bild von mir. Meine Bedürfnisse, Sehnsüchte, Ängste und Freuden inkarnieren es.


Habe nichts. Nicht einmal mich. Nur das: Den Wunsch eines Werdens. Das könnte eine Absicht sein, die ich doch nicht haben kann, denn: Die Illusion ist, so sagte Aragon es schon, das Fleisch auf den Dingen. Und so werde ich niemals ganz werden, was ich für mich annehme, sein will. Ich würde zu einer Illusion, in der sich meine Seele löst, wieder einswird mit dem Universum, weil alle meine Bedürfnisse, Sehnsüchte, Ängste und Freuden dann nicht mehr sind. Ich wäre die Ausgeburt meiner Phantasie. Wäre eine Erdichtung. Wäre eins mit dem Universum, wäre Alles und wäre gleichzeitig nicht. Ich wäre wohl heil. Wäre.

Kommentare:

  1. Wie wir wohl wären
    wenn wir wären
    wie wir wirklich wären
    die Chimären
    unserer eigenen
    hehren Melodie

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  2. Wie wir wohl wären ...

    Wir wären dann vielleicht Monaden. Völlig autarke. Uns zählte man dann nicht zu den Säugetieren, es gäbe keine Poesie und auch keine anderen Künste. Früher hat man ja angenommen, die Entwicklung eines Menschen sei mit seinem ungefähr 25ten Lebensalter so ziemlich abgeschlossen. Das ist natürlich Quatsch. Wir verändern uns stetig. Und ich selbst erlebe mich ja genau darin, da wir uns durch zig Projektionen begreifen, uns spiegeln durchs Du.

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  3. Ich habe die interessante Annahme von Houellebecq gelesen, dass mit 25 die elektrischen Wege zwischen den Synapsen so eingefahren sind, dass Entscheidungen und Gedanken so immer den Weg des geringsten Widerstands gehen müssen - welcher so betrachtet immer jener ist, den sie schon oft geplant und gedacht haben;

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  4. Wäre dem nicht so, wir wären absolut anders, chaotisch, nicht einschätzbar. Wir wären vielleicht immer Kinder. Das hielte zudem unsere Fähigkeit des Staunens aufrecht, was ja beim Gros der Entwachsenen durchaus zu beobachten ist, dass dieses Vermögen der Gewohnheit weicht. Bei nicht allen, wohlgemerkt! Dass du staunst, weiß ich, du schaust ja auch in den Himmel. Daran erkennt man sie, die, die sich von allem, was sie umgibt, beeindrucken lassen. KEINE MACHT DER GEWOHNHEIT!!!

    Als Kind war ich Baum, war ich Schildkröte, war ich der Vater, die Mutter, die Hexe ... aso. In echt, haben wir immer gesagt, oder: zum Spaß! Ja. Die Freuden: Vielleicht gelingt Zweien Spaß. Allein die Vorsätzlichkeit ist geil.

    Dass wir aber durch Erfahrungen durchaus effizienter werden, weil wir unser individuelles, jedoch nie ganz fixes Synapsennetz gebildet haben, ist schon auch was, und natürlich für ganz andere Dinge nutze, die uns als Kind noch schnuppe waren. Zumal das ja erst recht das Chimärenfass aufmacht, stoßen wir, bedingt durch Erfahrungen mit unserer Umwelt, auf Widerstand. Also auf etwas, bei dem uns unsere gewohnten Synapsenbahnen nicht mehr so leicht ans Ziel bringen und wir andere Wege nehmen müssen, so wir uns einlassen. Dann erst wird es doch wirklich interessant. Und so komme ich zu dem Wort wirken. Etwas wirkt, rührt an mir. Wirft mich auf.

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