30.07.17

Krimskrams in der Einöde

Ich habe heute von dem Zaun geträumt, den ich als Kind immer streichen musste. Das ausgetrocknete, harte Wildgras stand mir dabei bis zur Brust, und ich wurde den ganzen Tag von Bremsenbissen geplagt, die wie verrückt auf den Schweiß flogen, den es mir aus allen Poren trieb. Es war ein Horror. Jeden Juni bis 1990 wurde ich am Samstag vormittag in die Einöde gefahren, mit nichts als einem Kübel Farbe und mehreren Pinseln ausgerüstet, und erst am Nachmittag wieder geholt. Je nachdem, wieviel ich geschafft hatte, wurde ich für meinen Einsatz gelobt oder wegen meiner Faulenzerei gescholten. Aber meistens fielen wohlwollende Worte. Ich setzte auch wirklich alles daran, so selten als möglich zu diesem Zaun aufs Land zu müssen, während meine Freunde derweilen im Strandbad ohne mich weißgottwas trieben. Das war die wahre Tortur. Schuften zu müssen, während ich die anderen ins Vergnügen im großen, azurblauen Pool vertieft wusste

Dieser Traum kommt nicht überraschend. Ich habe ihn in regelmäßigen Abständen einmal. Ich weiß ganz genau, was er zu bedeuten hat. Manche Angelegenheiten muss man schnell erledigen, ohne Zögern und ohne Zaudern, sonst gehen sie niemals vorbei. Ich stand heute früh morgens auf und habe die unliebsamen Sachen, die ich schon wieder seit Wochen vor mir herschiebe, endlich angepackt. Viel im Haushalt aufgearbeitet, zwei unangenehme Emails geschrieben, einige Sachen aus meinen Krimskramsladen aussortiert, ein nervtötendes Telefonat geführt und den Arbeitstisch neu organisiert. Man kann sagen was man will. Das Erledigen von ewig vor sich hergeschobenen Aufgaben hat etwas zutiefst kathartisches an sich. Vielleicht verschleppe ich manche Sachen genau deswegen so gern. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen, forderte schon Albert Camus. Der Mann wusste ja vielleicht sogar, wovon er da sprach.

Kommentare:

  1. Wenn man es sich genau überlegt, setzt du hier an zu einem Erinnerungswerk, das eines Tages nur hohe Früchte tragen kann. Ich bin immer davon überzeugt, dass gute Schriftsteller aus dem geboren werden, was sie über sich und ihr Leben zu erzählen haben und wie sie das umsetzen.

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  2. Es ist, eine Art die Welt zu sehen und sie für sich und die Leser aufzubereiten. Das sagen zu können, was man sagen will, und sich dabei seiner eigenen Worte zu bedienen. Man beginnt im Kleinen zu sammeln und arbeitet sich damit durch sein Werk. Um es mit Picassos Worten zu beschreiben: Ich habe nicht alles gesagt, aber ich habe alles gemalt (erzählt). Danke für Eure freundlichen Worte. Sie bedeuten mir viel. Es ist auch immer ein bisschen wie Tappen durch die Dämmerung, in die nur Leserinnen und Leser den Tag bringen können.

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