Fix Zone

NUN papercuts

Redaktion: 

Die Leipziger Malerin Annette Schröter, bekannt geworden durch ihre kraftvollen, farbintensiven Gemälde, widmet sich seit über zwölf Jahren intensiv dem Medium Papierschnitt. Fragmente alter Industriearchitektur, Graffiti und Tags, Logos und Designs, Trachten, Blüten oder Details aus Gemälden und alten Fotografien – vieles wird bei ihr zum geschnittenen Bild. Die Ausstellung"NUN Papierschnitte 2008 – 2013“ im Angermuseum in Erfurt bringt nun eine Auswahl. Dazu historische Scherenschnitte aus dem Fundus des Museums (eine Facette unserer Kulturgeschichte, die durch Künstler wie Ludwig Richter, Philipp Otto Runge, Adele Schopenhauer, Karl Fröhlich, Paul Konewka, Alexander Olbricht, Friedrich Karl Schmidt und Paula Roesler zur Blüte kam).

Nicht eingelöste gesellschaftspolitische Utopien und Versprechen transportiert Annette Schröter inhaltlich genauso wie triviale Versatzstücke unserer Alltagskultur. Gleichzeitig überrascht sie mit einer Vielzahl neuer formaler und inhaltlicher Aspekte durch die Verbindung geschnittenen schwarzen Papiers mit Tapeten, Farbsprays und farbigem Acrylglas. In ihren mit hoher handwerklicher Finesse hergestellten Arbeiten, die zum Teil bis zu drei Meter Höhe messen und direkt an die Wand geheftet werden, gelingt ihr eine Renaissance dieses alten Mediums ganz auf der Höhe der Zeit.

Annette Schröters Interesse gilt der Vielfalt von Leit- und Wunschbildern in unserer Gesellschaft, ihrer starken emotionalen Besetzung, medialen Omnipräsenz und Deutungsmacht, ihrer direkten wie einfachen Rhetorik, ihrem klischeehaften Gebrauch. Es geht in ihnen um Bekenntnisse: zu Heimat und Familie, Tradition oder Moderne; es geht um das traute Heim oder die verlockende Ferne, das ‚richtige‘ oder ‚falsche‘ Essen, Einkleiden, Musikhören, Arbeiten, Leben. Ungestillte Trost- und Harmoniebedürfnisse können sich in ihnen ebenso artikulieren wie sittliche und religiöse Ansichten. Neben Ideologen bedienen sich ihrer mit Vorliebe auch professionelle PR-Strategen. Jeweils eigenen Leit- und Wunschbildern – medial inszenierten Helden in passenden settings – streben die verschiedenen Jugend- und Popkulturen unserer Zeit nach. Dem Charakter dieser Leit- und Wunschbilder entsprechend, nutzt Annette Schröter die technischen und stilistischen Eigenarten des Papierschnitts für die Ausformung starker Kontraste, den plakativen Zusammenprall von Schwarz und Weiß, für die erhellende Zuspitzung von Widersprüchen.

Die Künstlerin ist, auch wenn sie sich der traditionellen und oft auch mit Begriffen wie „biedermeierlich“ und „kleinbürgerlich“ etikettierten Technik des Papierschnitts zuwendet, ganz an der Verarbeitung ihres Erlebens im Hier und Jetzt interessiert. Für diese starke Orientierung an den jeweils aktuellen Themen und Ereignissen, auch an den eigenen Beobachtungen im Alltag, steht der Titel ihrer Ausstellung (und auch ihres Buches): NUN. Mit imperativischem Nachdruck verweist uns „NUN“ auf alles das, was jetzt gerade passiert.

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