Junge finnische Dichtung
Writers House Kirjailijatalo
Türme der Nachbarn ist eine eben gestartete Artikelreihe, die sich mit der jungen Dichtung nicht-deutschsprachiger Länder befasst. In der Umsetzung gehen die babelsprech-Redakteure Oravin und Max Czollek auf Autor_innen zu, die sich an den entsprechenden Orten aufhalten und mit denen bereits ein Kontakt besteht. Gemeinsam erarbeitet man dann einen Artikel zu den Türme der Nachbarn in x (wobei x eine Stadt, ein Land, eine Region oder einen Stil bezeichnen kann). Auf Grund dieser Variation ist die Form, der Rhythmus wie auch die Sprache der Darstellung der Türme nicht im Vorhinein festgelegt. Junge Dichtung gibt es in allen Ländern und man weiß viel zu wenig davon. Babelsprech.org will mit der neuen Reihe den babelsprech-Kreis junger deutschsprachiger Dichtung in Richtung Europa und darüber hinaus überschreiten. Denn was ist Europa ohne einen Ort gemeinsamer Dichtung? – so kommen also die Autor_innen und ihre Texte in den Raum und werden vorgestellt. Die Vorstellungsrunde beginnt mit einem Beitrag von Oravin zur jungen finnischen Dichtung.
Der erste Raum, von dem Oravin berichtet, ist Finnland:
„Poesia : ein verlags-kollektiv in Jyväskylä
für finnische verhältnisse ist Jyväskylä mit seinen etwa 130.000 einwohnern eine ausgewachsene stadt. ein viertel davon sind studenten. das alte hölzerne stadtzentrum wurde in den fünfzigerjahren eingerissen und zubetoniert, und trotz der nähe der unvermeidlichen seen und wäldern ist es schwer, dem lärm der autobahnen zu entkommen. hier wird eishockey gespielt, vor monströsen einkaufszentren gesoffen, vor studentenbars geprügelt. und doch wurde diese unscheinbare stadt im letzten jahrzehnt zum neben Helsinki wohl wichtigsten zentrum finnischer dichtung.
für dichter gibt es in Jyväskylä zwei zentrale treffpunkte. der eine ist die einzige künstlerbar der stadt: Vakiopaine. hier finden neben konzerten und den allabendlichen besäufnissen häufig lesungen statt. bei den unregelmäßig stattfindenden open mikes etwa ist es schwer, einen sitz- oder auch nur stehplatz zwischen den aufmerksam lauschenden gästen zu ergattern. und fast alle in Finnland neu erscheinenden gedichtbände werden irgendwann von den autoren selbst in Vakiopaine präsentiert.
der zweite wichtige treffpunkt ist Kirjailijatalo, das “Schriftstellerhaus”, ein etwa hundert jahre altes holzhaus im universitätsviertel. hier kann man in literaturzeitschriften blättern, hier werden lesungen gehalten, hier finden sitzungen von literaturvereinigungen statt. das haus steht schriftstellern aus dem in- und ausland als residenz offen, meist ohne komplizierte bewerbungsverfahren. und manchmal darf ein verarmter nachwuchsdichter einige monate oder auch jahre wohnen bleiben, da fragt niemand so genau nach. wie in Vakiopaine sind auch die veranstaltungen Kirjailijatalos überraschend gut besucht. (dass mit Dezember 2013 der einzige feste mitarbeiter des schriftstellerhauses gekündigt wurde und ein spontaner besucher seither meist vor verschlossenen türen steht, gefährdet die bedeutung dieses begegnungsortes enorm.) …“
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