Zines
"Vor Einsendungen wird gewarnt!" - so hat 1921 die expressionistische Zeitschrift "Der Bastard" Journalisten gewarnt, ihre Beiträge einzuschicken. Auch vor Künstlern, die sich publizistisch betätigen, könnte man warnen, zumal Ende der 70er Jahre. Sie ziehen ihr Ding, sagen wir ihr MagaZine, alleine durch oder holen sich Gleichgesinnte ins Boot: Politische Mitstreiter, Kinder gleichen Geistes, Kunststil-Verwandte, Künstler-Kollegen, Mitmacher. Künstler jener Zeit, die etwas zu sagen hatten und auch etwas sagen wollten, legten konzeptionell, ästhetisch und/oder inhaltlich eine gewisse Radikalität an den Tag. Das Medium sollte wahrgenommen werden, seine Wirkung zeigen und sich im Mediendschungel behaupten.
„Zines #2 : 1976-1979 - Künstlerpublikationen aus der Sammlung Hubert Kretschmer, München“ zeigt eine internationale Auswahl solcher Zeitschriften. Es ist die zweite einer Reihe mehrerer Vitrinenausstellungen, mit denen sich Kretschmers ‚Archive Artist Publications‘ im Zentralinstitut für Kunstgeschichte noch bis 31.01.2014 in München vorstellt. Sie setzt die den Jahren 1971-1975 gewidmete erste Ausstellung (1.2.-5.4.2013) unmittelbar fort. Die Beschränkung auf nur vier Jahre bei gleichzeitiger Verdoppelung der Anzahl der Exponate im Verhältnis zu „Zines #1“ reflektiert die mit den Jahren immer größer werdende Dichte der Sammlung.
‚Zines‘ gibt es innerhalb und außerhalb der Kunst. Der Begriff leitet sich ab von Magazine und bezeichnet eine spezielle Art der Produktion, der inhaltlichen und grafischen Ausgestaltung, des Vertriebs: Eigenproduktion, kritische Auseinandersetzung mit der Tagespresse und illustrierter Magazinpresse, gefertigt oft als schlichtes Fotokopierprodukt, Vertrieb im Sinne der Netzwerkbildung außerhalb des üblichen Kunstmarktes. Und tatsächlich spielen etliche der hier gezeigten Künstlerpublikationen mit der Typologie der Aktualitätspresse: lose ineinandergelegte Blätter, geklammerte Hefte, charakteristische Titeltypographie, Zeitungsformate. Oftmals treten sie als unkommerzielle Insiderinformationsblätter auf, eben als ‚Zines‘.
Hubert Kretschmer präsentiert in seiner Auswahl von 117 Heften 40 verschiedene ‚Zines‘, Künstlerpublikationen, die jede auf ihre Art auch unter den Begriff der ‚revue d’artiste‘ fallen:
- absichtlich oder ungeplant einmalig erschienene Titel,
- zu einer Reihe gehörende Künstlerbücher,
- hauptsächlich aber die typischen, über einen begrenzen Zeitraum von wenigen Jahren aktive Kollektiv- oder Assembling-Zeitschriftenprojekte unter der Ägide eines (Künstler)-Herausgebers.
Der Erscheinungsverlauf der einzelnen Titel reicht mitunter über den gewählten Zeitraum hinaus, aber nur ausnahmsweise so weit wie die bis 2002 publizierten ‚Staeckbriefe‘. Die meisten Titel gehören ganz oder schwerpunktmäßig in die siebziger Jahre, darunter so berühmte Beispiele wie ‚Commonpress‘ und ‚Ephemera‘. Sie sind damit zwangsläufig zeittypisch, zumal die als Mail Art vertriebenen Produktionen.
In diesem Zusammenhang ein Hinweis an geneigte Leser auf DAS ZWEITE BEIN, das seit Jahren unregelmäßig in Auflage ca. 30 Stück erscheint.
Noch wenige Ausgaben der aktuellen N° 7 sind erhältlich.
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