Fix Zone

Transparenztraum

Redaktion: 

„Alles beginnt mit einem Konstruktionsfehler. Als Gott den Menschen erschuf, wurde ein entscheidendes Feature vergessen. Hesiod berichtet in seiner um 700 vor Christus entstandenen Theogonie von der Kritik, die sich Zeus anhören musste, weil sein Geschöpf über kein Fenster in der Brust verfügt, durch das sich jedermanns Auge Zutritt verschaffen könne, um dort die Gedanken und bösen Absichten des Nachbarn abzulesen. In einer der Urquellen der antiken Mythologie steckt bereits der Ärger über die Undurchsichtigkeit des Menschen. Im Anfang war der bug.“ So eröffnet Richard Kämmerlings in der WELT seine Rezension zu einem der lesenswertesten Bücher dieses Buchherbst/winters: kein Buch gibt einen derart guten Überblick über die Geschichte des Begriffs, der Idee und vor allem auch der verschiedenen Formen der kulturellen Praxis von Transparenz wie "Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche" (von Manfred Schneider , erschienen bei Matthes und Seitz), wie Gert Scobel auf 3sat erläutert.

 

Seit der Antike hadern Priester, Richter, Philosophen, Künstler und Politiker mit der Unzugänglichkeit von Herzen, Seelen oder Gehirnen. Nur zu gerne hätten sie das Geheimnis aus der Welt geschafft. Manfred Schneider erzählt die Geschichte des Traums und Albtraums von der Transparenz in zehn Kapiteln. Sein farbiger und lebendig geschriebener Essay führt von Descartes’ Philosophentraum über die Französische Revolution, die Sozialutopien des 19. Jahrhunderts, die moderne Glasarchitektur, den Surrealismus, die russische Revolution bis zu Walter Benjamin und vielen prominenten Autoren des 20. Jahrhunderts. Er reicht bis zu den intellektuellen und wissenschaftlichen Absurditäten unserer Tage, allen voran den Neurosciences und ihrem Versprechen, dem Gehirn beim Denken zuzuschauen.

  Bild: Fraunhofer-Institut

Raus aus der Höhle und trotzdem geschützt

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