Fix Zone

Ausschreibung zweifelhaft

Redaktion: 

Die "schreibkraft" sucht Texte zum Thema "zweifelhaft"

Das Staunen sei der Anfang der Philosophie, meinte Aristoteles und auch Platon. Es ist ein emotionaler Zustand als Reaktion auf das Erleben von etwas Unerwartetem, das nicht den Erwartungen bzw. Schemata entspricht, meint Wikipedia. Immerhin, das Staunen ist etwas Positives, das uns zuerst innehalten lässt und dann weiterbringt. Aber ist das Staunen noch zeitgemäß? Hat im Zeitalter der um sich greifenden Ironisierung nicht auch das Staunen seinen Zauber verloren und wurde ersetzt durch den Zweifel?

Da ist auf der einen Seite die Überfülle – das Zuviel an Waren, Zuviel an Informationen –, die jeder schnellen Entscheidung im Weg steht. Welches Joghurt soll ich nehmen von den 47 Sorten, die mich aus dem Kühlregal anlachen? Welche Schule ist die beste für mein Kind? Wohin soll der Urlaub gehen (wenn man sich noch einen leisten kann)? Welche Alternative gibt es zu einem Job, der einem den letzten Nerv raubt? Welche der einander widersprechenden Informationen, die täglich auf uns einstürzen, sind die richtigen? Anzweifeln, zweifeln, verzweifeln. Die Wahl-Möglichkeiten, die das Leben in der westlichen Welt bietet, sind enorm.

Denn gleichzeitig zweifeln wir den Vorteil, den uns all die zu Auswahl stehenden Dinge bringen, an. Oder schlimmer noch, wir verzweifeln an der Uninformiertheit, die zum ständigen Begleiter des modernen Shoppers geworden ist. Hier steht ein weiteres Produkt, dort steht das überforderte und/oder ungeschulte Verkaufspersonal und spult simplifizierte Pseudoinformationen ab. Zugleich wuchert im Internet die Information über alle nachvollziehbaren Grenzen hinweg ins Unendliche. Immer mehr Optionen tun sich auf, immer mehr Entscheidungen sind zu treffen.

So viel Entscheidungsfreiheit war noch nie, flüstern uns die Werbemenschen ein. So viel Schrott, den es unbedingt zu meiden gälte, der aber oft nicht als solcher erkennbar ist, war auch noch nie, sagt uns die Erfahrung, wenn wir beim Tchibo stehen und die Hand schon nach der Anti-Rutsch-Matte für das Ablagefach des Familien-PKW ausstrecken. Kaum hat man sich eine Meinung zu etwas gebildet, eine Entscheidung getroffen, schon erscheint einem ein neuer Aspekt vor Augen, und das Karussell der Entscheidungs-Unfähigkeit dreht sich von Neuem. Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen der Verzweiflung anheimfallen. Der Ausweg: Kaufentscheidungen werden zur Glaubensfrage. Wer sich einmal zu einer Kultmarke bekannt hat, bleibt bei seiner Konsumreligion. Und fühlt sich gut nicht nur, weil die Marke sexy scheint, sondern auch, weil man für sich das Entscheidungsdilemma auf ein Minimum verschlankt hat.

Im nichtmateriellen Bereich macht uns die Überfülle an Informationen und Glaubensmodellen ebenfalls zu schaffen. Sehr viel früher war alles einfach: Was der Fürst und der Pfarrer gesagt haben, hat gegolten. Dann waren es die Partei und der Staatsrundfunk. Aber jetzt, bei allen 999 Satelliten-TV-Kanälen, die man sich ins Wohnzimmer holen kann, bei all den Blogs und Bits und Bytes an Information, die uns im Internet um die Ohren fliegen …? Jetzt stellt sich immer wieder die Frage: Was ist wahr, was tendenziöse Meinungsmache, was überhaupt simple Falschinformation?

Der Zweifel ist der Motor des Wissens, der Stolperdraht des Machens und das Ende des Glaubens. Daher: Zweifeln Sie mit uns. Schreiben Sie über Bauernfängerei und investigativen Journalismus, über den Unsinn von Gewissheiten, den berechtigten Zweifel am Verstand und die Nachteile des kritischen Rationalismus. Schreiben Sie über Entscheidungsunfähigkeit oder darüber, was Sie als schlecht getarnte Lüge entlarvt haben; was Ihnen schon seit Langem befremdlich vorkommt, welche dubiose Verschwörungstheorien sonnenklaren Erklärungen vorgezogen werden und warum. Schreiben Sie über die Vorteile der Selbstgewissheit, über Skepsis als Pose und Wege aus der Verzweiflung.

Die „schreibkraft“ freut sich über essayistische, feuilletonistische und literarische Beiträge zum Thema. Ihre Zusendung schicken Sie uns bis spätestens 2. März 2014 an schreibkraft@mur.at

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