Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

unsachliche, hämische oder anderweitig abfällige Kommentare werden von nun an gelöscht werden. Ich hab eine Tendenz dazu, mich auf Gefechte damit einzulassen; sie ist ungut und hat bei den letzten Mobbing-Unternehmen auch zu Unlust unter Ihnen geführt, die mir gegenüber in einigen Emails zum Ausdruck gebracht wurde. Darauf will ich ebenso Rücksicht nehmen wie auf meine eigenen Frustrationen, die aus solch völlig unergebigen Auseinandersetzungen folgen.
Dies betrifft selbstverständlich nicht Kommentare, die anderer Meinung sind als andere Kommentatoren oder ich selbst. Es geht um den Ton und um die Art, Angriffe unter der Gürtellinie zu führen.

Ihrer aller ANH

Möglichkeitenmuster.

Es soll ein Weg gefunden werden, die Muster abzubilden, die sich in den Möglichkeiten von Welt immer wieder – mal kurzfristig, mal länger, nie je aber bleibend – realisieren. Für die Literatur handelt es sich um Allegorien, für die Kunst um Formen, in der Philosophie und der Psychologie um Wiederholungen von Sinngefügen. Diese Muster sind nicht regelmäßig, sondern sprunghaft, zugleich aber - auf dem Zeitstrahl betrachtet, der eine Ebene ist - kontinuierlich. Was nicht stetig bedeutet, sondern in distinkten Entitäten (Whitehead sprach von „Ereignissen“) in Gestalt rhythmischer Strukturen zur Erscheinung kommt. Sie sind hochgradig kompliziert, da Millionen gleichzeitig ‚klingen’: Gegentakte (Synkopen), lange gedehnte Frequenzwellen und ausgesprochen kurze; den Eindruck des Chaotischen v e r m i t t e l t es nur; tatsächlich scheinen Zusammenhänge zu wirken, die lediglich aufgrund unserer lebensgeschichtlichen Begrenztheit als Zufälle aufgefaßt werden. Wir erleben sie aber hautnah in unseren Familienstrukturen, die ebenfalls Formen haben, die sich über Generationen zu vererben scheinen, vielleicht einmal eine Generation überspringen, dann aber nur um so heftiger wiedergeschehen.
So etwas zu erzählen – rhythmisches, zugleich wechselwirkend mehrfach determiniertes Geschehen, in das wir alle verfallen sind – ist die Absicht der Dichtung. Die Alten sprachen hier mit vollem Recht von Schicksal, dachten sich aber, um es zu fassen, die Götter hinzu, die es lenken. Dadurch traten die Subjekte der Epen in den Hintergrund; es fehlte die Psychologie. Die Moderne und „Nachmoderne“ tritt an, den Gedanken o h n e Götter zu verfolgen – auch wenn das überaus kalt ist oder so heiß, daß man verbrennt. Dies ist die Folge der subjektiven Perspektive: einer auf das Einzelne Bedingten. Die das Leid und die Lust persönlich begreift, so daß aus dem Schicksalsgedanken der des Notwendigen Geschehens, das Harmonie unterstellt, herausgestrichen wird. Harmonie wirkt eben n i c h t, sondern pure Sukzession: Unumkehrbarkeit.
[Poetologie.]

Google. Die Dschungel. 31. 3. 2006, 23.50 Uhr.

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Normative Aussagen. Zur Argumentationsstruktur.

Zur Bedeutung >>>> solcher Stellen und normativer Aussagen in anderen Erzähl- sowie theoretischen Texten wie insgesamt in Der Dschungel:
Es geht nicht darum, ‚Wahrheiten’ zu vertreten, sondern Haltungen in Sprache und Imagination zu nehmen, die in andere Haltungen eingebettet sind und mit ihnen interagieren. Die oft schroffe Formulierung weiß sehr genau, daß sie in einem Zusammenhang steht; ihre Schroffheit reflektiert indes, daß abgewägteres Behaupten sich a l s A r g u m e n t schwächt. Es ist immer mitgedacht, daß von anderer Seite Gegenargumente kommen werden – aber in der Aussage bewußt nicht vorherberücksichtigt. Sondern eine mögliche Wahrheit soll und kann sich erst aus dem Zusammenspiel mit jenen ergeben. Vielleicht nicht einmal für sich selbst (vielleicht aber doch), wohl aber für die Leser.
Dieser Gedanke bestimmt in Der Dschungel beinahe alles, ausgenommen >>>> das Tagebuch. Er hat im übrigen auch eine allgemein- und tagespolitische Implikation: Demokratie funktioniert dort gerade nicht, wo die eine Seite subjektiv ganz zurecht und sehr nachdrücklich ihre eigenen, auch privaten Interessen vertritt, die andere aber die ihren dadurch modifiziert, daß sie die Interessen der anderen immer gleich die eigenen abmildern läßt; sie schwächt sich dadurch sowohl in der Argumentation als auch in der öffentlichen Positionierung. Zu einem ‚gerechten’ Ausgleich der Kräfte - oder zu einem alle Seiten bedenkenden Kompromiß - kann es dann gar nicht mehr kommen, weil der Auseinandersetzung der Argumente einseitig und selbstverschuldet das Gewicht genommen wird. Genau aus diesem Grund, weil etwa Alice Schwarzer das wußte und berücksichtigt hat, waren die ersten Forderungen und Haltungen der Frauenbewegung derart scharf, bisweilen auch grausam („Wenn du versehentlich schwanger wirst, dann spring doch einfach vom Tisch“ – sowas und ähnliches fand sich anfangs - es ging seinerzeit um den § 218 - in der EMMA). Es war aber genau diese auf den ersten, nämlich nicht-taktischen Blick unmoralische, unerbittliche Haltung, was schließlich die Bewegung überhaupt merkbar machte und ihr Kraft verlieh.
Hiergegen hat gerade die politisch-bewußte, moralische Haltung vieler Intellektueller und Künstler ihnen das politische Gewicht entzogen. Noch, wenn ich selbst zur Wahl gerufen bin, denke ich mehr an allgemeine Güter („rettet die Wale“) als an mein eigenes Interesse (etwa die Frage der Mehrwertsteuer für Künstler, die von der Steuergesetzgebung als ‚Unternehmer’ behandelt werden); eine Zeitlang streikte ich sogar mit, da war ich so um die 25 und der Verband Deutscher Schriftsteller Teil der IG Druck, wenn es um Arbeitsplatzverbesserungen der in der Druckindustrie Angestellten ging. Absurderes läßt sich kaum denken, zumal umgekehrt kein Drucker oder Setzer je seine Arbeitsstelle bestreikte und bestreikt hätte, wenn es um Arbeitsbedingungen von Künstlern ging. Noch heute wählen die meisten Angestellten und Arbeiter mit Focus auf ihre Arbeitsplatzsicherung - also im Interesse ihrer Arbeitgeber - und durchaus nicht in Hinsicht auf ökologische Faktoren oder gar die Abhängigkeitsstrukturen der sog. Dritten Welt von der sog. Ersten. Viele Intellektuelle halten das anders; sie haben im Auge die Zerstörung der Umwelt u.ä. und nicht das eigene ökonomische Interesse. In einer von (kapitalistischer) Ökonomie geleiteten Welt schwächt aber gerade das ihre Position, und sie werden zu einem das Spiel allenfalls garnierenden Ball, den man nach je opportunem Gutdünken mal nach hier, mal nach da kicken kann und dessen gesellschaftliche Bedeutung deshalb gegen Null geht.

Altes Europa. Argo. Anderswelt. (226).

„Das Alte Europa stirbt“, sagte Maßmann, „es stirbt als Kulturraum, und seine Menschen sterben mit. Wahrscheinlich wird Allegheny aufsteigen oder die Church of latter-day saints oder beide, kann aber sein, daß der Islam die Gegenmacht stellt. Wir Europäer tun das ganz sicher n i c h t mehr.“

>>>> ARGO 227
ARGO 225 <<<<

ERSTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (3. 5. 2006).

Den Zug pünktlich lurz vor 5.55 Uhr erreicht. In Frankfurt am Main dann erzeugt die Bahncard 100, die mir für Bamberg ein Mäzen vorfinanzierte, der ungenannt bleiben will, ein enormes Freiheitsgefühl, da in ihrer Leistung auch die Öffentlichen Verkehrsmittel der meisten Städte beinhaltet sind: Nicht nur steigt man nun, wie und wann und wie oft auch immer in das bundesdeutsche Eisenbahnnetz, nein, man muß sich auch nicht mehr um Fahrkartenautomaten oder sonstwie Tickets kümmern, sondern setzt sich in irgend eine U-Bahn und fährt einfach weiter und/oder herum. Das ist mehr als nur fein.
Auf diese Weise zum hr. Leukert holt mich aus dem Foyer, wir plaudern etwas im Casino, dann geht’s ins Studio, wo er mir teils aufspricht, was er mir an Fragen zu Verbeen bereits geschrieben hatte, teils spricht er noch einmal aus der Erinnerung, wirkt aber vorm Mikro sehr gestellt; wir probieren etwas herum, haben das Studio grad eine Stunde; das Material reicht mir schließlich, ich werde eh collagieren. Schon weiter zum Bahnhof zurück.
Kurz vor fünf komme ich dann beim SWR in Baden-Baden an, Walter Filz (der zuständige Redakteur, der mir Verbeen überhaupt erst nahegelegt und mich mit dieser Arbeit beauftragt hatte) bringt mich ins Studio. Prodtag-I-Verbeen-1Er stellt mich den beiden Technikerinnen vor, da stehen auch schon die Schauspieler vor der Tür, die die aus dem Holländischen Italienischen Portugiesischen übersetzten Partien sprechen sollen. Schließlich Wyprächtiger, dessen Stimme tatsächlich so nahe an Verbeens herankommt, daß man auch ihn – neben den ausgesprochen kultivierten Parts, die in Berlin bereits >>>> Otto Mellies sprach - ohne weiteres zweidrei Verbeen-Texte aufnehmen lassen kann; überdies hat er - vor Jahrzehnten allerdings - einige Zeit bei den Tuaregs in der Wüste verbracht und steht Verbeens Orientneigung nah. Das wußte ich vorher nicht und bin nun mehr als beglückt. Der alte Herr wird hinterm Mikro ungeheuer präsent. Prodtag-I-Verbeen-2Später sitzen wir noch auf ein Päuschen im SWR-Foyer beisammen (zum Rauchen muß ich immer auf die Terrasse).

Folgender Dialog:
Toningenieurin Hesse: „Wie ist der Tannenhof denn geworden?“
Hans Wyprächtiger, hochmelancholisch: „Neu.“

(Der Tannenhof ist das Hotel, in dem die Sprecher untergekommen sind und das soeben renoviert worden ist.)

Weiter geht’s. Christoph Hagin kommt, um Thelen-Zitate einzusprechen, schon ist auch Beatrice Kessler da. Anders als bei >>>> SAN-MICHELE oder meinen sonstigen bisherigen Hörstücken, ist d i e s e Arbeit kleinteilig, modular; nie sind alle Sprecher beisammen. Aber es geht ja auch nicht um ein Schauspiel fürs Ohr, sondern es soll eine künstlerische Montage werden, und ich möchte erst einmal den dokumentarischen Character bewahren, um dann später über die hinzugefügten Musiken das Ganze umzuformen. Zwischendurch werden immer wieder meine O-Töne und die vielen Ausschnitte aus dem Archivmaterial sowie die von mir vorbereiteten Musiken ins System eingespielt. Leider geht das hier nicht so einfach wie beim Berliner Deutschlandradio, nämlich nicht als Dateien, was sehr viel schneller ginge, sondern nur in Echtzeit; das hat freilich den Vorteil, daß man von Anfang an immer genau hört und nicht erst dann, wenn die Töne bereits angelegt sind und zugemischt werden.
Schließlich spreche ich noch meine eigenen Kommentar-Partien; hierbei hören – als quasi-Regie – die beiden Damen korrigierend mit, und sie greifen auch, sich zunehmend engagierend, gut und streng ein, während ich in einem der angeschlossenen Kabinen sitze, das Mikro und den Text vor mir. Es ist bereits 23 Uhr, als wir damit fertig sind. Noch ein Päuschen, dann beginnen wir, die noch ungeschnittenen Berliner Aufnahmen Otto Mellies’ durchzuhören und zu putzen. Gegen Viertel nach zwölf sind wir fertig damit, ich telefoniere um ein Taxi und bin dann auch recht schnell im Hotel, wo mir nach einem letzten Bier ist. Irgendwelche Filmleute stehen in dem eher kleinen Raum herum; parallel werde nämlich, erzählten mir nachmittags Taxifahrer, in Baden-Baden ein kleiner Filmkongreß abgehalten. Auf dem Tresen der Bar notiere ich, was mir für morgen wichtig ist, ins Notizbücherl.Prodtag-I-Verbeen-3

[Dies ist/wird der 4000. Eintrag in Der Dschungel.]

ZWEITER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (4. April 2006).

Ob das so eine arg gute Idee war, das Interview mit Markwart in einem Café zu führen und dort auch aufnehmen zu lassen, sei erst einmal dahingestellt, zumal uns aus dem ersten Café der Inhaber nach ungefähr einer Stunde hinauswarf, weil er um sein Abendgeschäft fürchtete. Es hätte einfach zuviel Zeit gekostet, nun d o c h ins Studio zu fahren, zumal wir die ganzen ersten takes hätten wiederholen müssen und das Studio obendrein für einzwei Stunden anderweitig vergeben war. Also wechselten wir in ein nächstes Café, da g i n g es dann auch einigermaßen. Die Töne später, als wir sie im Funk einspielten, waren auch besser, als ich befürchtet hatte; ich ließ sie erst einmal weitgehend schmutzig, habe dann die Irritationen aber verstärkt, indem ich Robert Hunger-Bühler einzelne Passagen parallelsprechen und das daruntermischen ließ: Es ergibt nun einen sehr bemerkenswerten Klang: spitze Irritationen, die sowohl zu Verbeen passen als auch zu Markwart, der ein älter, bisweilen sehr langsamer Herr ist; weil ich um die Zeit fürchtete, bat ich ihn, schneller zu sprechen: da begann er zu jagen, und ich mußte immer wieder bremsen. Was jetzt noch auf den Bändern ist, später aber herausgeschnitten werden wird. Für die >>>> Pirandello-Produktion, seinerzeit, hätte ich genau so etwas brauchen können.
Ich hatte ein Foto von der Café-Situation machen wollen, aber Markwart wurde eigenartig scheu, so daß ich drauf verzichtete. Statt dessen bekommen Sie hier eines noch einmal der Arbeitssituation im Studio. Prodtag-II-Verbeen-2Gegen neun war Hunger-Bühler dann da, sprach seine Parts erst etwas fahrig, dann zumehmend in der Rolle, schließlich begeistert. Schon war Gempart da, der sich ausgesprochen vorbereitet hatte und die hübsche Macke kultiviert, daß er sich seine Sprechparts immer mit Schere und Klebstoff direkt vor dem Sprechen zurechtmontiert.
Prodtag-II-Verbeen-3Prodtag-II-Verbeen-4
Er sprach dann jeweils göttlich drauflos. Nur selten mußte ich bremsen. Insgesamt haben wir alle viel gelacht, auch die beiden Damen der Technik. Um kurz nach 24 Uhr beschlossen wir den Tag, die Damen „backupten“ noch die Arbeit, Hunger-Bühler, Gempart und ich zogen nach nebenan in den Tannenhof, wo wir bis halb drei Bier tranken und über Peter Stein sprachen, über Schlingensieff und das Theater im allgemeinen, über die Oper usw. Und auch Hunger-Bühler will jetzt meine UNDINE lesen. Gempart wiederum hatte sich eine CD-Kopie des SAN-MICHELE-Stücks gewünscht. Ich brannte sie ihm am Tisch der Hotelbar.

Es entstehen starke gegenseitige künstlerische Nähen; vielleicht habe ich bald tatsächlich einen „Stab“ von Schauspielern, mit denen ich meine Projekte lange im voraus besprechen und für die ich sie direkt schreiben kann. Das wäre ein Traum. Hunger-Bühler: „Ich finde das ganz erstaunlich; Sie arbeiten ja jetzt schon fast nur mit der allerersten Garnitur.“ Er hat recht, aber mir war das so deutlich vorher noch nie aufgefallen. Gutes Gefühl.

DRITTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (5. April 2006).

Prodtag-III-Verbeen-1. Das ist tatsächlich geschafft, daß die Sprach-takes gesäubert, zubereitet und angelegt sind. Wir liegen etwa eine Viertelstunde über dem Darf. Das ist jetzt rigoros runterzukürzen. Aber welch ein Gefühl das ist, wenn einem die Lautsprecher zum ersten Mal alles erzählen! Und dann erzählen sie einem, daß man auf die Musik verzichten muß! Daß alles, was von den Aussagen Interviews Telefonaten wegführt, auch von dem Stück selbst wegführen würde...
Walter Filz hatte schon einmal in diese Richtung (wenn auch eine andere) gewiesen, als er sagte, er fände das gar nicht so richtig, ließe ich Verbeen-selbst sprechen, Archivmaterial nun hin oder her. Ich meinerseits f a n d und finde es nach wie v o r wichtig, daß man ihn auch h ö r t, diesen Gestus hört, dieses Unbedingte hört, mit dem er so rigoros durchs Leben stapfte. Dennoch hatte Filz die richtige I n t u i t i o n; so lasse ich Verbeen jetzt zwar tatsächlich aus dem Archivmaterial reden, ABER: seine S e e l e spare ich aus, die selbstverständlich viel mehr in der Musik und seinen eigenen Kompositionen zugegen ist als in irgend einem Text. Die Mitte Verbeens ist die Musik, und gerade d a s darf nicht genannt sein und nicht Ton werden. Doch bedeutet das eben a u c h: radikal zu sein auch gegen mich selbst, gegen meine eigene Neigung. Denn selbstverständlich wären alledie Musiken, die ich in der vergangenen Woche geschnitten habe, zusammengestellt habe, herausgesucht habe, wunderwunderschön gewesen. Wollen aber Ästhetik und Wahrheit etwas anderes, dann m u ß ich drauf verzichten, auch auf die virtuosen Spiele verzichten, mit denen ich meine Hörstücke so liebend gerne binde. Das ist ein wenig schmerzhaft für mich, sicher; es kommt darauf jedoch nicht an.
Jetzt hab ich wirklich etwas gelernt. Und die Arbeit an den Musiken und Schnitten in Berlin war n i c h t umsonst: wie Obertöne wird sie in ihrer Aussparung mitklingen. Sowieso.

N o c h etwas hat mich frappiert. Wenn ich mir die Interviews Chagai Verbeens nun einmal im Zusammenhang anhöre, wird mir ein wenig schaurig zumute. Was für eine schreckliche Cosima Wagner sie offensichtlich nach dem Tod ihres Mannes geworden ist! Welch eine Alma Mahler! Jetzt, im Abstand dieser ersten provisorischen Montage, wird das vollkommen klar. Sie hatte a l l e am Schlafittchen, Markwart, sogar Carlson... und, bis eben, die ganzen letzten Wochen über, posthum auch noch mich. Vielleicht läßt es sich s o sagen: Sie hat sich, auf ihre Weise, an Verbeen gerächt. Hat sich für seine vitalistische Dominanz gerächt. „Ich habe sie ja sehr bewundert, diese Frau Chagai Verbeen“, sagt Carlson einmal, und man hört, wie sehr er an ihr hing; ganz genauso Markwart, den sie doch offenbar - „kühl“ nennt er sie - kaum eines Blickes gewürdigt hat über all diese Jahre, den sie, als er sich über Verbeen promovierte, sogar durch Entzug behinderte. (Es wird Markwart nicht gefallen, daß ich dies schreibe, und vor allem, daß man das durch die Montage der Sprechtakes so gnadenlos hört. Aber es springt einen aus Frau Verbeens Radiointerviews im Zusammenhang mit allem anderen Material nachgrade an.)Prodtag-III-Verbeen-2

VIERTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (6. 4. 2006).

Die Entscheidung war richtig: keine Musik. Das bestätigte sich, als ich tagsüber an der Bar im Tannenhof die bisherige Arbeit abhörte und meine neuen Umstellungen und Striche im Typoskript notierte. Im Funkgebäude selbst tat ich das nicht, weil man dort in keinem Zimmer rauchen darf. An die zwölf Minuten jedenfalls kürzte ich aus der Arbeit hinweg. Prodtag-IV-Verbeen-1Einige Blöcke wurden anders geordnet; die modulare Arbeit, die ‚von Natur aus’ eher kleinteilig ist, unterscheidet sich ausgesprochen von der meiner anderen Hörstücke, die immer organisch produziert wurden, nämlich in einem chronologisch den Typoskripten entspechenden Ablauf unter Anwesenheit sämtlicher Sprecher zugleich. Hier, wegen der einzuschneidenden Archivaufnahmen, der AußenInterviews usw. ähnelt das Arbeitsverfahren demjenigen beim Film. Für mich ist das völlig neu, aber eben auch spannend, weil ich nun auch d a s lerne und immer ziemlich schnell über die Techniken dann auch verfüge. H a t was. Gestern nacht sprach Toningeneurin Hesse davon, wir müßten die Schnitte schneller machen; die Technikerin bestätigte sofort: „weil die Musik fehlt“; es ist alles rein nackt aufeinandergeschoben, da gibt es kein anderes Schmier- und Gleitmittel als das reine Material selbst. Also lasse ich nun bisweilen mitten in ein Gespräch, ja in einen Satz hineinschneiden und lasse die überhängenden oder vorhängenden Satzteile jeweils im Orkus verschwinden. Dadurch bekommt das Stück einen enormen Rhythmus, aber es werden auch Typoskriptstellen sehr deutlich, die nicht gut genug gedacht sind, also Fehler. Das wiederum führt zu notwendigen Umordnungen der Sprachmodule usw. – bis schließlich das bestmögliche Ergebnis erreicht ist. Wobei ich, etwa in den Interviews, viele Versprecher, Huster usw. nicht aus der Datei herausschneiden- sondern stehenlasse; dasselbe gilt für technische Störgeräusche, die sich auf den alten Bändern finden, auch fürs Bandrauschen, das man heute, im digitalen Zeitalter, gar nicht mehr kennt. Ich filtere das n i c h t, ganz bewußt nicht, damit sich so etwas wie, sagen wir, strukturierende Klangfarben ergibt, die für den Hörer unmittelbare Orientierungshilfen sind. Denn ich habe zugleich alle Namen, also Verweise, gestrichen, egal ob Thelen Markwart Verbeen-selbst. Wer Sprecher (Schauspieler) und wer Originalstimme ist, ist nicht mehr kenntlich.
Etwas heikler war der Mitschnitt meines ziemlich mißglückten Telefonates mit Nasrin Verbeen, da haben wir ziemlich prokeln müssen; ich hab sogar einige meiner Passagen nachgesprochen, um Verzerrungen auf meiner Aufnahme zu ersetzen. Was dann wieder zu einer ganz anderen Asymmetrie geführt hat: ich klang plötzlich wie im Studio aufgenommen (was ich ja dann auch war, aber in der ursprünglichen Situation eben nicht gewesen bin). Wir haben dann eine Art Kompromiß gefunden.
Offen bleibt bisher, ob ich unter die Absage des Stückes nicht doch noch eine Verbeen-Musik lege; ich habe aber eine ganz andere Idee, die allerdings nur indirekt mit Verbeen zu tun hat: im Glauben. Na, wir werden sehen. (Beim Mittagessen entstand die Idee, zu Verbeen-als-Komponisten ein zweites poetisches Feature zu schreiben; darin fänden dann auch meine Schnitte und Zusammenschnitte Verwendung).
Bis nachts Viertel vor eins haben wir gearbeitet, die Damen überzogen, ohne auch nur eine Bemerkung, ihre Schicht. Auch das ist eine mir immer wieder bestätigte Erfahrung, seit ich selbst Regie führe: Sind alle Beteiligten mit Lust und Wille bei der Arbeit, wollen also alle, daß sie wirklich gut wird, dann kommt es auf Äußerlichkeiten nicht mehr an, auch nicht auf tarifliche oder sonstwie arbeitsrechtliche Fragen. Sondern jeder ist i n dem, was alle zusammen schaffen wollen – und sind beglückt, wenn es gelingt. Glück nämlich ist keine Kategorie des Pragmatismus, es wird einem durch Verträge nicht zuteil: Man kann es nicht regeln.

FÜNFTER PRODUKTIONSTAG VERBEEN (7. 4. 2006).

Fast zweimal über den Tag die Vorarbeit von gestern abgehört und drei Listen für notwendige Korrekturen geschrieben: vorabends eine kurze an der Bar ins Notizbücherl, beim ersten Durchgang eine lange mit über vierzig Punkten- Prodtag-V-Verbeen-4-beim zweiten Duchgang eine wieder kürzere. Konnte übertag in Walter Filzens Büro im SWR arbeiten, da er um 12 zu seiner Familie heim nach Köln fuhr; in seinem Redaktionszimmer darf man rauchen, das hat er bei Stellenantritt durchgesetzt. Prodtag-V-Verbeen-1Bis kurz vor fünf hörte notierte skizzierte ich durch, dann begab ich mich zu Studio 7, bewaffnet mit einer Tüte voller Käse und einem Baguette, zwei Flaschen Bier für mich selbst, einer Flasche Sekt für nach dem Abschluß der Arbeit.
Es ging sofort und sehr konzentriert los: Atmos und Töne waren unterzulegen, zweidrei Partien zu kürzen; ich wollte etwas wieder hineinnehmen, das wir ganz zu Anfang schon gestrichen hatten. Dann ging es mit meinen drei Listen los: Punkt für Punkt wurde bearbeitet, einen Strich nach dem anderen machte ich durch meine anmerkenden Sätze. Die Zeit verflog und flog: plötzlich war es schon halb neun, und keiner fragte nach einer Pause. Es war sogar noch so, daß die Tontechnikerin, Sonja Röder, von sich aus noch einmal sämtliche Schnitte durchhörte und perfektionierte. „Das soll doch k l i n g e n!“ sagte sie und surfte auf den Tasten der Maschine herum, daß einem schwindlig werden konnte. Ich bin von Professionalität absolut fasziniert, zumal wenn sie sich mit Virtuosität und inhaltlicher Kenntnis paart. So genau war das nun. Um neun begannen wir zu mischen, das brauchte bis fast elf. Die Toningenieurin, Ute Hesse, fuhr vieles per Hand ein, also per Ohr, muß man sagen; alles hoch konzentriert. Prodtag-V-Verbeen-2Dann erst war es so weit, und das Stück wurde ins System eingespielt. Immer wieder, da dies alles in Echtzeit geschieht und das Gerät mitläuft, mußten wir auflachen bei bestimmten Wendungen, bei diesen Sprecheigenheiten Thelens oder auch, als in seinem Radiointerview C a r l s o n plötzlich so lachen muß. Aber ich mag nichts verraten hier, sonst nehme ich Ihnen die Freude. Am
30. April 2006
18.30 Uhr
SWR 2
wird das Ding ausgestrahlt werden. Hören Sie sich’s erstmal an.
Uns allen dreien hingen die Augen, als dann gegen zwei Uhr nachts die beiden CDs gebrannt waren – vier CD’s, zwei pro „Partei“ (den Sender, mich), weil es ja neunzig Minuten sind. Es war eine gute Arbeit, diese Woche war g u t e Zeit. Sekt gab's und Käse zum Abschied.Prodtag-V-Verbeen-3

Perfidie & Korruption ODER Anti-Gender, genetisch.

Was bei Männern korrupt ist, ist bei Frauen oft perfide. Das ist ein Unterschied nicht nur in moralischer Hinsicht. Denn diesen dient die Perfidie letztlich der objektiven Art-Erhaltung (ich schütze, koste es, was es wolle, mein Kind), jenen aber die Korruption dem subjektiven Machtgewinn. Das eine ist bewundernswert, das andere erbärmlich. Der Unterschied zwischen Frauen und Männen besteht und ist n i c h t nur graduell: Kein Mann langte je an die Raffinesse noch der einfachsten Frau; Männer sind fast immer grob, Frauen hingegen differenziert, und zwar auch da noch, wo sie Verbrechen begehen.

(CCCLXXVIII).

[Möglicherweise haben Frauen das aber nicht zu verteten, heißt: es kann vielleicht nicht ihrem ‚freien Willen’ zugeschrieben werden. Möglicherweise wirkt ein genetisches Programm, und zwar auch ersatzhalber, also wenn sie gar keine Kinder haben. Dennoch kann, wer das Leben w i l l, nur begeistert sein von so viel anbetungswürdiger BehauptungsKunst.]

Sprecherkunst.

Es ist ein Irrtum zu glauben, der literarische Text sei dem gesprochenen Wort anzupassen, sondern er hat ganz dem künstlerischen Zusammenhang zu dienen, muß synkopiert, ausgehorcht, ja möglichst künstlich (also kunstvoll) sein, wenn er sich nicht dem Allgemeinen Gefälligen andienen will. Die Kunst des Sprechers wiederum besteht genau darin, die komplexen Sätze auf eine Weise zu intonieren, als w ä r e n sie gesprochenes Wort, ja Umgangssprache. Das gilt für den Romantext ganz ebenso wie für die Partitur eines Schauspiels, ja selbst für den rezitierten Hexameter. Wenn das gelingt, ist sowohl der Dichter in seiner Kunst geblieben, der er verpflichtet ist (er ist es nämlich n i c h t dem Rezipienten, sondern rein ihr), als auch der Sprecher (Schauspieler) g u t: Hier verbinden sich beider künstlerischen Interessen.
[Poetologie. Notat nach einem
der Gespräche mit Robert Hunger-Bühler.]

(Übrigens läßt sich ein Gleiches vom Verhältnis des Lesers und des Romanautors sagen. Es gibt nicht nur d e s s e n Kunst, sondern auch die Lesekunst des Lesers, hinter der ein Rezeptionswille steht, der letztlich ein Wille zur Lust ist, Wille zur Erkenntnis, Wille zur Einfühlung: Nähe, nicht Abwehr. Dienert sich der Künstler hingegen dem mainstream an, erfüllt er also absichtlich Erwartungen, dann hat er seine Kunst verraten, kurz: dann ist er korrupt. Und zwar in jedem Fall.)

Den Körper aus der Haut reißen. NACHHALL (12. April 2006).

Lesung und Gespräch
mit
Monique Schwitter und ANH.
Moderation: Katharina Döbler.


11. APRIL 2006.
20 Uhr.
Literaturwerkstatt Berlin.
Kulturbrauerei.
Knaackstraße 97 (Prenzlauer Berg).

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N A C H H A L L
Lesung-Litwerkstatt-110406Also voll war’s n i c h t grade, sowas um 30/35 Leute, aber interessiert. Schöner, mit Situationshumor gewürzter Text von >>>> Monique Schwitter und eine kluge These Katharinna Döblers: in unserer Generation, ihrer und meiner, spielten Grenzüberschreitungen eine Rolle, in derjenigen Schwitters werde viel mehr in den Grenzen des Alltags ausgehorcht, was gehe; die Grenzen seien dort akzeptiert. – Es ist sicherlich etwas daran, wenn es auch gerade nicht für die Literatur stimmt; denn die sei, wandte ich ein, bei den Nach68ern ja nun eher von, gerade auch ästhetisch gesehen, realistischen Konzepten bestimmt worden oder von solchen Unsäglichkeiten wie jener „Verständigungstexte“ genannten Serie bei Suhrkamp. Das gehe doch so bis in die Achtziger Jahre. Aber persönlich, entgegnete Döbler, sei das eben anders gewesen, da habe man gespürt, daß jetzt ‚fast alles möglich sei’, und das habe man auch ausprobiert.
Ob das nun stimmt oder nicht, so vergleicht sie doch Äpfel mit Birnen. Denn bei Schwitter und etwa Gleichaltrigen machte sie die Grenzakzeptanz gerade in der Literatur aus, bei ‚unserer’ Generation aber im Leben. Witzig ist dabei, daß sie als literarische Beleg für ihre These nun ausgerechnet m e i n e Literatur hernahm, die sich aber gerade doch dadurch characterisiert, daß sie so ziemlich eigene Wege geht und die Nach68er Ästhetik eben n i c h t mitgemacht hat, und zwar nie. (Entsprechend nannte Döbler, die seinerzeit THETIS ziemlich gut für DIE ZEIT rezensierte, das ANDERSWELT-Projekt einen ‚ausgesprochen einmaligen Roman’ in der deutschsprachigen Literatur. Was ehrt, aber ebenfalls nicht ganz stimmt, weil es Arno Schmidt unterschlägt, Niebelschütz unterschlägt, Wilhelm Muster unterschlägt – und einige mehr. Von denen, die man vergessen gemacht hat, will ich nicht reden, weil sie ja eben vergessen s i n d und niemand sie kennt.
Mir fiel an Schwitters Text auf, und ich notierte das, während sie las, wie einfach und wie geradezu automatisch Wiedererkennbarkeit wirkt, wie sehr sie die Menschen (in diesem Fall die Hörer) anspricht, wie nah ihnen das Vertraute auch dann ist, wenn sie das Vertraute nicht mögen, und daß sie nach diesem Vertrauten ganz offenbar verlangen. Schon bei Burkhard Spinnens Texten war mir dieser große Erfolg immer ein Rätsel: Da hat man Jahre der Adoleszenz und der Reife durchgekämpft, um endlich den kleinbürgerlichen Mief der Elternhäuser zu verlassen, und dann, später, tut man ihn sich in Gestalt von Romanen wieder an. Meine eigene Bewegung war so ganz anders, mich hat immer das Fremde gelockt, das Unsichere Nichtvertraute, und dem versuche ich, schreibend näherzurücken, es zu öffnen und hineinzusehen.
Guter Einwand vom Profi, der später zur Lesung hinzukam: Na ja, das mit den Möglichkeiten, die nach 68 plötzlich offengestanden hätten, sei so eine Sache: nämlich allenfalls für ein paar Studenten und sonstige Intellektuelle, an der Bevölkerung insgesamt sei das indessen fast spurlos vorübergegangen und insofern kaum von gesellschaftlicher Relevanz. Aber auch die anderen hätten sehr schnell das Beharrungsvermögen des Kapitels gespürt, das auf die im 18. Jahrhundert begründete Bindung von Kapital an Grund und Boden gestützt gewesen sei; man habe eben n i c h t leicht etwas verändern können; deswegen sei es eben auch sehr schnell zur ersten Bildung der Stadtguerilla gekommen.
Der Einwand sprengte die Diskussion... nein, er ließ sie zerbröseln. So zogen wir dann in die Kneipe. Die Flasche Weines, die Sie hierüber sehen, war allerdings v o r der Lesung entplompt.

Skamander (ff). Gestaltenwandlung. Industielle Landschaft. Argo. Anderswelt. (227).

„Skamander kann a l l e s sein“, sagte Brem, „kann die Gestalt jedes Geschöpfes annehmen.“
Weil er, dachte ich, eine Essenz jeglichen Geschöpfes war: Flüssigkeit, das fließend Unstete, das wir eben a u c h sind und gegen das Präsident Ungefugger und mit ihm seit jeher die Menschheitsgeschichte angetreten war, es zu wandeln ins Ewig-Bleibende Verläßliche. Skamander war, dachte Cordes am Küchenfenster, der grausame Aspekt, der brutale Aspekt dieses Flüssigen: er stand für Trennung und Verlust und Qual, für amputierte Beine, für zerschossene Mägen, für die im Kindbett verstorbene Frau, das verhungernde Kind, von dem man, so dünn ist es mittlerweile, nur noch riesige Augen sieht. Skamander war die Personifizierung der Fühllosigkeit von Natur; d a s machte ihn monströs, nicht seine Gestalt. Freilich war die Monstrosität Ungefuggers-im-Lichtdom nicht geringer, sie war nur ein anderer jener Pole, zwischen die das sich ständig wandelnde Feld der Evolution vorwärtsspülend gespannt ist, und sie selbst bewegen sich m i t: paar Surfer darauf, paar Surfer darunter, die meisten übrigen – welches wirklich die meisten m e i n t, das „übrige“ in der Formulierung ist zynisch – zappelnd davongerissen im Strudel, und von denen der Großteil ersoff.
Unheimlich war’s in der Gegend, unheimlich still, unheimlich lag der Gestank dahingerotteter Gerätschaft in der Luft, unheimlich lag das 20-Kilometer-Loch des verwesenden Sees, standen die Monstermörser für den industriellen Abfall, hing wie Lavazapfen das zäheCyanidharz aus den klaffenden Röhren , standen verlassen Caterpillars und die sonstigen Baumaschinen: spitze ausgehungerte Kranarme; dazu ein aus vertrockneten und gepreßten Leichen gekieselter Schotter. Und nirgendwo ein Mensch. Man spürte, wie diese industriell ruinierte Restlandschaft nach dem Wasser s c h r i e nach F l u t e n: Mach mich hinweg! schrie sie, Überspül mich! mach mich vergessen-ergessen-gessen-essen: das mehrfache Echo eines verstummten, aber um so tiefer spürbaren Tinnitus’ aus Zerfetzung Not Ekel Selbstekel - - alles alles Verlust.

>>>> ARGO 228
ARGO 226 <<<<

Der kybernetische Raum ist.

Vierte Natur.

(CCCLXXIX).

Wenn ich mein Kind anschaue.

(S o l c h e Evidenz!: Sexualität ist heilig*. Dagegen ist Gott eine Sünde.)

[*) In j e d e r Spielart, auch in der, die kinderlos
bleibt. Denn in dem Ritual schwingt immer die Schöpferkraft
m i t. Es feiert sie. Das ist die Erklärung für den
Rausch und, n a c h den Explosionen, die Ermattung: es ist der
Nachhall:: glückhaft wurde Leben verausgabt. So oder so.]

Erde. Alma Mahler-Werfel.

Nein, ich glaube, Alma Mahler war E r d e für diese Männer, d a lag ihre Kraft. Aber Erde ist hingegossen, sie liegt und ruht, während sie sich verändert; sie ist imgrunde die Aufhebung von Wille, ist ein purer, aber gerade deshalb so großartiger Prozeß. Künstlerische und intellektuelle Arbeit hingegen ist ohne Wille (etwa Disziplin) nicht möglich. Sie ist die andere Seite der Erde. Nur: Was g i l t, wer solche Erde ist, unter den Intellektuellen? Insofern mag Alma Mahlers Beharren auf ihrer eigenen künstlerischen und denkerischen Selbständigkeit, so schwach sie immer auch war, ein nötiger Schutz gewesen sein, den wiederum ihr stupender Machtwille schützte.

„Dann geht’s seinen sozialistischen kybernetischen Gang.“

Sie k ö n n e n nichts beschleunigen, es gibt keine Ansprechpartner, sondern alles ist ein automatisierter Prozeß. Wenn Sie da eingreifen, hindern Sie nur erst recht noch den Ablauf, und jeder Angestellte, der Ihnen von sich aus helfen wollte, täte das dann auch. Sie können jetzt nur warten, bis das Programm reagiert. Dann geht alles seinen Gang.“
Aus einem Gespräch mit einem Mitarbeiter von >>>> STRATO.

Maschinenwirklichkeit. Und in der Matrix der Mensch, dessen Geworfenheit sich im technologisch-zivilen Fortschritt verdoppelt. Heidegger, kybernetisch.

Morgengang. Oder: Katanga schießt vom Hochsitz.

Morgengang-110405

Volker Weidermann (2), der Herr Hage und Thor Kunkel. Oder: Wie passe ich die Literaturgeschichte meiner Nichtkenntnis an, insofern sie nicht kennen w i l l.

Es kommt ihm offenbar „generierend“ von „Generation“. Zwar sprach er von meiner Arbeit >>>> dort noch als von entweder den Erzeugnissen einer „gewaltigen Plaudertasche“ oder aber, es seien „Meisterwerke eines großen deutschen magischen Realisten“; diese Möglichkeit von Meisterschaft war ihm indes nicht Grund genug, auch nur den WOLPERTINGER zu erwähnen in dieser Literaturgeschichte, die derzeit solch gschaftlhubrisches Aufsehen macht; man geht halt nicht gern Risiken ein, die sich zudem gegen den Zeitgeist stemmten. Und von ANDERSWELT will ich ganz schweigen, so etwas ist jenen verständlicherweise ein Dorn im Auge, denen es auf lockre Rezipierbarkeit ankommt – also auf das, was derzeit unter Realismus so verstanden wird. Deshalb will ich in meinem Falle gar nicht nölen, ich bin es eh gewohnt und weiß, daß hinter neuer Geschichtsschreibung meist ein außerliterarischer Herrschaftsanspruch steht, der sich durchsetzen will. Und sich sofort zum Mitläufer schart. Dessen Einlassung zu Thor Kunkel stellt denn auch klar, w a s hier goutiert wird.
Im Falle a n d e r e r aber m u ß ich klagen. Und es sei das Ihres Divertmentos zuliebe in Form eines kleinen Mailwechsels getan, der heut von da nach hie und immer wieder zurückging:


PD an ANH:
>>>> det kommentiert sich selba.

ANH an PD:
Die Bemerkung Hages zu Kunkel macht die ganze Richtung klar.

PD an ANH:
ich würde statt richtung armseligkeit sagen.

ANH an PD:
Steht eigentlich Niebelschütz drin bei Weidermann?

PD an ANH:
rat mal... natürlich nicht. der übersicht halber: unter n gibts nur einen: nadolny. also auch keinen nossack, neuss, helga m. novak, neumann, von sowas abgelegenem wie nonnenmann wollen wir gar nicht erst reden...

ANH an PD:
Hermann Peter Piwitt, Christa Reinig, Marianne Fritz, Gerd-Peter Eigner, Paulus Böhmer?

PD an ANH:
6x no. wieso 6? thelen hab ich gleich mitgezählt. aber stucki-barre, sogar jörg schröder (merz verleger), judith Hermann. - eh du weiterfragst: kein ror wolf, kein muster, kein kopecky, kein - was man immer von ihm halten mag - loest, kein stefan schütz.

ANH an PD:
Nicht mal R o r W o l f ? Ja ist denn das zu fassen? - Hans Henny Jahnn, Döblin (der späte von Hamlet), Uwe Dick, Rohner-Radegast? Also irgend einer der großen Außenseiter? Wenigstens Oskar Pastior? Wie steht es mit der Wiener Gruppe?

PD an ANH:
jahnn ja, döblin (alex, november + amazonas) auf anderthalb seiten, rest nix - krausser ja, frank schulz ja, kein artmann, kein achleitner, jandl und mayröcker ja - wer war da noch?

ANH an PD:
Was hat der junge Mann denn im Kopf?

PD an ANH:
Offenbar gerade so viel, daß Volker Hage es faßt....


[Literatur-Geschichtsschreibung nach den Gesetzen der Ökonomie und nicht nach denen von Ästhetik. Es geht um Präsenz, nicht um - schon gar nicht künstlerische - Wahrheit. Frau Heidenreich hat, ist zu hören, gejubelt. Und jeder will m i t zur Parade.]

Else Buschheuer und die Professionalität. Formale Erklärung.

Absage Else Buschheuers an das Literaturbüro Oldenburg, mir von Buschheuer per CC kommentarlos übersandt:

Betreff: Moderation von ANH in Oldenburg.
Liebe Frau Eden,
ich streite öfters mal mit Herrn Herbst, das gehörte von Anfang an zum Charakter unseres Austauschs, aber inzwischen sind wir derart verstritten, dass das geplante Projekt für mich nicht durchführbar ist.
Es ist ja noch mehr als einen Monat Zeit, da finden Sie sicher einen Ersatz.
Bitte haben Sie für meine Entscheidung Verständnis
Mit freundlichen Grüßen
Else Buschheuer

Und meine Reaktion, an Else Buschheuer direkt, mit CC an das Literaturbüro Oldenburg und EA Richter:

(Gestern nacht hatte ich meine sehr knappe Antwort an Else Buschheuer hier eingestellt; ich nehme das jetzt, nachdem ich drüber schlief, wieder heraus. Die Nachbemerkung zu dem Fall-an-sich lasse ich allerdings stehen, weil sie soeben >>>> in einem Kommentar andiskutiert wurde.:)

[Das Literaturbüro Oldenburg hatte mich >>>> zu einer Veranstaltung mit EA Richter eingeladen, und die Leiterin, Barbara Eden, hatte mich gefragt, ob ich jemanden wisse, der moderieren könne. Ich fragte bei Else Buschheuer nach. Sie sagte zu. So wurde auch >>>> das Oldenburger Programm erstellt. Es gab einen schriftlichen Streit (durchaus nicht nur, aber auch) zwischen Buschheuer und mir, einen unter vielen; ihre letzte böse Mail öffnete ich nicht mehr - weil wir uns gegenseitig infolge einer unguten Dynamik ständig sehr verletzten und ich dem nicht weiter aufsitzen, sondern erst mal wieder Ruhe einkehren lassen wollte. Nun erreichte mich eben d i e s.
Dieser Beitrag in Der Dschungel ist eine formale, nicht inhaltliche Erklärung. Worum es bei dem Streit g i n g, bleibt rein bei mir, und zwar auch dann, wenn Else Buschheuer sich entscheiden sollte, öffentlich Richtiges oder Falsches darüber zu sagen. Ich werde darüber auch bei Nachfragen schweigen und selbst Falsches unkommentiert lassen.]

Rätselhaftes ZettelNotat, beim Zusammenräumen gefunden.

Geschichte einer Frau, die ihrem Mann auf dessen Totenbett sagt: Ich bitte dich n i e – aber nun kannst du nichts mehr dagegen sagen.

darunter:
lotus install.

Maimonides. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (63).

Einen Kosmos in den Kosmos falten, das Weblog als hinabreichende, grabende, die kleinen Feuerpunkte auffältelnde Bewegung und jeden Link poetisieren, ihm Zitate zuordnen, Einfälle, durch die jede Verknüpfung einen n o c h anderen Sinn, wenigstens Geschmack bekommt. Insofern hat der leichte Vorwurf, Die Dschungel seien zwar stark ineinander, kaum indes mit anderen Weblogs verlinkt, recht wie unrecht zugleich, also als Vorwurf: als solcher ist er ohnedies absurd. Sondern die Binnenverlinkung nutzt gerade in ihrer extensiven Form die Form-des-Netzes ästhetisch als Vorbild; sie ist künstlerisch ebenso mimetisch am Vor/Bild wie das Gemälde eines Malers an der Natur, bzw. an der Malerei selbst, bzw. an ihrer Geschichte. Ein Roman, der sich an der Ilias orientiert oder an der Odyssee, tat und tut genau das gleiche; anderes ist auch gar nicht möglich, will man nicht in einen Zustand zurückfallen, bzw. ihn restaurativ kultivieren, der die technologische Entwicklung der Menschheit aus seinem Betracht ausklammert. Insofern ist die gängige Vorstellung des literarischen Realismus zugleich ästhetisch primitiv, wie sie auch, und zwar, Bedürfnisse vorauseilend befriedigend, den Menschen auf einem Zustand festsetzt, der objektiv längst überwunden war, doch sentimental weiterwirkt. Das heißt, der literarische Realismus, wie er außerhalb Der Dschungel gemeinhin verstanden und gesetzt wird, ist anti-emanzipatorisch; schon daß er an einem anthropologischen (Selbst-)Bild festhält, das im historischen Humanismus formuliert worden ist, deckt seinen regessiven Willen auf. Denn die Verwerter der realistischen Literaturkonzeption sind ökonomisch sehr viel weiter, ihre Logistik steht über den Bedürfnissen der Rezipienten und beutet sie zur Befriedigung ihrer Kapitelinteressen aus: d a r u m sind nicht-realistische Ästhetiken dem mainstream so unangenehm, und darum versuchen sie, ihn aus dem Markt zu drängen. Denn sie überschauen sie nicht. So werden sie objektiv als gefährdend betrachtet: zugleich die Bedürfnisse der Leser wie die derer gefährdend, die diese ausbeuten und deshalb ganz unbedingt auf dem überkommenen Stand festnageln wollen.
Sich dem Netz anzupassen, also die Verlinkung auf Fremdes sich zueigen zu machen, ohne dies zugleich Maßgabe des eigenen Erscheinens werden zu lassen und ohne das ins-unüberschaubar-Fremde Eingeschmiegte zum ästhetischen Eigenen zu machen (d.h. Bestandteil einer community zu werden), widerstrebt deshalb den mahnenden ‚Netties’ ebenso wie den Marktvorgängen, die das Verfahren pekuniär auswringen wollen.

>>>> 64
62 <<<<

Idee eines poetischen Musikfeatures. Allan Pettersson (1).

Alban Nikolai Herbst.
PETTERSONS VERMÄCHTNIS.
Ein poetisches Requiem
für
Allan Pettersson.

Mit Musik von Allan Pettersson,
sowie Texten und Musik von Paulus Böhmer, Benjamin Britten, Alban Nikolai Herbst,
Franz Kafka, Gustav Mahler, Jean Paul und Bernd Alois Zimmermann.


In Form einer musikalisch-poetischen Collage werden Texte und Musiken der obengenannten Autoren und Komponisten teils einander ergänzend, teils in Konfrontation oder auch aufeinandergesprochen, jedenfalls kom/poniert, wohinein die Lebensstationen des schwedischen Komponisten in freier Form erzählt werden. Hinzugemischt sind kurze Erzählungen, Beobachtungen, vielleicht auch Auszüge aus Reportagen über und Interviews mit >>>> Allan Pettersson. Der Anspruch des Hörstücks ist nicht biografische Genauigkeit oder auch nur, ein Zeit- und Lebensbild zu sein; vielmehr soll sich das poetische Verfahren der S e e l e der petterssonschen Musik nähern und nicht über sie, sondern aus ihr heraus sprechen – gestaltete, liebende Nähe. Und Respekt.

[Eine lockere Zusage des Hessischen Rundfunks gibt es bereits; nun braucht es einen CoProduzenten.
__________________________________________

NACHTRAG AM 24. JULI: Die Zusage des Hessischen Rundfunks ist unterdessen ein A u f t r a g geworden; sogar der Sendetermin steht schon fest: 31. Oktober 2006.]


>>>> AP 2

‚Verhängnis’ meint ‚Schicksal’.

Doch auch im Sinne von ‚ein Geschick haben’, sogar von ‚geschickt sein’; allzusehr haben wir vergessen, daß ‚Beruf’ von ‚Berufung’ kommt, nach wie vor. Und w e i l wir’s vergaßen, sagen wir lieber ‚Job’, denn unbewußt haben wir deshalb ein schlechtes Gewissen. Uns drückt die austauschbare Unverbindlichkeit. Wer jemals liebte, weiß, was hier gemeint ist. Zwar kann man mehrmals lieben, doch es b l e i b t unaustauschbar und ein jedes e i n z i g: für sich.
Manches aber, darüber hinaus, bleibt ein vielleicht ewiges ‚uns’. Mitunter bezeugen dies – Kinder. Hierauf spielt das biblische ‚und sie erkannten einander’ an. Das ist k e i n e soziale Formulierung. Sondern Ontologie.

(CCCLXXX).

Mainstream’s Erfodernis ODER ‚p i e c i e sei im Roman’. Zur Wiedererkennbarkeit.

Glücklicherweise hat sich freilich seitdem – seit dem eingegangenen Predigeramte Lichtenbergs und anderer Prosaisten – sehr vieles und zwar zum wahren Vorteile der Dichter geändert. Menschenstudien vorzüglich werden ihnen von Kunstverständigen und Leihlesern willig erlassen, weil man dafür desto mehr im Romantischen von ihnen erwartet und fodert. Daher sind sogenannte Charaktere – wie etwa die vorkömmlichen bei Goethe, oder gar bei Shakespeare, ja wie nur bei Lessing – gerade das, wodurch sich die neueren Roman- und Drama-Dichter am wenigsten charakterisieren, sondern es ist ihnen genug - sobald nur sonst gehörige Romantik da ist -, wenn die Charaktere bloß so halb und halb etwas vorstellen, im ganzen aber nichts bedeuten. Ihre Charaktere oder Menschen-Abbilder sind gute Konditor- oder Zuckergebilde und fallen, wie alle Kandis- und Marzipanmänner, sehr unähnlich, ja unförmlich, aber desto süßer aus und zerlaufen mild auf der Zunge. Ihre gezeichneten Köpfe sind gleichsam die Papierzeichen dieser höhern Papiermüller und bedürfen keiner größern Ähnlichkeit mit den Urbildern als die Köpfe der Könige von Preußen und Sachsen auf dem preußischen und sächsischen Konzept-Papiere, die und deren Unähnlichkeit man erst sieht, wenn man einen Bogen gegen das Licht hält. Da nun gerade neue Charaktere so schwer und ihrer nur so wenige erschaffen sind, wenn man sich nicht zu einem Shakespeare steigern kann, zu deren Zusammensetzungen schon vorgeschriebene Endreime der Willkür die organischen Kügelchen oder den Froschlaich darbieten: so wird durch stehende Wolkengestalten von Charakteren, welche unter dem Anschauen flüssig aus- und einwachsen und sich selber eine Elle zusetzen und abschneiden, dem Dichter unglaubliche Mühe und Zeit, die er fruchtbarer an Begebenheiten verwendet, im Schaffen erspart, und er kann jede Messe mit seinem frischen Reichtum neuer Geschichten und alter Charaktere auftreten; er ist der Koch Andhrimmer (in der nordischen Mythologie) und hat den Kessel Eldhrimmer und kocht das Schwein Sährimmer, das jeden Abend wieder lebendig wird, und bewirtet damit die Helden in Walhalla jeden Tag.
Jean Paul, Die unsichtbare Loge, Vorrede II.

Die literarische Arbeit im Netz.

Muß Arbeit gegen den Verlust des Körpers sein. Wer das mißachtet, ist affirmativ.

(CCCLXXXI).

[Anti-Matrix. Poetologie.]

EROS, POETIK UND MUSIK.

Erzählung Anderswelten Leiblichkeit.
Exposé für OBERFRANKEN LIEST.
Arbeitsheft für Gymnasien zum Werk von ANH.
Edition Villa Concordia im Verlag Fränkischer Tag, Bamberg.
(Den endgültigen Titel möchten bitte, denn das wäre schön,
die Schülerinnen und Schüler selbst bestimmen.)
43 TextSeiten in vier Abteilungen:
I Erzählung & Roman
ungefähr 15 Seiten. Auszüge aus den Romanen, sowie eine kurze komplette Erzählung, die bislang unveröffentlicht sein kann.

II Musik-/Sprache-Arbeiten und Hörstücke.
ungefähr 5 Seiten und evtl. auf einer beigegebenen CD-ROM Hörstück- und Musikbeispiele als mp3-Dateien. Ist eine Rechtefrage, die sich aber sicher leicht abklären läßt (Deutschlandfunk, Hessischer Rundfunk).

III Cyberspace.
ungefähr 12 Seiten. Das Literarische Weblog. Allgemeines Veröffentlichen im Netz. Aus dem Netz resultierende Folgen für die Anthropologie. Dazu verschiedene Aufsätze und Vorträge, aus denen zitiert werden kann.

IV Poetologie.
ungefähr 10 Seiten. Verschiedene Aufsätze sowie Hörstücke zu bestimmten Autoren (Pynchon, Aragon usw.), die ebenfalls als mp3’s der eventuell beigegebenen CD-ROM beigefügt werden können.

WERKVERZEICHNIS MIT QUELLENANGABEN.
Ungefähr 1 Seite.

Dasselbe gilt für die Farben Akkorde.

>>>> Vielmehr werden die Unterschiede aus sozialen Hierarchien hergeleitet und sind eigentlich - wiederum aus Notwehr oder aus Schutz (präventiver Notwehr nämlich) - gesetzt: Der gehört z u uns, der gehört n i c h t zu uns usw.; ganze Nationen definieren sich so: dahinter steht ein Macht- und urspünglich Überlebenskampf, dem es egal ist, was ist:: sondern etwas s o l l so sein, und also schafft man es und schafft auch die Überzeugungen, d a ß es so sei. Wer da dann nachfragt, bricht im Zweifelsfall Tabus.

(CCCLXXXII).

Achse des Guten. Argo. Anderswelt. (228).

…es ging um die Sache, die früh geplante Sache, diesen kybernetisch-christlichen Feldzug, der vorbereitet werden mußte, ging um die, wie Ungefugger glaubte, Reinigung des Geistes vom Körper: sollte S k a m a n d e r Körper bleiben, sollte er alles Körper in s i c h vereinen und in der Welt lassen, derweil das Befreite Geistige sich in andere Sphären, in paradiesische Höhen erhob. Ungefugger war, wie j e d e r Gläubige, überzeugt, war es wie die Führer der Inquisition, wie die Conquistadores, wie Lenin Stalin Hitler, wie George Bush und Sheik Jessin. Seine Überzeugung, vermeinte er, machte ihn zum Propheten und zum Weltenwandler, den die Mission und nicht etwa eine Bedeutung der eigenen Person väterlich-strenge über die Menschen erhob und ihnen, den Naiven, den rechten Weg wies. Skamander diente Ungefugger für ein Konkordat: Was dieses für Pius XI.’ Stärkung der Kirche, so wurde für Ungefugger nunmehr das Verhältnis zum Gestaltenwandler politisches Fundament, und der Nullgrund, dachte Cordes am Küchenfenster Schönhauser Allee, war Ungefuggers Reichstagsbrand. Es ‚traf sich’, daß ein Zweiter Odysseus die Schuld nahm, um die sich, zugleich und paradoxerweise, in den UNIDAS NACIONES DEL ANDÉN auch Ahmad ibn Rashid al Jassin bewarb, der wiederum, vermittels Korbblut, indirekt und ohne dessen Zutun, mit Hans Deters vernetzt war. Über den ich nunmehr, denn er ist gerettet und wird sich, wenn er klug ist, im folgenden aus den Geschehen heraushalten, fortan nichts mehr schreiben will.

>>>> ARGO 229
ARGO 227 <<<<

Schamlippen.

Sind L a m e l l e n. Oder - musikinstrumenten-technisch und zugleich sinnlicher ausgedrückt - durchschlagende Zungen.

(Bei organischen Beschreibungen immer die sinnlichen Funktionen berücksichtigen und wie, daß es sie gibt, in Lustgefühle umschlägt:: sie werden also vom Gehirn in ein Lustgefühl interpretiert. Der Text soll deshalb f ü h l e n lassen, wie innig-eng sich die Labien um den Schaft legen, um die Flüssigkeit nicht verlorengehen zu lassen: sie streifen sie von ihm ab, indes sie die Vulva nach innen saugt.)

[Notiz beim Ansehen eines pornographischen Films.]
 



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