Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
________________________________


 

Thälmannpark 1 & 2

ANH liest Wer wird uns grüßen

>>>> D o r t.

Nach Paris! (Dann i n Paris): Das Reisejournal des Montags, dem 3. August 2015.


[Arbeitswohnung, 3.40 Uhr)
Los geht's. (Letzte Handgriffe, noch eine halbe Morgenpfeife... nein nein! nicht das Holzwerkstück selbst...)
Um zehn nach sechs heb ich in die Luft ab.

[Sur les toits de Clichy, 10.17 h]
Angekommen, nur noch paar Stufen und dann ganz ganz ganz hinauf:



Der Getretene (um 1979): ANHsTfT.

Die alten Geschichten wieder vorholen:


(Das Textchen paßt, nach der lärmprallen Notte bianca, in meine heutige morgene Stimmung nicht mehr, aber von ihr, da schreibe ich jetzt erst und will aber den Text, ein Gedicht, nicht einstellen, sondern auf das nächste Video sprechen, das neuerlich für den Abend vorgesehen ist. Mehr dazu später in der zweiten >>>> Ameriana. Noch mag ich mich aus dem Versfluß nicht bringen lassen.
ANH)

Pound auf den Stufen. Quarta ameriana: martedì, 18 agosto 2015. Maya


[Traumschiffs Kamintisch,
11.17 h]

Beauty ist difficult … the plain ground
precedes the colours                                           
Oder mit eigenen Versen/- oh sieh nicht hin!
Unter den Brauen das Heil,
bevor uns die Seen, die uns nähren, ertränken,
bevor sie uns schlucken -
war ich schon Calamari kaufen heute früh, mit dem Wagen durch die Gassen, kurz abgestellt vor der Panetteria, pizza bianca, noch warm, fürs Frühstück (zu belegen mit vielen vielen Prociuttohauchs dolce), nur vom Berühren der quadratischen Stücke bekommt man ölige Finger und cremt sich, wie bei Karl May gelernt, die Unterarme mit ihnen ein, anstatt sie zu waschen (denn das wär Blasphemie) -
grad noch rechtzeitig da bei den meisten alten Damen, die sich vorm Fischwagen sammeln,
guter Verdienst, 14 Euro auf 1 Kilo, aber da ist der weite Weg landein hierher oder vom mercato all‘ingrosso di Roma, der Zeitaufwand allein, das Kilometergeld und saufrühe Aufstehn, und es muß noch was bleiben als ein Verdienst, um die Miete zu zahlen und den eigenen Einkauf; auf der Vittorio hätt es ein Drittel gekostet, aber, also, schon recht,
was mich wieder auf Pound bringt und seine permanente Klage über usura, den Wucher, und den furchtbaren Fehlschluß in den Rassismus, die zugepreßten, nur von „-gedrückten“ läßt sich kaum sprechen, Augen vor dem Morden aus Gründen der Abwehr von Mord,
schwer, die deutlich antisemitischen Zeilen zu ertragen, die das Unheil des Monotheismus auf Personen-als-Volk übertragen, anstelle zu sichten, anstelle überhaupt zu schauen-
was hat denn der jüdische Schneider mit dem Wucher zu tun / mehr / als der katholische Banker, mehr mit dem Mehrwert, der jüdische Musiker, jüdische Lehrer und Dichter? Um von den Protestanten erst gar nicht zu reden, deren Sektierer beim Massenmorden ganz vorne mitgedrängelt haben in der - für sie so - Neuen Welt: der Skalp kam ihnen grade recht, schließlich steht er >>>> in der Bibel (100 Pfund Sterling in Massachusetts, in Pennsylvania 130 Pesos für den Skalp eines Mannes, 50 Pesos für den einer Frau, Kindshaar ward geschlechtslos entgolten, nur mußte die Schwarte noch blutig sein) -
wie groß und berechtigt und irrend zugleich seine Wut noch in PisaI surrender neither the empire nor the temples//plural
not the Constitution nor the city of Deïoces
each one in his god‘s name -
Wir mussen uns jetzt, da die Flüchtlinge kommen, Völker, Ethnien, Kulturen, klar darüber werden, was wir eigentlich wollten (und was wir wollen, wo wir stehen, wer wir sind)
Afrodite Maria („Venusmaria!“ als Ausruf des Staunens, des freudigen Schreckens) -
gestern morgen (zur Messe) ließen die Glocken ihre Röcke schwingen
weit, so weit
ein jeder sollte drunterschauen
wie sie schlug, Mariae Clit
(Demeters Klöppel):
o Samen des Heiligen Geistes!
(Sekrete Trimurtis, their secrets,
und Ausfluß der fate und feés -so lay men in Circe‘s swine-stay -

Zurück an die Brüste der Béart, aber ich bin schon hier so im „mood“, denke in Rhythmen, Klängen (wie verrückt es mich macht, wie fassungslos sogar, wenn ich über ausgerechnet das >>>> Traumschiff höre, daß seine Sätze „schwierig“ seien! und wo wird gar niemals erklärt. - Wir haben gestern abend lange darüber gesprochen, der Freund und ich, was denn damit gemeint sein könne, gerade dort, wo es so gut wie keine Hypotaxen mehr, sondern fast nur kurze, sehr kurze Sätze gibt. Wird allein die bisweilen geforderte, aber stets sofort erkennbare andere Betonung, etwa in einer Wortstellung, schon als Hemmung empfunden? daß man nicht lesen kann (und eben auch nicht soll), wie man gemeinhin spricht, etwa bei Penny? oder mit dem Hauswart? einfach weil eine Sprache nicht immer gleich eine allgemeine ist, sondern individuelle Markierungen trägt?) -

Nahe an die Sprache, in die Sprache: Schichten unter dem Oben, das scheinbar das zu Erzählende ist, sondern die Wahrnehmung des Hindurchwirkens. Nichts erschöpft sich in dem als was wir sehen, was es ist; es geht um etwas zeitgleich darüber und drunter.
Mittagsschlaf.
Maya
*

[Nachmittags]
Parallalie liest >>>> Pivecka. Ich schreibe an den Brüsten der Béart weiter. Danach dieses:


Pasta al nero di seppia. [Jetzt, abends]
Ich solle die zuletzt geschriebenen Zeilen von einer Kanzel herablesen, in einer Kirche, sagt spöttisch der Freund. Und ich bin unspöttisch einverstanden.

Das indizierte Video. Tag 29: ANH spricht Fliehende Europas.




>>>> d o r t .


Alban Nikolai Herbst
Thetis.Anderswelt
Rowohlt 1998
Elfenbein 2013
>>>> Bestellen.


ANH liest Es ist ein stiller Regentag. Auf eine Zeile Gottfried Kellers.




ANH liest Vucciria. Aus: Eine sizilische Reise (1995).



[>>>> Eine sizilische Reise]

In die Erschöpfung/Schöpfung. Sesta Ameriana: Gioves Tag, den 20. August 2015. Immer wieder neu die gehöhlte Hand in das Wasser, das immer durch die Finger zurückrinnt. Nur Tropfen erreichen die Lippen.


[Traumschiffs Kamintisch.
7.50 Uhr]


O lynx, keep the edge on my cider
Keep it clear without cloud

Pound, Canto LXXIX

Müde, mein Puma, des Klagens
mein innerer Puma erheb‘ sich
clearing my cider from clouds
faucht er ins Leere und drückt sich
rück an den Fels, die Ohrn flach am
Schädel Schädel
nicht einen Schritt wag‘ näher!
Der Katz‘ auf den Schwanz treten
wieder
und
wieder
und
sich beschwern, wenn sie zuhaut
solang zum Brunn‘ bis es beißt geht das Tier
so lang um Achtung gebuhlt
„doch würde ein bißchen Respekt ja schon reichen“
O Verschwimmen im Kopf
stundenlang im Kreis gewirbelt
und angeschlagen wieder
und
wieder
mit der Stirn‘s schon janz blutich
kieck maa‘ ‘n Dellrich
Puma? ick lach mir ‘n Rührei
Dit machen wa aus Dir!
Erstes Gebot: sollst nich‘ öffentlich klagen
Zweites Gebot: geh dran unter
Drittes bis zehntes Gebot: Das Flüchtling soll nicht klagen
Das Vergewalt‘gte soll nicht klagen soll nich‘ das Judle
klagen Das Gemobbtle soll nicht Verhöhntle Ausgestoßle
alles dat soll nich‘ klagen Das Hungerndle nich‘ Wir wolln auch
vom Foltern nix wissen, sind schließlich unsre Vabündetn
wollen nix wissen Die Schweine solln die Schnauzen halten,
auf die wir sie schlagen Das sind sie uns schuldig
Da müssen sie wegsehn Könn‘ eh nich‘ mehr kucken
Hübsch, die geschwollenen Augen
Hübsch die gesprungene Braue
Selbstmitleid, alles nur Selbstmitleid:
Der rechte Mensch erträgt, verdammt
Gib mal den Hammer, dem schlag ich das Hirn ein!
Soll endlich schweigen, das Arsch!
Solch eine selbstmitleidige Sau
Kriegts von ers' richtig den Bolzen
Bisse
still is‘
(Wir lieben die Stille
Wir lieben das Schweigen
der uns ergebenen Nichtdenkungsart)
still
still, Puma, still
in dem Blutmatsch
Keep the edge on my cider
Jeder Blues eine Klage, di Lasso:
Hieremiae prophetae lamentationes
Bernstein (Leonard) Symphony Number One
alles Selbstmitleid, die ganze Kultur
entsichert schon selbst die Pistole
Schließlich sind‘s alles nur Bilder
Is‘ ja nur seelisch Hätt doch ‘n annern Beruf
Wen man nich‘ will, der soll abhaun
Zieh Leine Stör nich‘ unsre Schieberkreise
sonst machenwa dich kalt
Sollste maa sehn, wennde nich‘ kuschst
Allet nur Bilder
Alles, Puma, Bilder
Is‘ nur ein Bild, das Messer
schneidet dem Otter den Schwanz ab
bildlich, restlos bildlich
Du bildest das Blut dir nur ein
(It makes you even stronger)
Soll das verdammtnocheins ertragen
Wenn aber eine solche Titten!
klar lad ich die ein
Bloß wag nicht, das zu sagen,
daß ich das gesagt hab
Nie hab ich das gesagt
nich' mal gedacht
Jedenfalls gehört es nicht in
die Öffent
lich
keit Das
machen wir unter uns ab
Wer's ausspricht, fliegt raus:
ab!
sowieso
ab is‘ gut:
alles ab, was nicht paßt
Wir haben das Messer
Wir haben den Hammer

Ach Puma
Ach ihr Höfe
(eben, als ich Milch holen war)
Eine Tür, die sich öffnet
Da siehst du das Gelb
strahlendes Lynxgelb
Leuchtend gelber Stein, mein Puma
Steine, Otter, aus Sonne
Eine Erscheinung in Demetergelb
Eine italische Treppe
Laß dich drum kraulen
Komm, mußt nicht fauchen
Mußt nicht mehr fauchen
Schlaf, Puma, schlaf -


Hölder & Heine ODER Susette Gontard und das Fräulein am Meer. Settima Ameriana: venerdì, 21 agosto 2015.


[Traumschiffs Kamintisch,
9.45 h]


Dieses Liebesverhältniß, von beiden Seiten mit
gleicher Leidenschaft betrieben, konnte nicht lange
währen, und Hölderlin mußte endlich auf eine höchst
unangenehme Weise das Haus verlassen, da es der
Gemahl seiner Diotima bemerkte.

Waiblinger, 1831 w.u.

Nun bin ich selbst scardanell -
wie ging das, Freund, so schnell?
Nein, ich stimm in die Klage

der unsren nicht ein, deren Tage
sich selbst von ihren Händen zählen
und das Entferntsein eigens wählen.

Doch stehe nun selbst am Geländer
und sinn in die treibenden Ränder
der Lebenswetterlage

Ich habe keine Frage,
rauche und sehe den Mädchen zu
und liebe sie noch immer

doch wird mein Rücken schlimmer
und möchte seine Ruh.


Hölderlin kam nun nach Weimar und Jena, eben als sich der großen Männer so viele daselbst aufhielten. Er gühte von Ruhmbegier, von Drang, sich auszuzeichnen. Seine vollendetsten Gedichte fallen in diese Zeit. Ein so seltenes Talent, verbunden mit der Grazie seiner Erscheinung, konnte nicht anders als Eindruck machen. Jetzt kam alles darauf an, daß sein Ehrgeiz befriedigt wurde. Wund wie er war, gereitzt und verbittert, konnte ers nicht ertragen, wenn ihm Hindernisse in den Weg traten. Man sagt, daß seine geliebte Diotima durch Verbindungen, die sie mit einigen ansehnlichen Männern hatte, für ihn wirkte. Der edle Schiller hatte ihn äußerst lieb gewonnen, achtete sein Streben ungemein und sagte, daß er weit der talentvollste von allen seinen Landsleuten sey. Er suchte ihm Gutes zu thun, und zu einer Professorenstelle zu verhelfen. Wäre dies geschehen, so hätte Hölderlin einen bestimmten Wirkungskreis gehabt, er hätte sich beschränken lernen, wäre gesund geworden, wäre nach und nach erstarkt, seine geistige Überspannung hätte nachgelassen, er wäre nützlich geworden, und ein Weib zu seiner Seite hätte vollends jede unnatürliche Richtung seiner Geisteskräfte zerstört und ihn gelehrt, wie man leben, arbeiten und sich behelfen müsse, wenn man mit Menschen menschlich leben wolle. Aber Hölderlins unglückliches Schicksal und die Mißgunst seiner Feinde lenkte es anders. Es wurde ihm ein anderer vorgezogen, und er sah sich hintangesetzt. (…)
Diß war ein entscheidender Schlag für Hölderlins ganzes Wesen. Er sah seine besten Hoffnungen vereitelt, fand seinen Stolz, sein lebhaftes Selbstgefühl beleidigt, sein Talent, seine Kenntnisse hintangesetzt, seine Ansprüche als unzulänglich erklärt, und fand sich abermals wieder aus dem Traum einer wirksamen thätigen Zukunft (…) hinausgestoßen.

Wilhelm Waiblinger, Friedrich Hölderlins Leben, Dichtungen und Wahnsinn
Leipzig 1831




(Der Abend, gestern,
bevor wir zur megalithischen Mauer gingen,
die Sterne zu betrachten:
Scorpio & Cassiopeia)

Es ist eine Behaupt-
tung der Menschen,
daß Vortrefflich-
keit des innern Men-
schen eine interessan-
te Behauptung wäre. Es ist
der Überzeugung gemäß,
daß Geistigkeit
menschlicher Inner-
heit der Einrichtung
der Welt tauglich
wäre.

         Scardanelli 1841


Kommentar >>>> D.E.Sattlers, 2004:
Wie Hölderlin : Scardanelli hinten das V von Vortrefflichkeit unterstrich, unterscheidet er hier seine Überzeugung – seine tiefere Einsicht von der allgemeinen, die pragmatischer Konsens einer Welt ist, in der grundsätzlich alles nach dem realen Nutzen beurteilt, so auch das ihr Fremde – Geistigkeit zum Beispiel – nur zu gebrauchen ist als Deckblatt für die geltenden Maximen.



Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

"Mein Fräulein! Sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück."

Heinrich Heine, 1844


Bevor ich ins Eigene schaue,
Milch ist zu kaufen,
Waschpulver Brot

Morgens die Luft ist schon kühl nachdem sich die Regen
auf die dunklen Steine besonnen, die nachts
wehrlos ausgebreitet (uns gleich im Traum)
liegen: alleine für sich jedes unter den gelben

Lampen: glänzend schimmernde Pflasterköpfchen
Hilfloses Licht, das die Wärme nicht gibt, um das Naß
himmelwärts aus sich auszudunsten; die Stadt
weicht sich nachts auf und bereitet dem Herbst seine Moore -

(fehlen noch die beiden Terzette)

dafür, gestern über den Tag:

(Ich find‘ Deinen Schultern kein Wort,
nicht dem Handwurzelknöchel, der vorspringt.
Nicht dem Zahnweiß, wenn‘s herblitzt und leuchtet
Nicht der Lippenkron‘ und | ihrer Aufrinn zum Steg
Deinen Nasenflügeln nicht,
Béart
Nicht der Hand mir hinten am Schädel,
wie sie ihn um | schmiegt
Denn ob Deine linke | ich weiß es nicht mehr)


Die gewagten Wörter, wie „Aufrinn“, bringen mir Freude
und für die Béart darf man gerne Diotima setzen - anima mea Orfea, wie's in dem Zyklus heißt -

deren Brüste jetzt 18 Seiten haben | ‘s wird
Zeit sie auszudrucken | morgen
musses alles weg

Schießlich, >>>> dies vor Feierabend. Das Blöde war, daß, was ich eigentlich gebraucht hätte, in Berlin auf der Hörstückfestplatte liegt
So behalf ich mich mit wenigen Fotos
Und bei den O-Tönen hab ich getrickst


Nachtrag
Diotima wurde literarisch als Deckname für zeitgenössische Damen
verwendet, denen eine an das antike Vorbild erinnernde Rolle
zugeschrieben wurde.
(Wikipdia)


(17.25 Uhr)
>>>> Daran hab ich fast den ganzen Tag gesessen. (Sauschwer das, Heber, festgeschriebe Silbenzahl und den Sinn in Einklang zu bekommen.)

Und jetzt ans heutige >>>> Video. Aber ich werd' mir allmählich unsicher, ob sich bei so wenig Zugriffen der riesige Aufwand lohnt.

ANH liest Im Wind hat der Abend sein Haus (2008/09).



[>>>> Der Engel Ordnungen.>

ANH liest Roma (2015).




[Gedichte ohne Worte, 1]

„looming“ (26. auf 27. August 2015).


Ich habe geträumt | sah den Traum
an wie ein Bild, das Gedicht war:

I am looming
I am looming
I am looming


[Bild einer Frau, die eine Tafel hält,
nicht aber Madonna | ‚meine‘ Frau?
]


Ich werde meine Sklaven töten

Das Bild war als Bild ein Vers des Gedichts,
an seiner Realität war nichts zu bezweifeln
doch looming, looming, was hieß looming?

Ich starrte den Traum an | wartend & vor-
herwissend: | gleich kommt der Schuß -
fühllos wartend, nur den langsamen Fluß des Geschehens
sein | Fließendes spürend | und wie ich, was ich so liebte, verlöre:

O wahres Partizip eins! | (‚looming‘ ist ‚webend‘, ‚drohend‘):
Etwas zeichnet sich ab und ich seh es, ja tu es
alleine, indem ich es sehe | seh ich‘s herbei
als ob ich es passiv ersehnte -

als der Schuß f i e l | die Frau fiel
meine? | fiel ich | aus dem Traum
hinauf – aus dem unbewußten Webstuhl des Schlafs
in den aufgewühlten Tag meines Bettzeugs
und sah sofort nach den Sklaven -

Helmut Schulze spricht Vercelli von Joyce.




James Joyce, Giacomo Joyce
(1914/15)



>>>> edition
taberna kritika

Helmut Schulze
>>>> Parallalie

Den Fliehenden: Dodicesima Ameriana. Venerdì. 28 agosto 2015.


[Traumschiffs Kamintisch,
8.18h]




Thy soul
Grown delicate with satieties,
Atthis,
O Atthis,
I long for thy lips.
I long for thy narrow breasts,
Thou restless, ungathered.

Pound, Ίμερρω

50 Leute erstickt im LKW | und „bevor“ sagt der Freund
„sie hier ankommen, brennen schon die Lager“
Sie wolln doch nur weg
ihre Kinder schützen, sich selbst schützen
wollen nicht brennen
nicht die Arme finden ihrer Liebsten, beide
einen rechts, den andren links am Weg mit drei
weggeschnittenen Fingern | wollen nicht
hungern nicht | gekreuzigt werden | wollen
nicht die Hunde an den Hoden | die Brüste abgeschnitten
die Vaginen mit der Kacke der Warlords gestopft | wollen
wie My Lai ‘68 nicht | die Handgranate hineingeschoben
nicht zwei Suren mit dem Colaverschluß | geschnitten
in die Wange und die Zunge | herausgeschält aus der Tochter
O Frieden der Mauern | ihn wolln sie nur auch
während im Hintergrund wieder geschachtert um Umsatz
aus Waffen | melden die Schlepper die Fracht
in Brüssel um Klarheit wie Panzer und Brüssel berichtet
Entkerner für Kirschen eignen sich gut für die
Augen | Extraktion
wollen nicht hungern | schon „Wirtschaftsflüchting“
ein Wort für die Gschaftlbarbaren
und in den Städten (in Tokyo gesehen) Städte aus
Zelten | Wellblech in Mumbai (in Bombay gesehen)
Es floriert die Büchsenindustrie

Gestern sagte ich zum Freund, als die Nachricht von den Erstickten kam, „Europa hat seine (ihre?) Mauer gebaut, was wird denn erwartet?“ Nichts läßt das Illegale besser florieren. Ich frag mich, wer da mitverdient. Und hier die Angst um die Arbeitsplätze für
Nichtausgebildete
die doch ganz selbst keinen deutschen Satz fehlerlos aufs Papier bekommen
und erheben sich über das Elend der andern.

Ich war erschreckt, ein bißchen erschreckt, als ich an >>>> Thetis dachte, womit ich es anfing, was ich drin schrieb vor fast zwanzig Jahren, vorhersah „Europa“, hätt ich denn gesehen, wär nicht nur meinem Instinkt gefolgt, der meiner wohl nicht war – was alles längst geschehen | eingetreten was die Welt werd‘ | ward
und hielten mir die Grausamkeit vor | „das darf man nicht sagen!“
sagte J.Sch., „du bist unmenschlich“ und verhängte die Sperre
Maulsperre | kommt sich noch aufgeklärt vor und human
Was ich nicht sehe, das ist nicht
O altes Lied der Satten
War ja weit weg, die Schlachterei | „sind ja nur Schwarze“:
was man freilich nicht ausspricht, nicht einmal denkt aber
fühlt | wie man Frauen wegen der Titten
undsoweiter | „Die Fernsehsendung mach ich doch nur,
weil ich dann“ (der fette Sack) „Frauen bekomme“: | purer O-Ton
anno zwotausenddrei | halb ein Jahr später zerbarsten die Türme
doch nicht seither, vorher schon Grauen um Grauen
Balkan Sudan | fünfhunderttausend Kinder ein Opfer
das Albright bitter sich selbst bracht‘ | (die eignen studierten,
wert das Embargo, an Williams Columbia, hab ich gelesen)
- is‘ auch egal, war nur das Pech und der Teer in der Wolle
die in die Folter voraus|leuchtet: Man kann den IS
kaum unmodern nennen -

Was da in Gang kam | Europa wird‘s zahlen
müssen | so oder so | „so“ meint den Krieg
und die Barmherzigkeit „so“: wenn wir bereit
sind zu lieben | Der nächste Strom wird übern Pontos
fließen, und „Flüchtling“ ist ein Zungenbonbon | Euphemismus
für Unbe|rührbare | Wie
kann ich da ruhig noch | >>>> Steine sehen? | Sehe
„Mauern“ anders | Als wären Menschen frostiger Wind
und wir mit um uns gebogenen Rücken | kauern im Sommer auf Frühling

ANH spricht Mauern Amelias, Nrs. 1 – 3 (2013).






ANHs Stellungnahme zur Löschung des 29. Tages bei Youtube. Bei Youtube am 30.Tag.





Noch ist das inkriminierte Video in die Dropbox nicht hochgeladen; die Netzverbindung ist hier auf dem umbrischen Hügel nicht stark. Sie werden wohl noch bis morgen warten müssen.
ANH, 29.8.2015
Amelia/Tr.


Z E N S I E R T: „ANH spricht Fliehende Europas“. Aus: Thetis.Anderswelt, Fantastischer Roman (1998). Nacht vom 28. auf den 29. August 2015.


Direkte Stellungnahme bei Youtube
jetzt
>>>> d o r t.



Es handelt sich um anderthalb Seiten Romantext aus einem Buch, das in diesem Kapitel die kommende Verelendung großer Menschenmassen vorhererzählt; das immer wieder „apokalyptisch“ genannte Kapitel, quasi eine Allegorie. Ich werde den gestern geschnittenen Clip hier über meine Dropbox zugänglich machen, kann allerdings nicht einschätzen, wie lange es dauern wird, ihn hochzuladen; der Upload ist bereits im Gang. Bitte schauen Sie von Zeit zu Zeit nach.
Zur „Sache“ selbst kann es doch wohl nicht angehen, daß eine ausgewiesen literarischer und überdies mit einem Literaturpreis ausgezeichneter Text unter Zensurmaßnahmen fällt, die allein durch Abweichung von der „politisch korrekten“ Ausdrucksform ausgelöst werden. Die nun geblockte Szene wurde im Clip nicht anders bebildert als durch Abbildung der beiden Buchseiten, sowie, am Ende, des Buchumschlags, und zwar sehr bewußt nur dieses, weil ich das Elend nicht als Illustration mißbrauchen wollte. Aber Mehrdeutigkeiten (etwa durch intentional fehlerhaftes Lesen von Idioten) müssen möglich bleiben, wenn wir die Künste nicht insgesamt aufgeben wollen – Mehrdeutigkeiten gerade auch in der Art, in der die Perspektive gewählt wird, also besonders, für den Roman, auch Rollenprosa, andernfalls jede künstlerische Äußerung zur Harmlosigkeit verdammt würde, zum unverbindlichen Entertainment.
Den eingelesenen Text stelle ich >>>> hierunter in einen Kommentar.

ANH, Amelia/Tr.
29. August 2015


P.S.: Ich verwende hier den Zensurbegriff nicht korrekt; korrekt aber insofern dann doch, als zu befürchten ist, es habe sich unterdessen, so offenbar wie schleichend, auch die staatliche Eingriffsvollmacht privatisiert.

P.P.S.: Ich werde heute den Tag 30 persönlich als Stellungnahme auf den Vorgang einsprechen. Mal sehen, ob man auch das zensiert. Den Tag 29 >>>> der Serie werde ich leer l  a  s s  e  n.


Direkte Stellungnahme bei Youtube
jetzt
>>>> d o r t.


ANH liest Die Unheil (1992/2005). Tag 31.




aus:
Alban Nikolai Herbst
>>>> Selzers Singen
Verlag Kulturmaschinen 2019

ANH spricht Herbsts Kobold Julian an Bongartz‘ Amanda, une Dame Verte.





aus:
Barbara Bongartz
Alban Nikolai Herbst

INZEST oder
DIE ENTSTEHUNG DER WELT
Der Anfang eines Romans in Briefen

>>>> Schreibheft Nr. 58
Jubiläumsausgabe, 2002
Herausgegeben von
Norbert Wehr


>>>> Bestellen.

Abschied von Umbrien. Quatordicesima Ameriana, Flüchtlinge ff und die Literatur. Lunedì, il 31 agosto 2015. Mit einem Postskriptum für Peter Pisa: persönlich (gesondert als Kommentar).


[Traumschiffs Kamintisch,
6.56 h]



Diotima II, mit der Freundin, tippt in ihr Smartphone und kichert
mir in den Wahn|Sinnen: So | kaut der Mann den Salat
So lutscht der Mann an den Fingern
So bricht sich der Mann
(Kapern sind un|aufgegangene Knospen)              
vom Brot                                                                                        

Die Brüste der Béart, Interludio I


Ich werde nicht schweigen | werd‘ beharren
auf dem Protest & der Zärtlich|keit zugleich
Politisch bin ich immer gewesen aber | Gefolgsmann nie
politischer Moden als | 89 die Mauern fielen
sahen wir‘s | wie die Linke Barkeley entdeckte und
emigrierte seelisch | wohin sie seelisch schon immer gewesen
musikalisch | Sie hatte es bloß nicht gewußt noch
wahrhaben wollen | so wie den Fußball (in dem‘s bekanntlich)
ist nur ein Sport | Korruption nicht gibt
noch jemals gab | aber | und wenn schon
jubelt man mit

Der politische Protest muß zugleich ein zärtlicher sein, auch ein leidenschaftlicher. Meine Besessenheiten. Der Eros. Musik. Und die Mauern. Ihnen nachzugehen, gehört dazu, sie nachzuschreiben
aber zugleich
wissen, wo wir in der Welt stehn
sich fragen: welches Opfer | bin ich bereit
die eignen Vorurteile sichten sie | packen
Vorurteil & Vorteil: Geschwister
Das Persönliche auf das Allgemeine spiegeln,
das Allgemeine auf das Persönliche
sich als Reflex begreifen, der wir sind
wo Es da Ich so | Freud

Dort nun >>>> der inkriminierte Clip: >>>> ANH spricht Fliehende Europas.
(Eine direkte Einbettung krieg ich leider noch nicht hin.)

Seit sechs Uhr fünfzehn über Kriege gelesen und den dort gefunden
als >>>> Kommentar zu den Fliehendenwellen
fliehende Wellen | ich verweigre mich dem Diminutiv
das ling ist heikel selbst in der Liebe
(Manche sagen sogar zur Geliebten | Baby | da schnappt
in mir sich das Klappmesser auf) | So der flüchtende
Ling | So viele Linge! | Tausende Enger|linge
vernichten die Ernte | Es reimt sich zumal auf Ding, das Ling
Hunderttausend flüchtende Dinge -

Gegen Mittag ist hier wieder Sommer | Morgens prickelt
sagt der Freund | auf der Haut die Spätsommerkühle
steht er rauchend vorgebeugt da in der Druckhast seiner Übersetzung
Frühherbstshauche unter den schlagenden
Glocken Amelias | die Loggia die Brust |
Erregung durch eine Erhebung | ich lehne es nach wie vor ab
das Wort Warze wie | Nippel ein Ling ganz genauso
Auffanglager | daß wir Kinder haben | eine Erregung
nach wie vor morgens der Ständer: zeugungswillig Instinkt
sieht schön aus, sehr schön | Nach wie vor: Schönheit
Immer die Schönheit immer | suchen und finden
tatsächlich finden! | Benommenheit und
Schlamm in den Lagern | kein Shampoo ins Meer
„aber was solln wir tun?“ | und bringen den Haß mit
auch | auf den Nachbarn | aus ihnen niemals vergangenen Krals
wie Protestanten aufs Blut zerstritten | einer der andren
Apostat | aufeinandergedrängt in dem Zaunrain
schleichen die Beile nachts um das Zelt
dennoch der Duft Deiner Haut | Wölbung der Hüfte
öffnest Du klaffend, Orfea, den Leib | Orchideenblättchen aus Fleisch
kein Tau ein | Quell -

Regionale um 16.31, Ankunft Fiumicino 18.48 | 20.40 der
Flieger (Boarding 20.10) | Tegel 22.45 | Gegen halber
Mitternacht die Stapel der Post eines Monats
Hätt ich ein Zimmer mehr als nur eines
ich holte mir einen Fliehenden her (eine
Fliehende a u c h)
(Mit लक्ष्मी reden | Könnten wir nicht | Zumindest ein Kind)

Z w e i Filme gestern gedreht (zwei Clips), um nicht aus der Serie zu fallen
Zwangscharakter, sagte die Löwin
Sowas wie >>>> der Tag 29 stellt mir ein ganzes Konzept infrage
Vorbereitung für >>>> die Premiere am 8.
persönliche Einladungen schreiben
Also den zweiten Clip lade ich gegen Mittag hoch und stell ihn noch vor meinem Aufbruch ein.

Nun noch etwas Béart und noch einmal das Städtchen durch die Gassen hinab zu „meiner“ Panetteria für die allmorgendliche Pizza bianca und wieder herauf, wo der Prosciutto bereitliegt, um sie zu füllen: mit, von Hand, dem Messer geschnitten. Dann wird gepackt.
*


(14.25 h,
knapp vorm Aufbruch)

Noch geschafft: >>>> 32. Tag. Julian. Meiner. An Bongartz' Amanda.

(P.S. >>>> für Peter Pisa)

 



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