Charakter & Verbergung.
(DXXV).
albannikolaiherbst - Donnerstag, 1. März 2012, 07:55- Rubrik: Paralipomena
Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop
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Charakter & Verbergung.(DXXV). albannikolaiherbst - Donnerstag, 1. März 2012, 07:55- Rubrik: Paralipomena
Facebooks Down, nicht Fall. Replay (3).Ein Zusammenhang muß vermutet werden: Nachdem der Facebook-Konzern gestern >>>> vor dem Landgericht Berlin einer Grundsatzklage der VZBV unterlag, woraus sich weitere Klagen, ergeben könnten, die auf Zahlung von Geldsummen gehen, war das „soziale“ Netzwerk, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, heute morgen >>>> im Internet nicht mehr zu erreichen. Die Daten freilich sind eingesammelt. Julian Assange hat Facebook denn auch „die schrecklichste Spionage-Maschine“ genannt, „die jemals entwickelt wurde“. Nun kann man sie nach eigenem Gutdünken nutzen - oder vermeinen, das tun zu können -, etwa als eigene kostenlose Acquise-Plattform oder, wie Die Dschungel tut, als Wand für Affichen; im übrigen tut man gut daran, tatsächliche Kommunikation zu verweigern, also vermeiden, auf Facebook Gespräche zu führen, nämlich allein schon aufgrund des von Facebook durchgesetzten >>>> „Werte“-Kanons. Den direkten Zugriff erhalten Sie >>>> dort; „confidential“ wird über dem Manual vermerkt. Die drin vermerkten „Werte“ sind, gemessen an der in mehrere Millionen gehenden Verbraucherzahl, nicht mehr nur private eines Unternehmens, sondern sie haben öffentliche Gewalt. Und zwar eben eines „sozial“ nur genannten, tatsächlich enormen Konkurrenzdruck ausübenden Wettbewerbs-Netzes, das zugleich Privatheit und gleichberechtigte Schwester- und Brüderlichkeit vorschützt, an welche die allermeisten Users glauben. Deshalb kommt, wer andere Menschen erreichen will, um Facebook bereits nicht mehr herum. Vor allem bei jungen Leuten hat das Unternehmen längst die Email ersetzt, um von Briefen und ihren alten Geheimnissen ganz zu schweigen. Interessanterweise wirkt eine VomNetzNahme Facebooks wie ein Entzug. Wer nicht jenseits dieses Netzwerks eigene Plattformen aufbauen konnte, hat dann nicht nur mehr keinen Zugriff auf sein Eigenes, das aber auch nicht etwa gelöscht, sondern in der Verfügungsgewalt des Unternehmens und seiner mehr oder minder direkten Subunternehmen frei zur unkontrollierbaren Nutzung verbleibt. Vielmehr ist man sich selbst verlustig gegangen, eines Teils wenigstens der eigenen Identität, die Facebook zur Betreuung überlassen war, gutgläubig, ganz sicher, in den meisten Fällen jedenfalls. Dies wird nun allerdings den verlorenen Prozeß ganz besonders bekannt machen. Am Fall Facebook werden auf moderne Weise Verantwortung und Verantwortlichkeit neudiskutiert. So daß sich das Unternehmen in ebender moralischen Falle fängt, die es seinen Users grub – wobei Die Dschungel durchaus nicht von Vorsätzlichkeit ausgeht, jedenfalls nicht von Beginn des Unternehmens an, sondern von einer juristischen Zwickmühle, in die es aufgrund seines rasenden Wachstums geriet. Diese kneift um so mehr unerbittlich, als es weltweit den einen moralischen Konsens nicht gibt. Insofern wird Facebook zum Lehrstück in Sache Globalisierung; es ist bereits die Speerspitze - und in einigen Ländern schon besatzungsartiger Brückenkopf - sowohl der in den USA formulierten, mehr oder minder puritanischen, wenn nicht sektischen Werte von Gesellschaft als auch ihrer ökonomischen Grundlagen und Auswirkungen. Zugleich steht Facebook aber auch für eine mögliche Formierung von Widerstand, der allerdings von dem Unternehmen, bzw. seinen Gönnern und Partnern detailliert überwacht und je nach politischem, bzw. ökonomischem Interesse, zu dem auch die eine Staatsraison gehört, gefördert oder behindert werden kann. Replay 2 <<<< albannikolaiherbst - Mittwoch, 7. März 2012, 09:01- Rubrik: KYBERREALISM
Zu Aléa Torik und dem Bücherblogger.albannikolaiherbst - Donnerstag, 8. März 2012, 20:08- Rubrik: Links
Männer. Interview mit Ralf Bönt.albannikolaiherbst - Freitag, 9. März 2012, 18:22- Rubrik: FrauenundMaenner
Wo einer sich verletzbar zeigt.Wird er geschlagen. (DXXVI). albannikolaiherbst - Dienstag, 13. März 2012, 07:15- Rubrik: Paralipomena
DEM RADIO IHRE STIMME GEBEN. Für den 20. März 2012. DIE RADIORETTER: Initiative für Kultur im Rundfunk.Sehr geehrte Unterzeichnerinnen,
sehr geehrte Unterzeichner unseres >>>> Offenen Briefs, wir danken Ihnen sehr für Ihre Unterstützung, die unserer Initiative große öffentliche Resonanz eingebracht hat. Mittlerweile haben wir beinahe 15.000 Unterschriften unter den Offenen Brief an die WDR-Intendantin versammelt. Offensichtlich hat unsere Initiative einen wachsenden, aber bislang stumm gebliebenen Unmut zum Ausdruck gebracht: die Entwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den letzten Jahren rufen Kritik, Besorgnis, oft auch Resignation hervor. Diese Initiative ist die Chance, daraus eine große öffentliche Kraft zu machen, die mit ihrem Protest und ihren Forderungen der Tendenz zur Verarmung und Reduzierung entgegen tritt für ein künftiges Kulturradio auf der Höhe der Zeit: den Menschen und der Welt zugewandt, kritisch, intellektuell anregend und streitbar, lebendig, auf Verständigung bedacht, mit Zeit und Raum für Reflexionen und Einordnungen. Ein Radio, das in Wort und Musik Kultur vermittelt und Kultur produziert; ein Radio, das die kulturelle und politische Entwicklung begleitet und über Gegenwart und Zukunft orientiert. Es geht derzeit um die geplanten weiteren Verwüstungen auf WDR 3, aber Sie alle wissen, es geht letztlich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt. So hat es große Bedeutung, wenn wir mit diesen Anliegen weiterhin Kreise ziehen. Sicher fallen Ihnen noch Freunde und Bekannte ein, die sie auf den Offenen Brief aufmerksam machen und ebenfalls zu einer Unterschrift anregen könnten. Denn dem öffentlichen Protest zum Trotz haben Intendanz und Hörfunkdirektion bereits erklärt, keineswegs an eine ernsthafte Korrektur der Reformpläne zu denken. Wir haben Grund zur Annahme, dass mit einigen kleinen Veränderungen der Eindruck eines "Kompromisses" erweckt soll, um wie bisher die eigentliche, die grundsätzliche Diskussion über die Zukunft des Kulturradios und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu vermeiden. Am 20. März, am kommenden Dienstag also, sollen die alten Pläne im Programmausschuss des Rundfunkrats erneut durchgesetzt werden im Kern unverändert. In den letzten drei Wochen haben wir sehr viel Post von Ihnen bekommen mit Argumenten, Anregungen und kritischen Bemerkungen. Wir halten es für noch wirkungsvoller, wenn Sie Ihre E-Mails bitte mit Kopie an die Radioretter – an die WDR-Intendanz oder an den Rundfunkrat senden würden. Denn so könnten die WDR-Geschäftsleitung und das in wenigen Tagen entscheidende Aufsichtsgremium auch unmittelbar von Ihnen erfahren, was Sie sich von einem Kulturradio wünschen und an den Veränderungsplänen auszusetzen haben. Wichtig wäre auch Ihre Haltung zum geplanten Versuch, die alten Reformpläne in einem neuen Anlauf durch Programmausschuss und Rundfunkrat zu schleusen. Wir denken daran, eine repräsentative Auswahl von Mails auf unserer Internet-Seite zu veröffentlichen, um unseren Besuchern ein vielstimmiges „Bild“ von den vielen Unterzeichnern des Offenen Briefes, von ihren Hör-Erfahrungen und Motiven zu geben. Die Mailadressen der Intendantin, des Rundfunkrates und des Hörfunkdirektors lauten: mailto:monika.piel@wdr.de mailto:rundfunkrat@wdr.de mailto:wolfgang.schmitz@wdr.de Unsere Mailadresse lautet: mailto:kontakt@die-radioretter.de Für den kommenden Montag hat die Initiative Kultur für den Rundfunk übrigens die Mitglieder des WDR-Programmausschusses zu einem Gespräch geladen, in Kürze wird es außerdem eine öffentliche Veranstaltung geben. Mit freundlichen Grüßen, Die Radioretter Initiative für Kultur im Radio http://www.die-radioretter.de albannikolaiherbst - Donnerstag, 15. März 2012, 05:45- Rubrik: AltesEuropa
Kunden„rezensionen“ ODER Das Banausentum. Die Fenster von Sainte Chapelle, ff.Bei amazon.de schreibt eine Leserin zu meiner Novelle >>>>> folgendes: Verleitet durch den Titel "Die Fenster von Sainte Chapelle" erwartete ich einen kulturell interessanten Reisebericht mit Schwerpunkt auf dieses gotische Juwel. Stattdessen bekam ich eine unübersichtliche, verwirrend geschriebene,uninteressante Selbstdarstellung des Autors. Ein Verschnitt zwischen Phantasy und Tagebuch. Das Buch enthält keinerlei seriöse Informationen über Ste.-Chapelle. Das ist ärgerlich, weil man als Autor für die Dummheit von Lesern bestraft wird und diese Strafe sich in einer Bewertung niederschlägt, die schein-objektiven Character hat. Das Sterne-System von Bewertungen ist heikel genug, aber zusammengenommen mit einfachen Fehleinschätzungen wird die Angelegenheit grauslich. Das geht bereits im Titel dieser „Rezension“ los: Täuschender Titel schreibt die „Rezensentin“ - als träfe das dann nicht ebenfalls auf Dumas' „Notre Dame de Paris“ zu, auf deutsch freilich „Der Glöckner von Notre Dame“. Ganz offensichtlich hatte die Rezensentin eine Art Reiseführer erwartet und ebenso offensichtlich das Wort „Erzählung“ gänzlich ausgeblendet, das als Gattung dem Titel beigesellt ist. Diese Ausblendung wird indes dem Autor zum Vorwurf gemacht. Darüber hinaus läßt sich bestreiten, daß >>>> dieses Buch tatsächlich keine „seriösen“ Informationen über die Sainte Chapelle vermittelt; das tut es nämlich, etwa dort, wo der Mob zur Französischen Revolution die Kirche erstürmt und alles drin kurz- und kleinschlägt. So steht das freilich in keinem Reiseführer, wird aber sehr wohl in den Revolutions-Protokollen berichtet, ebenso wie, daß und wie die Kirche entäußert werden sollte. Man muß einfach davon ausgehen, daß eine sogenannte Demokratisierung der Urteile nur dann, ganz wie die Demokratie selbst, funktionieren kann, wenn wenigstens ein Mindestmaß an Allgemeinbildung vorhanden ist. Wo sie fehlt, übernimmt das Banausentum die Herrschaft. Dagegen ließe sich nurmehr etwas unternehmen, wenn auf solche ungebildeten, bzw. >>>> gefärbten Rezensionen Gegenrezensionen geschrieben würden – was bei der Menge von Bucherscheinungen und ihrer Bewerbungen reinweg unmöglich ist, schon deshalb, weil gebildete Menschen meist auch ganz anderes zu tun haben – sie kämen andernfalls zu eigener Arbeit nicht mehr. So daß der Kopfmob siegt. (Die verlinkte zweite Kunden„rezension“ zeigt überaus deutlich, wie sehr auch private Interessen von Unternehmen wie amazon meinungsmachend in Bewegung gesetzt werden: all dies gehört zur kapitalistischen Struktur des Pops. Wenn etwa Else Buschheuer ihre Leser, wie sie grad tut, auffordert, bei amazon viele Rezensionen zu schreiben, wofür sie ihnen Autogrammkarten verspricht, gibt man den Löffel, der lang sein muß, imgrunde bereits vor der Suppe ab. Das Verfahren funktioniert zum Wohl der Autoren alleine dann, wenn sie in dieser Suppe schon schwimmen und nicht ästhetische Güte, sondern der soziale Konsens das ausschlaggebende Kriterium ist. Darunter leidet jeder, der nicht die Öffentliche Meinung bedient, sondern sich eigene Gedanken bewahrt und sie äußert.) albannikolaiherbst - Dienstag, 20. März 2012, 16:36- Rubrik: KYBERREALISM
Zum Frühjahrsanfang. Trollheide (1). Von Fleuron.![]() Der Schnee schmolz noch in den Senken; auf den weiten Heideflächen aber dampfte es von Wärme und Feuchte. Die ersten Zugdrosseln würmten im Espenlaub um den alten Trollberg, der seine heidebedeckte düstere Kuppe über den weiten Horizont hob. In einem Dickicht von Eichengestrüpp und Bergfichten auf ödem Felde schleckten kleine blaue Anemonen Sonne; an anderen Stellen, wo das Fallaub von Jahrhunderten die Erde in fruchtbaren Humus verwandelt hatte, segelten in dem Ozean welken Laubes ganze Flotten der blauen Blume. Jetzt öffneten sie die Blattkelche, die Blütenblätter bogen sich in Schirmen über die Stengel – es war hoher Vormittag: Da raschelte es in den vielen Spalten und Löchern rings auf dem Trollberg; aus der sandigen Tiefe des alten Hünengrabes wurde ein verdrossener Kahlschädel nach dem anderen mit seiner spielenden Zunge sichtbar. Die Kreuzottern zögerten kurz, als horchten sie die Umwelt ab, oder kamen ihnen Luft und Licht im ersten Augenblick allzu stark und überwältigend vor? - bis sie die dünnen Stielhälse weiterreckten. Brütend steht die Mittagssonne über dem Hügel, durchglüht seine von Nachtfrösten erstarrten Lenden und dringt zutiefst in seine regenüberspülten Fugen und Löcher – da scheint es auf einmal, als öffnete sich der Trollhügel: Kreuzottern in den verschiedensten Größen und vielfältigsten Farbtönen wimmeln hervor; wenn aber die Sonnenstrahlen sie treffen, flammen sie alle in ihrem dunklen zickzacklaufenden Rückenband auf. Die Tiere finden trockene Stellen rundum im Heidekraut an den kahlen Stellen, die von den Schafen niedergetreten sind, und rollen sich in Behagen zusammen wie ein aufgedrehtes Tau oder strecken sich arglos, das runde Schwanzende niederbaumeln lassend. - Der alte, feste Stamm der großen Heideschlangen ist aus der Winterruhe wieder zum Leben erwacht.Svend Fleuron, >>>> Tyss und Tuff (1926: Erstausgabe Diederichs, hier nach dem TB, Sponholtz, von 1959). albannikolaiherbst - Mittwoch, 21. März 2012, 09:45- Rubrik: Texte
Aufrunden bitte!Das hat mir gefallen, >>>> diese Aktion. Bei Penny gesehen, gestern. Sagt der Kunde an der Kasse: „Bitte aufrunden“, dann wird der zu zahlende Betrag auf die nächste 10-Cent-Marke aufgerechnet und die Differenz an eine soziale Hilfsorganisation weitergeleitet. Ich ziehe meinen Hut vor dem, der auf diese Idee gekommen ist. Ja, es geht für die Einzelnen nur um Centbeträge, die sie kaum spüren, aber in der Summe können dabei enorme Beträge zustandekommen, zumal bereits einige Unternehmen an diesem Verfahren beteiligt sind. So kann ich Sie nur bitten: machen Sie alle mit! (Welche Unternehmen die Aktion mittragen, finden Sie hinter dem Link.) März 2012. albannikolaiherbst - Samstag, 24. März 2012, 10:25- Rubrik: evolution
Die Leser der Zukunft. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (138).Dieses geschah wie unvermerkt. Es ist ein LesePhänomen. Als prägte die tägliche Beschäftigung tatsächlich den Modus der Aufmerksamkeit um. Zum ersten Mal las ich einen ganzen Roman am Bildschirm, ohne mich nach dem Buch zu sehnen. Das war frappierend, ist es noch; wie so viel näher mir der Text in seiner quasi amateriellen Erscheinung kommt, wie viel quasi unmittelbarer er in mich eingeht, Wörter und Sätze zu Bildern werden, Zusammenhängen, auch logischen Schlüssen, gegen die sich, las ich zuvor in Büchern, allein die fremde Materie sperrte, das fetischhaft Dinghafte. Ja, es hätte mich gestört, wären noch Seiten umzuschlagen gewesen. Das wäre gewesen, als stünde ich in Rom und versuchte, die nicht mehr leicht lesbaren lateinischen Schriften an Säulen zu entziffern oder die nachgelassenen Botschaften Hinterbliebener auf Grabsteinen. - Seltsam, wie sich die Wahrnehmung verschiebt – wie schleichend, in einem, daß plötzlich der, sagen wir, E-Text bedeutsamer erscheint als einer in Druckform. Wobei der am Bildschirm erscheinende (!) Text in der Tat näher an der religiösen Idee des Wortes ist, als der in einem Buch. Das Buch ist immer auch Goldenes Kalb, um das die Aaronscharen tanzen, ist Götze, der zur Ware verkommt, wenn ihm nicht, wie die Alchemiker taten, ein Geheimnis beigeflüstert wird, das sich nirgends manifestiert: also eben das Wort ohne Bild wieder. In diesem Sinn wird in >>>> Wolpertinger und >>>> Thetis die Diskette verwendet; gerade deren technische Überkommenheit – zu der gehört, daß es kaum noch Lesegeräte für sie gibt oder bald mehr geben wird – verleiht ihr eine Aura, die vordem das Buch immer wieder umkreist hat: geheimes Buch, unsichtbares Buch, zu entschlüsselndes Buch, Necronomicon, Kabbala usw. Interessant ist aber erst einmal das pragmatisch Nüchterne der neuen Leseerfahrung: wie wenig Buch als Konkretes sie noch braucht, ja daß das Konkrete sie stört, sich zwischen den Text (die Dichtung) und den Leser (mich) stellt, um ihn vom „Eigentlichen“ abzulenken. Daß die Befreiung vom Sentimentalen, das jeder Fetisch hat, tatsächlich als Befreiung erlebt wird und nicht als Verlust von Gefühl. Dabei hänge ich am Buch, sehr. Kann aber nun erst recht nicht umhin, sein Ende zu konstatieren – als Ende nicht nur eines Informationsmittels, sondern als Ende des Mediums von poetischem Gesang. Der mußte allerdings ohnedies immer aus den Büchern erst wieder herausübersetzt werden. Vielleicht fanden sie ihr Ende schon da, als man vergaß, daß sie allein Partituren sind. Als die Menschen also vergaßen, daß man sie übertragen muß in Laut: wie man Gedichte rezitiert. Der Vorgang ist aber im Grunde banal: Gewohnheit nämlich. Indem ich seit Jahrzehnten lange Texte am Bildschirm bearbeite, ist der Einwand, „man“ lese nicht lange Texte im Netz, längst obsoletevoliert. Es werden, eventuell, ältere Leser den Schritt nicht mehr machen, jüngeren aber wird bereits morgen der elektronische Text näher als der gedruckte sein. Anders als dieser, s c h w i n g t er. . >>>> Litblog 139 Litblog 137 <<<< albannikolaiherbst - Montag, 26. März 2012, 09:01- Rubrik: Litblog-THEORIE
Heikle Stellen. Argo. Anderswelt (269).Da, unversehens, brach es aus ihr heraus. Erst stimmlos, nur aus den Augen lief ihr das Wasser, er wußte gar nicht, wohin mit so viel Erbarmen, sah sich nach einem seelischen Fluchtweg um, nahm die Frau doch schon in die Arme. So daß sie nun auch stimmlich schluchzte, wie Beben ging das durch ihren Leib und, weil Körper an Körper, auch durch den seinen. Der trainiert genug war, sie mit hochgestreckten Armen zu heben. Nun drückten die Muskelpakete sie an sich. Die Situation war für ihn nicht ohne eine Pein, die das Zeug zur Peinlichkeit hatte: stünde Broglier jetzt in der Tür, wie wollte ihm der Freund das erklären? Solch ein von neuen und immer neuen Wellen Unglücks geschütteltes Loyalitätsproblem bebte dem Mann an der Brust. >>>> Argo 270Aber Broglier kam nicht, bis zum nächsten Morgen nicht. Was für ihn nicht unüblich war. Er schritt einfach in die Straßen hinaus, solch einen Abscheu vor daheim. Er hatte nie im Griff, wann der hochkam. Dies waren die Stunden, die ihn abstürzen machten, wenn er morgens nur für drei Brötchen die Wohnung verließ, aber selten wiederkehrte vor spätnachts, betrunken immer, grölend nie – wäre er simpler gewesen, er hätte Dorata geschlagen. Ob das nicht sogar die Gefühle, denen sie beide ausgesetzt waren, und dem Verfall, geklärt hätte, ist nicht ganz heraus. Vielleicht hätte Dorata dann Abstand nehmen können, und er selbst wäre sich des Leidens bewußt geworden, das er ihr antat. Ein Akt, in dem die Verzweiflung endlich Haltung verliert, hätte das sein können, so daß Dorata zu sich findet, endlich, angesichts dieses massiven Symbols, das grob genug im Raum steht, um alles, was man verzweifelt versteckt hat, nackt und so roh zu offenbaren, wie es ist. Das man nun nicht mehr schönschleifen, schon gar nicht wieder schlucken kann. Doch war er, Broglier, für diese, schreibt Benn, Zusammenhangsdurchstoßung viel zu fein, zu kultiviert, zu weich auch. Anders Kalle. Der hätte wohl schon zugeschlagen, aus Herzensgüte sozusagen, hätte dann verdattert die eigene Hand angesehen und den Tropfen Bluts unter der Nase der Freundin, die nun allen Grund gehabt hätte, und Gelegenheit, den Geliebten zu verlassen. Beides vorenthielt Broglier der in sich und ihr Programm derart verlorenen Klonin, ja firmte es noch, was hätte so dringend umgeschrieben werden müssen. Liebe, wenn sie tief ist, erduldet, so lang der Geliebte sie anschweigt; da ist sie bereit, sich bis ins Vergessen, nach dem sie sich dann sehnt, quälen zu lassen. Argo 268 <<<< albannikolaiherbst - Dienstag, 27. März 2012, 09:32- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Die Vorhänge der Wirklichkeit (1). Daniel F. Galouye. Erste Überlegung und Skizze.Wie geh ich's also an? Abgesehen davon, daß das Honorar zu knapp ist, um gedeihlich mit Profisprechern arbeiten zu können, wobei ich ohnedies wieder auf „mein“ Team zurückgreifen möchte, aber eventuell noch Quasthoff fragen werde, will ich abermals kein dokumentarisches „Feature“ bauen - ich verstehe darunter eine faktische Klang-Reportage -, sondern etwas, das erneut einer „Radio-Fantasie“ am nächsten kommt, ohne daß aber auf faktische Daten verzichtet wird. Nun sind es sehr viele Bücher, bzw. Stories, von denen hier erzählt werden soll, wobei ich es ablehne, über sie zu erzählen; vielmehr sollen sie von sich aus erzählen: als täten sie's selbst. Hinzu kommt, daß biografische Details des Autors ohnedies nur spärlich zur Verfügung stehen, bzw. für das Poetische recht unergebig sind. Was wichtig ist, ist in drei Minuten erledigt. Will sagen: ein biografischer Interpretationsansatz schließt sich von vornherein aus, anders als bei dem schillernden Philip K. Dick, über den ich schon vor acht Jahren ein Hörstück geschrieben habe. Jedenfalls bedeutet die Quellenlage, daß es keinen „Fluchtweg“ aus der Erzählung in die „Personality“ gibt. Imgrunde, literarisch, ist das ein Idealfall. Also Szenen aus den Büchern collagieren, angereichert allerdings mit Eigenem, das ich aus der Anderswelt-Poetik abziehen werde. Zum Beispiel ein Spaziergang, Unter den Linden entlang bis zum Brandenburger Tor, da hindurch und drüben in den Retiro. Auf dem Weg, gleich nach The Westin Grand, erhebt sich ein Gründerzeitgebäude, worin heute die Stiftung für elektronische Reizung des Gehirns (das sogenannt SERG) residiert, die ich, eine Erfindung Galouyes, zu einer Unterabteilung >>>> Max Plancks machen werde; das Institut hat tatsächlich, aber am Hausvogteiplatz, >>>> eine Dependance ganz in der Nähe. Was paßt. Eventuell werde ich sogar gerade sie zum Institutssitz machen (und ein paar O-Töne aus den Räumlichkeiten ziehen). So verbinde ich Galouyes Fiktion mit zeitgenössischer, ja unmittelbarer Wirklichkeit. Das würde vor allem zu dem Roman Simulacron Drei passen. Für den werde ich aus Kostengründen meine Idee nicht umsetzen können, aus Faßbinders Filmton zu zitieren – oder ich muß es so machen, verfremdet, daß es keiner erkennt. Wär dann aber witzlos. Wiewohl ich Löwitschs Stimme schon gerne drinhätte. Na, mal sehen. Jedenfalls kopiere ich nun sämtliche Exzerpte aus den Büchern, gemischt mit meinen Überlegungen Einfällen, direkt in den Entwurf des Typoskripts, nehme die Quellenangaben weg, bzw. verschiebe sie in Fußnoten und lasse alles erst einmal, nur durch Absätze getrennt, aber noch keinen Sprechern zugeordnet, als Fließtext stehen. In den schreibe ich erste Anweisungen für Klänge hinein, worunter ich sowohl O-Töne, also Aufnahmen von Straßen, Räumen, Menschenstimmen usw., also auch Musikideen verstehe, die ich ja diesmal, am Cello, selbst umsetzen will. ![]() >>>> Galouye 2 albannikolaiherbst - Mittwoch, 28. März 2012, 11:04- Rubrik: HOERSTUECKE
Kunst muss zerstörenes ergreift mich eine existentielle traurigkeit.
keine traurigkeit über mich oder über dinge die mich etwas angehen - sondern eine traurigkeit über das sein, das leben, den tod. es kann nur den heroismus geben - und der heroismus ist eine grandiose verschwendung. nur - innerhalb dieser verschwendung gibt es eine subspezies - und dort findet der wahre, der tödliche heroismus statt. findeiss - Donnerstag, 29. März 2012, 01:11- Rubrik:
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