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und der staub liegt in der luft und die sonnenstrahlen bringen ihn zum tanzen. und in den strahlen manifestieren sich die 3 vampire, während du schläftst, oder so tust als ob, und du hörst wie sie sich um dich streiten. was soll man tun, wenn man spürt dass man nicht mehr unverwundbar ist? menschen sind zum schönsten und grässlichsten zugleich fähig. man müsste einen fragen können, der nie geliebt hat, nie gehofft und nie gewonnen hat. es gibt etwas in uns das wie ein kind greift nach allem was sich bietet. die gesichter v. börsenspekulanten. die gesichter von verlorenen die ahnen dass alles zum teufel geht. wie die gläubigen in den kirchen. vielleicht waren gewisse nazis die einzigen die sich, weil sie sich über alles hinwegsetzten was über die jahrtausende als conditio humanae die menschen vom schlimmsten abhielt, sein konnten was sich kein zivilisierter mensch je gestatten konnte. und vielleicht macht erst diese angemaßte macht über leben und tod das aus was einen menschen von einem gott unterscheidet: das bewust-sein der vollkommenen und willkürlichen selbstvernichtung. das bewustsein dass das leben eines menschen den man umbringt, millionenfach, nicht mehr wert ist als das eigene - und dass es vollkommen gleichgültig ist, wer wen umbringt - dass das schlachten der eigentliche zweck der sache ist - und das was sie kultur nennen nur patina und schminke, an die nur idioten glauben. umgekehrt waren die sogenanten großen religionstifter derselben pathologischen ansicht. selbst jesus, der sagte: "ich bin nicht gekommen um frieden zu bringen auf die erde, sondern das schwert. denn ich bin gekommen, den menschen zu erregen wider seinen vater und die tochter wider ihre mutter und die schwiegermutter wider ihre schwiegermutter. ... wer vater oder mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert ... wer sein leben findet, der wird´s verlieren." matthäus 10. die weiche zivilisiertheit der appeasementtypen gegen die blutgier der banalen bestie, die gefolgschaft fordert und keine relation kennt. der autochthone herdeninstinkt hat alles verdorben, von anfang an. er hat sie empfänglich gemacht für subordination, führer- und märtyrerkulte der scheusslichsten art. sie liegen jetzt da wie die kühe und kauen das gras der geschichte wieder. aber es gibt engel. und engel debattieren nicht, sondern verführen. und zwischen ihren fingern sind schwimmhäute, hinter ihren zarten ohren zittern kiemen, ihre fontanellen sind durchsichtig und geben den blick frei auf den zerebralen stand der unschuld, in ihren hirnen sind keine gedanken sondern gegenstandslose wünsche, keine schreie und keine gier sondern leise fedrige kühle und zartestes vergessen. in ihnen spiegeln sich die tiefsten träume der existenz - und der tiefste wunsch der existenz ist der nach der nichtexistenz - wieder und hallt wie ein echo auf einen niemals gehörten ton, der uns in den ohren dröhnt und uns taub macht für das flüstern und das selbstvergessene schweigen der engel. in ihnen ist all das was uns nicht fehlt, weil wir nichts wissen von seiner existenz. sie sind das gegenteil des gegenteils. sie können uns nicht retten weil sie nicht wissen was verlorengehen ist, und wenn dich einer von ihnen berührt dann ist das wie wenn ein verschwundener einem verschwundenen schwört dass es ihn gibt, sie weisen dir deinen platz und zeigen dir deinen freund, sie machen dich lechzen nach deinesgleichen und geben achtlos aus der hand was du niemals haben kannst. und zwischen ihren augen ist ein drittes auge ist das nach innen schaut. aber es gibt kein inneres in engeln. wir sind die innenhaut der engel. wir sind ihr innerstes. an uns sterben sie. Jeder engel geht unwiderbringlich verloren, scheiternd und verbraucht von der paradoxie weder gott noch kreatur zu sein - except lucifer, der das gewicht der welt zu spüren bekommen hat - und gott vom anderen ende des spiegels her anschaut.
findeiss - Montag, 3. März 2008, 01:01- Rubrik:
Lieber verstorbener >>>> Ulrich Horstmann,
es gibt von Ihnen einen noch zur Lebzeit verfaßten Aphorismus, der ungefähr so lautet:
Warum schreibst Du? - Aus Ruhmsucht. - Mit der Grandezza eines Renaissencefürsten wäre die Frage ein- für allemal aus der Welt gebracht.Ich habe ihn aus der Erinnerung so >>>> in meinen Heidelberger Vorlesungen zitiert. Nun werden diese für den Druck vorbereitet, und in dem Buch hätt ich das Zitat schon gerne "in echt" und mit der zugehörigen Quelle versehen. Ob Sie für mich vielleicht einmal in Ihrem Nachlaß nachschauen würden?
Auch posthum Ihnen querköpfig irgendwie verbunden... ja ja, ich weiß, was Nietzsche über solche Vereinnahmungen geschrieben hat... dennoch:
Ihr
ANH
www.albannikolaiherbst.de
albannikolaiherbst - Dienstag, 4. März 2008, 16:37- Rubrik: Korrespondenzen
Carl Johannes Verbeen (* 4. Mai 1922 in Amsterdam; † vermutlich 1994 im Libanon) war ein fiktionaler schweizerisch-holländischer Schriftsteller, dessen folgende Biographie und dessen Werke eine Erfindung des Schriftstellers >>>> Alban Nikolai Herbst sind. Alle folgenden Angaben beruhen auf einem Radioessay Herbsts vom April 2006, in dessen Zusammenhang es versäumt wurde, auf den fiktionalen Charakter Verbeens hinzuweisen.
Verbeen ist einer der „vergessenen Wilden“ der deutschsprachigen Literatur und Komponist. Sein Werk steht am Beginn der postmodernen Ästhetik und vereint hochgradig vitalistische, teils sexistische, teils esoterische Tendenzen mit einem bemerkenswerten Bilderreichtum und hoher Stilistik, in deren Ausprägung sowohl der literarische Symbolismus (etwa Lautréamonts) wie ein Expressionismus döblinscher Prägung maßgeblich eingeflossen sind. Daneben speisen sich die Romane und Gedichte offenbar aus dem persönlichen Erleben seiner zahlreichen Reisen insbesondere in den Orient. In seinen späten Jahren wurde Verbeen zum Verkünder einer neuen, durchweg eklektizistischen Religion, der sog Poesia Divina. Von der Kritik wird Verbeen, wenn überhaupt erwähnt, als Scharlatan betrachtet.
Verbeen war der Sohn eines niederländischen Kaufmanns und dessen afghanischer Ehefrau. Schon als Kind kam Verbeen zusammen mit seiner Familie nach Frankfurt am Main. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde die Lebenssituation mit der Zeit immer schlimmer, so daß die Familie 1937 in die Schweiz emigrierte und sich in Zürich niederließ.
Finanziell äußerst großzügig abgesichert, konnte sich Verbeen immer schon der Musik und Literatur widmen. Ausgedehnte Reisen führten Verbeen häufig in den Orient und in seinen späteren Jahren nach Südamerika, wo er von 1983 bis 1990 in Manaus, Brasilien lebte. 1964 hielt sich Verbeen einige Zeit in Teheran, Iran, auf.
1942 konnte er mit dem Gedichtband Chohan debütieren, hatte aber bis zu Schatten (1953) mit seinen Werken keinen Erfolg zu verzeichnen. Erst dieser Roman Schatten (1953) machte ihn kurzfristig berühmt. Doch schlug er ein Jahr später, nach der Uraufführung seines happeningartigen Theaterstücks "Hagen von Tronia ohne n" (Bern 1954), einen Schweizer Kritiker nieder und verletzte ihn schwer. Diese Tat wurde mit fünf Jahren Haft geahndet, welche Verbeen bis 1960 in der Zürcher Strafanstalt Regensdorf verbüßte. Seither wurde er in der deutschsprachigen Literaturgeschichte als persona non grata behandelt und kam praktisch nicht mehr darin vor.
Während seiner Haft konvertierte Verbeen vom calvinistischen Christentum zum katholischen Glauben und setzte sich auch sehr intensiv mit religiösen Fragen auseinander. Als er nach Ende seiner Haftstrafe und einem Aufenthalt im Iran (1964; damals noch Persien) seine spätere Ehefrau Chagai kennenlernte, kam er mit dem Islam in Kontakt und konvertierte noch vor seinem befristeten Umzug nach Teheran zum Islam.
Anlässlich eines Besuchs bei seinem Verleger Geert van Oorschot in Amsterdam lernte Verbeen den Schriftsteller Albert Vigoleis Thelen kennen. Als dieser zwischen 1960 und 1973 in Blonay bei Vevey das Gut „La Colline“ verwaltete, besuchte ihn Verbeen öfter mit Frau und Tochter. Thelen übersetzte nicht nur einige Werke von Verbeen, er schätzte ihn auch als Freund und Kollegen. Versuche Thelens, Verbeen mit Hans Werner Richter bekannt zu machen, schlugen anscheinend wegen beiderseitigem Desinteresse fehl.
Als Komponist schuf Verbeen u.a. „Zelil“ (für großes Orchester), welches 1967 unter dem Dirigenten Ernest Bour auf den Donaueschinger Musiktagen seine Uraufführung erlebte.
Bedauerlicherweise enthält das ansonsten sehr präzise Archiv der Donaueschinger Musiktage zwar einen Hinweis auf Ernest Bour, unterschlägt jedoch sowohl Verbeen wie sein Werk, als wäre es dort niemals aufgeführt worden ...
Im Alter von 72 Jahren ist Carl Johannes Verbeen 1994 angeblich im Libanon verschollen.
Werke [Bearbeiten]
Chohan. Gedichte (1942)
Krempel. Gedichte (1943)
Schweine. Kurzgeschichten (1942)
Tolle Trümmer. Gedichte (1946)
Immer noch Trümmer. Beharrende Gedichte (1950)
Erstes Streichquartett (1950)
Gott. Gedichte (1952)
Schatten. Roman (1953)
Weshalb ich gerne impotent bin. Kampfschrift (1954)
HAGEN VON TRONIA OHNE N, Eine Heitere Mythologie mit reichlich viel Blut (1954)
Aus einer Zelle. Dostojewski-Meditationen (1957)
Offener Brief an Johannes XXIII. (1959)
Ihr seid Idioten. Romanfragment (1962)
Chalil. Erotische Gedichte (1966)
Zelil für großes Orchester (1967)
ALLAH’S PEOPLE für Violine, Chor, kleines Orchester und Zuspielband (1971)
Licht oder Die Verkündigung. Roman (1973)
Sterben. Gedichte (1975)
Geistliche Studien. Meditationen (1982)
A onça espelhada , poemas (1983)
Tupí, poemas (1984)
Amor/Doust, poemas oriental-brasileiros (1985)
POESIA DIVINA, Erbauungen (1988)
Leben. Gedichte (1992)
LEIDENSCHAFTLICH INS HELLE ERZÜRNT, Gedichte aus dem Nachlaß, hrsg. von Chagai Verbeen (1997)
Weblinks [Bearbeiten]
Alban Nikolai Herbst: >>>> Leidenschaftlich ans Helle erzürnt. Die vergessene Dichtung des Carl Johannes Verbeen, SWR2 2006
>>>> Ausschnitt aus Schatten (1953)
"Verbeen bei Thelen": >>>> Übersetzungen aus fremden Sprachen Nr.11.
_____________________________________________________
Verbeen (14) <<<<<
Erster Produktionstag <<<<
Zweiter Produktionstag <<<<
Dritter Produktionstag <<<<
Vierter Produktionstag <<<<
albannikolaiherbst - Donnerstag, 6. März 2008, 14:34- Rubrik: KYBERREALISM
Deshalb haben wir eben zwei im Vokabular völlig entgleiste Kommentare gelöscht und werden die Kommentarfunktion erst einmal wieder auf registrierte Kommentatoren einschränken. Bitte sehen Sie uns das nach. Es ist für neue Kommentatoren überhaupt kein Problem, die kleine Registrierung vornehmen zu lassen.
Die Fiktionäre.
albannikolaiherbst - Montag, 10. März 2008, 14:04- Rubrik: Arbeitsjournal
Sie stand und sie reichte das Tuch
Er aber nahm es und wußte
zögernd sie stürbe
wräng er es aus
wie das Wasser sich wandelte
wie sie hinüber
riefe das letzte Lob
als sie sprang
und ihm naß sich zurückließ
im tropfenden Tuch
und sich zurückließ
naß im Tuch
albannikolaiherbst - Dienstag, 11. März 2008, 13:47- Rubrik: Gedichte
Jetzt. Ganz. >>>> Hier. Abbildung von >>>> dort.
albannikolaiherbst - Dienstag, 11. März 2008, 06:57- Rubrik: Links
Bruckner IX mußt Du unter Harnoncourt hören... da fliegen Dir die Ohren weg. Masur ist zu dick für Bruckner, da ist zuviel Identifikation.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 12. März 2008, 15:42- Rubrik: MusikDesTagesFuerEB
Sie stand und sie reichte das Tuch
Er zögerte, nahm es
Er wußte, wräng er es aus
wie sie stürbe
wie Wasser sich wandelt
wie sie hinüber
riefe das Lob
als sie sprang
wie es troff
von dem Tuch
albannikolaiherbst - Donnerstag, 13. März 2008, 10:12- Rubrik: Gedichte
Eine eigenartige und bezeichnende Bewegung ist >>>> das. Wie in dem ja doch schon späten >>>> Bild Chabrols, worin der alte, sterbende Henry Miller auf dem Bett liegt und nach seiner Erscheinung eines jungen nackten Mädchens greifen will, das er aber nicht mehr erreicht. Er erreicht es so wenig wie >>>> Frank Bowman, ebenfalls greis, den vor seinem Totenbett stehenden Monolithen. Beide strecken ihre Hand auf die gleiche, nein: dieselbe Weise aus. Ich weiß nicht, ob schon jemand vor mir diese Parallele sah.
albannikolaiherbst - Donnerstag, 13. März 2008, 00:30- Rubrik: NOTATE
8.31 Uhr:
[In einem ungenannten Hotel.]
Da ich mich aus finanziellen Gründen in dem Hotelzimmer eines Freundes mit einquartiert habe, was geheimgehalten werden muß, aber wie gut, daß ich meinen Schlafsack so liebe, der auf so vielen Reisen und einigen Vulkanen gewesen... - muß ich aufs Frühstück erstmal verzichten, denn man kontrolliere im Frühstücksraum die Schlüssel - so warnte mich der Anruf des Freundes eben, den er mobil heraufgetätigt... - skizziere ich Ihnen schon mal die Ereignisse von gestern, soweit sie es wert oder soweit sie erhellend sind. Nur daß diese Erhellung etwas von einer zunehmenden Verdunkelung hat, und zwar ganz besonders, was a) den deutschen Konjunktiv und b) den Umgang mit moralischen Urteilen, bzw. Vorwürfen anbelangt. Es fehlt unterdessen einigen Leuten ganz offenbar am Feingefühl gegenüber der namentlich deutschen Geschichte. Aber es fehlt ihnen ja auch an Kultur, man muß sich da nicht wundern. Es ist nur so traurig, wenn man den Umstand ausgerechnet an einer jungen schönen Frau, die Lektorin ist, festmachen muß. Und nicht irgendeine, nein, eine bei einem der größten deutschen Verlage.
Das Lehrstück geht so:
Abends war ich mit einer befreundeten Autorin, deren neuer Roman grad erschienen ist, zu ihrer Lesung verabredet. Es bestand auch gar keine Gefahr, daß ich nicht hingehen würde, denn ich hatte morgens mein Mobilchen in ihrem Auto liegengelassen, mit sämtlichen Terminen, und das sollte ich bei der Gelegenheit wiederbekommen. Bekam ich auch. Wurde auch wieder unentgeltlich in den proppevollen Veranstaltungsort hineingeschmuggelt (wie auch später wieder bei Rowohlt, weil mir tags eine dortige Mitarbeiter die streng geforderte Einladung zugesteckt hatte), saß fast vorne dann und hörte zu. Die junge Autorin... Quatsch, dieses ewige „junge“... hat mich ja selbst jahrelang verfolgt, also: die Dichterin war nervös, es ist ein sehr persönliches Buch, ihre Lektorin war bei ihr, elegant gekleidet, volles blonde Haar, eine rundum angenehme Erscheinung voll Charme im Lachen, kurz: ich fühlte mich wohl. Allerdings war vorweggegangen, daß mir eine andere Autorin eines bereits späteren Jahrgangs, die ich ausgesprochen hochschätze, zumal ihr Urteil zwar scharf, aber nie unbegründet ist.... daß mir diese andere Autorin einen Brief über das neue Buch nun dieser Autorin geschickt hatte, worin sie einer Art Hilflosigkeit Ausdruck verlieh; sie findet es nämlich nicht gut, war aber von meiner Hochschätzung wiederum der Dichterin, die jetzt die Lesung hatte, überhaupt auf sie aufmerksam geworden... ich hatte meiner Freundin davon erzählt, und nun, nach der Lesung, fragte sie mich: „Und wie findest du es?“ „Das ist ein guter Text“, sagte ich, „das ist ein gutes Thema, er gefällt mir... aber ich ahne, was *** gemeint hat. Aber ich muß das Buch erst einmal ganz lesen, ich kenne ja jetzt nur zwanzig Minuten daraus.“ Wir trennten uns für ein kurzes, weil ich draußen einen Cigarillo rauchen wollte; ein anderer junger Autor setzte sich zu mir, wie sprachen übers Gehörte, dann erschienen die Dichterin und ihre Lektorin bei uns, diese in Begleitung ihrerseits eines Freundes. Und nun ging es los.
„Außerdem“, sagte ich (der ich noch gar nicht wußte, daß es sich bei der Begleitung der Dichterin um eine Lektorin handelte), „stimmen die Konjunktive nicht in dem Buch, jedenfalls einige nicht... und vor allem gleich im ersten Absatz auf der ersten Seite. Das geht nicht.“ Und ich setzte, leicht erfahrungsmüde, hinterher: „Aber den Konjunktiv beherrschen heutzutage auch die Lektoren nicht mehr.“ Woraufhin die Lektorin, die sich nun als Lektorin zu erkennen gab: „Es kommt auf korrekte Konjunktive nicht an.“ Ich: „Wie bitte?“ „Man kann das heute schreiben, wie man will.“ „Ja wozu haben wir dann ein Regelwerk der Sprache?“ „Sprache verändert sich, Sprache ist ein lebendiger Organismus.“ „Natürlich verändert sich die Sprache, aber sie verändert sich doch nicht, indem man absichtlich die Grammatik kaputtgehen läßt... jedenfalls ist das keine Veränderung, die in eine Dichtung gehört.“ Ich nahm den Satz vor, zitierte ihn, erklärte: „Bei einem Irrealis muß eine Bedingung folgen, ansonsten verwendet man, wie in der indirekten Rede, den Konjunktiv I.“ Die Lektorin: „Wenn man den Konjunktiv richtig verwendet, wird der Satz hölzern. Ich bin überhaupt eine Gegnerin des Konjunktivs.“ Je nun, dachte ich, das mag ja sein, aber dann muß man den Konjunktiv ja nicht verwenden. Indikativ läßt sich unterdessen einiges sagen, das vor noch zwanzig Jahren den Konjunktiv unbedingt erfordert hätte. So sagte ich: „Dann benutzen Sie den Konjunktiv doch einfach nicht. Aber w e n n Sie ihn verwenden, dann müssen Sie es korrekt tun... in einem Sprachkunstwerk. Klingt das hölzern, dann muß die Dichterin den Konjunktiv s o richtig verwenden, daß er eben nicht mehr hölzern klingt. Sonst versteht sie ihr Handwerk nicht. Aber die meisten Lektoren wissen eben selbst nicht mehr, wie das geht.“ „Die meisten Autoren wissen es auch nicht.“ „Das ist wahr. Ich weiß es aber noch.“ Sie daraufhin, bereits schnippisch: „Wie gut, daß wir Leute wie Sie haben.“ Ich: „Ja, man kann da von mir lernen.“ Sie: „Dann ist es ja gut für die deutsche Literatur.“ Der Ton wurde zunehmend scharf. Ich: „Dafür sind Lektoren doch da, daß sie korrigierend eingreifen, sie supervidieren.“ Sie: „Wenn es nach Ihnen ginge, schrieben wir noch wie zu Luthers Zeiten.“ Ich: „Da gab es noch gar kein grammatisches Regelwerk, das gibt’s >>>> seit etwa 1872.“ Mit dieser Bemerkung war die Lektorin sichtlich überfordert, wie es überhaupt an Bildung zu fehlen schien und sozusagen von der Straße stammt, was da an Sprachgefühl dawar. Ich bin bei sowas ungehalten, zumal ich ja immer noch das innige Vorurteil in mir trage, daß einer schönen Erscheinung auch eine Schönheit der Bildung entspricht. Daß ich das bei Frauen besonders erwarte, liegt an meinem Machismo, das gebe ich zu. Nun aber sprach diese Lektorin den folgenden Satz: „Sie sind ein Sprachfaschist!“Einen Moment lang war ich sprachlos, geschweige daß ich faschistische Regungen in mir gespürt hätte. Sondern ich spürte Trauer und gab ihr auch Ausdruck: „Was verwenden Sie für Begriffe? Was ist denn das für eine Verhöhnung der Opfer?“ Wiederum das ließ die wirklich noch sehr junge Lektorin und ihren nur leicht älteren Begleiter auf eine Weise hämisch lachen, daß es etwas erschreckend Gemeines bekam, etwas von Schenkelschlagen und Gegröle der Seele. Was mich nun wirklich wütend machte, da ich doch weiß, man kann den Leuten das nicht verübeln, denn sie kennen die Kultur gar nicht, sie haben sie nicht mehr. Auch nahm mich die Dichterin nun in den Arm und bat um Mäßigung, „bitte, Alban, nicht jetzt, nicht hier, bitte... ich mag ***, ich möchte keinen solchen Streit.“ Nach dem mir durchaus gewesen wäre, aber ich wiederum mag diese Dichterin... - Also zog das kleine Grüppchen ab, während ich grollend sitzen blieb und schon mal vorab die Quintessenz des Geschehens in mir formulierte: Wer auf Verletzungen der Sprache allergisch reagiert, ist faschistisch. Das paßt erschreckend genau zur >>>> Reaktion auf meinen FREITAG-Artikel. Wer für den deutschen Sprachraum den Kulturverlust beklagt, ist sogleich ein Neurechter. Und wir lernen für einen, der „wegen eines falschgesetzten Kommas eine ganze Zeitungsproduktion“ eingestellt hätte, wie er immer und immer wieder schrieb und wie er immer und immer wieder auf die Zusammenhänge von sprachlicher und moralischer Verschluderung hingewiesen hat, nämlich >>>> Karl Kraus... ---- wir lernen draus: KARL KRAUS WAR EIN JÜDISCHER SPRACHFASCHIST.Nur daß wir leider nicht mehr davon ausgehen können, daß ihn noch jemand anders kennt als allein über seinen Namen. Das label nämlich. Was drin ist, ist, >>>> wie bei Wittgenstein (Punkt 4 im Link), völlig egal.
Bis halb drei Uhr nachts waren UF und ich dann noch unterwegs, aber davon erzähle ich später.
14.56 Uhr:
[Stand der Begegnungen. Halle 5 C227.)
Ich muß der Geschichte mit der Lektorin nun einen g a n z anderen Dreh geben, der jetzt entschieden f ü r sie spricht. Also, ich treffe meine Dichterin wieder, sowas um elf Uhr. Sie: „M u ß t e das gestern sein? Ich hatte *** angekündigt, du kämest, sie sagte, aber der hat doch einen so schlechten Ruf! Ich verteidige dich, sage... - egal, und dann passiert s o w a s!“ „Nun, das 'sowas' sprach nicht gerade für s i e...“ „Ja, aber der Hintergrund ist ganz anders. Beim Lektorat hatte sie mich darauf aufmerksam gemacht, daß der Konjunktiv falsch ist, und ich... ich habe darauf bestanden, daß das so stehenbleibt, wie ich wollte...“ „D u hast den falschen Konjunktiv da reingesetzt???“ „Ja...“ „Dann hat sie dich gestern abend also v e r t e i d i g t.... obwohl sie selbst anderer Meinung war?“ „Ja...“ Ich: „Das spricht jetzt entschieden f ü r sie. Nur das mit dem Sprachfaschismus war dann....“ „Ich weiß, ich weiß, aber ihr habt euch da festgefahren in der Dynamik... Sie hat hinterher fast geweint....“ „Ich, tut mir leid, aber unser Gespräch war die Folge des Gespräches davor...“ „Das wußte sie aber nicht.... S i e hat gedacht: Warum greift der meine Autorin so an? Und hat mich verteidigt.“
Die Dinge liegen oft anders, als sie aussehen. Dennoch, das Lehrstück b l e i bt, auch wenn ich nun selbst ein Teil der dunkleren Seite geworden bin.
albannikolaiherbst - Freitag, 14. März 2008, 09:35- Rubrik: BUCHMESSEN
>>>> Aber wir b l e i b e n beim Verlust der Kultur, und nun zwar bei ihren Bewahrern, die sich schon dadurch auffällig machen, als sie - Halle 2, G201 - die Rückwand ihres Standes, das sollte man metamorphorisch lesen, mit deutschlandfahnigen Farben tapeziert haben. Das geht nicht hin >>>> für einen „Rechten“ von meiner Couleur. Die letzte Fußballweltmeisterschaft hat da übel ein Tabu des Guten Geschmacks unterhöhlt, was die „Linken“ auch nicht weiter gestört hat; da ging ihnen einfach der Fußball v o r. So gab es erst einmal keinen Grund, mich darüber zu ärgern, w e r hier den Schiller zum Ritter der Correct nessnuß schlug. Nämlich auf einem Sandwich ohne wich, gleich links neben neben der Werbebank aufgestellt, hinter der drei junge, sehr saubere Menschen sehr sehr ins Publikum lächelten und Prospektchen verteilten, las ich also:
Wie menschlich die Menschen sind, zeigt ihr Umgang mit der Muttersprache.
Friedrich Schiller
Das fand meine Sympathie in der Tat, weil schon >>>> der jüdische Sprachfaschist Karl Kraus nicht angestanden hatte, immer wieder auf den Zusammenhang von Sprachverschluderung und die Verschleuderung von Menschenleben hinzuweisen. Doch die Deutschlandfahne warnte. Nur ihrethalben frug ich: „Entschuldigen Sie, woher stammt denn das Zitat?“ Der junge, wirklich blonde Mann lächelte und sagte: „Das ist schön, nicht wahr?“ „Ja, aber woher stammt es?“ Da bedachte mich ein Blick, der aus Naivetät, Gerissenheit und Freundlichkeit nur so herausdampfte. „Von Schiller“, sprach darunter der Mund. Ich: „Jaja, aber woher von ihm?“ „Aus seinen Werken.“ „Wie erhellend! Und ich hab das erhofft. Allein, ich weiß nicht, aus welchem. Können Sie mir das sagen?“ „Nein, im Moment...“ So fragte ich die zwei andern bemühten Hoffnungen Deutschlands. Doch denen auch war alles Wissen plan. „Woher haben Sie's aber dann?“ Und so der deutsche Hans: „Das hab ich aus dem Internet. Ich fand es schön und hab es dann genommen.“
O tempore! O >>>> faculae!
21.50 Uhr:
[ICE Leipzig-Berlin. Eine Minute vor der Abfahrt.]
Es geht heim.
Müde.
23.48 Uhr:
[Arbeitswohnung. Cigarillo. Soave.]
Zurück. Bin im Zug eingeschlafen, über dem >>>> Littell. Obgleich er mich fesselt von Anfang an. Ich werde über das Buch schreiben. Wie über den neuen Pynchon auch. Will aber gleich zu Bett, darin vielleicht noch zehn Minuten lesen. Mein Resümmée der Messe erzähl ich morgen früh.
albannikolaiherbst - Samstag, 15. März 2008, 09:19- Rubrik: BUCHMESSEN
weil das leben ein traum ist
der nach dem aufwachen vergessen sein wird
ging ich nicht an land
und schaute zu wie menschen kamen und gingen
weil das leben ein traum ist
der nach dem aufwachen vergessen sein wird
wartete ich bis das schiff wieder ablegte
als kein land mehr in sicht war
legte ich mich auf das bett meiner kabine
weil das leben ein traum ist
der nach dem aufwachen vergessen sein wird
erwachte ich
es war nacht und niemand an deck
der himmel leer und wie immer voller sterne
ich sprang und sah das schiff davon gleiten
wie eine ungeborene galaxie
der typ neben mir an der der bar sagte plötzlich:
das leben ist ein traum
der nach dem aufwachen vergessen sein wird
und? fragte ich
nichts, sagte er
findeiss - Samstag, 15. März 2008, 01:27- Rubrik:
 Vielleicht ist >>>> es d a s, >>>> womit man als Deutscher nicht klarkommt: „Ich will hier nicht behaupten, ich sei an diesem und jenem nicht schuldig. Ich bin schuldig, ihr seid es nicht, wie schön für euch“ (S. 33). Diese Häme, die zynisch auf den wahren Umstand pocht, daß keiner von uns weiß, ob nicht auch er (auch sie) mitgemacht hätte. Und hätte ebenfalls seine perverse Lust daran gehabt: „Trotzdem könnt ihr euch sagen, dass ihr das, was ich getan habe, genauso hättet tun können.“ D a liegt der Skandal, zumal in der direkten Ansprache. Es geht um den ja doch schon gegenüber >>>> Syberberg abgewehrten „Hitler in uns“ - wobei es sehr viel schlimmer ist, daß es nicht einmal um d e n, sondern um die „Weichensteller, die Betonfabrikanten“ geht, zu denen selbstverständlich auch die beschäftigten Arbeiter gehören, „und die Buchhalter in den Ministerien“, ohne die „ein Stalin oder ein Hitler nur einer jener von Hass und ohnmächtigen Gewaltfantasien aufgeblähten Säcke gewesen“ wäre. „Die Feststellung, dass die meisten leitenden Angestellten der Vernichtungsindustrie weder sadistisch noch masoschistisch waren, ist mittlerweile ein Gemeinplatz“ (35). Das trifft auf Feuilletonisten ganz ebenso zu: w i e gemeinplätzig die sich benahmen, wissen wir schon seit der ersten >>>> Fackel. Daß sich das nicht verändert hat, und zwar quer auch durch die „Linke“, ist ein ebensolcher Gemeinplatz. Doch darf man ihn, und zwar deshalb, nicht nennen. Er ist eine Attacke – genau das wird gefühlt - auf unser humanistischstes Selbstbild. „Die Maschinerie des Staates nun ist aus dem gleichen Sand gebacken wie das, was sie Korn für Korn zu Staub zermahlt. Es gibt sie, weil alle damit einverstanden sind, dass es sie gibt, sogar - und häufig bis zum letzten Atemzug - ihre Opfer“ (S. 34). Dieser letzte Gedanke, zumal von einem Nazimörder ausgesprochen, der nicht einmal einsichtig ist, ist der ungeheure Affront, denn man spürt, daß er – stimmt. Wie darf denn ein Nazimörder recht haben? Und u n s anklagen? Ja, er tut nicht einmal das, sondern mit verächtlich müder Geste tut er uns weg. „Die wirkliche Gefahr für den Menschen bin ich, seid ihr. Wenn ihr davon nicht überzeugt seid, braucht ihr nicht weiterzulesen“ (S. 35). Mußten sie halt aber. Denn sie hatten ihren Rezensionsauftrag. Der ist ihnen nun zu i h r e m Nürnberger Prozeßchen geworden. Da saßen sie denn also, unschuldig, weil sie die Zeit verschont hat, und darüber schuldig, in den Redaktionen auf ihren Angeklagtenbänken und beteuern, ganz wie die hohen Nazis taten, ihre Unschuld. Wir selbst sitzen da, auch wir andren deutschen Leser. „Ihr werdet nichts verstehen und euch nur ärgern, nutzlos für euch – wie für mich“ (S. 35). Denn auf >>>> Radischs schon theoretisch bloß behauptete, zumal ausgesprochen gefärbte Feststellung, diese „schnittigen, juvenilen Gedankensplitter der konservativen Revolution und die Nachtgewächse des französischen akademischen Diskurses“ trügen „nichts bei zur Lösung der schmerzhaften Frage, was genau unsere Großväter zu Mördern gemacht hat“ läßt es sich höchstwahrscheinlich auf das allerbanalste entgegnen: Weil wir Menschen so sind. Wenn wir nicht das Glück einer Determination erfahren haben, die uns dem Widerstand zuschlug. Wer von uns das gewesen wäre, kann wirklich niemand sagen. Auch wenn die Abwehr nun - und seit Jahrzehnten - anders tut. Abwehr, Leser, heilt nicht.
>>>> Litell 3
Littell 1 <<<<
albannikolaiherbst - Sonntag, 16. März 2008, 14:10- Rubrik: NOTATE
Ein sehr schönes Projekt hat zur Leipziger Buchmesse das >>>> Literaturhaus Berlin realisiert, nämlich eine Ausgabe der Berliner Obdachlosenzeitung >>>> DIE STÜTZE gestaltet.  Die nun mit Lyrik gefüllt ist, zumal wichtiger Dichter der unmittelbaren Gegenwart. Wenn Ihnen also in den nächsten Tagen einer jener verkaufseifrigen Obdachlosen in S- und U-Bahn die Zeitung offeriert, dann, bitte, greifen Sie zu. Und legen noch gehörig etwas drauf für einen solchen schönen Mut.
albannikolaiherbst - Sonntag, 16. März 2008, 08:02- Rubrik: Gedichte
 Wenn >>>> Iris Radisch ein Buch „mit Schaum vorm Mund“ (Delf Schmidt) verreißt, dann ist das immer ein unabweisbares Zeichen dafür, daß man es lesen muß. So war es im Fall Elfriede Jelineks, so war's im Falle Sascha Andersons (der bei aller moralischen Verfehlung ein Dichter eben b l e i b t), so war es auch in meinem Fall, 1996 in Klagenfurt, mit >>>> THETIS. Man mag solch ein Buch nicht einmal selber mögen, irgend etwas ist dann dennoch daran, und zwar unbedingt; w e n n man es mag, dann sowieso. Vorausgesetzt, wohlgemerkt, daß Iris Radisch wütend verriß; ansonsten kann man sich selbstverständlich auch irren. Wobei für >>>> d i e s e s Buch „mögen“ ganz sicher ein heikler Ausdruck ist, der nämlich hier bedeutet: Es läßt einen nicht nur nicht unberührt, sondern wühlt in einem herum. Da Literatur nun, insoweit sie Kunst ist, immer pervers ist, führt sie zu Genüssen, die an ihrem Grund nicht erlaubt sind. Es sind Übertretungen. Ich habe nach den ersten gelesenen Seiten die Ahnung, solch eine Übertretung liege hier vor, und sie sei ungeheuer.
P.S.: Ich les mich gerade durch des >>>> Perlentauchers Resümmationen der bislang erschienenen deutschsprachigen Rezensionen hindurch. Komplette, massive, allgemeine Ablehnung des Buches, oft mit irrational-wütendem Unterton, öfter noch Ekel – und frage mich, was ausgerechnet >>>> Jorge Semprun, wenn diese alle stimmen sollten, dazu gebracht haben mag, über den Roman zu schreiben, es sei das Ereignis unserer Jahrhunderthälfte?
Da lauert etwas.
>>>> Littell 2
albannikolaiherbst - Sonntag, 16. März 2008, 00:00- Rubrik: NOTATE
 Man kann gar nicht grundlegender irren als etwa Georg Klein in seinem klug austarierten, alle moralischen Risiken meidenden >>>> Artikel in der Süddeutschen tat, der bei diesem Roman eine „Sprache des Bösen“ vermißt und doch zugleich sieht, daß es sie nicht geben kann. Die Wahrheit ist ja eben, daß ein substantielles Böses A u s r e d e ist. Es gibt nur sein >>>> Banales. Oder, um es mit einem literaturkritischen Begriff zu belegen: das Triviale. Deshalb ist hier ein literarischer Realismus ausgesprochen angemessen, zumal dann, wenn er auf höchstkünstlerische, nämlich derart collagierte Weise hergestellt wird. Littells Buch behauptet jede metaphysische Komponente des Bösen hinweg, d a s ist sein Skandal. Die Art, in der bei einer Massenerschießung, deren Entgleisung in eine Schlamm- und Blutschlacht Aue „dilettantisch“ nennt (S. 126), von der Erzählung der Greuel selbst zu dem den Erzähler sehr viel mehr bewegenden Umstand geschaut wird, daß er sich Splitterchen unterm Fingernagel zugezogen hat, die ihn pieksig quälen, ist ein ausgesprochen genaues Psychogramm des sogenannten Bösen, das eben letztlich nichts anderes als ein Sichfortbewegen allgemeinmenschlicher Befindlichkeit auf den Schienen der Vernichtungsindustrie ist, die man „eben mitmacht“, und zwar durchaus im Bewußtsein, es handle sich hier um ein Unrecht. „Bei Tisch, am Abend, diskutierten die Männer über die Aktionen, erzählten sich Anekdoten, verglichen ihre Erfahrungen, einige bedrückt, andere fröhlich.“ Bekanntlich ist Lachen eine Form der Reaktionsbildung auf nicht oder nur kaum Verarbeitbares. „Wieder andere schwiegen, auf sie“, weil ihnen keine Form der Abwehr zur Verfügung steht, „galt es zu achten. Es hatte bereits zwei Selbstmorde gegeben (...)“ (S.126). Hier ist es erst noch der ukrainische Mob, der, von der deutschen Propaganda dazu „verführt“, das Massenschlachten betreibt. „Die meisten von ihnen hatten gegen die Polen gekämpft, dann gegen die Sowjets, sicherlich hatten sie von einer besseren Zukunft geträumt, für sich und für ihre Kinder, und jetzt fanden sie sich in einem Wald wieder, in einer fremden Uniform, und damit beschäftigt, Menschen umzubringen, die ihnen nichts getan hatten, ohne einen Grund, den sie hätten verstehen können. Wie mochten sie darüber denken?“ Aue selbst denkt darüber ablehnend, macht aber, wie die anderen, mit. „(...) wenn man es ihnen befahl, drückten sie ab, stießen die Leichen in die Grube, führten die nächsten herbei und protestierten nicht. Wie würden sie später über all das denken? Wieder hatten sie geschossen. Jetzt wurden Schmerzensschreie aus der Grube vernehmbar. 'Verdammte Scheiße, da leben noch welche', knurrte der Hauptscharführer“ (S. 124). Nein, es g i b t sie nicht, die Sprache des Bösen, weil ein metaphysisches Böses eben nicht wirkt. Statt dessen wirken dieselben Strukturen, die Kassiererinnen bei ALDI Weisungen von Vorgesetzten unwidersprochen ausführen lassen, auch wenn sie widersinnig sind, und die uns auch selber, uns Intellektuelle, korrupt werden lassen. Es wirkt darüber hinaus eine Angst, und es wirkt die Struktur des Militärs-an-sich, das sowieso auf Widerspruchslosigkeit zurichtet. Es wirkt zudem eine Gruppendynamik, die man auf jedem Woodstock beobachten kann, nur daß die Richtung sich umdreht: make war, not love. Im Prinzip ist es dasselbe. Dabei führt der Widerspruch einer inneren Moral zu der der äußeren Befehle zu vorgetriebenem Sadismus: um das Schrecklichste tun zu können, muß es eine Lust bereiten, in der sich das ÜberIch auflösen kann. Die Rezensenten, die aus anderen als ideologischen, bzw. gläubigen, die also aus politischen Gründen gegen Littells Roman geschrieben haben und die man deshalb, weil sie eben intentional sind, für keine Erkenntnisfindung heranziehen kann, sehnen ein Geheimnis des Bösen herbei. Mit diesem deutschen geheimsten inneren Wunsch räumt Littell auf. This is not a Gothic novel.
>>>> Littell 4
Littell 2 <<<<
albannikolaiherbst - Montag, 17. März 2008, 17:14- Rubrik: NOTATE
Jede Antwort auf eine moralische Frage wird um so banaler ausfallen, je ungeheuerlicher ihr Anlaß ist. Es sei denn, man betrachtet beide, die Frage und die Antwort, in den naturwissenschaftlichen Wirkzusammenhängen der biologischen Chemie. Und das befragte Geschehen.
Also als Physik.
(CDXLXVIII).
albannikolaiherbst - Montag, 17. März 2008, 14:14- Rubrik: Paralipomena
Sie trug mir hohen Kinns vorhin
sechs Monde neuer Welten zu
und an mir stolz vorüber
Es war ein trüber Vormittag
Sie sah nicht ohne Arroganz
der Frauen welche treiben
an mir und an dem eiben Baum
vorbei der selber Frucht
am Zweig der grün war trug
sich selbst wie sie genug und rot
und mir und am Verkehr
und all den andern ungerührt
den von Erdlosen die wandern.
albannikolaiherbst - Montag, 17. März 2008, 09:30- Rubrik: Gedichte
Macht, sprachhistorisch völlig korrekt, die Greuel zu Gräuel. Doch fragt man sich, was Gräuel denn jetzt seien?: K l e i n e Grauen? War denn nicht grad das Gegenteil, war n i c h t ein Grauen gemeint, das jedes Grauen überstieg? Wo die Sprache selbst eine Identität des Eigenen entwickelt hatte und einem Wort fast wesenhafte Substanz verliehen, reduziert es die neue Rechtschreibung auf eine Erklärbarkeit, die Greuel eben nicht hatten. Als hätten sie es d o c h. So lügt man sich sprachlich das Ungeheuerliche handlich.
albannikolaiherbst - Montag, 17. März 2008, 06:43- Rubrik: Sprache
Nachdem ich auf der >>>> Leipziger Buchmesse einige Male auf meinen für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung verfaßten Artikel angesprochen wurde, ob man ihn noch einmal bekommen könne usw.... und nachdem der Artikel auch über >>>> faz.net nicht mehr zugänglich ist, stelle ich ihn >>>> hier in Die Dschungel, und zwar in der ungekürzten Version (die Kürzungen hatten Platzgründe, die es so auf einer Netzplattform nicht gibt).
ANH.
albannikolaiherbst - Dienstag, 18. März 2008, 16:46- Rubrik: Links
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„... ***** (ist) ein Meister reduzierter Szenen und Dialoge“, verspricht der Klappentext des Suhrkamp Verlages und schüttet auf den Müllberg der Saisons einen weiteren deutscher Meister der Sprache; zumal wird als Meister, sogar wer schon altert, zunehmend jünger. Man findet sich vor Meisterinnen und Meistern unterdessen ja gar nicht mehr durch; die Leute überspringen aus der Leipziger Literaturinstitutslehre, möchte man meinen, alleweg gleich den Gesellen; solche publizieren, scheint's, nur noch >>>> in kleinen Verlagen. Zum Beispiel, eben, >>> Giwi Margwelaschwili, der ja zweifelsohne unter unsere hoffnungsvollsten Nachwuchstalente zählt, schon aus Altersgründen. Von dem kann man noch manches erwarten. Doch dreh ich die Meisterschraube lieber um zwei Umdrehungen raus und behaupte allein: ***** hat einen wunderschönen Liebesroman geschrieben, einen kleinen Roman – daß „wunderschön“ hier mindest so ambivalent zu lesen ist, wie reklamierte Meisterschaft es w ä r e, gehört innig in ihn hinein. Nein, dieser Dichter paßt noch nicht auf den Sockel der Meisterschaft, die letztlich doch immer nur Handwerk gemeint hat und die Träger seiner Briefe auf die Sockel der PR zementiert. Hier, ganz im Gegenteil, ist noch ein Leben.
albannikolaiherbst - Dienstag, 18. März 2008, 09:31- Rubrik: Rezensionen
 „Ich lese und lese“, schrieb ich >>>> gestern nacht noch, „merke zugleich mit der Spannung auch deutlich die Müdigkeit, die einem die Augen vor den >>>> Greueln zufallen läßt.“ Das widerfährt mir bei diesem Buch sehr viel stärker als bei sonstigen Romanen, wenn bloß die Aufmerksamkeit des Lesens nachläßt. Sie läßt hier n i c h t nach, sondern ich weiche in den Schlaf aus oder will das doch tun. Aber ich „spüre (...) genau: das ist eine Abwehr, die mein ÜberIch entwickelt und durchsetzen will. Wohinter auch eine Angst steckt“, die zweifelsfrei eine moralische vor der Identifizierung mit Aue ist. Denn tatsächlich fällt es, sofern sich der Leser einläßt, überhaupt nicht schwer, es sich in Aue „bequem zu machen“. Der Mann ist völlig plausibel dargestellt, und die Strukturen, die auf ihn wirken, sind es auch. Das gibt den Ungeheuerlichkeiten etwa der „Großen Aktion von Kiew“, bei welcher an die 150000 Menschen erschossen werden - am Rand einer Schlucht, in die die Erschossenen hinabfallen, oft noch nicht richtig tot, so daß Soldaten hinabsteigen müssen, um den noch Zuckenden, Schreienden, Jammernden den, wie sich Littell oft ausdrückt, „Rest zu geben“ -, etwas geradezu Normales. „Dabei war die Sequenz der Erschießungen schon extrem beschleunigt worden. Die Schützen wurden jede Stunde abgelöst, und wer nicht schoss, versorgte die anderen mit Rum und füllte die Magazine auf. Die Offiziere sprachen wenig, einige versuchten, ihre Betroffenheit zu verbergen. (S. 181)“ Das ist hier das ungeheuerlichste Stichwort: Betroffenheit. So gut wie alle Gebildeten, derer es nicht wenige gibt, wissen genau, welch ein Unrecht begangen wird, aber es kann sich kaum einer dem entziehen. Wenige laufen Amok, wie ein Offizier in Lettland, der, „verrückt geworden“ (S. 191), plötzlich auf seine Mitsoldaten schießt, weil sein Gehirn das Grauen nicht mehr mitmachen kann. Was Aue angeht, ist man an einen >>>> Colonel Kurtz erinnert, der den Weg in die dunkle Selbstüberhöhung (noch) nicht gefunden hat. Die Figur ist, anders >>> als mancher Kritiker schrieb, eben restlos glaubwürdig, und zwar g e r a d e, weil sie reflektiert. Jemand aus dem besinnungslosen Mob, der vorher orgiastisch in Sokal gemeuchelt hatte, wäre auch unfähig gewesen, solche Erinnerungen zu schreiben. Aue ist sogar hochgebildet; er ist musisch veranlagt, liebt Rameau und Couperin, Le Rappel des oiseaux, Les Trois Mains, er zitiert Platon, sogar Chesterton (S. 188), ausgerechnet, und denkt über das auf die Welt gefallene Grauen nach: „Mir schien es etwas ganz Entscheidendes zu sein, etwas, was mir, wenn ich es verstünde, erlauben würde, alles zu verstehen und mich endlich auszuruhen“ (S. 187, Hervorhebung und Unterstreichung von mir). Diese Bemerkung erdet die literarische Figur enorm, sie gibt ihr eine psychische Motivation. Nur einmal wird Aue selbst rasend, bis über die Unterschenkel durch den Leichenberg watend, weil er Überlebenden diesen „Rest“ geben soll, und es ist von höchstem und zugleich entsetzlichstem Geschick, wie Littell auf der Seite 184 das Bild des „Juden als Kakerlake“, das in >>>> Starship Troopers einen späten affirmativen Reflex gefunden hat, an eine Kindheitserinnerung Aues zurückbindet. Genau das, die kindliche Panik, dreht sich dann in dem Erwachsenen in eine Art Amok-selbst, nämlich angesichts einer schönen, auf dem Leichenberg sterbenden Frau – angesichts von Leben: „(...) denn ich wurde bei dem Gedanken an dieses sinnlos verschwendete Leben von einer ungeheuren, maßlosen Wut gepackt“, die sich jetzt eben n i c h t gegen die Mörder richtet, sondern gegen die Opfer: „...schoss unaufhörlich weiter, ihr Kopf war längst wie eine überreiche Frucht geplatzt, während mein Arm sich von mir löste und sich ganz allein durch die Schlucht davonmachte, hierhin und dorthin schießend, ich lief hinter ihm her“, hinter dem eigenen Arm also her, „machte ihm mit meinem anderen Arm Zeichen, er solle auf mich warten, aber er wollte nicht, er verhöhnte mich und schoß ganz allein, ohne mich, auf die Verwundeten, bis ich schließlich, völlig außer Atem, stehen blieb und zu weinen begann“ (S. 186). Das ist mit kältestem Kalkül geschrieben und weit von alledem entfernt, was diesem Buch als „widerwärtiger Kitsch“ vorgeworfen wurde. Was hier als Kitsch bezeichnet werden kann, ist nichts anderes als ein völlig adäquater Ausdruck von Hilflosigkeit, in welchem sich der Täter selber zum Opfer macht und als Opfer selber erschießt. Das kälteste Kalkül ist gerade nötig, wenn einer ein solches „Material“ zu einem Roman verarbeitet. Und darum, daß es sich um Material h a n d e l t, nämlich um ästhetisches Material, kommt niemand herum, der die Entstehung von Kunst, von Kunst überhaupt begreifen und nicht insgesamt untersagen will, daß über Greuel belletristische Bücher geschrieben werden. „Die Ortskommendantur hatte eine Batterie Feldküchen geschickt, und ein Militärpfarrer kochte“ (S. 181). Auch hier spürt man, worauf der Autor seinen Finger legt, aber ohne ein Wort nichtimmanenter Moral zu verlieren, das es dem Leser „einfacher“ machte, eine Distanz zu entwickeln.
Wie der Leser den Weg in die Identifikation mit Aue gehen muß, um dem Buch „gerecht“ zu werden, wie er also selber imaginärer Teil der Vernichtungsindustrie werden muß, geht Aue den Weg der Identifikation mit der Hölle, eine psychische Bewegung, die bereits in >>>> Pasolinis Salò eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat: „Seit meiner Kindheit trieb mich der leidenschaftliche Wunsch nach dem Absoluten und nach Grenzüberschreitung; jetzt hatte mich diese Leidenschaft an den Rand der Ukraine geführt. Ich war immer bestrebt gewesen, radikal zu denken; nun hatten auch der Staat, die Nation die Radikalität und das Absolute für sich entdeckt; wie also hätte ich mich in diesem Augenblick verweigern, Nein sagen und mich stattdessen für die Bequemlichkeit der bürgerlichen Gesetze, die laue Sicherheit des Gesellschaftsvertrages entscheiden können? (...) Und wenn sich die Radikalität als die des Abgrunds und das Absolute als das absolut Schlechte erwies, so galt es trotzdem (...), ihnen offenen Auges bis zum bitteren Ende zu folgen“ (S. 138). Das ist eben n i c h t nur dahergesagt, das wird ja auch – und wurde n i c h t nur im Roman – so getan. Daß Radikalität auch bedeuten hätte können, in den Widerstand zu gehen, und zwar in einen Widerstand von allem Anfang an, für diese Erkenntnis ist es für Aue in der Ukraine längst und objektiv zu spät.
Es gibt in >>>> Georges Batailles Die Tränen des Eros die Abbildung eines chinesischen Mannes, der, "Leng Tsch'e", bei lebendigem Leib auseinandergeschnitten wird; ein Strafmartyrium, das als „Ehre“ galt. Die Folterer amputieren dem Märtyrer Finger für Finger, die Ohren, die Extremitäten dann, das Geschlechtsteil usw., sie zerlegen den Märtyrer und legen die amputierten Teile sichtbar für ihn vor ihm aus. Die Amputationen geschehen mit einer solchen „Kunst“, bis hin zum Abschälen des Fleisches der Brust usw., daß der Märtyrer alles selbst bis wirklich zum allerletzten Moment erlebt. Die Abbildung ist >>>>> eine Fotografie aus dem Jahr 1905. Die Blicke des Märtyrers sind verklärt (vielleicht der hohen körpereigenen Morphin-Ausschüttungen halber, die durch solch langsamzäh sich steigernde Schmerzen verursacht werden). Was Bataille zu diesem Bild schreibt, von dem er sich, seit er es zum ersten Mal gesehen, nie habe lösen können, ist wie aus Aues Roman abgeschrieben, der seinerseits zu den Bildern sagt, die Soldaten von dem Massaker aufgenommen haben: „Mit dieser Zusage versehen, verbrachte ich den Rest des Tages in den Mannschaftsunterkünften, sah die Fotosammlungen der Männer durch und bestellte Abzüge. Einige von ihnen waren übrigens bemerkenswert gute Fotografien; aber ihre Arbeit hinterließ bei mir einen unangenehmen Nachgeschmack, während ich gleichzeitig die Augen nicht abwenden konnte, ich war wie versteinert“ (S. 143). Was die Fotografien und, solche überhaupt aufzunehmen, anbelangt, erinnert das, strukturell (!), alarmierend an den >>>> Folterskandal von Abu Ghuraib.
Das ist nicht ausgestanden. [Lesestand: S. 200.]
>>>> Littell 5
Littell 3 <<<<
albannikolaiherbst - Mittwoch, 19. März 2008, 07:14- Rubrik: NOTATE
my beautiful world
ein gewisses quantum seelischer srupellosigkeit ist der frame in dem ein mensch erscheint, portraitiert von einem künstler, der, genaugenommen, noch skrupelloser ist als der portraitierte selbst in seinen schwächsten & dunkelsten momenten je sein kann. und die art & weise, einer frau seine schmeichelhaftesten komplimente zu machen, entnimmt ein mann nicht selten dem hochfestlichen ritual des heiligen gesetzes seiner bequemlichkeit (wie henry james das in "the turn of the screw" formulierte). man sollte die menschen nach ihrem potential andere zu enttäuschen beurteilen. wenn du sie nach ihrer fähigkeit dich zu entflammen beurteilen würdest - die welt wäre so pornograhisch wie sie ist. ein kind zu zeugen ist ein pornographischer akt - damit beweist man nichts weiter als seine absolute verantwortungslosigkeit. und das ganze familienleben ist nichts anderes als schlechte schminke dieses faktum zu kaschieren. man fickt aus purer lust. kinder sind die spur die das hinterlässt. man muss seinen kindern verzeihen - wie man seinen eltern verzeihen sollte. der subkutane hass der frauen auf die männer von denen sie kinder haben basiert auf dieser unbewussten erkenntnis dass nur männer diesen selbstherrlichen kult der lust betreiben können, den die meisten frauen instinktiv ablehnen weil sie ihre prädestination zu empfangen & zu gebähren als eine zu tief liegende aufgabe empfinden für die sie in sich selbst nicht den geringsten grund finden, ins bodenlose sinken, wenn sie danach suchen - und die die initiative des mannes trotzdem tragen wie die luft eine schwinge trägt. umgekehrt das absolute privileg der homosexualität: diese entwendung des auftrags, diese reine lust ohne jede beeinträchtigung. a flawless diamond. jeder versuch das mit einer frau zu exekutieren scheitert. ein mann liebt einen mann nicht perspektivisch, verantwortungslos im reinsten, und strahlendsten sinn des wortes. wie man das verschwinden der jugend aus dem gesicht eines menschen beobachten kann, wie das abtauchen eines fisches in tieferes wasser. es verschwindet nämlich nicht nur der glaube an sich selbst - sondern auch die hoffnung auf sich selbst. erst dann wird der mensch verwundbar. das tragische element liegt in der banalen geste mit der ein mensch, der weiss dass er sich selbst nicht kennen kann, weil biologische hinfälligkeit und zeitmangel ihn desavouieren, sich von sich selbst abwendet, wie von etwas auf das kein verlass ist. dennis hopper, der vor jahrzehnten die vulva einer frau vor einer kamera mit 2 fingern aufspreitzte scheint das damals begriffen zu haben. es ist nichts weiter als das. wenn du das skelett siehst, den kadaver des wals an der küste von namibia, dann - erst dann - lohnt es sich, zu leben - und den wahnsinn der existenz zu zelebrieren wie ein pfau seinen reif in der ersten abenddämmerung, wenn kein auge die augen sieht und kein ohr die schreie hört - und kein denken die wahrheit streift. du bist der einzige der solche sachen versteht. und mir graut davor wieder in die sümpfe zu tauchen und in die fressen all dieser amphibien starren zu müssen die diese welt bewohnen. der erste flaum eines kückens ist nicht immer sein zartester.
findeiss - Donnerstag, 20. März 2008, 23:32- Rubrik:
Ich will dem Markt den Unterleib entfremden
Aus Schamhaaren Schutzanzüge stricken
Die Seele in den Achselhöhlen tragen
Was immer sie auch sei
Vater
(„Variationen für Gitarre & Sprache“, mit Regine Hoch-Shekov.
1978.*)
[b): Die Sätze, auf Saties erste Gymnopédie gesprochen,
hörte ich eben am Ende einer alten Tonbandcassette;
wohl ein Probemitschnitt von damals, den ich später
gelöscht habe. Diese Sätze aber blieben erhalten und
ihre femde junge Stimme, die einmal meine war.]
albannikolaiherbst - Freitag, 21. März 2008, 14:39- Rubrik: Gedichte
Du sollst mir nichts verweigern
Du sollst mir nichts verweigern.
Ich will den letzten Rest.
Geht eine Lust zu steigern,
Ein Schurke, wer es läßt.
Gehabtes Glück hilft sterben.
Der Tod, er soll nichts erben
Als blankgeleckte Scherben
Und Schläuche ausgepreßt.
Der Vater der Genüsse,
Der alte Knochenmann,
Hängt an die tiefsten Schlüsse
Doch seinen tiefern an.
Boviste und Planeten
Das Schicksal der Poeten ...
Er drückt uns an die Gräten,
Mein Liebchen, und was dann?
Drum glaubt den tausend Zeigern
Der Welt, die nimmer ruhn.
Du sollst mir nichts verweigern.
Wir müssen lieben nun,
Bis einst aus freien Stücken,
Gesättigt mit Entzücken,
Wir unsrer Füße Rücken
Still voneinander tun.
Er bearbeitete Aristophanes, mochte die Klassik, hasste die Romantik, schrieb Kinderbücher, Dramen und Essays. Er liebte die Vögel und das Vögeln. Er hielt die DDR für das klassische Weimar und Walter Ulbricht für die Inkarnation Carl Augusts. Die Rede ist von Peter Hacks, der am Karfreitag 80 Jahre alt geworden wäre, und dessen Stücke in der Theaterlandschaft unseres Beckmesserdeutschland wenig oder gar nicht gespielt werden. So sind sie halt die Deutschen. Dass ein Großer nur groß irren kann, will ihren kleinen Hirnen nicht in den Sinn. Ins deutsche Feuilleton der Bürger ist er dank der Vorarbeit >>>Martin Mosebachs, >>>Schirrmachers und >>>Daths zurückgekehrt. Jetzt muss man ihn nur wieder zu unserer aller Freude spielen.
montgelas - Montag, 24. März 2008, 08:52- Rubrik: Tagebuch
Objektive (geschichtliche) Tragik entsteht für einen Täter dort, wo er vollen Umfanges Täter i s t, in ebenso vollem Umfang aber auch Opfer. Das läßt sich für den deutschen Nationalsozialismus und seine maßgeblichen Protagonisten wie für seine Mitläufermörder aber nicht sagen; Tragik ist hier allenfalls auf der Seite jener jüdischen Opfer, die bis sprichwörtlich zu allerletzt an Deutschland geglaubt haben, das heißt: nicht der deutschen Nation, aber der deutschen Kultur geglaubt und sie mit der deutschen Nation verwechselt haben und die sich, wenn sie überlebten, oft noch über das Unheil hinaus von Deutschland, das ist: von seiner Kultur, nicht lösen konnten - ein tiefer, lebenslang anhaltender Leidensgrund vieler jüdischer Emigranten.
Weil nun ein Massenmörder von Kiew, Auschwitz und Treblinka n u r Täter gewesen ist und eben nicht auch ein Opfer, eignen sich Figuren wie Maximilian Aue nicht zur Darstellung von Tragödien. Die Vernichtungaktionen der Nationalsozialisten sind depersonalisiert und folgen negativ den Gesetzen der industriellen Produktion. Ästhetisch gesehen ist diese Depersonalisation der Grund, aus dem sich ein wie immer auch kathartisches Drama aus Täterperspektive nicht wird gestalten lassen – darin völlig anders als bei den antiken politischen Großmördern und völlig anders als bei jenen der shakespearschen Renaissance. Das waren, immer, Individuen. Unter Hitler gab sich alles Individuelle der Täter an die Struktur ab, so daß selbst Personen wie Eichmann letztlich Anonyma blieben. Was sie allenfalls noch „auszeichnet“, war kleinbürgerliche Gemeinheit; es gab niemals eine Größe der Tat. Es gibt kein Drama, sondern nur, daß ein Verbrechen auf das andere folgt: reine Sukzession.
Littell zeigt das am Beispiel Aues in der einzigen Form des Protestes, die dieser Typ noch auszubilden versteht: in der Psychosomatose seines nahezu permanenten periodischen Übelseins und Erbrechens. Psychosomatosen haben sich von ihren eigentlichen Gründen gelöst und chronifiziert, es sind ihrerseits depersonalisierte Erkrankungen, die ihren Herd nicht kennen, sondern sich wie unabhängig von ihm austragen können. Weshalb es in Aues Fall eben nicht zu politischem Widerstand kommt, sondern dieser Widerstand ist in die Psychosomatose abgespalten. Umgekehrt wird, w e i l an die Stelle des Widerstands die Psychosomatose tritt, der Widerstand prinzipiell unmöglich: der Erkrankte trachtet nicht mehr wie Lady Macbeth, sich das Blut von der Hand zu waschen. Es wurde so unkonkretisierbar, wie es die Ursache der psychosmatischen Erkrankung braucht. Deshalb ist unter Hitler keinem Täter jemals eine Verzweiflung zuteil geworden. Niemand unter denen war gesegnet – und wär es denn mit einem Fluch. Denn Flüche segnen - ästhetisch - auch.
Littell 4 <<<<
>>>>> Zwischenbemerkung im Arbeitsjournal, neun Tage später.
albannikolaiherbst - Montag, 24. März 2008, 07:21- Rubrik: NOTATE
(...)
Danach hatte es anfangs nicht ausgesehen. Was an di Nolas Neigung zu jungen, dunkelhaarigen Frauen liegt und daran, daß er sie sogar noch nach vier Jahrhunderten nicht recht im Griff hat. Aus diesem Grund gibt man ihm, wenn er den Auftrag erhält, eine Transmigration vorzunehmen, immer einen Adjutanten mit. Das bin meistens leider ich. Man sagt, ich kennte ihn gut genug, die schlimmsten Entgleisungen zu verhindern; außerdem habe ich Erfahrung mit der Seefahrt, so daß es uns an Gesprächsstoff nicht mangelt. Allerdings frage ich mich bis heute, weshalb die Wahl überhaupt je auf di Nola fällt. Seit unserer ersten Transmigration, 1587 in Wittenberg, bin ich ja gewarnt und habe meinerseits nichts unversucht gelassen, auch die Leitung zu warnen. Kontemplation und eine gewisse Kühle stehen uns besser an als der Hedonismus eines Freibeuters. Aber es hilft nichts; di Nolas Charme, dessen Vorhandensein ich gar nicht bestreite, sondern eigentlich - eben deshalb - beklage, läßt den Mann immer wieder aufs neue zum Herold werden. Immer wieder kommt er lächelnd und beschwingt aus dem Sekretariat, um mich ironisch zu sich herzupfeifen. Dabei sollten Engel Würde haben, sie sollten von heiligem Ernst sein, nicht beschwingt und schon gar nicht witzig. Jedenfalls ist das meine Meinung. Wir müssen uns irgendwie vom Widersacher unterscheiden; Ironie ist nicht unsre Domäne. Doch wer hört schon auf mich? Seit dem 5. Laterankonzil ist die Idee unseres Daseins, ist unsere ganze Ontologie wie aufgeschmolzen.
„Loyola komm!“ rief di Nola. „Wir brauchen einen Einfall!“ Er pfiff mich herbei wie einen Hund, den man zur Sauenjagd mitnimmt, wobei sein „wir“ selbstverständlich ihn selbst meinte, n u r ihn. Dann nahm er seine Flügel ab und legte sie mir auf die ausgestreckten Arme, der ich gar nicht wußte, was ich damit sollte, und während ich noch betäubt von dem Gewicht dieser wiederneuen Entgleisung in Gottes Antichambre stand, schritt er beschwingt ins Ankleidezimmer, um sich für die Gegenwart umzuziehen. Ich war dann schon erleichtert, daß er wenigstens konfektionstechnisch Stil bewahrte und nicht etwa als Autonomer wieder herauskam oder mit gelbem Irokesenschnitt.
(...)
ANNO 1900 2 <<<<
albannikolaiherbst - Dienstag, 25. März 2008, 15:13- Rubrik: LOYOLA
Der kapitale Markt
erinnert sich gern moralischer Maximen, wenn er sich entfesseln will.
montgelas - Dienstag, 25. März 2008, 11:43- Rubrik: Paralipomena
„Man blamiert sich, wie man kann“, sofern es denn >>>> gemerkt wird.
[Gar keine Frage mehr: Hier wird eine prinzipielle Schwäche demokratischer Entscheidungsfindung virulent, indem der Kleingeist mächtig tanzt.]
wikipedia und Verbeen <<<<
albannikolaiherbst - Mittwoch, 26. März 2008, 09:50- Rubrik: DieKorrumpel
Übt sich, um seinem Dichter wohlzutun, in familiärer Sippenhaft. Selbstverständlich pseudonym. Zum Beispiel sowas: „Er ist eine der 'Führungsfiguren der literarischen Postmoderne' und heißt eigentlich von Ribbentrop, da liegt es nahe, beruflich bella führungsfigura zu machen, ist so'n Familiending.“ Man sollte solchen Leuten nicht nur eins... nein, besser zwei in die Fresse geben, sondern vor allem die Dichter vor ihren Gefolgsleuten schützen. Im übrigen dekuvrieren sie sich selbst, und zwar nicht einmal dadurch, daß sie die Verfasser durcheinander- und statt der Rüben die Suppe nicht auf die Gabel kriegen, sondern - „(...) kurz: mich kriegense nichtmal für Geld dazu, vom Alban Nikolaus Herbst ein Buch zu lesen.“ So kommt man zum allersichersten Urteil sicher voran, sogar der Name ist richtig geschrieben. Das ist alles richtig wahr.
[Nachzulesen >>>> hier; zu „Der Herbst auf der Leiter“ scrollen.
P.S.(28.3., 14.53 Uhr): Der Text wurde auf der Hacks-Site >>>> entschärfend revidiert; dafür gibt es einen Link >>>> dahin.]
albannikolaiherbst - Donnerstag, 27. März 2008, 18:12- Rubrik: DieKorrumpel
Dem Morgen Frühling Der Sonne unter den Rock schauen
schwer wie die Säume nicht wehen
über den Strümpfen der Bund
noch im Mund
den Geschmack wenn sie flehen
von Frauen
albannikolaiherbst - Donnerstag, 27. März 2008, 09:45- Rubrik: Gedichte
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Für Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop,
meinen Sohn.
Herbst & Deters Fiktionäre:
Achtung Archive!
DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT wird im Rahmen eines Projektes der Universität Innsbruck beforscht und über >>>> DILIMAG, sowie durch das >>>> deutsche literatur archiv Marbach archiviert und der Öffentlichkeit auch andernorts zugänglich gemacht. Mitschreiber Der Dschungel erklären, indem sie sie mitschreiben, ihr Einverständnis.
Kontakt ANH:
fiktionaere AT gmx DOT de
E R E I G N I S S E :
# IN DER DINGLICHEN REALITÄT:
Mittwoch, den 5. April 2017
Bremen
Studie in Erdbraun
Mit Artur Becker und ANH
Moderation: Jutta Sauer
>>>> Buchhandlung Leuwer
Am Wall 171
D-28195 Bremen
19 Uhr
Sonnabend, 23. September 2017
Beethovenfest Bonn
Uraufführung
Robert HP Platz
VIERTES STREICHQUARTETT
mit zwei Gedichten von Alban Nikolai Herbst
>>>> Beethovenhaus Bonn
Bonngasse 24-26
D-53111 Bonn
16 Uhr
NEUES
Bruno Lampe - 2017/03/29 19:48
III, 280 - Bei Äskulap
Gegen zwei löste ich mich kurzentschlossen vom Schreibtisch. Es war nichts mehr abzuliefern. Aber die ... Die in einem ...
... Deckenlabyrinth sich mäandernde Inschrift...
Bruno Lampe - 2017/03/28 21:42
Vielhard, Leichtgaard:
albannikolaiherbst - 2017/03/28 07:53
Bruno Lampe - 2017/03/27 20:43
III, 279 - Oder auch nicht
Kühler Nordwind. Die Sicht ging bis zu Sant’Angelo Romano weit unten im Latium. Jedenfalls vermute ich ... Bruno Lampe - 2017/03/24 19:55
III, 278 - Einäugigkeiten und Niemande
Ein Auge fiel heraus, abends beim Zähneputzen. Es machte ‘klack’, und der Zyklop sah nur noch verschwommen. ... Danke, gesondert, an...
bei der sich in diesem Fall von einer "Übersetzerin"...
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:48
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:28
Schönheit. (Gefunden eine Zaubernacht). ...
Es juckt sie unter der Haut. Es juckt bis in die
Knochen. Nur, wie kratzt man seine Knochen?
Sein ... Bruno Lampe - 2017/03/22 19:39
III, 277 - Die Hühner picken
Irgendwas ist schiefgelaufen seit dem 9. März. Man könnte es so formulieren: die Verweigerung der Worte ... ich hör' ein heer...
ich hör’ ein heer anstürmen gegens...
parallalie - 2017/03/21 06:51
Ich höre berittene...
Ich höre berittene Landsknecht sich ballen vorm...
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:18
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:12
James Joyce, Chamber Music. In neuen ...
XXXVI.I hear an army charging upon the land,
And the thunder of horses plunging, foam about their knees: ... den ganzen tag lärmen...
den ganzen tag lärmen die wasser
ächzen schon
trist...
parallalie - 2017/03/18 09:55
Den ganzen Tag hör...
Den ganzen Tag hör ich des brandenden Meeres
Klagenden.. .
albannikolaiherbst - 2017/03/18 08:23
JPC

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Herbst & Deters Fiktionäre
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10437 Berlin
ViSdP: Alban Nikolai Herbst
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