Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Untanz

Wieder.
Auf Wolken laufen.
Unsicher.
-Ich kann das!
Ich kann alles.
Wenn es sein muss.
Ich kann.
Ich will.
Wegen Ihr.
Wegen Dir.
Mir.
Nicht müssen!
Wollen.

Leben.
Ist.

GrundRiss


Also, wenn ich besser aufgepasst hätte, wäre der Grund nicht gerissen? ruft die kleine Löwin schon von weitem.
Der Alte blickt von der Arbeit auf. - Setz dich. Dann schweigt er.
Ich bin hier, murrt sie und tappt auf den Boden.
Aber das weiß ich doch, sagt der Alte. Er beugt sich vor und fährt mit der Zunge über ihre rechte Wange. Siehst du?
- Ieeh, das kitzelt!
Ich weiß genau, wo du steckst, auch wenn meine Augen nicht taugen. Ich hör dich, ich riech dich, ich schmeck dich.
Die Kleine dreht den Kopf weg, doch er lässt nicht von ihr ab. Ich back dich, ich zwack dich, ich lack dich.
Lack dich?
Sonst hätte es sich doch nicht gereimt, oder? Jetzt du.
Ich kreis dich, ich beiß dich, ich reiß dich, schnurrt sie. Also, wie ist das mit dem Grund, warum ist er gerissen?
- Stell dich mal hin, sagt er, hoch mit dir.
- Du legst immer den Kopf schief, wenn du lauschst, wie ein Vogel.
Sein Drohen kommt tief aus der Kehle, doch die Kleine kennt ihn besser.
Antwort, Wandort, Landwort, singt sie. - Ich steh jetzt.
(Als wüsste er das nicht.)
Spürst du den Grund? fragt er. Reiß ihn auf. Er lauscht, während sie die Krallen über den trockenen Lehm zieht.
- Fester.
Er lehnt sich langsam zurück. - Da hast du ihn, Kind.
Den Mundbiss?
Er lacht auf. Schau doch, du kannst ihm nichts anhaben.
- Nur langschaben! Sie kichert. - Also bin ich nicht schuld?
Er sieht dich nicht einmal, sagt der Alte. Hat dich noch nie gespürt. Geh spielen jetzt.

Er sieht mich, er sieht mich nicht, er flieht mich, er flieht mich nicht

Als ihr Gelächter verklingt, streckt sich der Alte aus. Die Sonne steht bereits hoch.
Zeit, zu schlafen.

Kein Lüftchen regt sich, kein Schatten bewegt sich
Kommt nicht mehr heim, mein Ringelreim


.

Dear Joseph (II), ...

ich stehe vor einem Problem. Mein braunes Pferd namens Land Rover kommt die Treppe herauf. Aber nicht mehr herunter! Ich habe noch Zeit. Bis es wieder wärmer ist. Bis zum Blumenmondmonat vielleicht. Wie soll ich es ihr beibringen? Pferde steigen doch keine Treppen herab. Davor haben sie Angst. Die habe ich auch! Weil ich nicht verletzen will, weil ich nicht weiß, wie es für einen ist, sich in Text zu lesen: Dich. Sie. Ihn. : Mich nicht! -Weil ich die Pläne der Schleierfee kenne. Weil ich mir selbst keine mache. Weil ich zu viel nachdenke. Ja. So wie sie. Die, die er mir gezeigt hat. Hat gesagt: Ist wie du! Eine Elfe. Denkt viel nach. Hübsch sah sie aus! Eine von Dreien. Ich frage mich manchmal, denkt er an mich, wenn sie ihn mit traurigen Augen anschaut?

... du hast mir doch die Bilder erklärt. Was ist DIETREPPEHERAB?
Was ist Angst?

Ich will einfach keine Hunde mit einem Pferd verrückt machen, das sich scheut, verstehst du?!

Deine Häsin.

EntGleisungen

(...)
Ich gelange an einen blossen Waldsee, nach der Winterpause frisch eröffnet. Eine Stimme (meine?) annonciert ausgesprochen ruhig per Lautsprecher, das Wasser sei nach dem langen Schlaf noch vermulcht und k
alt.
Am anderen Ufer seh’ ich wen einsteigen, erdmännchengroß; sein Handtuch eine Briefmarke an der gelehmten Böschung.
Ich bereite mich
vor
sichtig. Mein Luftkissen sieht mir ähnlich, nur die Arme sind am Rumpf festgewachsen und die Beine aneinander. Seitdem ich es fühlte hat es die Form behalten, schwarz, Gummi, nicht schlaff, nicht prall. Ich besteige es; es
schwimmt los,
hat einen geistlosen Antrieb, fährt schwarz,
ohne Fragen zu stellen.
Ich denke nie drüber nach, dass wir zusammen zwei sind.
Ab und an lasse ich einen Arm zur Seite fallen, zieh’ die Hand durch den Seh, betrachte, wie die Algen von meinen Fingern herunter hängen, entlasse sie wieder ins Wass
ER (!)
(- DU?)
shift
Das dauert eine Weile.
Später auf dem Rückweg hör ich Sirenen und das Geräusch heranfahrender Autos, folge den Stimmen. (Mal wieder)
Offenbar hat der See einen Zufluss, denn zwischen den Bäumen steht ein Schleusenhaus neben einer kleinen Brücke, nicht mehr in Betrieb, die Brücke verwittert, Stützpfeiler geborsten. Moosi
g. Auf einem der höheren Mauervorsprünge liegt ein Soigling. Ich halte wenige Meter vor ihm. Obwohl drei Männer versuchen, ihn herunterzuheben, gibt er keinen Laut ab, reckt nur die Ärmchen nach oben. Hat keine rechte Hand. Da, wo sie ansetzen sollte, ist die Haut zusammengedreht und säuberlich über dem Gelenk verknotet.
(...)

Es lag nicht in meiner Hand, sagt er.
E s vielleicht nicht, aber ich. Und sie.

Die Monitore, manchmal wünschte ich, es gäbe sie nicht: die ScheinWerfer, Briefe, Kunst, Intelligenzia. Den Geist des An:scheins über uns allen.
Stattdessen Unübersetztes: das größere Übel wählen.
„- Und wenn wir dabei vor die Hunde gingen?“
Erster Sprecher: ENDLICH! SIE STELLT EINE FRAGE.
„Lieber als Hund sein“, sage ich.
Ich antworte grundsätzlich immer, sogar mir selbst.

shift

Lass’ es laufen. Sei krass. Ich küsse Dich in Gedanken schreibt mein Mentor. Per Post. Und ich denke: Ja, Realität. Für mich. Und Dich, und alle die, die sich lieber vierteilen ließen, bevor sie ihre
- Nestwärme, sagt jemand
anheim gäben.
- Ich habe ihm noch nicht geantwortet. Meine Wörter sind Scharlatane, kann ihnen nicht mehr
TRAUEN.
Die Crux ist, die Löwin kann nur unmittelbar und r i g o r o s m, kann Krallen und DasNoieSpiel und Ein richtiges PAAR Karten mischen.

Erster Sprecher: VERDAMMT, DAS IST KEIN SPIEL.
Zweiter Sprecher: DOCH, NATÜRLICH. ALLES WIRD NOI GEMISCHT.

shift

- Sind Sie XXXX (Name geschwärzt)?
- Wer will das wissen, frage ich, doch da läuft schon die Warteschleife. Dann eine neue Stimme, männlich diesmal, distinguiert, leichter osteuropäischer Akzent.
- Schön, dass wir Sie zuordnen konnten.
- Mit wem spreche ich bitte, frage ich.
- Ich kontaktiere Sie im Auftrag von XXXX (Name geschwärzt), wir möchten Sie vergewissern. Wozu es aber zwingend
- Woher haben Sie meine Nummer?
- erforderlich wäre, dass Sie Ihre Präsenz in einem bestimmten Weblog beenden. Ihre Partizipation an dem genannten Webl
- Ich habe keines genannt!
- ist nicht mehr adäquat für sie, er will sich neu hingeben.
- Ich mich auch, verdMMT. Ich lege auf jetzt.
- Einen Moment noch, bitte. Er steht Ihnen, wir erkennen das an.
- Und deshalb wollen Sie - ?
- Neu verhandeln. Wir garantieren ein Mindestalter von siebzig.
- Nur für die Herren, nehme ich an.
- Selbstverständlich.
- Und die - ?
- Werden nach anderen Kriterien aufgenommen.
- Ich lege jetzt auf; streichen Sie meinen Namen VON IHRER LISTE.
- Wir schicken Ihnen einen Wagen. Morgen, zwanzig Uhr dreißig.

(Verrücktsein Verrückt zu werden ist so einfach.)

Adäquates Verhalten. Kann sie. Perfekt. Auch inadäquaTES.
SI
(RENEN SINGEN)
, Senor. Jederzeit!

Doch zurück zur Erzählung. Warum mir erst jetzt auffällt, dass ich nicht zählen konnte, jemals? Keine Ahnung. Ich will nicht er zählen, will nur
auf die andere Saîte. Bis zum Anschlag.
- Und dann?
- Alles erschöpftneuert sich, im Wahn
haften.

Doch ich hafte nicht mehr.
Bisous.

L.

Dear Joseph (III), ...

muss immerzu an Blumen denken: Blumen, Blumen, Blumen. Weil es mit Blumen auch angefangen hat. In gewisser Weise. Weil er mich mit Komplimenten überhäuft hat. Bis zum Schluss. So sonderbare! Andere. Aber das war nicht das Eigentliche. -Nein! Wirklich nicht. Ich würde sie eintauschen für Worte von sich.

Dennoch:

Guck mal! An mir herunter. Wie ich da stehe, in der bunten Anhäufung zu meinen Füßen. Bin anfällig geworden. So schnell anfällig geworden. Und bin es auch bis zum Schluss geblieben. Für alles. Von ihm. Wegen ihm. Achgott, Joseph! Auch dir, wie ihm, würde ich den Nimbus beblumen. Euer beider. -Mach ich noch! Bei nächster Gelegenheit. Oder Anfälligkeit: >>>Komm: komm: komm! Oder: Leck mich: wach: noch einmal: die Blumen auf meiner Haut leuchten zu sehen. Weil sie noch immer da sind: subkutan: blühen und blühen sie weiter: unangefasst weiter: Abart: die versehrt: weggesperrt: unangefasst versehrt. Fass mich an:

… erklär mir Liebe!

Deine Häsin.

Dieses ist (k)ein Liebesroman. (Briefe nach Triest, 18: Überlegungen 2).


[Gebhard Ullmann, Moritat (1994).]

Es wird zunehmend deutlich, daß >>>> die Briefe-selbst der Roman sind, und zwar, weil sie‘s ermöglichen, dem ästhetischen Konzept einer >>>>> „Möglichkeitenpoetik“ weitergehend zu folgen, als dies in einem linear erzählten Buch auch nur denkbar wäre. Linearität meint daber nicht nur das notwendigerweise sukzessive Aufeinanderfolgen der, so weit es ein- und dieselben Subjekte betrifft, Erzählstränge; dieses habe ich bereits in vielen der auf den >>>> Wolpertinger gefolgten Büchern unterlaufen, sondern vor allem die eineindeutige Konsistenz der Personen, d.h. ihre festgelegte Identität (auch sie freilich war in meinen letzten Romanen immer schon vage). Was aber hier möglich wird, ist sogar, einander eigentlich ausschließende Szenen jede mit derselben Wahrhaftigkeit zu entwerfen und zuweilen auch auszuerzählen, als wäre es tatsächlich so und so. Das geht durch die Vermittlung der Briefautor-Person vollkommen widerspruchslos ineinander. Lenz kann sich zur selben Zeit sowohl in Zürich als auch in Triest aufhalten, allein, weil dies an verschiedenen Briefstellen erzählt wird, zwischen denen als Legierung immer die grundlegenden Reflexionen stehen: Stets kommt es im Kopf der Leser:innen zu einem jeweils unmittelbaren Bild. Damit öffnen sich, erzählerisch, genau die Freiheitsräume, die Möglichkeiten eben sind. Strategisch gesehen erlaubt das dem Roman, ganz verschiedene, wenn nicht sämtliche Muster durchzuspielen, die auf die handelnden Personen als bestimmende Determinanten wirken. Mehr noch können an sich völlig verschiedene Romanpersonen direkt auseinander aufscheinen - Spiegelungen schrieb ich zwar, tatsächlich sind es ineinander wechselwirkende >>>> Palimpseste, bei denen sich einmal die „ältere“, scheinbar überschriebene Schicht in den Blick hebt, dann wieder die neue oder eine und/oder mehrere dazwischen. Das verdeutlicht die Nähe nicht nur der fiktiven Personen, sondern auch eine je zu Leserin und Leser. Diese selbst werden mitgeschrieben, schon weil die Zustände von Trennung und Not völlig allgemeine, zugleich aber die allerpersönlichsten sind. (Die Löwin erzählte gestern von ihrer seit Jahren schwer verliebten Freundin Z., die jede Abschlußformel in einer jeden Nachricht ihres - heimlichen und fast jugendlich-zart - Geliebten auf geheime Botschaften untersucht, ganz so, wie wir die Tendenz haben, uns an einer Stelle nicht mehr zu waschen, auf die jemand Begehrtes geküßt hat. Jede und jeder kennt das.)

Ich habe ein paarmal überlegt, ob es für die spätere Buchform des Romans nicht geraten sei, den Briefautor von meiner eigenen, der „tatsächlichen“ Person zu entfernen, also einen „Kunst-Briefautor“ zu erfinden, der an seine Sìdhe schreibt, und später dafür alles aus dem Text herauszunehmen, was quasi-autobiografisch an mich selbst angelagert ist. Mit dem späten Nabokov („Ich habe diese Fiktionsscheiße satt“) hielte ich das aber für einen Fehler, auch aus einem politischen, mithin „kritischen“ Grund: Es würde sich dem Gebot des Uneigentlichen beugen, von dem die westlichen Gesellschaften durchdrungen sind, und denselben Scheincharakter füttern, dem meine Arbeiten stets feindlich gegenüberstanden. Für jemanden, die und der mich nicht kennt, spielt es auch überhaupt keine Rolle, ob dieses und jenes „wahr“ ist. Eine Rolle spielt es allenfalls für Vertraute; die durchschauen aber auch die Verfremdungen und führen sie stets auf das real vorgängig Gewesene zurück (oder auf das, was sie dafür halten). Dasselbe gilt für die künstlerischen Verfremdungen sogenannter Urbilder. „Wer war die Sìdhe tatsächlich?“ ist eine für den Roman ebenso unmaßgebliche Frage wie „Hat es sie gegeben?“ Das interessiert allenfalls spätere Literaturhistoriker, bzw. in der direkten Gegenwart den Klatsch oder ein paar Juristen, die mit Persönlichkeitsrechtsprozessen Geld verdienen wollen. Für ästhetische Überlegungen hat so etwas keine Rolle zu spielen, allenfalls persönlich; doch Risiken waren der Kunst seit je immanent: Auf Ovid habe ich in den Briefen schon d i r e k t hingewiesen. Worum es vielmehr geht, ist, das unmittelbare Empfinden so lange wie möglich heißzuhalten, um den Text aus dieser Glut heraus zu schreiben und eben n i c h t in Distanz zu gehen oder nur, wie hier, zeitweise - damit künstlerisch kalkuliert werden kann und ich mir vor allem stets darüber klar bin, was ich eigentlich tue und welches Ziel ich künstlerisch verfolge.
Im Traumschiff habe ich – bevor ich es schreiben konnte – versucht, mich in einen alte Mann hineinzuversetzen, der den Tod vor Augen hat; das war ein fast drei Jahre währender sehr schwieriger Prozeß. Hier nun unternehme ich quasi das Gegenteil: radikale Gegenwärtighaltung eines unmittelbar erlebten Geschehens. (Gestern fand ich im Duschbecken ein paar Haare der Sìdhe; einzeln und dünn klebten und kleben sie auf dem Rand. Der Briefautor wird in einem nächsten Brief auf sie eingehen. Und noch immer steht der längst verdorrte Blumenstrauß auf dem Mitteltisch: Das konkrete Hemdchen ist unterdessen ebenso Leitmotiv wie die imaginierte Achselkapelle und das Thema von Zeugung & Empfängnis.)

Der Roman ist ein Liebesroman, weil er von zwei und in den „Spiegelungen“ sogar mehreren Personen erzählt, die auf zumindest anfangs nicht sanktionierbare Weise zu- und aufeinandergezogen werden und deren eingefahrene Lebenssituationen dadurch ins Taumeln gerate. Er ist aber auch k e i n Liebesroman, insofern die möglichen wirkenden Kräfte „untersucht“ werden, auch die, die eine dauernde Verbindung der Beteiligten schließlich unmöglich werden lassen. Daran wirkt besonders die jeweilige Sozialität mit, aber auch je Herkunft und Prägung, bzw. traumatische Dispositionen bestimmen die Ereignisse mit. Es geht also insgesamt (wieder) um das Menschenbild-allgemein: Was ist er. Dabei bin selbstverständlich auch ich selbst ein Experimentat.
Er ist vor allem aber deshalb kein Liebesroman, weil er „allgemein“ das Movens von Kunst in den Blick nimmt und die Frage stellt, inwieweit tatsächlich Schmerz, ein vorausgegangener oder währender, die - ausschließliche - Bedingung ihrer Möglichkeit sei – sofern es um eine Kunst geht, die ich >>>> an anderer Stelle die intensive genannt habe. (Unter Kunst verstehe ich quasi n i e informelle Spielereien). - Und er ist eben d o c h ein Liebesroman, als der ihm zugrundeliegende Schmerz aus dem Liebesverhältnis zu einem anderen Menschen gemacht ist. Roman aber ist er, weil er ab einem bestimmten Moment nicht nur vom Scheitern sprechen, sondern diese Liebesgeschichte auch als eine völlig erfüllte erzählen wird. Da steht die Sìdhe dann unvermittelt in der Tür und sagt „Da bin ich wieder“, was vorher in einem der Briefe schon als ein Motiv anerwogen worden ist. Und dann wird – während zugleich weiter von der Getrennheit gesprochen werden wird – vom WiederBeisammensein gesprochen werden, und beides steht als Möglichkeiten gleichbrechtigt nebeneinander. Schon „rein“ formal wird dann niemand sagen können, dieses und jenes ist richtig, bzw. „wahr“ - einmal abgesehen davon, daß es tatsächlich so kommen könnte (oder vielleicht gekommen schon ist?) -
Wahr ist, in jedem Fall, was wirkt, und wirken tut hier beides. Spätestens von dieser projektierten Stelle an wird der Briefautor-selbst in die Imagination gehoben, auch wenn er „meine“ biografischen Bestimmungen behält, vom ersten frühmorgendlichen Latte macchiato über Begebnisse mit meinem Sohn bis zu gerichtlichen Mahnschreiben, die ich erhalte (oder hoffentlich nicht). Begleitend dazu stetig die Gespräche vor allem >>>> mit der Löwin, aber auch mit weiterhin Amélie und anderen Personen meines direkten, das heißt konkret recherchierbaren Umfelds.

Als besonders schwierig hat sich, besonders in den letzten Tagen, erwiesen, daß gewisse Drohungen, aber auch Unterstellungen und Beschimpfungen den Ton gefährden, der die Triestbriefe trägt. Es kostet mich eine gewaltige Kraft, ihn immer wieder neu zu finden, neu aufzunehmen. Deshalb halte ich mir, wogegen ich normalerweise sofort in den Kampf ziehen würde, so gut es geht vom Leib. Imgrunde ist, es eben n i c h t zu tun, ein ganz ähnlicher psychischer Aufwand, wie die Erinnerung an die konkrete Sìdhe (sofern es sie gab) in meiner gefühlten Gegenwart zu bewahren und/oder unsere Liebesgesten, die Geschmäcker, Gerüche usw. in mir zu reaktivieren. Das ist auch deshalb schwierig, weil sich zwischen mich und die „tatsächliche“ Frau zunehmend die imaginierte schiebt, nach der ich mich aber gar nicht sehne. Nur daß, wonach ich mich sehne, zunehmend eine Leerstelle wird – nicht zuletzt durch den nun schon zum zweiten Mal erlebten radikalen Wegbruch jeder direkten Kommunikation, was sich schon für sich, bei so viel gewesener Nähe, nicht leicht verkraften läßt. Auch deshalb sind für mich die Lydierin und Lenz unterdessen fast schon konkreter als die „reale“ Sìdhe – ein Umstand, der sie erst recht zu einer mythischen Figur macht. Dem läßt sich nur begegnen, indem der Briefautor immer wieder von der Lydierin auf die Sìdhe zurückprojeziert, und zwar stets unversehens – als sozusagen Flashbacks, zugleich aber aufgrund der sich in den Briefen objektivierenden ästhetischen Bewegung. Wohl in demselben Sinn bemerkte die Löwin gestern am Telefon, womit sie auf eine Stelle im >>>> vierzehnten Brief, dort unter 14.35 Uhr, reagierte: „Du darfst dich jetzt gar nicht neu verlieben. Andernfalls wäre der Roman tot.“
Die poetische Konstruktion ist jedenfalls die notwendige F o r m des Erzählten, das heißt, sie wird es. Insofern ist auch sie prozeßhaft, nicht starr, ist nicht nur Gerüst, sondern greift viel weiter: Leben und Roman werden als identisch verstanden, nur als je in andersperspektivischer Drauf- bzw. Hin- und Hinaussicht. Dabei erdet sich sogar der ins Auge genommene Buchumfang symbolisch in die Geschehen, aus denen er eben auch abgezogen und hinaustransponiert worden ist: 3 x 13 Briefe.

So nah ich mich auch, wenn ich die Briefe schreibe, an die Entstehungsgegenwart halte, also täglich einen Brief schreiben usw., eine Ablösung läßt sich, wenn ich im Fluß bleiben will, nicht vermeiden. Das bedeutet, daß die Entstehungsbedingungen-selbst eine Bewegung ins Imaginäre bedeuten. Etwa ist es vorgekommen, daß ich einen neuen Brief direkt schon, am selben Tag, nach dem vorhergegangenen zumindest anfing; da ich aber täglich nicht mehr als einen Brief in Die Dschungel einstellen will, wurde er auf den folgenden Tag, an dem er dann erschien, schlichtweg umdatiert. Etwa werde ich auch heute schon den Brief von morgen schreiben, jedenfalls beginnen und ihn schließlich „falsch“ ausweisen müssen. Mir gefällt das nicht, doch ist es nicht zu vermeiden. (Diese seit langem von mir angestrebte Nähe zur Realität ist gerade der für glaubhafte Fiktionen nötige Boden: nicht e i n beschriebener Ort in der >>>> Sizilischen Reise, den es nicht gibt, wenigstens gegeben h a t, damals. Dasselbe gilt für den >>>> New-York-Roman, aber auch für die >>>> Andersweltbücher, also einen Zyklus, der sich der Phantastik und teils auch der Science Fiction zurechnen läßt. Insofern folgt dem der „autobiografische“ Ansatz der Triestbriefe, ja radikalisiert meine Poetik noch, s c h ä r f t sie - aber in einem der sogenannten realistischen Literatur rigoros gegenläufigen Sinn, zu einer nämlich Schneide, auf der die handelnden Personen keinen für Plot-Literaturen wesentlichen Identitäten entsprechen: Es geht hier auch um Unverfilmbarkeit, um etwas, das n u r in der Literatur möglich und nicht bloß „verstecktes“ Drehbuch ist.)

ANH,
5. Dezember 2014.
[Elvira Plenar, I was just... (1991).]

*

Nachtrag,
14.40 Uhr:
Weshalb nicht dem Roman E r f ü l l u n g geben, weshalb denn n i c h t, also insgesamt? Weshalb die Wirklichkeit verdoppeln? Wieso die permanente Scheu vor einem Happyend? - Der Gedanke tauchte beim Schwimmen aus mir auf und tauchte einfach mehr unter. So wog ich ihn die fast ganzen anderthalb Stunden hin und her, und bei jeder Bahn gewann er an Kontur, etwa: wie man dennoch die Briefform halten könne. Aber dazu will ich hier nichts verraten, sondern eine eigene Romandatei anlegen, nur bei mir, „Briefe nach Triest“, und darin, wie ich bei allen anderen Büchern tat, eine Notatdatei in den „Materialien“. - Plötzlich sehe ich das Ende des Buches, das, worauf es hinaus will, vielleicht sogar von Anfang an wollte. Was ich bloß noch nicht wußte. - Bin jetzt wirklich aufgeregt, schreibe von nun an nicht mehr ins Leere, sondern sehe ein Ziel.

[Wolfgang Rihm, Inschrift 2 für Orchester (2013).]

*

Dear Joseph (IV), …

kam nicht ich zu ihm? Ich zu ihm. Ich zu ihm.

Wer ging?

-Das erst war doch Narziss!

Sich heimtastend: tastend: tastend. Untenherum noch immer blutend. So anmutig. So dermaßen stolz, nachts durch die Stadt. Als hätte ich es gesehen. Ich hab´s gesehn! Nein, du Echo, brauchst wirklich nicht felsig zu werden. Weil ihr Gesicht ihr spürbar glühte. Hast es nicht einmal schauen können! Schon welkend, doch auf dem Weg so warm erblühte. Ich allein hätte es zweifellos nicht allein entdeckt. -Nicht dieses! Es als eines -ihres:seines-, das sich gegenseitig spiegelte, den anderen: auch zu sehen: wenn man kann. Oder dich? Mich. Sich. Wie seines: Eines, das lächelnd auf mir lag wie Licht.

Der Seen Lächelgründe. Los, hol´ es herauf: Auf! Auf! Aus den Seelenseen. Eines

dieser wunderschönen Gesichter.

… warum?

Was ist mit Echo und Narziss? Was sind sie dir gewesen?

Was?


Sag: Was? Sind sie dir
gewesen.

Deine Häsin.

WeinLese


(„Sie hat sich nicht in der Hand.“)
(„Geben wir ihr was dagegen.“)
(„Hey. Löwin.“)
((„Ich bin hier.“))

Setz Dich auf den Boden, dicht an die Wand. Schieb den Rücken fest gegen die Fläche, den Hinterkopf, lass den Hals in die Höhe wachsen, schließe die Augen. Umfasse deine Knie, zieh sie an den Körper, lass sie rechts und links zur Seite kippen, leg die Fußsohlen gegeneinander. Nicht verkrampfen dabei. Einfach nur gegeneinander legen. Ja, so ist es gut.
Warte.
Atme.
Nun die Arme. Lass sie hängen, leg die Hände mit der Innenseite nach unten über deinen Bauchnabel, spür ihre Wärme. Leg die Fingerspitzen zu einem Dreieck zusammen. Schieb sie etwas tiefer, über
((K n o c h e nblume hat er sie genannt.))
(Vergiss es.)
den Hügel. Bedecke ihn mit Deinen Händen. Atme.
((Test, Test))
Begehrst Du ihn noch? Im Ernst,


Wie


viele Jahre hintereinander war die alte Frau mit ihr zur Weinlese nach Westhofen gefahren. Die Dackel, ausnahmsweise, blieben zuhause. (Für den Rest ihres Lebens würde sie sich an die W e l l e erinnern, die ihr beim Einsteigen entgegenschlug: wie stark der Käfer nach Benzin und den Familiendackeln roch. Oft waren die Hunde auch nass vom Wald gewesen.)
Man ging noch vor Anbruch des Morgens hinaus.
Die Flanken der Hänge. Darauf, säuberlich gereiht, Rebstöcke.
Das Kind war bedächtig, doch das fiel nicht ins Gewicht, die Gruppe war groß genug, schweigsame Frauen und Männer, deren Hände an den nachtnassen Beeren von selbst wussten, was zu tun war. Drei Stunden wurde gearbeitet, dann Frühstück, die zweite Schicht dann ununterbrochen plaudernd, nur die Kleine sprach weiterhin nicht. Es war ihre Art. Die Erwachsenen kommentierten das ebensowenig wie ihre zögernden Handgriffe.
Stunden ver
gingen so lang
samfür die Kleine.

Drin, viel später, der Moment, in dem zwei oder drei von uns die Schuhe auszogen, in den riesigen Bottich frisch geernteter Trauben stiegen. Alle wollten, wenige durften, ich passte immer noch mit hinein. Wenn ich mich vom dicken, hölzernen Rand des Bottichs mit nackten Beinen in den Fruchthaufen niedersenkte, betrat ich den merkwürdigsten Grund der Welt.
Trauben treten,


während in


der Nacht im zentralen Raum die Entscheidungen gefallen sind. Ich sehe zu, wie er sie entrückt, ich weiß, wie sich das anfüllt, er berührt ihre Flanken, routiniert, fast widerwillig. Sie murmelt etwas, doch ich bin zu weit weg.
Ab- und an sieht er zu mir herüber, eine Brücke, gleich gültig. Es spielt keine Rolle, was die Frau sagt; sie ist nicht gemeint.
Beiwohnen.
Das Bild greift mir mit beiden Händen ins Gesicht, die Stirn, in die Öffnungen, streift die Wangen, die Ernte auf meinen Hängen einzufahren, reiche Ernte, Weinlese.
Im Getriebe des Blickens feinste Härchen, versiegeln meine Nüstern, die Muscheln der Ohren, die Zunge schmilzt, die winzigen Poren der Haut, bis keine mehr allein ist. Ich verliere mein Gesicht,
(scheiß drauf)
(XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX)
doch die Augäpfel, verliebt, wie sie sind, rücken ein Stückchen zusammen, noch eines, dann aufwärts, die Verräter. Ich halte sie nicht auf. Als sie ineinander glitschen ist es, als wären sie nie getrennt gewesen.
Der Mann wirft mir einen Blick zu. Ich ihm auch. Nur einen aus einem.

Ganz
sacht
richte ich mich
her und



gehe aus:


Schwarze Corsage, langer, enger Rock, hautfarbene Bluse mit sehr kleinen, vielen Perlmuttknöpfen, Ringe. Keine Halskette. Schlichte, sehr hohe Schuhe. Mund nicht rot (vulg.), stattdessen das Auge verschatten, smokey!,
mein Stirnauge, meine Weide, Wimpern fast fingerlang, die Pupille eine süße Kirsche in dunklem Aubergine, riesig.
Ich tusche sie, die Wimpern. Versuche es: Das Bürstchen ist zu klein. Ebenso der Kajalstift. (Werde mir neues Schminkzeug besorgen, aber wo?)
Es klingelt.
Ich sehe aus dem Fenster; der Wagen wartet vor dem Haus.

Als ich den Raum betrete, Damen und Herren in Pulks und gewandet, ist mein Platz sicher irgendwo markiert, ganz gewiss aber geh ich nicht schildchenlesend durch die Reihen, ihn aufzuspüren. Man plaudert in den Gängen, jemand spielt eine Art (verdammte kack – Hirten...!) Flöte, Stoffbahnen, feinste, fallen weich von der hohen Decke, in ihrer Mitte Dutzende Amaryllis an Fäden, mit den Blüten nach unten erhängt. Ich schreite durch die
Reb
und
seh’ den Hünen. Sofort. (Klar.)
Er trägt Anzug, einen knappen Millimeter Haar auf dem Schädel, darunter definitiv XLarge. Verdammt, der Hüne hat von allem das Doppelte, will mir scheinen, und er kann g e h e n. Von Männern wie Frauen gibt es nicht viele, die das können.
Schon von weitem macht er eine HandPrankenbewegung, während er durch die
stöcke
pflügt.
Ich bleibe, wo ich bin und erwarte ihn.

Elbin: Im Zwischenraum (1). (Briefe nach Triest, 27).


(Selbst bei den Freunden auf der Toilette und dort an der Wand:)




*

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>>>> Im Zwischenraum 2

Dear Joseph (V), ...

sein Echostolz, mit dem er sich behauptet wie ein Fels, und er tut´s: das ist keine Behauptung, lässt mich ihm zurufen: Komm! Lass Kräfte messen! Mit ihrem Maß. Sie misst: Vermisst. Empfindet allein den Gedanken als recht muskulös. Ist vor lauter Sehnen schon ganz sehnig.

Er brachte mich darauf, Joseph. Fasste an, wie es meine weißen Akrobaten von ihm verlangten. Aber ich nicht mehr von ihm wollte. Und doch: sie wollte! Wollte wie er es tat. Zerflossene: Tat. Tat. Orales Netz der Zappelhaiin: Frau Fisch in ihrem Element. Obwohl sie längst schliefen. Und sie schlafen auch wieder: meine Turnerinnen im Lilienbeet. Zwischen den roten Haien: die ab und an Kuckuck sagen: wenn sie Herzrasen bekommen, weil sie seine Stimme hören: sobald man ihnen eine Muschel ans Ohr hält.

Aber ich: Ich: Ich. Wirklich, wollte das nicht. Irgendwann wirklich nicht mehr! Mehr! Mehr!

SCHhhht!

Ganz leise musst du sein
. Das war die Königsdisziplin, es ihnen beizubringen: meine Akrobaten loszulassen: sich niederzulegen: während im Blumenmeer die Hähne bellen knurren: IM LAND DES NARZISS : THE OUTSIDE EMPIRE!

Weißt du doch!

Sie hat ihm was entgegenzusetzen! Das muss nicht körperlich sein. Er würde es ohnehin ablehnen. Weil ein Berg sich nicht einfach so öffnet. Hat er recht früh: von sich gesprochen. Es von sich. So fasst keine Hand ans Herz durch Brustkorbs Felsen. Auch meine nicht! NICHT! NICHT! -Das muss ich verkraften. Weil Kraft auch davon kommt. Schau doch Joseph, wer denkt schon: die haut´ einen Mann um?!

Ich.
Weil ich weiß, dass sie es kann.

Er.
Weil er jetzt ahnt, dass ich es bei ihm konnte.

… was ist Kraft?

Und wieso trat sie aus, traf mit ihrem hinteren rechten Huf seinen Spiegel, der hinter mir stand, als er, NARZISS, mich verabschiedete?

Wieso war sie mir gefolgt? DIETREPPEHERAUF.

Deine Häsin.

Dear Joseph (VI), ...

… für Worte von sich, schrieb ich dir in meinem dritten Brief. Erinnerst du dich? Worte von sich. Was sind wir? Nichts anderes als Monaden. Ich bin nicht Narziss. Er ist Narziss. Er ist nicht Echo. Ich bin sie. Sie ist nicht ich. Er ist Echo. Ich bin Narziss. Er ist nicht Narziss. Ist nicht. Wie auch sie nicht. Die ich nicht sein darf, weil er ihm nicht vertraut.

Wie ihr nicht. Deswegen bin ich nicht.
Kann nicht sein. Nein, NICHT!

Streich das -ver-! Wieso nennen sie es Selbstverliebtheit? Selbstliebe ist etwas völlig anderes. Schönes.

Wie kann man Narziss und Echo nicht verstehen? Als wären das Freaks! -Die wir sind, die das lesen und nicht verstehen, was Ovid schon verstand. Was stand da?

Er hat´s bestimmt verstanden.
Wie auch ich. Und ein paar andere.
Das weiß ich.

Wer spricht?
Warst du das?

… ragten nicht zwischen den goldenen Locken, die sich in seiner Nähe immer wie von selbst aufkräuselten, ihre spitzen Ohren hervor? Ich betrachtete ihr Gesicht im See: so jedenfalls sah ich es vor mir, beim Lesen auf Seite 80 meiner Ausgabe: Sie lächelte mich an. Legte ihre schmalen Hände um meinen Hals und zog mich ins kalte Silbermondwasser. : Ins Dunkel hinein : ich hörte von fern noch Hundegebell:

Er will dich nicht beißen, dachte ich:

Er kann nicht, flüsterte sie in mein Ohr. Noch bevor sie mich hinab zog, und der See sich schloss. Wie der Schlund einer riesigen Haiin, die mich barg: denn ich weiß nicht mehr wie Joseph, … ich blutete noch immer zwischen den Beinen, hatte wohl irgendwie ins Parkhaus gefunden: den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt: und bin dann nach Hause gefahren: Das muss so gewesen sein! Denn seitdem liegen die Metamorphosen auf meinem „Schreibtisch“. Aber erst heute schlug ich sie auf.

… sag mir, was sind sie dir gewesen? Echo und Narziss.

Deine Häsin.

Briefe nach Triest, 30: Überlegungen 3.


Der Briefautor >>>> hat recht: Unterbrechungen stören den Fluß. Kommt dann noch etwas anderes hinzu, eine Kleinigkeit nur, über die ich mich ärgere oder die mir Sorgen bereitet, ist es irre anstrengend, den intensiven Ton wiederzufinden. Allerdings zeigt die Erfahrung, daß besondere Anstrengungen zu besonderen Bildeinfällen führen – als wären sie nötig, um in den Fluß wieder einzusteigen.
Innert der Blog-Veröffentlichung ist das an sich nicht problematisch, da die Triestbriefe zugleich Der Dschungel als neue Arbeitsjournale dienen; deshalb die Erwähnungen der Verlagskorrespondenz bezüglich >>>> Traumschiff und Lektorin, ebenso des Hörstücks. Für das Buch ist all sowas entbehrlich, wenn nicht sogar störend. Darauf wird sich die Überarbeitung zur Ersten Fassung fokussieren, bei der ohnedies gekürzt werden muß. Ein erster Überschlag ergab, daß ich bereits jetzt bei über 300 Buchseiten bin, was mir entschieden zu viel vorkommt – vor allem, weil ich erzählerisch manche Szene noch ausbauen, sagen wir plastischer gestalten will: sinnlicher. Außerdem werden einige Texte in den Buchtext mit hineingenommen werden müsse, auch sie freilich bearbeitet, auf die im Netz ein Link reicht. Dabei bin ich gerade bei zwei Dritteln der neununddreißig Briefe angelangt.
Nun werden es der Unterbrechungen aber in nächster Zeit mehrere werden. Morgen kommt meine Wiener Sprecherin an, abends werden sie, ein weiterer Sprecher mit sehr kurzen Passagen, sowie Chohan und ich im ARD Hauptstadtstudio aufgenommen werden, von 18 bis 22 Uhr; danach muß ich bereits mit der Schneidearbeit beginnen, also dieser Tonfiles, wenn ich denn zwischen den Jahren produzieren will. Meinen „angedachten“ Italienaufenthalt habe ich innerlich gecancelt; sehr wahrscheinlich werde ich auch in der Silversternacht an dem Kreuzfahrt-Hörstück arbeiten, will aber zu Silvester-selbst unbedingt einen Triestbrief schreiben. Insofern wird es wieder einmal sinnvoll weden, die Tage zu halbieren: morgens Triest, ab mittags bis in die Nacht das Hörstück; ganz sicher aber werde ich nicht jeden Tag einen neuen Brief schaffen, möglicherweise, wie schon die letzten beiden Male, Briefe über einzwei, vielleicht sogar mehrere Tage schreiben, bevor ich sie einstellen kann. Die „Normal“arbeit wird erst wieder beginnen können, wenn ich das Hörstück abgegeben haben werde. - Überdies stehen, mit der quasiFamilie, die Weihnachtstage an.
Weiters habe ich überlegt, ob ich die Triestbriefe schon jetzt, parallel zu ihrem Entstehen, überarbeiten soll, im Rohling also. Ein erster Versuch ging, ich schrieb es Ihnen, glaube ich, schon, erstaunlich einfach von der Hand. Dennoch habe ich die Idee verworfen. Ein solches Verfahren nähme zu den jetzt anstehenden Unterbrechungen hinzu Emotion aus der Arbeit. Diese aber ist ein Eisen, das heiß geschmiedet werden muß; einzig, es zu schärfen, erlaubt - und verlangt sogar – kalkulierende Kälte, insbesondere dort, wo simultan mehrere, aber einander ausschließende Geschichtsversionen erzählt werden, die magischen, mythischen wie „realistischen“, und ihr Ineinanderübergehen, dem die Spiegelfiguren der Personen entsprechen. Ich möchte einen Schwebezustand erreichen, der aber stets in die Trennungsarbeit des Briefautors geerdet bleibt, den ich auch im Buch weiterhin eng an mir selbst entwerfen will, Und nach wie vor habe ich ein Happyend im Auge, jedenfalls als eine der verschiedenen Möglichkeiten, die solch eine Verfallenheit hat, Mit ihm soll das Buch schließen. Ich weiß sogar schon den letzten Satz, werde ihn aber noch nicht verraten, nur so viel, daß er sich völlig organisch aus einigen der längst durchgespielten Motive ergibt.
Idee: Jede der in Verlassenen aufsteigenden, sei es die wahnhaften, sei es die faktischen Umständen entsprechenden Vorstellungen zum Kern einer neuen Geschichtsversion machen, sie also poetisch ernst nehmen und eben nicht verwerfen, wie man es normalerweise täte und tun sogar müßte. Sondern sie „wirklich“ durchleben, so sehr es einen immer auch quält: genau aus der Qual wird die poetische Intensität destilliert. (Daß all dies einiges von einem Selbstexperiment hat, liegt auf der Hand. Es ist nicht unspannend zu beobachten, wann und ob überhaupt es zu auch körperlichen Reaktionen kommt, oder ob gerade die poetische Arbeit davor schützt. Zu denken etwa an meine in den letzten Wochen aufällig häufigen Fluchtschlaf-Anfälle. Mich erinnert diese Arbeit insgesamt an die Zeit meiner Psychoanalyse, nur daß Übertragung und Gegenübertragung keine Prozesse zwischen zwei Subjekten, sondern der inneren Instanzen selbst sind, deren eine sich als Text objektiviert.)

Einiges ist noch offen - etwa, wovon Lenz in seinem Grenzhäuschen eigentlich lebt; Geldmittel stehen ihm ja nicht mehr zur Verfügung. In diesen realistischen Aspekten mochte und mag ich nie schummeln, es mir auch nicht zu einfach machen („Erbschaft“ usw.); noch weiß ich keine Lösung. Außerdem muß ich aufpassen, gerade nach der gestrigen Schlußszene, Lenz nicht zu einem zweiten >>>> Fichte zu machen. Das ist er nicht und wird er nicht und soll er nicht werden. In den Briefen ist Meere ohnedies schon fast zu präsent. Auch da ist später bestimmt der Rotstift anzusetzen. - Außerdem erzählt werden muß unbedingt noch der Lydierin erster Besuch bei Lenz in Zürich, also in der Zeit, in der er seine Ehe noch aufrechterhielt, vielleicht auch sein Ausweichmanöver, als seine Frau ihn nach dem Verbleib des Eherings fragt. Ich meine, sie ist ja nicht blöd. Und ausgesprochen reizvoll wäre eine Begegnung der beiden Frauen. Auch die ließe sich – in einer möglichen Version – ins Mythische drehen: Sie treffen sich zu dritt in einem Café, bzw. würde es mir einigen Spaß bereiten, das Restaurant „Zum Roten Keuz“ zu nehmen, in dem sich seinerzeit James Joyce und Carl Gustav Jung getroffen haben, während Wolf-Ferrari am Klavier spielte; nur weiß ich nicht, ob es diese Gaststätte überhaupt (noch) gibt oder ob sie schlichtweg eine Erfindung >>>> Anthony Burgess‘ war... das „Schwesternhaus Zum Roten Kreuz“ spricht sehr dafür. Gut, dann wäre der Witz um so hübscher. Jedenfalls bindet sich auf der „Anspielungsebene“ der Zürcher Joyce nett in den Triester zurück, was, um an den >>>> Giacomo Joyce zu denken, der gesamten Brieferzählung einen zusätzlichen, nur für Kenner freilich, Boden einzieht. Also bei diesem Dreiertreffen könnte es passieren, daß Lenz, sofern er den Mumm hat, seiner Frau die Lydierin vorstellt; dumm ist nur, daß sie sie nicht sehen kann. Zum Beispiel.
Des weiteren will ich das Wiebke-/Gerald-Motiv noch stärken; die beiden brauchen entschieden mehr Kontur, vor allem die junge Frau, auf die es mir eigentlich ankommt. Wobei mir grad einfällt und ich es hier mir selbst zur Erinnerung festhalte, daß mir in einem der Briefe noch ein viertes Paar vorschwebte, von dem ich bis jetzt noch gar keine Ahnung habe.
Mal sehen.

ANH, Berlin.
19. Dezember 2014.

Probe- und Aufnahmetag der Sprecher:innen: Eine akustische Kreuzfahrt, 6.


(19. Dezember, 15.23 Uhr.
Arbeitswohnung.)

Soeben wiedergekommen von der Probe mit >>>> Elvira Magometschnigg, meiner Wiener Sprecherin, die sehr früh morgens mit dem Flieger ankam. Zwei Durchläufe, absurderweise in einem Hotelzimmer, an dem am absurdesten >>>> das Hotel selbst ist. Riesiger, aufgemotzter Empfang, der Zimmerbereich aber, im dritten Stock des alten Plattenbaus, geradezu kleinbürgerlich kleinlich; enge, mit altem, wie bereits zerfasertem Teppichboden ausgelegt. Das Zimmer wird vor allem von einem riesigen Fernsehbildschirm eingenommen, der zwei Drittel des schmalen Schreibtischchens besetzt. Direkt davor ein Doppelbett mit gerüschten Gardinen.
Also als allererstes das Bildschirmding runtergewuchtet. Durch die Fenster indes, immerhin, Blick auf die Spree – ein allerdings ebenfalls wenig erbaulicher, wenn es wie heute unentwegt regnet. Eigentlich hätten wir hier in der Arbeitswohnung proben sollen, dnn kam was dszwischen. Egal, so habe ich dieses "Riverside" einmal von innen gesehen: gute Vorlage für eine Erzählung, etwa, wenn ich die >>>> Yüe-Ling-Novelle wieder aufnehmen sollte, die ich, merke ich gerade, völlig vergessen habe - fast, sonst wär ich jetzt nicht drauf gekommen.
Die Probe selbst lief gut; deutlich ist nach wie vor, daß das Stück viel zu lang ist. Dennoch will ich es insgesamt, wie es jetzt vorliegt, aufnehmen und erst kürzen, wenn ich die Stimmen in der Montage angelegt und wohl auch schon mal ein paar O-Töne dazugemixt habe.
Pause also; Magomeschnigg ist mit einem Freund ins Museum, ich mochte da nicht mit.
Weiter geht‘s um 18 Uhr im Hauptstadtstudio der ARD, quasi gleich bei Magometschniggs Hotel um die Ecke. Ich leg mich jetzt mal eine Stunde hin.
***

(Gleich wieder aufgestanden; bin zu unruhig, um schlafen zu können. Ich fange am besten schon mal damit an, die Paulus-Böhmer-[Lanmeister]-Aufnahmen zu putzen.)
***

Nachtrag,
20. Dezember, 8.12 Uhr:


Dann waren sie alle zusammen, Kavita Chohan, Elvira Magometschnigg, Andreas Nickl, ich selbst, sowie für die Tontechnik Karin G,, mit der ich schon mehrfach gearbeitet habe; da wir unterdessen beim Du sind, vergesse ich peinlicherweise ihren Nachnamen immer.
>>>> Nickl, der bereits im >>>> Neapelstück mitsprach, hat in dem neuen Stück nur wenige Sätze, allerdings als jeweils als eine andere Rolle zu sprechen; deshalb zogen wir seine Aufnahmen vor. Zudem mußte er gegen 19.45 Uhr aufs Theater, konnte also nicht die ganze Aufnahmezeit bleiben. Dennoch, er mochte sich danach aus dem ersten Durchlauf nicht lösen, übernahm „einfach“ die Paulus-Böhmer-Partie (Lanmeister) als sozusagen Joker, bis wir tatsächlich einmal durchwaren. Gute Stimme, ich werde ihn öfter einsetzen; hier, leider, ist sie zu jung, also für den alten sterbenden Mann (der, anders als >>>> im Roman, worin e r spricht, bzw. denkt lediglich eine Innenstimme des Autors ist).
Chohan und Magometschnigg: wunderbar. Letztere anfangs etwas zu wenig Stimmendruck, was sich über den Abend aber gab, dafür sind die wienmelodischen Phrasierungen herrlich, teils an >>>> Peggy Lucac erinnernd, nur jünger, teils an Romy Schneider. Chohan mit der bekannten vollen Wärme. Ich selbst habe den Autorenpart gesprochen, dabei teils die Sprecher dirigiert. Vieles geht vor sich, als würden wir ein Musikstück einstudieren; ich schlage tatsächlich oft den Takt.
Gegen Viertel nach acht Pause, Nickl geht, wir andern drei, während mir die Technikerin die bisherigen Aufnahme schon mal auf den Stick zieht, gehen unten im Haus jede/r ein kleines Bier trinken, plaudern; die beiden brauchen diese Minuten der Stimmschonung.
Kurz nach halb neun dann noch einmal ein Durchlauf, ohne mich aber, nur die beiden Damen; ich sitze draußen am Regiepult.. Da wir die Mikrophoneinstellung beibehalten, damit ich später ohne größere Manipulationen mischen kann, seh ich sie witzigerweise nur von hinten:


Freilich hat das den Vorteil, daß ich mich allein auf die Stimmen konzentriere.
Gegen halb zehn läßt die Stimmkonzentration deutlich nach, zweidreimal muß ich in den Sprecherraum, um, wenn simultan gesprochen wird, die Einsätze zu geben, Taktschlag (je einen Schlag v o r). Die Aufnahme währt bis Viertel nach, die Technikerin läßt mich überziehen, gibt ihren spätern Feierabend dran, geht in dem Stück ganz mit – eine Erfahrung, die ich für meine akustischen Arbeiten immer wieder mache; ebenfalls, daß meine Sätze überhaupt erst zu wirken beginnen, wenn sie Klang werden dürfen.




Nachher noch in die >>>> Böse-Buben-Bar auf zweidrei Bier, etwas Wein; Magometschnigg ist erneut von dem Wiener Freund begleitet, der sie aus dem Studio auch abholt. Jetzt sitzen beide bereits zurück im Flieger, indessen für mich nun erst einmal die Schnitte anstehen: zu „putzen“, wie man sagt.

*
>>>> Eine akustische Kreiuzfahrt 7
Eine akustische Kreuzfahrt 5 <<<<

Dear Joseph (VII), ...

Brumm Brumm: Ich, ein Geo-carrier.

... ich musste lachen. Dachte: Ja, spielen ist gut! Weil wir doch spielend die Welt begreifen! Muss ich dir ja nicht sagen. Daher setzte ich sie auf ihren Hosenboden zu ihm. Wie alt ist der Mensch wenn er so spielt? 5 oder 6 Jahre? 7? Ich ließ sie in ihrer Jackentasche kramen, zu schauen, was sie anbieten konnte.

Und? Was glaubst du?

-Klar: Sie holte Land Rover hervor. Stellte sie neben seinen Geo-carrier und hat sich erst einmal groß gemacht, gesagt: Kuckuck, ich bin´s! Kennst du mich noch? Elfenamazone mit grch. Namen. Der bedeutet: Ich bin ganz tapfer und so weiter… Dann schaute sie sich um: Oh, ist aber arg rot hier auf deinem Kriegsplaneten! Was machst du hier? -Ich erforsche unentdeckte Krater. Steh´ voll auf den Mars, hat er ihr geantwortet.

Ich auch!!!

-Das wollte ich ausrufen! Weil ich voll drauf stehe wenn Einer ausruft: Da steh´ ich voll drauf!!! Dann erst einmal habe ich nichts mehr von ihm gehört.

Da saß ich. Fragte mich: Bist du jetzt fort mit ihr? Seid ihr beiden getürmt?
Das wäre ja irgendwie schön, aber …

… das war ja eigentlich nicht gemeint, Joseph! Und trotzdem sah ich da Zwei vor mir sitzen. Die spielten. Sah mich selbst dabei noch einmal. Wie ich zusah. Darüber musste ich lächeln: Wirklich lächeln.

… ich habe, was das betrifft, keine Frage an dich! Wollte dir einfach nur davon erzählen.

Deine Häsin.

Dear Joseph (VIII), ...

… schiebe mir ein paar Sterne auf die Scham und ziehe mir einen Helm auf. Wie eine Astronautin. Dann ist mein mons pubis ein Sternenhügel, schrieb sie ihm. Weil sie dachte: Wow, klingt w e i t, als sie las:

… Vom Bekannten ins U n b e k a n n t e. Vom Einfachen zum K o m p l e x e n.

Hat sie aber nicht gemacht. Weil die Sterne sich dann überall an ihm verteilt hätten. Mehr oder weniger überall. Das >>>A l l ! Or: Hands all over. Wie schade! Denn das wäre ja so wunderbar zu sehen gewesen, welche Stellen seines Körpers, anatomisch betrachtet, die größte Besiedelungsdichte aufweisen würden. Wie auch bei ihr. Sternenkumuli. Oder haufenweise Sternenkeime. Die glitzern im Dunkeln. Funkeln an ihm. Blutrot wären sie teils gewesen:

gestreift auf seine Weite: Sie täte es auch ganz sacht! So sacht: wie er es schon tat!

... oder nackt in einen Raumanzug zu steigen. Aufzusteigen: um dann wieder schwer zu werden. Von seinem Raum aus. An jeweils einer Erdnabelschnur. Sicherer Raum. Vertrauter Raum. Gefühl der Schwerelosigkeit. Wie zwei, die noch nicht sind. Weit! Ja, w e i t: hörte sich das an. Da oben. Mit ihm. Nicht sprechen. Nur ansehn. Sich ansehn und lächeln. Was ist das für eine Sprache, Joseph? Die wir nie gelernt haben und dennoch verstehen. Eine schon immer dagewesene? So wie diese, eine, die er ihr beigebracht:

Hi! : Kuckuck!

Hi! : Kuckuck!

Kuckuck! : Hi.

Hi


Oder einfach nur: Hi. Wiederzugeben. -So,
wie Echo es tat!

… sag´ : Kuckuck! Sag´ lächelnd Kuckuck
zum Kuckuck noch mal.

Deine Häsin.

Dear Joseph (IX), ...

uns fehlt die Zeit. Sie fehlte. Mir und ihm. Ihm, dem Gladiatorenzuhälter. Denn mindestens einmal die Woche muss er mit einem von ihnen hinunter in den Hof. Weil auch die schon mal knurren, wie die Hähne im Blumenmeer. Hin und wieder. Herrje: Geh´ mit mir in den Hof, rief sie aus: DIETREPPEHINUNTER,

ungepanzert, ohne das Rot abzurüsten! Mit blonder Mähne nur! So wäre doch auch sie eine schöne Gladiatorin. Round 1:

Penthesilea1

Fight!

-Nein, kein Kriegsspiel der Art, so wie Mann und Frau sich verspielen. Zu dumm das: Dafür bin ich zu alt. Und du. Du bist es erst recht! -Gelacht hat er, als ich das zu ihm sagte. Alt. -Das ist er nicht! Nur manchmal. Weil müde. Mein Gladiatorenzuhälter. Halt´ nicht zu, was mich betrifft. Fass´ mich an!

Schaff´ dich nicht ab! Reih´ mich nicht ein!
Müde, das bin ich doch auch! Will mein Gesicht in deinem Schoß vergraben.

Sieh´ mich an!

Dich auffangen kann ich noch immer. Immernoch. So,
wie du mich. Drei Mal. Erinnerst du dich?

Warum kämpfst du so viel?


So wie ich.

Woher hast du das?

… woher hat er das, Joseph? Glaub´ mir: Nur eine Runde mit ihr. Länger bräuchte sie nicht. Sanfte Penthesilea. Unbehelmte Penthesilea. Lächelnde Penthesilea. Amazone mit grch. Namen. So wie >>>sie, eine, die sich erinnerte. Weil es mit einem Lächeln auch angefangen hat.

Deine Häsin.

Auch zur Datierung: Im Zwischenraum 2. (Briefe nach Triest, 32).


Ich muß >>>> den Fluß tatsächlich unterbrechen, obwohl der nächste Brief bereits geschrieben ist, der siebenundzwanzigste, der aber, wie mir gestern abend klarwurde, erst als achtundzwanzigster eingestellt werden sollte: Es fehlt ein Zwischenstück, das ich heute morgen thematisch schon skizziert habe, aber nicht ausführen kann, weil ich andernfalls, wie gestern und vorgestern, mit den Sprecher:innen-Schnitten >>>> für das Hörstück nicht weiterkomme wie nötig. Es ist eine zähe Arbeit, die viel Distanz verlangt, etwas, das ich für die Briefe gerade nicht haben darf. So widerstreitet beides einander; aber das Stück muß bis Anfang Januar fertig werden, indessen die Briefe Zeit haben. Um dennoch deren Direktheit zu wahren, werde ich weiterhin skizzieren, vielleicht auch den einen und anderen Brief ausschreiben, aber letztres erst immer am Ende des Tages. Außerdem habe ich Verpflichtungen wegen Weihnachten, muß für andere da sein, vor allem für die Kinder, mich um den Baum kümmern, um das Festessen usw. Überdies möchte ich die anderen nicht mit Trauer überschatten, muß also leisten, was mir widerstrebt: Verdrängung. Aber es sind nur zwei, vielleicht drei Tage; die werden sich aushalten lassen, ohne daß ich den Anschluß verliere oder ihn psychisch zuzementiere. Vielleicht komme ich auf diese Weise den wirkenden Innenstrukturen der Sìdhe sogar noch ein Stückchen näher, indem ich sie mir hinzuerlebe. Denn sie muß, nach ihrer Entscheidung, genau das tun: verdrängen, und zwar ausgesprochen gewaltsam, autoaggressiv geradezu. Das in den Texten beklagte Schweigen der Sìdhe paßt dazu wie die Faust auf das Auge des Briefautors: Er soll nicht sein, vielleicht sogar nicht mal gewesen. Insofern könnte dies, nach den Festtagen, zum Thema eines ganz eigenen Briefes werden. Möglich, daß ich dafür tatsächlich den Entwurf eines vierten Paares brauche, auf das nunmehr diese Dynamik gespiegelt würde.

Weihnachtsgeschenke sind noch zu kaufen, sogar. In keinem Jahr jemals zuvor ist das Fest so an mir vorübergegangen; „Vorweihnachtszeit“ - in meinen Ohren klingt das nach einem verschollenen Märchen, aber einem, das nicht präsent in mir ist, sondern ich erinnere mich nur noch eines gleichsam fernen warmgelben Lichtes, aber weder mehr, aus welcher Lampe es stammt, noch, wer sie trug, geschweige eingeschaltet, bzw. wer sie entzündet hat. Daran klebt kein Gefühl des Verlustes, sondern er, daß es einer ist, zeigt sich lediglich, gleichsam intellektuell, im erinnernden Denken.
Den nächsten Brief wird es also erst nach Weihnachten geben; die wenige Arbeitszeit, die mir zu den Festtagen bleibt, werde ich auf das Hörstück konzentrieren.

ANH, 23. Dezember 2014.
Berlin.

P.S.: Die Datierung der Briefe im Buch wird ohnedies eine andere als die in dem nach und nach hier in Der Dschungel erschienenen und weiter erscheinenden Rohling werden. Was die schließliche Verlagssuche anbelangt, so werde ich sie diesmal allein in die Hände >>>> meiner Impresaria legen.
*

RückWand


„Die Zeit, Frau -“
„Ich hab’ meine Träume nach hinten treiben müssen: immer noch erpicht auf uns, die kleinen Rabauken.“
„- U n s?“
„Nicht angemessen, Dein Tonfall.“
„Verzeih.“

Welcome
to The Machine


Hey! Beloved!
Stier mit den Bockshornkleeaugen, bist
(trafen uns im Nachttierhaus, überschritten die Schwellen, während rechts und links das zahme Geziefer wegspritzte, mein Verräter, Verratener, Berg, den kein Wort mehr versetzen kann)
i h r Jüngling jetzt, horchst an ihrer Rückwand.
The Machine liest Dir Schweigen vor.
Tick für Tick.

(Welcome)

„Okay, hoch mit ihr, sie braucht mehr Sauerstoff.“
„Und - hepp.“
Doch Luft allein bringt mich nicht zurück: Die Löwin steckt fest.
Please mind the gap between the train and the platform

(Jemand am Telefon, ein raunziges Lachen.)
Ich rede nicht so gern. Schreibe in der Sonderausstellung der Liebhe, nicht bei jedem Bild bleib’ ich stehen, doch in jedem, hinterrücks, ist ein Einwurfschlitz zur Aktivierung, man muss sie nur von der Wand wegheben. Wenn meine Bilder zu sprechen beginnen, schreibe ich mit.
Heute bin ich pleite, doch Deine Taschen sind schwer von Münzen, Jüngling,

hier mein Hut.
Schließlich brauchst Du sie nicht mehr. The Machine hat keinen Schlitz.

- Kurier.
- Erster Stock rechts, ich lasse die Tür offenstehen, es gibt kein Namensschild.
Der Mann tritt mit einem Armvoll cremefarbener Rosen ein, ohne Cellophan, sodass ich das Couvert sofort sehe. Ich öffne es, ziehe die Karte heraus.
Bin in fünf Minuten da. Serge.
Dass der Kurier geht, bemerke ich nicht.

(Welcome)

La Chaloupe hat fünf Tische; man führt uns zu einem, ich trage begleite mein mittig gerafftes Kleid mit schmaler, goldener Schließe auf Höhe der Taille, Strümpfe mit Halter, schwarze Pumps mit hellen Absätzen, darunter nichts.
Keine Karte. Er hat das Menü längst entschieden, ich frage nicht nach, frage nie nach, die Fauteuils sind weich, der Raum gediegen, wir plaudern, ich probe meinen Fuß unter dem mit Damast überworfenen Tisch, Amuse-gueules treffen ein, eine Consommé, dann fährt der Kellner einen Tisch heran, zerteilt die Ente vor unseren Augen. Ich ignoriere ihn, wende den Blick nicht von der herangerollten Assemblage, Messing, etwa armhoch, Trichter am oberen Ende, ich warte.
Spiele ein wenig.
Der Kellner greift nach der Zange, nimmt das Gerippe vom Brett, hebt es in den Trichter.
Serge sieht zu mir herüber.
Ich ziehe meine Fußspitze zurück.
Das Gebein verschwindet im Maul der Maschine, während der Kellner die Kurbel dreht, ich
höre
die Essenz aus einer schmalen Röhre am Fuß des Apparats in eine Schale rinnen.
Serge nimmt sie in Empfang, nickt, der dienstbare Geist verschwindet, seine Gerätschaft hinter sich her ziehend, ich sehe ihm nach, dann Serge in die Augen.
Er hebt die Schale an die Lippen, leert sie mit einem einzigen Schluck. Hält meinen Blick fest, senkt sie unter den Tisch, während
ein
leises Plätschern.
- A nous, ma femme.
Lächelnd.
Ich nehme sie entgegen und trinke. Serge lehnt sich zurück, beobachtet mich.
- Erkennst Du das Motiv auf dem Gobelin hinter mir?
- Wie bitte? Ich stelle die Schale ab.
- Hieronymus Bosch, sagt er, Die Hölle. Du kennst das Bild.
- Ja.
- Es hat keine Rückwand.
- Ich auch nicht, sage ich.

...

Ich bin, um ins Leben zu gehen,
mir bewusst geworden. Liebe auch
im Kältestrom.

Atmend. Bei mir bleibend.

Mit jedem Schmerz.
Tag für Tag.

24. Dezember 2014. (N i c h t als Triestbrief).

[Arbeitswohnung, 8.01 Uhr.
Dieter Ilgs Beethoven, in den
ich mich zunehmend verliebe.]


Selbstverständlich schriebe ich dies gerne d o c h als einen >>>> Triestbrief. Aber es bliebe mir nicht genügend Zeit, um klar und sicher und, vor allem, um im angemessenen Tonfall zu formulieren. Um wiederum die Sìdhe, wie es mein Vorhaben ist, zur ständigen Ansprechpartnerin auch der späteren, dann nicht mehr durchnumerierten Arbeitsjournal zu machen, dazu ist es noch zu früh; das braucht noch dreizehn weitere Briefe: daß der Roman nämlich abgeschlossen ist. Außerdem bin ich mir heute früh nicht recht sicher, ob nicht dieser Text besser ins >>>> Tagebuch gehört. Es ist nach wie vor ein Manko der twoday-Blogs, daß man Beiträge nicht mehreren Rubriken gleichzeitig zuordnen kann.
Ungefähr die Hälfte der >>>> Sprecher:innen-Schnitte gestern fertigbekommen, also des einen Durchlaufs; jeweils auch schon die Böhmer-(Lanmeister)-Stellen einkopiert. Heute freilich werde ich damit nicht oder nur kaum weiterkommen; ab zehn geht‘s zur quasiFamilie hinüber. Spätabends bis nachts den Wildschwein- und Hirschbraten zubereitet, auch ein kleines Brot, nur für mich, gebacken; ein großes fürs erste Weihnachtsfrühstück will ich morgen früh um fünf backen. Die Bratensauce, auf die es mir immer besonders ankommt, mache ich jetzt gleich noch rund. Dann geht‘s an den Baum.
Ich war denn doch etwas ver„söhnt“, als wir ihn gestern spätnachmittags holten, die aufgeregten Zwillingskindlein dabei. Aus der ruhigen Stimmung warf mich dann Freund Sascha, der nachts bei mir hereinschaute und natürlich wissen wollte, ob es von der Sìdhe und mir Neues gebe. So mußte ich mir abermals die Schweigemauer vergegenwärtigen, von deren Errichtung die Löwin als einer „Mechanik“ spricht; daß sie das >>>> in ihrem dunkel vibrierenden Text mit der Entenpresse aus den >>>> Fenstern von Saint Chapelle verknüpft (ich hab‘s drunter zitierend belegt), ist ziemlich böse. - Um mir, á propos, noch eins da draufzugeben, kam von den >>>> Kulturmaschinen die Abrechnung der vergangenen drei Jahre. Na immerhin. Aber wie erbärmlich, geradezu nicht zu fassen! Ausgerechnet diese Novelle hat sich seit Erscheinen nicht mehr als 59mal verkauft. Dabei ist sie ein Herzstück meiner, neben >>>> Argo, das ziemlich gut lief, poetischen Arbeit der letzten vier Jahre. Da bin ich jetzt doch ziemlich hilflos. Zwar habe ich dem Verlag die Rechte gekündigt, aber wer publiziert ein bereits erschienenes Buch noch einmal? Meine bei den Kulturmaschinen herausgekommenen Bücher liegen wie lebendige Tote im Verlagsgrab. Ich sollte meine Idee eines eigenen eBook-Verlages reaktivieren, weiß aber nicht, woher die Zeit nehmen, um ihn angemessen zu betreuen. Sehr, sehr unerfreulich, dies alles. Doch eine insgesamten Bilanz des vergangenen Jahres werde ich Ihnen (und auch das nicht der Sìdhe) an Silvester schreiben (oder vielleicht doch der Sìdhe - mal sehn: Wenn, dann müßte das aus dem Triestbrief-Buch-als-Roman wieder herausgenommen werden; formale Fragen).

(Schön, wie Ilg am Baß, Böhm am Klavier und Héral am Schlagzeug mit dem >>>> Arietta-Motiv umgehen... daß sie sich auf die „Rumba“ fokussieren, ist jazzgemäß, aber auch das Zurückträumende der Meölodie ist bei ihnen gut-meditativ aufgehoben; in meiner Rezension werde ich darauf besonders eingehen. Nur darf sie vor dem 30. Januar noch nicht erscheinen. Hab drum, meine Sìdhe, Geduld.)

Gut, ich will jetzt doch noch ein bißchen an den Tonfiles schneiden. Für Menschen wie mich gilt, daß jeder Tag, an dem sie nichts getan haben, ein verlorener ist – Ausnahmen rechtfertig alleine die Liebe; selbst aber sie verlangt, mindestens später, die künstlerische Objektivierung - „verlangt“ ist das korrekte Wort.

Dear Joseph (X), ...

… dem Leben Winkel geben (to give angles). Sich hineinfallen lassen. Nicht die Treffer zählen. Denn sie helfen keinem. Mal sich selbst Achill sein in der Arena. Auch das kann sie. Sie wäre bestimmt eine gute Gladiatorin gewesen, meinst du nicht? Vielleicht war sie das sogar. Irgendwann. Zu einer anderen Zeit.

Sich verlieben ist leicht. Und Variationen der Liebe gibt es viele.

Die Liebe hingegen ist: Überlassenheit. Zu Boden geworfen hat sie mich schon einmal, diese Bastardin. Hing über mir mit ihrem wunderschönen wilden Gesicht. Aber über sie zu schreiben, heißt für mich, auch rote Arbeit an mir selbst zu verrichten. Ich kann allenfalls sagen, ich würde es nicht mit ihr aufnehmen. Nicht gegen sie kämpfen. Zu keiner Zeit! Denn wenn sie es will, fällt sie dich an. Beißt dich vielleicht. Sie lässt auch wieder los. Und zwar erst dann, wann sie es will. Alle Wehr währenddessen: ist nur unnötiges Gezappel, Joseph. Da kann die Menge johlen, Beifall klatschen, oder es kann Blütenblätter regnen. Gegen sie kommt auch eine Amazone nicht an. Vielleicht: die letzte Un(v)ermessenheit, die ich noch an ihr entdecken kann.

Seinen Menschen einmal ablegen können, war und ist für mich, wenn ich die Augen schließe, genau diese Überlassenheit. Die Hingabe von sich selbst an den anderen. Die Amazone müsste dann gehen. Das tut sie auch. –Bin ja ich. Sie ist mein Überlebensmensch. Und gleichzeitig meine Schwäche. Ein Konstrukt. Das weiß ich. Deswegen nimmt sie mich mit Humor. Das rettet mich. Und Freundschaft. Nichts anderes als das.

… jetzt habe ich dir die Liebe erklärt. Verzeih´ mir, Joseph!

Deine Häsin.

Dear Joseph (XII), ...

… sah ich es damals schon voraus? In jener Herberge? In diesem Traum:

>>>Die Herberge

Deine Häsin.

„Lamentationes“: Kleine Theorie des Literarischen Bloggens, 152.


>>>> D o r t.

Dear Joseph (XI), ...

ich habe mal von der >>>BASF geträumt. Ich glaube es war Tor 2. Das neben dem Friedrich-Engelhorn-Hochhaus, das es nun nicht mehr gibt, wie ich kürzlich feststellte. Es wurde abgerissen. Bin schon oft daran vorbeigefahren. Ich sah es vor mir. Von der anderen Straßenseite aus. Ein ADAC Helikopter flog in eines der Gebäude. Menschenmengen strömten in Panik heraus. Interessanterweise ging dieses Gebäude nicht nur in Flammen auf, sondern es wandelte sich. Es sah danach aus wie ein riesiger metallner Tannenzapfen. Größer als das Gebäude zuvor. Wie solche, die sich aus der Erde heraufbohren. Mit vielen kleinen kreisrunden Scheiben, die sich glühend auf der Oberfläche drehten. Das war erschreckend. Aber doch so warm auf meinem Gesicht. So warm, wie ihr Monate später ein Gesicht erblühte, das sie zweifellos nicht allein entdeckt hätte. -Nicht dieses! Es als eines -ihres:seines-, das sich gegenseitig spiegelte, den anderen: auch zu sehen: zu bluten, bluten, bluten,

wenn
man kann. Solange
wir es noch können. Nicht ganz leergelaufen sind. (Das Perverse daran ist mir durchaus bewusst!)

Verstehst du diese gewaltsame Traumnatur? Die sich aus unserem Unterbewusstsein speist. Das gespeist wird vom Tag. Vom Alltag. Von dem, was wir erleben. Ich verstehe sie. Habe ich immer. Und je müder ich vom Leben und der Arbeit war, umso heftiger waren die Bilder. Raubbaumodi aktiviert es. Ganz langsam. Nach und nach gliedert es ein in die Trakte der Taktmaschinen, deren Motoren, auch nach Feierabend, wenn sich die Tore wieder öffnen, bis ins Private hineinheulen. Heiliges Heulen. Hochtouriges Heulen. Ewiges Metall unwunder Maschinen. Maschinen bluten nicht! Aber auch Metall ist Natur. So, wie der Mensch Natur ist.

So, wie ich es bin. So, wie du es warst. Wie du wurdest. Wie Echo es ist.

Beachte Joseph(!): Ein gelber Engel war es! Einer von denen, die kommen, wenn es Verletzte gibt. Zu irgendeinem Unfallort. An irgendeinem Ort dieser Welt. Die gab es damals zur Zeit der Gladiatoren nicht! NICHT! NEIN:

Ich reih´ mich nicht ein. Ich schaff´ mich nicht ab. Will lieber bluten.

… komm, Joseph! >>>Wir gehen. Gehen einfach weiter

Deine Häsin.

Schlafende Sìdhe.


Den Arm, in den sie sich legte,
um sie gelegt,
so ihren Kopf auf die Brust,
noch von ihr atmend,
bevor sie sich drehte

und fiel, und er fiel doch auch,
sie beide in je eigenste Räume,
aus denen sie manchmal erwachten,
kurz nur, erspürend, im Dunklen,
ihr Bein, seinen Arm, ihren Rücken,

als wären sie in des anderen Träume
(die ihren, seinen) Membranen
fächelnder Pforten,
durch die sie ins nächste
Schlafen verwehten:

So stille das Wehen
durch die weit oben geöffnete Ferne -

Dear Joseph (XIII), ...

... mi casa es su casa BLANCA. Aber weiße Vögel fallen doch, fallen auf weiße Tische (TABULA RASA Resopal)

Nimm an solchen nicht Platz! An ihnen kannst du nur warten, Joseph: Auf nichts! Nichts. Nichts

. . . W a r t e n . . .

But then he said: Komm! And: >>>"Suddenly My House Became a Tree of Sores." for redbreasts and cuckoos?

A TREE? Vor grauen Schloten.

Come on, LOOK at me!

This is my house and my house is her BODY. A Tree? Are you Daphne, Darling? Aber er, Joseph, entzieht sich doch mir?

Ihr.

A TREE ON MARS

for cuckoos and redbreasts. -Kann über meine ja mal mit Farbe drüberpinseln. Das wäre die reinste BRUSTPINSELEI. Findest du nicht?

Sich brüsten und fiedern.

Sein sein.


Zwischen den Sternen. Auf seinem Planeten.

... come on, Joseph, lass uns anmalen wie Bastarde! Rote. Die wir sind.

Deine Häsin.

Wenn du bei dir bist (1)

In deine Nacht will ich schaun. Auch
wenn du schläfst dich betrachten. Auf
allen Vieren würde ich über dich gehn.

Zärtlich mit meinen Zitzen über deinen
Rücken streifen. Hören wie du atmest.
Sehn wie du aussiehst dabei. Riechen.
Wie du dich im Schlaf verströmst. Als
wäre ich nicht da. Doch näher an dir.

Dann, wenn du bei dir bist.

Traum (Bericht). (Briefe nach Triest, 33).

(Arbeitswohnung,
7.18 Uhr.
Schnee.)
Eigentlich wollte ich den Briefautor mit den >>> Triestbriefen pausieren lassen, hätte ich lassen müssen, denn das Kreuzfahrt.Hörstück d r ä n g t; zu wenig bin ich der >>>> Festtage und des >>>> Kindergeburtags wegen vorangekommen. Ich brauche schlichtweg mal einen ganzen Tag am Stück, um wenigstens die Sprecheraufnahmen für die erste Montage befriedigend vorzubereiten. Außerdem war mit der >>>> Entsorgung des längst vertrockneten Blumenstraußes ein Schnitt getan. Ich dachte mir und denke immer noch, jetzt steht erst einmal diese Funkarbeit an; erst nach ihrer Abgabe dürfe ich den Briefroman wieder aufnehmen, auch wenn das nun eine insgesamt Distanzierung bedeute: doch könne ich mich auf meine Imaginationskraft verlassen, die mit demselben rasenden Fieber weiterarbeiten würde, käme ich erst einmal in die Textfolgen wieder hinein; zumal sind anderthalb neue Briefe ja bereits als Datei gespeichert.
Dann aber, heute nacht, träumte ich einen nächsten Brief, einen zwar nur kurzen, aber mit der vollen Intensität aller anderen nach Triest gerichteten Rufe. Ich sah den Text im Traum vor mir, unterstrich Passagen, setzte andere Passagen kursiv; einige waren sogar in Kapitälchen gesetzt. Dies alles seit fünf Uhr in der Früh hineingeschoben in die sich wiederholenden Weckerlaute. Noch zehn Minuten, dachte ich, schlief wieder ein, schreib weiter, und noch zehn Minuten und weitere zehn Minuten – so bis Viertel vor sieben. In dem wirklich ein bißchen irren Fehlglauben, der geträumte Brief sei im Iphönchen gespeichert, stellte ich den Wecker schließlich auf sieben Uhr um und begriff erst, als ich da dann wirklich aufstand, daß der Brief verloren war. Um etwas von ihm, irgend etwas, zu halten, notiere ich nun doch, anstatt gleich ans Hörstück zu gehen, erst einmal in die Briefedatei.
Der Brief beginnt mit einer kleinen Reflektion über die Unterbrechung, Festtage usw., dann drückt er neuerlich Vermissung aus, Leere, und füllt sie mit Erinnerung, körper-, nein besser: leiblicher, auch an den Duft der Sìdhe. Und mir fällt gerade ein, daß der Briefautor ihr von den Festtagen schreiben wollte, etwa so:
Liebe Sìdhe,
ich habe unterbrechen müssen, familienhalber. Aber auch Du wirst gar nicht in Triest sein, sondern, wie ich mich erinnere, im Skiurlaub in den, glaube ich, Dolomiten.
Woraufhin der Briefautor beschreibt, was er vor seinem inneren Auge sieht: sie und ihren Mann in einem Luxushotel, roter Wangen nach den Abfahrten, lachend, ganz vergessen aber er, die Briefautor, aber vielleicht doch nicht vergessen, sondern eben nur verdrängt. Und er beschreibt, wie er ganz ebenfalls verdrängte, im Kreis seiner Familie, schon der Kinder wegen usw. Er hat, während er schreibt, das Schlafhemdchen der Geliebten an seinem Hals liegen, zwischen Schulter und Kiefer; hin und wieder gibt er einen Kuß auf den Zipfel, der auf der Brust liegt: Übergangsobjekt. Abermals wird das Thema des Altwerdens angeschnitten, im d e m Sinne, daß Lebenstüren zugeschlagen sind: nicht noch einmal Vater werden können usw. Auslöser dafür ist sicherlich gewesen, daß gestern auf dem Zwillingsgeburtstag ein Vater war, der in dem Alter des Briefautors, sogar noch etwas älter als er ist, und der tatsächlich noch einmal neu Vater wurde; das Kind ist jetzt ein Jahr alt. Als er‘s mir erzählte, fing ich fast zu weinen an, hatte mich allerdings umgehend im Griff. Der Mann hat die neue Mutter über ein Partnerforum im Netz kennengelernt. - Diese Information spiele ich nun, innenseelisch, dem Briefautor zu und sie führt ihn in die Trauerarbeit zurück. Das Perfide daran ist, daß diese Art eines männlichen Klimakteriums eben nicht körperlich, sondern ein pures Ergebnis von Lebensalter, also eines „einfachen“ Zahlenwertes, ist, egal, in welcher körperlichen Verfassung man(n) sich befindet. Es wird ihn, den Briefautor, (oder hat ihn geführt, ob, das weiß ich nicht mehr) zu dem bizarren Gedanken führen, es sei gar nicht so gut, wenn jemand, der auf die Sechzig zugeht, sich körperlich in der Verfassung eines Vierzigjährigen befindet, weil das die Akzeptanz, daß etwas definitiv vorbei sei, ausgesprochen erschwert. Dieses und jenes nicht mehr zu können, auch, nicht mehr erleben zu können, ist leichter anzunehmen, wenn man‘s auch objektiv nicht könnte. Mit fällt dabei der Satz meiner mütterlichen Freundin L. ein, die, nachdem ich sie länger nicht gesehen hatte, bei unserer Wiederbegegnung zwar spöttisch, aber nicht ohne Vorwurf ausrief: „Wer nicht altert, ist ein Verräter!“ Dieser Verrat wird nun, so wird dem Briefautor klar, bestraft.

Ich sehe den im Traum geschriebenen Triestbrief vor mir, werde ihn auch „nachholen“; heute aber nicht, auch nicht morgen oder übermorgen. Denn ich muß mich nun tatsächlich auf das Hörstück konzentrieren. Aber ich will seine Spur hier protokolliert wissen, um bei Wiederaufnahme der Triestbriefe gleich mit ihm zu beginnen. Das wird den Übergang zurück in den Schreibfluß erleichtern.
ANH, Berlin.
29. Dezember 2014

Dear Joseph (XIV), ...

Komm!

… das hat er zu ihr gesagt, mit einer Kopfbewegung, die meint: mir nach! Und sie sprang. Sogleich mit geöffnetem Haar. Das gesetzlos hangende Haar. Ohne Band, >>>Daphne. Ihm hinterher.

Ihm, der ihr zurückgab: herzlichen Glückwunsch, nachdem sie abwinkte und sagte: erklär´ mir nix, ich weiß schon alles! Erst da hat sie geschaut. Nicht als sie herein kam. Erst als er sprach, sich ihr vorstellte. So, wie wir uns eben vorstellen, wenn wir den anderen faszinieren wollen. Nun ja, aber so ganz stimmt das nicht! Die meisten zeigen sich ja eher verhalten. Eigentlich(!) apollinisch. Nicht gleich ohne Umschweife offensiv.

So ist das, Joseph! So war es. Das war seine Offensive. So nahm er sie für sich ein.

Es folgten: Blumen, Blumen, Blumen. Und seine flache Hand, die ihr Sternum berührte. Mit der er sie mit sanftem Nachdruck zurückdrückte, als sie sich aufrichten wollte während sie vor ihm lag. Wie kam sie überhaupt in diese Lage? Gelächelt hat sie dabei. Weil sie es mochte. Und doch laubte ihr Haar in diesem Moment. Ganz leicht nur.

Fluchtlaub?

Ja.Tatsächlich war das so!
Das war ihr Impuls.

Komm, hat er gesagt, an einem anderen Tag wieder!

Und sie kam. Das war ich dann.
Auch son Impuls.

… was sind Impulse? Und wo, Joseph, kommen sie her?

Deine Häsin.

Dear Joseph (XV), ...

wie fordernd das war als er sich vor mir blößte. Ohne mich zu fragen. Ohne irgendeine Hemmung. Grinsend, wie ich wohl schauen würde. Und ich schaute: sofort auf seine Eichel. So weitflächig. So groß. So wunderschön! Dass ich gern mein eigenes Gesicht gesehen hätte. Denn darauf war ich nicht vorbereitet. Ich kam mir nackt vor. Obwohl ich es nicht war. Nur geblößt im Gesicht. Beim Anblick. Er hat´s gesehn! Sagte zum Abschied: Ich will dich nackt sehen, will sehen wie du aussiehst.

Und Joseph, sein Schwanz, der duftet so dermaßen intensiv, ich kann das gar nicht anders formulieren: himmlisch nach Schwanz, so, dass ich mir jedes Mal mindestens drei Mal die Hände waschen musste. Irgendwann. Nicht weil ich wollte. Allenfalls dass er sie mir wäscht. Das wollte ich. Aber so wäre der Duft sogleich von mir gewesen. Abgewaschen. Weg. Nicht mehr da. Also tat ich es selbst. Auf der Arbeit oder Zuhause. Nach einer Weile. Weilen später. Jedes Mal. Immer irgendwann.

Gebracht hat er mich noch an diesem Tag, DIETREPPEHINUNTER.

Laub im Frühling. Laub in der Stadt. Es fiel. Und fiel: noch bis in den Herbst hinein aus ihrem Haar: fällt und fällt noch bis heute.

… allein dir davon zu schreiben, mich zu erinnern, Joseph ...

Deine Häsin.
 



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