Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Es ist ein Haus im Süden.

Und holdselige Mädchen mit großen, herrlichen Augen
Gleich verborgenen Perlen.
Koran, Sure 56, 22/23.

Es ist ein Haus im Süden
das steht weit offen dar
in Fenstern die Gardinen
wehn wie ein blondes Haar

sie wehen übers Meer
da steht es an der Küste
vertraut und innig licht
als ob ich von ihm wüßte

und dächte es mir nicht
als wäre es nicht schwer
ganz nahe den Salinen
den Kopf, den langsam müden,

worin die Kämpfe waren,
und Leidenschaft, bedeckt
im Südlicht aufzubahren
und sinnend zuzuschaun

dem Gehn der leisen Fraun
die tragen ihren Gästen
den Tee auf, um zu testen
ob uns der Tod schon schmeckt.


ersetzt für:

worin die Kämpfe waren
und Leidenschaft, und Not
im Südlicht aufzubahren
und sinnend zuzuschaun

dem Gehn der leisen Fraun
die tragen ihren Gästen
den Tee auf, um zu testen
ob uns der sein Tod schon schmeckt.

Bamberger Elegien (90). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Aus der Fortsetzung der Zwölften Elegie.

(...)
[pentametrisch:]
Locker die Wolken, und eine, die - flockig wie Milch,
die in der Schüssel gerinnt - halb über Bamberg sich hinstreckt,
treibt langsam ab, treibt nach Osten... ein schmales, das errötet,
wo es vergeht, ˇ Rinnsal... Ich schau in den Himmel,
Vater, wie Du in dem selbstˇgewählten Exil
zwischen den Mauern, Kakteen und unter der Sonne,
die Dir das ruhige Licht gab, hier Regnitz, dort Steine...
bin ein Vater längst selbst, ˇ das weißt du auch nicht,
nichts von dem Enkel, um den ich nun tief nach der Herkunft
frage als Vater, der's sein will – befähigt aus Mangel,
Vater, an Vater. Und schwere, an Wolken, ziehn nach,
ziehn dem entschwindenden Streif nach, dem letzten Orange;
unˇgetüm türmen sie spätrer Befruchtung vorher
Dunkelheit, Drohung – ein Sturm rauscht, schon prasselt es, Vater:
einstürzend stürzt es sich auf Dich, von hier nach hinüber,
stürzt durch die Zeiten zurück – ˇ da fielst Du um,
fielst in den Staub vor der Finka... doch starbest noch nicht,
hieltest, dem sterbenden Sommer fast gleich, Dich noch fest,
der keiner war, der verstellt ˇ lebenslang Herbst war...
Zäh war dein Sterben im Krankenhaus noch, bei der Freundin
war es noch antwortlos Fragen und blieb es. Entwurzelt
triebst Du, ein kaum dreißig Kilogramm wiegender Zorn,
todesˇböse die zupackend gütige Frau,
die es ertrug's bis zuletzt, ˇ keiftest sie grausam
durch ihre Wohnung... - Sie lächelte, solch eine weiche,
praktisch veranlagte Unschuld und näher als wir,
Vater, dem einfachen Leben, von dem Du dann abließt,
endlich... gesuchtem, vermißtem... und starbst. „Es entwich ihm,
weißt du, ein Vogel – so leicht war er plötzlich... ich hielt ihn,
glaub mir, ich sah ihn...“

[hexametrisch ff:]
Bringen die Spatzen die Seelen denn auch wieder heim in die Halle?
Wo sie den Ruf ihrer nächsten, wohl besserer Eltern erwarten?
Und im Bewußtsein zerstreuen sich alle, die Spatzen, die Seelen?
Ging’s, Vater, so, ˇ daß man Dich schließlich befreite? Und darfst
ruhig erwarten, drin ausgestreut, daß wer Dich will, der Dich ruft?
(...)

>>>> BE 91
BE 89 <<<<

Bamberger Elegien (91). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Fortsetzung der Zwölften Elegie (ff).

(...)
Du, der mir gar nichts gegeben – was denk ich an Dich, und aus Wolken,
Dir schon ganz gleich, ˇ les ich Gesichter? und spür eine Liebe,
die wie phantastische Tiere ˇ keinen erwachsenen Grund hat...
Wolkenwärts sucht sie, erschafft sich aus Wolken des Vaters Imago,
der seinem Kind ist, als rückprojezierte Gestalt seiner selbst:
Wo kommt es her, was ich bin? - ˇ Fragen nach Herkunft sind männlich,
aber die Blicke von Frauen gehn einwärts ins schattige Unten;
mütterlich wissen sie nicht, aber spüren, und folgen dem, einig
mit der Natur, nicht Gesetzen, pragmatisch dem Leben verpflichtet,
das sie zu schützen und aufzuziehn haben. Moralisch nur dann,
wenn das Gesetz sich dem fügt, ˇ stehn sie nicht faßbar daneben:
Handelnde, die nicht erst fragen, bevor sie es mitleidig tun.
Nur unterworfene Frauen sind anders, die ununterworfen
Männer wie Drohnen behandelten, die man sich fernhalten muß,
außer zu einem... für das es sie, Gene für stärkere Kinder,
stärkeren Männern anheimgab und schon deren Macht unterwarf -
scheinbar und klug in den einen, die's wissen, und hart in den andern;
böse geworden an Männern, und bitter, versuchen sie selber,
Männern zu gleichen, und handeln moralisch, als wären sie Männer.
Steinern bestraft sie die Menses, die ausbleibt; die silberne Mondin
deckt ihr Gesicht zu und stirbt auf den Knien unter prasselnden Steinen
abermals... wieder und wieder - ˇbis es, das bleibende Tier,
endlich in ihnen verreckt ist - zu Tode gesteinigte Frau...
die nach „Allah!“ˇ durch die Moderne hindurchruft, noch Gott
anruft... der Mann ist, Gesetz ist... Beschnitten um Reinheit, für Macht
eigenˇhändig entmannt, läßt er sie sich entfrauen; dann stehn wir
ohne Begehren politisch korrekt als Buddhisten im business,
unverführt beide, und rechtschaffen, da: produzierend. Und tauschen
Wollust für Spaß. ˇ Tauschen, nun beide Geschlechter kastriert,
Gier gegen inneren Frieden. Denn infibulieren die Mütter
deswegen nicht ihre Töchter? Und lieben sie doch, die sie selber
derart zu steinigen helfen? Warn die denn nicht auch so, die friedvoll
Gütigen, die, ˇ daß eine Frau es ertragen, sie leiden
müsse um Nachwuchs, die Penetration, ihren Höheren Töchtern,
seelisch ˇ infibulierten, erklärten? Und beteten auch...
- beten noch immer, Emanzipation, den Gott an, denselben,
der sich das rocklose Kleidchen der Hybridität auf den Leib
näht und, befreit vom sozial ˇ determinierten Zwang,
angeblich, unsrer Geschlechter, sie täuscht, um noch weiterzuherrschen?
Steigt denn nicht das aus dem knochigen Blutbrei gesteinigter Frauen?
Vätern gleich, sämtlichen, werden sie ungewiß selber; verloren
jeglicher Halt aneinander, den Frauen an Männern, an ihnen
denen, am Vater dem Kind, und der Mutter, und Eltern sind Kumpel,
die sich in Aufgaben teilen und nicht ins verpflichtende Wort,
das aus der Gier, die sich weiß, stammt, der heiligen Hochzeit: Ekstatisch,
nicht funktional, ist der Ruf, der bis Guff trägt und gerne die Spatzen,
wenn sie ihn hören, sich aufmachen läßt: ˇ Schlamm muß er tragen,
oben ist's reinlich genug.

>>>> BE 92
BE 90 <<<<

Bamberger Elegien (92). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Fortsetzung der Zwölften Elegie (ff).

Darüber Wolken,
drunter die Regnitz, und Kies, und der Garten, der nasse
eingeˇdunkelte Sandstein, der dasteht als Schloß
und als Verwaltung, die Studios daneben; und Laub,
von der Erinnerung naß, ˇtrudelt herab.
Wie, wenn ein Zyklus, sich immer noch wiederbeschließend,
ginge, doch geht er nicht länger: Ein Anderes, technisch,
schob sich darüber und schleift kybernetisch den Grund,
löst ihn ganz auf, er zerpixelt, und trennt uns von Gründen,
unseren Gründen, dem Jammer, der Erbschuld, und heile,
heißt es, befreie... Dann stehn wir uns selber verfügbar.
Fuglos für sich steht das Ich. ˇHardware der Körper,
die es behindert. Das sollte enden. Und endet.
Wie ein Gehäuse, ein Chassis, montiert man ihn um.
Aber das Selbst geht ins Licht ein, das alte, der neuen
Zeit und Programme. Trieb, Vater, auch das Dich davon?
Spürtest Du früher als ich, und vererbtest's, den Wandel
menschlicher Evolution zum Modul der Maschine
und der Geologie ˇals einer Software?
Wolltest die Äcker bewahren: nicht modifizieren,
sondern bestellen? Was gabst Du? Kartoffeln zu pflanzen,
Altöl aus Autos zu nutzen für Holz, um's zu pflegen,
und jeden Kork ˇaufzubewahren... Besorgt
nichts zu entsorgen... das bleibt mir, von Vater auf Sohn
harsch überkommen, und lieblos. Doch wert eine Welt.

BE 91 <<<<

„Weshalb wieder Hexameter?“ Von Burgess.


Darein setzt der Schriftsteller seinen Stolz: Sehn, ob man’s kann.
Anthony Burgess, >>>> Earthly Powers.


Wie Tiere sich drängen.

Wie Tiere sich drängen nachts aneinander
und in den Geruch

Der Übermensch geht.

[Erste Fassung:]
Der nicht raucht da kommt*
kennt nicht das Nichts in der Mandel
weiß von den schwarzen Pforten Andromedas nicht
hört nicht an Zweigen die Toten
nicht Neros Räusche, als er Prometheus dankte fürs Feuer
und kaute noch mit an der Leber

hat auf der Klinke der Zukunft die Hand
unverdammt liegen und drückt sie
gesundet vom Irrtum hinunter
hell ist sein Aug
hell ist sein Haut
hell ist sein leerer Gedanke

So tritt er ein
analphabet von den Alephs
entbunden


[*) Entsprechend >>>> dieser Überlegung (5.o8 Uhr) geändert; 080907, 7.42 Uhr.

Die bislang letzte Fassung >>>> hier.]

Body Modification oder Die Seele formen. Aus dem Briefwechsel mit einer Leserin.

...Ihre Argumentation ist einleuchtend, auch wenn sie mir wiederstrebt, weil ich, wenn ich von "Körper" spreche, die Seele nahezu immer mitmeine - das heißt, ich beuge mich bewußt nicht der ideologischen Trennung. "Body Modification" ist im übrigen heftiger, das reicht bis zu bewußten Verstümmelungen. Auch deshalb zucke ich vor einem solchen Begriff zurück. Schauen Sie sich die entsprechenden Sites einmal an, man findet sie ziemlich einfach unter dem Schlag-Wort.
Eine der spannendsten, auch traumatisierendsten Bearbeitungen des Themas bietet Cronenbergs Verfilmung "Crash" nach dem Roman von Ballard. Holen Sie sich den Film aus der Videothek. Er hat, weit stärker als der Roman selber, viele meiner >>>> Überlegungen zum Thema in Gang gesetzt.

[Poetologie.
Perversion. ]

Bamberger Elegien (93). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Fortsetzung der Zwölften Elegie (fff).

(...)
Eine, die untergeht, Vater, die wegschmilzt wie Wachs unterm Docht.
Bamberg ist Rückkehr, ˇdie nur so tut. Ist zu späte Besinnung.
Demut – so meintest Du's s o? ˇDachtest, es würd, was gedacht,
nicht auch schon immer getan? ˇRückzug, so dachtest Du, hülfe?
Doch es geschieht uns. Geschah schon. Wir spüren es, wie es uns umbaut.
Abkehr ist scheinbar und trügt uns, als ob der Vegetarismus
Tiere erlöste, die auch, ˇandere fressen zu müssen,
Jagende sind. ˇBautest Du denn Deine Rüben nicht neben
Bergen von Rüben, vernichteten, an, buttertest Bergen
Butters hinzu? ˇLogst nicht auch Du unser Blut weg, Veganern
ähnlich, die stur ihre Frucht ˇrechtgläubig idiotisieren?
Gingst den Weg m i t, esoterisch berührt, ins Abstrakte? Die Kühe
schrieen, ˇdie du nicht melktest und stehnließt; die Pelze verdorrn,
da sie aus Einsicht kaum jemand mehr trägt, und so starben die Tiere
sinnlos... gewaltfreie Träume von Stoffwechselfreiheit, der Löwe
liegt bei dem Lamm und verhungert, den Menschen, der's einsieht, ernähren
Pillen - die Genˇtechnologie ist das Ziel unsres Mitleids,
daß das Geschöpf alles s e i, ˇnichts sich verändre... als wären
Menschen nicht auch als Objekte der Evolution nur ein Werkstoff,
und ihre Welt ein vorüberˇgehender Zustand von Zeit.
Rückkehr? Wohin? In die Demut vor „Gott“? ˇNein? - Ja, vor wem?
Regulative Prinzipien – zu was ˇtaugen sie mehr
als für mechanische Enge von Geist, der das Zahnrad Organen
und der Chemie ˇMetamorphosen binäre Kodierung
vorzieht? Befreit von der Freiheit, den Nachbarn zu stören, erheben
Vorschriften sich in das Kleinste... dem überˇmütigen Mut
nimmt die Moral allen Raum, und wir gehn digital auf den Zehen,
nichts zu berühren, versehentlich, das das nicht will, durch das Leben:
ständig vor Acht und Beobachtung hygienisierte, auf Vorsicht
auskalibrierte und makrobiotisch versorgte Kretins
colesterinfreier, cleanidiologischer, asexueller
Anständigkeit. ˇAhntest Du's, Vater, in Deinem Exil
wußtest Du's a u c h? Und Du schwiegest verbissen, anstelle zu kämpfen,
wie einem Vater es anstünde? Was, das Du mir gabest, geb ich,
wie, wenn's von Dir wäre, meinem Sohn weiter? Im Altern, die Söhne,
werden sie nicht ihren Vätern ˇgleich? ˇWenn einer geht,
rückt nicht der jüngere nach ˇund übernimmt es, den Blick,
wolkenhinauf, und das Blicken? statt gram seine männlichen Erbschaft
auszuˇschlagen? und preßt es sich runter wie zölibitär?

Wolken sind, Wolken... die Sonne ein seiender Vater, der dasteht,
durchsetzungswillig auch gegen die Frau, die ihn achtet, nicht nährt
wie, wenn er nichts als ein weiteres Kind wäre, Vater, um das
sich zu bekümmern sie dasei wie Deine Gefährtinnen immer.
Wühltest, ist's wahr?, ˇDeiner Frau ˇEinnahmen durch, wenn sie müde
heimkam, erschöpft, und Du zähltest wie Zuhälter tun? Und Du tatest
Anderes, Eigenes, n i c h t als zu leiden, ja, fordertest noch, daß sie Deiner
Mutter Versäumnisse ausglich? Als was nahmst Du Frauen? Als Pflegschaft,
die ihre Beine für caritative Entschuldungen breitet,
wenn es, sein Mündelchen, dessen bedarf? ˇund penetriert nicht,
sondern es läßt sich umhüllen, als wiegte es jemand im Arm?
Wer, Vater, warst Du, zugleich Dich als Herr ˇpatriarchal
aufzuˇwerfen, der nicht mal zur Lehnsfolgschaft taugt, wenn's drauf ankommt?
nicht mal für Unrecht, das einstehen kann, ˇsondern ertappt
Kopf und Schwanz ˇwelpenhaft einzieht und wegschleicht? Demut?
Demütigu n g..! ...für die Fraun... ˇwar das... Du bereitetest ihnen,
die mit genetischem Recht ˇStärke erwarten, Beschämung.
Erbt' ich's? -


>>>> BE 94
BE 92 <<<<

Arroganz ist.


SelbstVerpflichtung.
(CDXLIX).

Gott kotzt in die Demokratie.

Ich will von euch keine Güte
von der hab ich selber genug
und den Wein nicht, den Demeter besser
keltert als ihr, und füllt mir die Fässer
- doch daß ihr ihn trinkt für den Flug,
verlang ich, anstell' im Gebrüte,

wie einer sich richtig verhalte,
meine Zeit für euch zu vertun
und mit Correctness zu verplempnern,
die selbst am Schwanz herumzuklempnern
es wagt. - Ich schuf, du dummes Huhn,
ihn euch für Rausch und nicht die alte

moralisch aufgestockte Brühe,
die ich von euch zu saufen kriege,
bis meiner ganzen Schöpfung schlecht
geworden ist vor lauter Recht.
Wie um ein Aas umkreist die Fliege
das, was ich wollte, daß es blühe

und suppt die Scheiße von der letzten
Sauge, es zu vergälln, noch drauf.
Anständigkeit? Seid besser wild,
und fickt, statt mild.
Anstatt daß ihr den Ausverkauf
von Lebenlüsten, stumpfgewetzten,

mit fadem Wissen wohlverhalten
als Rücksicht auf den Nächsten plant
und ins soziale Fahndungsraster
das, was noch pulst, sperrt: Laster.
Teufel haben die Wege gebahnt,
euch zu erkalten

und mich, den elenden Alten.

Bamberger Elegien (94). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Fortsetzung der Zwölften Elegie (ffff).

(- v) Die Wolken, ˇVater, die Wolken. Und Sonne. Sie wirft
Männerˇblicke in ihren entfalteten Schoß, ˇweiße,
die sich fast spermatozoen verteilen, Verwehungen, Wehen,
wassergespiegelte Flächungen, unter der Zeitlupe langsam
über der eilenden Regnitz, den Wellen des Strichs gleich, den Maler,
sinnende, haben, nachdem sie Zerklüftungen hatten, ihr Wildes
ausgeschrien ist, ausgestanden, minutenlang, bis sich die Lust,
die in dem Pinsel zusammenläuft, neuerlich sammelt und pace
stürmisch - pazifisch – ein turner'sches, gärendes Himmelsmeer wird,
sich in den Wolken, geschlechtsstolzen Frauen, die wollen, vergrabend,
wenn ihre Brunst ˇihnen die Form nimmt; und aufgischtend stößt ein
männlicher Wille sie in sie zurück – fiebriges Feuer,
brennende Äste, ja Stämme, die aufstöhnen, wenn sie brechen;
unasˇketisch; unkeusche, pure Gewalten von Schöpfung,
bis uns die Zeit ˇendgültig ausschließt im Alter.
Das, Vater vorziehen? Weil wir nicht bleiben, entziehen wir's g l e i c h?
Eh wir's verlieren? Verlieren wir's denn? ˇBleibt's nicht auch dann –
als ein gewesen Erlebtes? und hat uns gefüllt, uns geformt,
bis es uns neigt? ˇWären wir, n i c h t angerührt, denn gewesen?
Wär es drum, Vater, so schwer, daß man sagte: Mir gab es sich voll,
nun gibt’s sich anderen... wäre nicht loszuˇlassen gewesen,
freiwillig, früher und stolz? ˇN i c h t wär’ dir elend das Nachschrein
über dem Sterben gelegen, erbärmlich und sinnlos Vergeblich!
über dein Leben, und Feig!, auszuˇrufen... Wie gerne
reiste ich da an dein Grab, und ich stünde mit Achtung dann dort,
nicht voller Mitleid, und dürfte als Sohn ˇsagen: Das war
schließlich ein Mann ˇd o c h! ˇDen beugte nichts!- Wie ich diese
Erbschaft, und wäre es nur die, geliebt und mir aufbewahrt hätte!
Mehr könnt kein Sohn von dem Vater verlangen, doch das – und er müßte
ihn sich nicht fahl und verzwickt aus dem Nichts renovieren – als Wunschbild,
um sich dem eigenen Sohn in die Pflicht eines Vorbilds zu nehmen:
ernsthaft, wie's Männern mit Söhnen geziemt. - Für die Töchter ist's anders?
Weiß ich's? Doch purpurrot zittern, hinauf wie hinab, Erektionen,
pumpende, die ˇnaß ihres Augspalts Pupille versenken
wollen - nicht himmlisch, nein irdisch gerade auch sie, in das Dunkle
nämlich, das naß ˇsaugt und den Sinn gibt, den irdischen Sinn,
nicht einen kopfˇgebärend athenen, der restlos absurd ist,
wenn auch auf Notwehr gegründet – denn blieb er nicht tödlich? War „Vater“
je für ein Andres erfunden, als daß sich die Drohne die leere,
nutzlose Zeit ˇfüllte – und Geist, da ein anderer Stachel
sich zu erwehren, nicht war, wurde Waffe* und Patriarchat?
War das nicht ehrenvoll klug, und es war, ˇganz und gar,
unsre Erfindung im Kampf darum, daß wir wer seien, errungen?
Das gabst Du drein? - dieses unpragˇmatische, nicht-instinktive
nicht von Hormonen geleitete, unplaˇzentische Sorgen,
eines, das will und nicht muß – sondern man nimmt's als Entscheidung
an sich und folgt..? (- v v – v v – v v -)

>>>> BE 95
BE 93 <<<<

"Ich mag eigentlich Leute (...) nicht mit meinem Herumschweifen aufhalten. Ich will ja, dass sie Bücher schreiben, nicht Korrespondenz." - Antwort an eine Leserin.

Ich habe mir seit langem angewöhnt, Korrespondenzen, wenn ich sie denn führe (bisweilen exzessiv, dann kann ich sie ganz plötzlich abbrechen, was möglicherweise als verletzend empfunden, so aber nicht gemeint ist; vielmehr führe ich Korrspondenzen weniger mit Personen als mit Gedanken) für enorm wichtig zu halten, gerade auch mit Lesern - ebenso wie ich in den ganzen bald drei Jahrzehnten, die ich mich nun in diesem Betrieb unbeliebt mache, immer auch unfertige Arbeiten öffentlich vorgetragen und nicht selten Kritik, die ich dabei erfuhr, in den laufenden Prozeß der Entstehung eines Buches mit eingearbeitet habe. Wenn man darin konsequent ist, führt das übrigens nicht dazu, daß man dem Leser gefälliger schreibt, sondern fast in das Gegenteil - nimmt aber den Leser radikal mit in den Text hinein, nimmt ihn also radikal ernst. Meine Erfahrung ist, daß genau das, jedenfalls s o, nicht gewünscht wird, weil dann >>>> Spiegelfunktionen zum Tragen kommen; man darf nicht vergessen, daß sich Leser (wie ich mich auch) zwar gern identifizieren möchten, aber durchaus nicht mit ihrem realen, sondern dem jeweiligen Ich-Ideal. Das in aller Regel ein völlig anderes als die empirische Person selbst ist. Ein literarisches Verfahren, wie ich es entwickelt habe, macht die Lust an der Identifikation deshalb unangenehm - (Lese)Lust wird dann erst empfunden, wenn leserseits Arbeit aufgebracht wird. Über THETIS schrieb mir neulich eine Leserin: "Ich lese Ihr Buch Thetis.Anderswelt jetzt das dritte Mal, ich musste es mir erarbeiten... ich beginne jetzt mit dem Text zu fließen, manche Sequenzen machen mich süchtig, ich muss sie wieder und wieder lesen, sitze dabei still, wie stock und steif in meinem Sessel, und habe einfach nur dieses Buch in der Hand..." Das sind die größten Bestätigungen, die man als Autor erhält. Wenn ich in MEERE schrieb, Kunst (zu schaffen) sei Archäologie, so gilt das auch für den Leser: er muß in sich selbst graben, damit sich eine Dichtung wirklich erschließt. Für mich selbst, mit Kunstwerken, ist das nicht anders. Gerade die schwierigen Werke geben enorme Lust - aber erst dann, wenn man sie sich erarbeitet hat. Man muß investieren - und kann sich natürlich auch geirrt haben. Dann bleibt man unbefriedigt sitzen und ärgert sich. Doch dieses Risiko ist ein geringes im Vergleich zu der Schalheit, die einen meist nach leicht eingängigen Stücken zurückläßt: als hätte man ein Leben nicht gelebt, sondern ver-entertaint. Man muß sich da entscheiden, was man will: Lust oder Spaß. Beides schließt einander aus. Spaß kriegt man schnell und an jeder Ecke, Lust bekommt man nur um das Risiko einer heftigen Frustration; sie ist fast immer, auf der einen und/oder anderen Seite mit Schmerz verbunden, Spaß nur mit Langeweile.

Ihr
ANH.

P.S.: Ich werde, wie ich das nahezu immer halte - es sei denn, man bittet mich darum, davon Abstand zu nehmen -, Teile unserer Korrespondenz in Die Dschungel stellen ; wenn ich aus der Ihren zitiere, dann anonymisiert.

Nun schlich der Sommer heimwärts.

Nun schlich der Sommer heimwärts,
stieg städtisch in sein Sterbelager
und legte sich da hin

um merklos eine Kühle
anästhesierend auszuhauchen
es fällt ihm jedes Blatt

und näßt schon in den Haufen
gerechter Blätter an den Rändern
zur BSR bereit

entsorgte Jahreszeiten
die in den Schlund der Gleichform rutschten
von ihrem Fruchtsein frei

erliegen Haselnüsse
fürn Abfall einer Kehrmaschine
und platzen unterm Rad

v – v – v – v
v – v – v – v – v
v – v – v –

v – v – v – v
v – v – v – v – v
v – v – v –

v – v – v – v
v – v – v – v – v
v – v – v –

v – v – v – v
v – v – v – v – v
v – v – v –

v – v – v – v
v – v – v – v – v
v – v – v –

Variation.

Auf >>>> ein Thema von H.S.

Nahm aus der Milch das Licht
Nahm's aus den Sternen

und aus den Fernen nicht
den Fernen

ihr Gewicht.

Bamberger Elegien (95). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Der Schluß der Zwölften Elegie.

(- v v -)Dürr, freilich, schon die Fiktion, daß das Wort
anfänglich sei – ˇwar das nicht abermals Schwäche und warf
nieder, für was sie gemacht, ˇaus was sie hätte, Kultur,
leuchten ˇkönnen? – sich stolz an die Seite zu stellen, nicht über
Mütter - ? Der W i n d ist, nicht Wort, ˇWasser, ˇnicht leitender Wille,
der nach Verhalten entlohnt. ˇDas tun wir selber. - Sekret ist,
Fleisch ist und ist nicht ein Satz, ˇder uns ernährte, noch küßt.
Männliche Schmach, das zu leugnen – und unmännlich stahl man sich weg,
feig, von der Erde und schlich sich hinauf hinter Wolken, die vage
fortziehen; wag- und verantwortungslos um den Leib und das Leben,
eigenes wie unterzwungener Frauen, die's immer noch tragen,
und um die Kinder, die's wagen... verlogenes Wort, das Erlöser
unmenschlich zeugt, ˇlust- und ganz schmalzfrei, aseptisch, durchs Ohr...
und wie Beschnittene um den Orgasmus, wie Nonnen, betrogen,
halten's die Frauen noch hin, ˇemanzipierte, und halten's
manngleich für Gleichheit, begehrt man sie nicht oder zeigt's nicht, und sich nicht.
Wie denn auch anders, wenn Männer nicht halten wie Du und erliegen
kläglich sich selbst? wie um Gnade Berührung erbettelnd und sehen
Mütter, die ihren, in Fraun, ˇihnen die Brüste, um Milch,
nicht zu versagen, und jene, verachtend, versorgen - doch lesbisch
lieben sie Gleiche, den Phallus recycelnd zum Auslaufmodell
technischer Substitution: ˇProtoˇtyp für Prothesen
keimfreier Praxis, zuhand bei Bedarf und prima zu säubern.
Vater, wer, letztlich, gewann dran? Die Frauen? Es schichtet uns um,
Männer wie Frauen, wie Pflanzen... die Evolution, aus den Wolken,
regnet hybrid DNS in die Rosen und säuert die Regnitz
hermaphrodit, ˇda wir die Väter verloren, entpreßt,
da uns die männlichen Weine vergoren, dem Rückstand der Trauben
für seinen blutigen Trester die Triebe. ˇVater, wir treiben,
greifen an Ufer, doch halten sie nicht, treiben rückunter weiter
wie ein zu schweres Gewölk, das herabschaut, und fassen auch das nicht.
Sitzen am Fenster und schauen, und fragen, zurück: ob wir aufstehn,
ob wir uns kleiden, in Haltung, ˇsollten, hinausgehn, die Tür
fest ˇzuziehn und schließen, uns umdrehen, um, wie die Kinder,
wieder die E r d e zu wagen

>>>> BE 96
BE 94 <<<<

Hirnphysiologie. Auf einen Satz Wolf Singers.

Ich bislang höchstes Wirbeltier
als Mensch, hab hier, im Hirn
nur mehr vom Gleichen

der immergleichen Muster
vernetzter Quantitäten
deren Elektrik alle Götter
in meinen Postsynapsen

weichen.

Wider das gute Gewissen, das straft.

Ich bin codiert - unter diesem Satz, der einer der Selbsterkenntnis ist, geht, wenn sie auch das Selbstbewußtsein ergreift, alles moralische Handeln in die Knie. Freiheit wird einem dann bewußt nicht als etwas, das wäre, sondern etwas, das wir, unabhängig von einer etwaigen Realität, einfach fühlen: Sie wird zu einem Phänomen der Wahrnehmungspsychologie und entspricht Halluzinationen, bzw. einer voreingestellten Apperzeption, nämlich nicht, wie es die Hirnforschung nennt, implizitem Wissen, sondern impliziten A n n a h m e n (Voreinstellungen) des ganglischen Apparates. Ich bin codiert heißt, ich kann mich aus den Codierungen nur dann lösen (sie umschreiben), wenn genau das als ein Teil des Programmes mit angelegt worden ist. Aber die empirische Tatsache, daß nicht verwendete Dornen an den Neuronen vom Hirn wieder abgebaut und ggbf. durch andere, nunmehr verwendete „ersetzt“ werden , sofern sie sich überhaupt gebildet hatten, und die weitere empirische Tatsache, daß wir nach etwa dem zwanzigsten Lebensjahr überhaupt keine neuen Dornen (neue synaptische Verbindungen) mehr ausbilden können, sondern sich die bis dahin entwickelten nur noch festigen, perfektionieren usw., macht den Gedanken, es sei auch nur irgend eine Freiheit, zu einer um Atem ringenden Irre.
Insofern ist j e d e s strafende, und rächende sowieso, moralische Handeln in tiefstem Grund unmoralisch: Es tut den Verbrechern - als zum Verbrechen unausweichlich codierten Wesen – nicht minder ein Unrecht an als diese ihren Opfern angetan haben. Das Unrecht wiederholt sich in den Guten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des tragischen Handelns. Denn es ist keine Frage, daß es solcher Verurteilungen bedarf, um wiederum andere Menschen vor dem Erleiden neueren Unrechts zu schützen; aber Strafe wird dann eine Schutzmaßnahme und kann nicht etwa als 'moralisch gerecht' begründete Handlung sein; stellt sie sich als solche hin, gehört der Moralist in eben die Zelle, in die man den Verbrecher sperrt: Beide sind Kopf und Zahl derselben Münze. Vielmehr muß man sich beim Verbrecher entschuldigen und ihm sagen: „Im Interesse der Allgemeinheit können wir nicht anders, als dich zu bestrafen. Aber wir wissen, daß auch das wieder ein Unrecht ist.“

Unter die Umstände einer solchen „Strafe“ muß auch der präventive wie der vergeltende Krieg gerechnet werden. Strafe, die gerecht wäre, darf immer nur und ausschließlich Notwehr sein. Was moralisch über sie hinausgeht und aus dem guten (rechten) Gewissen stammt, ist ein Verbrechen selbst.

Die „Tragik“ selber aber stammt aus dem Selbstbewußtsein, wenn es sich bildet und sieht. O b und wie es sich bildet, hängt seinerseits von den Elementen der Codierung ab. Das heißt: Die Tragik wird durch das Selbstbewußtsein dem Sein hinzugetan; alles übrige ist notwendiger Prozeß. Tragik ist der Modus, in welchem das Selbstbewußtsein diesen und sich selbst erlebt.

[Moraltheorie.]

Monadologie, ins Wasser geworfen.


Begründet, doch grundlos
steht die Moral rein im Gehirne.

Ohne Boden zuckt der Reflex, gerecht
wie ein Gott, in der treibenden Schale

verschlossen, und trinkt nicht
aus den treibenden Schalen

der Nächsten, die dürsten,
dahin.

Der Engel Ordnungen.

...nach wem schrie ich wenn ich schriee
am Haupt das Kind und voller Hand
mein Leben ermäßigt zur Übersicht

als an den Meeren Deiche sind
die Fänge zu schützen -. Damit sie dich
nähren, schreie ich nicht...

zu P h ä d r a von Hans Werner Henze.

>>>> Hier.

Daß es unmöglich ist.


Alle Gedichte sind Klagen
sind ein Entfernen
sie tragen ein Echo

als wäre – und ist
Wir im Du suspensiert
und tut sich zusammen
imaginiert

es fallen die Blätter kalt
auf den Asphalt
und in den nassen Trassen
unter den Laternen

verhallt es ferne ihren Ästen
und den verhangenen Sternen
in den Palästen
einer durchregneten Nacht

durchwacht
im Palimpsesten.

[„...daß es unmöglich ist, sich seiner im Dunkel
vergangener Jahrhunderte liegenden Herkunft
zu entziehen.“ Ungaretti, Einführung.]

L'infinito. Von Ungaretti.

Vor allem die Nacht, die Nacht und ihr Verkehr: Stimmen der Nachtwächter: sie schwollen an, kamen, entfernten sich: „Uahed!“... kehrten wieder „Uahed!“..., alle Viertelstunden zog das durch mein kindliches Gehör. Es war das erste Ahnen des Unendlichen, des endlosen Kreisens, wie es schon die alten Ägypter mittels einer Schlange, die sich in den Schwanz beißt, darzustellen pflegten.(Eine Einführung; dtsch. von Christoph Wilhelm Aigner.)

Bamberger Elegien (96). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Aus der Dreizehnten Elegie.

[pent.:]Ihr aber bleibt ˇunhalbiert rund ˇauch nicht,
sondern es bleibt für die Weile. Auch Euch ˇbricht es
abermals durch. ˇKinder jedoch ˇbleiben
Kinder. Auch Männer. ˇ Solch ein Tabu wirkt. Und zieht Euch
auch zu dem Fremden, ihm auch zu erliegen. Und steht
selber, und witternd, an Hecken, den Männerleib, daß er
wuchtig ˇauf Euch zu liegen, heranˇlockend
und, daß es i n Euch, das Tier, kommt und zustößt – in Schüben
ausgeˇliefert, das Ohr rast im Schoß, und es rauscht,
wie, wenn es Wildwasser wäre und kreischte, als kreißte
durch Euch was andres und schrie um's Erbarmen, es kommen,
naß und verklebt aus dem Boden noch einmal zur Welt
kommen und werden und bluten zu lassen, und atmen -
Schubweise stößt es die Wechselˇjahre, als schlüg's sich
auf die Geschlechtsbank gespannt zu dem Fremden, zurück mit dem Ich,
das sich durchstochen ganz auflöst und erlöst, befreit,
gegen das Ich, von der Haltung, und gegen Kultur,
selbst gegen Liebe, zivile – so platzt das und öffnet;
Lava, sekreten, entsteigt dem, dasselbe ˇAufschrein,
glühende Asche, dieselbe, so tobt das, ums Stampfen
enge die Lippen gelegtes, wie luftdicht Lamellen,
saugendes, abˇsaugendes Gleiten, ein Aufwärts,
Abwärts, das maßlos scheuernd empfangen - das w i l l - -
Das riecht ihr, ˇdas ˇweht im Geruch dieser Hecke,
Land, erodiertes, das Sturzgüsse ruft, nach Monsunen,
Wolken-, Zivilbrüchen – d a s schwingt im Blick, den Ihr werft.
Den das Tier spürt, dieses fremdere Manntier, das anschleicht.
Sollt ihr es wegbeißen besser? Aus Rücksicht? Auf was?
Daß es Euch doch als gehäutete Schleimhaut aufs Kehrblech
häuslich zurückfegt? zum Hausmann, der lang schon sich selber
peinlich geworden, verläßlich, doch fad im Daheim?
Wenige rasen, sie geben's dahin wie für Rente.
Ihr aber schweigt pergamenten. Und kompromittiert.

>>>> BE 97
BE 95 <<<<

Bamberger Elegien (97). ÜA der ZF, Hexametrisierung. Dreizehnte Elegie ff., Schluß.

Winter wird, regnerisch, bis es, das Eis, kommt, danach kommt der Abschied.
Steif schaun die Allegorien ˇvon ihrer Brüstung zum Fluß.
Steinern, so scheint es, er selbst, ˇfließt er wie Blei zu der Brücke.
Die überwölbt ihn, verspielt schon von Reif, einem Blei, das, erhitzt
aus den Gewässern gesiedet, erkaltete, sprang und zu Schnee ward,
um sich, so weich ˇgeworden, zu legen, zu schlafen... doch schmilzt noch,
tropft noch, wie Glas klirrt, bevor es die Regnitz davonträgt und schluckt.
Lustig die Rufe darüber, Touristen flanieren, ein Pärchen,
drüben am Ufer, entziffert, und lacht, dieses Schild übers Schloß:
wer es erbaute und wann und wofür's dann im Krieg und danach....
Merkt es denn nicht, daß es mitˇgezogen und daß auch es selbst
ganz ohne Stand ist? Kein Ankommen ist, und kein Bleiben. Nur Fluß.
Mondinnen scheinen, noch spiegelt sich silbern die Nacht in den Fenstern.
Schon ist es Tag. ˇSchon ist es Abend. Der Himmel ist leer.
Auffüllend fülln wir die Schwärze mit Sternen, die w a r e n - furchtsam
Tieren, Geliebte, ganz gleich, die, in Höhlen gekauert, drauf lauschen,
ob sich wer nähert... Wir hören Hyänen, im Busch, leoparden
schleicht, uns umkreisend, ein Grollen... so nimm meine Hand, und man drängt sich
bauchseits an Rücken und wärmt sich – die Frauen, die Männer, nichts mehr,
und ihre Kinder – alleine, uns selbst überlassen. Kein Gott ist.
Aber wir haben zwei Schwerter, die scharf sind, bereit, uns zu wehren,
auf einem Bamberger Tischchen zu liegen, und jeder, mein Sohn,
hat seinen Platz, ob wir Väter, ob Mütter sind, und übergeben's -
w e n n wir's... s o l a n g e wir's wissen. ˇDas ist das bleibende Tier,
Raubtier zugleich und das Lamm, das es reißt, und ein Durchgang für nächste
Leben... momentlang wir selbst, ˇflüchtige Ballung, Verdichtung
wahlˇverwandter Figuren und Figurationen von Atem,
Speichel und Ewigkeit, Sperma und Mondblut, und Mathematik.
Daß es uns jederzeit fälln kann - und soll, ˇwenn wir nicht halten -,
gibt dem den Wert – ˇnicht, als besorgte Versorgte zu leben,
zag jeden Hundskack für Elend beklagende Hygienisierte,
panisch von Panen ganz freie, um Regeln, Korrektheit, bemühte,
unˇergriffene, die nicht ergreifen und unverführt bleiben
und nicht verführen... aus Angst, zu mißbrauchen und mißbraucht zu werden,
selber ˇMißbrauch ˇganz... an den Träumen, den hohen Gefühlen,
wahren, dem Bangen, dem Jauchzen, aus dem sie doch kam, die Kultur...
kam aus Erscheinungen, Gottesideen, aus Wahn und aus Liebe,
die sich verstieg, und aus Schmerzen, gefahrvollen Lüsten und Hochmut,
siedend vor Sonne – so küssen! sich so, ˇFrauen und Männer,
wegschenken, undistanziert, und verwühlen in Haut, die sich hingibt -
So in die Wolkenflut blicken, so regnitzsch Terrasse und Kies.
Abschied, die Scheiben… Es wartet der Garten und unter den Brettern,
unbarock, wartet der Brunnen; es blitzt das Daishō, daß ich gehe,
müdlos jetzt aufstehe, hochgeˇschlagenen Kragens, zum Schutz,
glühend vor Unrecht, ˇgutem ˇaber - und Mangel allein,
unesoterisch, an Feigheit vorm Tod; ˇzwar in dem Rucksack
Traurigkeit, dennoch voll Wille, ˇweiterzuzeugen, mit siebzig,
achtzig noch... bis es dich umwirft... in Würde gefällt sein (Revolver,
Freunde, gezogene Kabel)… und nicht dann verbrannt in den Äther,
sondern zurück in den Kreislauf gegeben: die Haut und die Augen,
Knochen, die Adern, die Leber, Gehirn, und das Herz, meine Hoden…
anders und anderes nähren, es weiterernähren - ein Grab
wär schon blasphemisch… ganz Stoffliches bleiben... zu neueren Stoffen,
irdischen alten,ˇwerden, verwandelt durch Metabolie -
umgeˇgraben, Geliebte, und aufgeˇgangen, mein Sohn.

>>>> BE 98
BE 96 <<<<

Pettersson Requiem (32). BAMBERGER ELEGIEN (98), Überarbeitung der ZF, Anhang: Zweiter Satz.

Wie wir gingen und hatten keine Lippen,
um’s zu sagen. Nicht, um’s zu hören, Ohren.
Wir schritten.
Überm Fluß stand die Abendsonne, die wir nicht sahen.
Wir hockten.
Wir reichten die Furcht auf den Händen, uns sie zu nehmen,
zum Gitter.
Wir rieben ein Schwefelhölzchen an und bliesen
die Furcht da hinein aus der Feuchte ins Feuer.
Doch war der Keller lang, und immer ferner ward das Flämmchen.
Da schloß ich meine Augen und ließ es in mir singen.

>>>> Pettersson 33/BE 99
Pettersson 31 <<<<
BE 97 <<<<

Eine kleine Ballade aus der Zukunft.

Es war frühmorgens, und ich stand
rauchend auf der, die noch schlief, Allee
am Regen, der klatschte wie See,
rauschend wie Wind auf dem Land,

auf den Asphalt und über die Platten
des Bürger-, des Bordsteins, den Kopfstein.
Müde sann ich. Ließ mich sein
in des Morgens letztem matten

Kunstlicht an der Mietshauswand.
Es welkte nahbei ein altes Papier
in einer Pfütze am Fahrbahnrand
und leuchtete mir.

Ich schritt durch den Regen, nahm's auf.
Es standen ein Datum vom nächsten Jahr
und morsche Verse der Sehnsucht darauf
und daß der Verfasser traurig war

und erkrankt, und er werde bald sterben.
Sieben Strophen, nicht mehr; von dem Kant
des Blatts troffen Tränen, dem herben
Rauschen ganz gleich – und wie Sand

zerfiel es, zerfielen die Verse,
zerfiel das Papier, als mich die Tram,
zum strömenden Regen traverse,
kreischend herausriß, und klamm

sah ich auf und sah den Verkehr
und sah mir zurück in die Hand.
Zwischen den Fingern war naß verbrannt
nur noch die Kippe, nichts mehr.

Anoushka Shankar. Da ich Gutes gerne teile, ja Großartiges...

...hier >>>> ihre Site. Und, wie Sie hören werden, gibt auch Frau Shankar gerne - und nicht bloß in appetizer-Häppchen. Bitte etwas Geduld haben, der Flash-Player lädt automatisch; die Site zieht allerdings auch sehr viel Energie.sterngroveMeine Netz-Entdeckung von heute. Vom Terrarium ins Lesernetz hinübergereicht.

Übertretungen.

Die Wiederkehr des Reims, der Formen
bricht wie ihr Bruch vorher die

Normen.

Von einem Freund, der hing.

Du schriebst, bevor Du hingst, drei Zeilen
Der Kastration den Tod
vorzuziehen, Mann
das ist nicht Not

wie Du Dich dann
dort anzuseilen wagtest
statt weiter ins Gedicht
und seine süße Traurigkeit zu fliehen

Ich henke den Verzicht
Du sagtest
Männern hilft nicht Nacht, nur Rot
und nie

Melancholie

Pettersson Requiem (33). BAMBERGER ELEGIEN (99), Überarbeitung der ZF, Anhang: Fünfter Satz.


Haben wir's aufgeˇgeben und schaun nicht mehr hin?
Sehen den Terror, doch nicht ˇden Schmutz unsrer eigenen
Städte und Stätte? wo Hilfe gerecht wär, weil möglich,
ihnen, Verarmenden, zulächeln nur und alltäglich
uns untern Augen? da Hilfe doch nah wär?
Wolln wir denn wissen, was nicht so entfernt ist und läßt sich
ausgleichen nicht mit Soziallotterie, die uns freistellt?
Sondern wir müßten es riechen und kosteten anders
als mit Bedauern, das wohlfeil wie leer unser Mitleid
preis- und gewinnbringend anlegt? ˇSo läßt sich's schlafen.
Bleibt uns was anderes? Leid ist nicht teilbar und nicht
mitteilbar... jedem sein eignes Erbarmen, wir können’s
denken, nicht zahlen, wir ließen die eigenen Kinder,
ließen die Lieben, das Haus, denn zurückstehen, Opfern
opfernd und wäre bald keine ˇKultur mehr, noch Wohlstand.
Hilft einem Kranken das Siechtum des Nächsten – und was?
Nichts hilft's; und mich sieht er, sieht mein gutes Befinden,
ohne zu neiden – doch schmerzt es ihn, wenn wir uns speisen,
sein Kind jedoch ˇkaut die geschwollene Zunge,
hat ja sonst nichts; ˇkrank ohne Schuld an Zirrhosen
siech und der Atem... er pfeift wie Gespenster im Staub
ausgeˇtrockneter Truhen, da stirbt es gleich dreifach:
Hungers, oh Arme! oh Mensch! und an Durst , oh Nationen!
und an der Krankheit. - Der Vater steht hilflos, die Mutter
dörrte am Fieber vorweg, und sie danken noch immer
Göttern und Gott, die barmherzig die Schicksale böse
lenkten, ein unerˇforschlicher Ratschluß dem Rufen,
den das gequälte Geschöpf ihnen fand - den Gesang,
um ihren tauben ˇOhren, damit sie ihn hören,
ausreichend schön zu sein; solche verklärenden Töne,
milde, und solche Melodik, damit nicht auch Du,
Schöpfer der Leiden, zu leiden bekämest, creator
spiritus, Dir nicht das Kind, dem Du's zumaßt, die Neugier
miesmacht am Grauen, die Lust interesselos-müden
Quälens, weil sonst nichts zu tun ist vor Ewigkeit, Vater.
Wir wie die Fliegen und Du, der sie rupft, sie verspielt,
zwischen den Fingern, die Flügelchen, anseh'nd, die Haut,
so filigran sind die Rippen, und siehst, daß es gut ist.
Liebst Du die Kunst, die, verfallen im eigenen Schaffen,
Dich widerspiegelt, so sehr, ˇdaß wir sie ständig,
Dir zum Gefallen, die fallen, erneuern und weiter
hoch aus dem Tod ˇhochschleudern müssen, Dir z u,
der Du nur deshalb das Leid ˇschufst und es leichthin
hinnimmst als Grundstoff gelangweilter Großmut, um Zeit,
die Dir zu öd ward, Dir totzuˇschlagen mit Possen -
Lehnsherren gleich, als die mit Bauern, lebendigen, Schach
spielten, mit Pferden und Läufern - und opferst so uns,
eignes Geschöpf, ˇschonungslos ewigen Regeln
kosmischer Divertimenti? und bläst Dir den Flügel
kühl von den Fingern und so auch des Engels, der einsprach?

>>>> Pettersson 34/BE 100
Pettersson 32/BE 98 <<<<
 



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