Selbstdisziplin & Rituale. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 22. August 2012. Für John Cage.
4.50 Uhr:
[Arbeitswohnung, Cage, Quartets.]
Noch einmal:
[Arbeitswohnung, Cage, Quartets.]
Noch einmal:
Latte macchiato, Morgenpfeife. Die Augen ein bißchen verklebt und noch unscharf in der Sicht; doch ich lang gestern nacht bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht, na gut, zwanzig Minuten vor Mitternacht, im Bett und schlief wie nahezu immer unmittelbar ein. Um vor fünf Uhr den ersten Text ins Netz zu bekommen, den Wecker auf zehn vor halb fünf statt auf halb fünf gestellt: diese Zwänglerei ist nötig, um meine Selbstdisziplin auf die neue Reihe zu kriegen. Ich muß sie mir beweisen; erst, wenn sie sich wieder eingespielt hat, fällt mir das leicht. Dann wird das Teil meines Selbst; vorher ist sie‘s nicht. Sondern da ist immer SichFließenLassen, AufSichZuKommenLassen, Schauen, Schmecken, Riechen, in dieser Reihenfolge, noch kein Wollen; statt dem ander: Wünschen. Wünsche ohne Wille sind hilflos und machen uns zum Kind, das auf Geschenke angewiesen ist. Hat es gelernt, daß sie ausbleiben und weiter ausbleiben werden, entwickelt sich, ist das Wünschen stark, der Wille. Aber man muß ihn pflegen. Dazu sind die Rahmen gut. Selbstdiszplin i s t ein Rahmen, in der wir uns unsere Form geben, die man im bürgerlichen Umgang Stil nennt.
Mein Wille ist eigentlich ein starkes Wünschen, das, mit Kant gesprochen, „praktisch“ geworden. Das Wünschen ließ mich Blochs „Hoffnung“ immer nahe sein,. Adornos „Negativität“ war mir, selbst als ich noch Anhänger war, immer fremd. Daher wohl auch die Abkehr, die nicht eine völlige ist, wohl aber eine Wendung, die sehr viel mehr zuläßt, als das Schuld-Dogma seiner philosophischen Double Binds erlauben wollte; sie läßt sogar mehr zu, als es Bloch rechtgewesen wäre. Dennoch, die beiden bleiben Leitlichter an meinem Weg, Irrlichter, weil sie sich immer, tu ich einen Schritt, um ebenfalls einen Schritt von mir entfernen, so daß sie immer vor mir leuchten: so bleib ich auf dem Pfad.
Welch eine meditative Musik, welch ein Gelöstsein! Welch ein ruhiges: Hier sind wir. Ganz einfach: pur.
Heute vormittag, so ist es vereinbart, wird Helmut Schulze zuerst und werde erst danách ich den dritten Abschnitt >>>> Giacomo Joyce einstellen. Damit wir uns ein wenig abwechseln, Ausgewogenheit werde. Dennoch will ich, selbstverständlich, schon einmal übersetzen, nachzudichten versuchen. Vorher aber schon mal einige Seiten der Argo-Korrekturen in die Dritte Fassung übertragen haben. Dazu liegt gleich der nächste Cage hier, das Klavierwerk, das mir >>>> Leukert einmal geschenkt hat, der den Komponisten sehr gut kannte. Überhaupt werde ich heute Cage hören. Es sei ein Cage-Tag, also. Es liegt nicht weniges seiner Musik in meinen Archiven, ich habe immer einen Bogen um ihn gemacht; unsere Berührungen gab es, ich saß mal neben ihm, saß mal mit ihm an einem Tisch, er, wie nahezu immer, in seinen US-Jeans, auch seiner Jeans-Jacke. Aber es gab zwischen uns nicht eigentlich einen Kontakt. Kann sein, daß das traurig ist. Wen man alles nicht berührt hat.
Die kapitalistisch-demokratische Gesellschaft hat aus dem Ritual das Event gemacht, sie übernahm das Rituelle, versiegelte indes die Türen, die in die Tiefe führen. Rituale aber reichen drein hinab. In >>>> Kloster Irsee spürte ich das wieder einmal ganz auf der Haut, als ich allmorgendlich in die Kirche ging, um an der Andacht teilzunehmen. Eine Viertelstunde Innenkehr. Einkehr, die auch Heimkehr ist. Ins Wünschen. Mit dem ich angefangen habe.
Auch dafür steht die Disziplin: für solch ein Ritual. Eines, das die Wünsche reinwahrt.
So machen wir mal weiter: - jetzt.
6.42 Uhr:
[Cage, Three Dances for prepared pianos (1944/45).]
Das lag hier noch als Datei herum; ich hab‘s eben für Die Dschungel formatiert >>>> und eingestellt: Vor dem Paradies, Argo 277 aus der gerade entstehenden Dritten Fassung. Oft korrigiere ich, wie jetzt auch, noch einmal, wenn der Text eine andere, nämlich veröffentlichte Form hat. Man sieht dann anders. So werden die publizierten Proben aus entstandenen Erzählungen zu wirklichen Arbeitsproben: das Netz gibt mir die nötige Distanz.
Nunmehr eine Stunde lang strikt Korrekturen übertragen.
10.32 Uhr:
[Cage, Concerto for Prepared Piano and Chamber Orchestra (1950/1951).]
Den dritten Abschnitt des Giacomo Joyce übertragen und auf >>>> parallalies Übertagung gewartet. Die nun da ist. Sehr schön, wie jetzt die beiden Versionen direkt >>>> d o r t unter dem englischsprachigen Original stehen. Eigentlich sollten wir das fortan immer so halten; dann sind die Vergleiche genauer.
Ich werd mich, vor dem Cello, an die nächste Rundmail setzen. Es ist nicht sinnvoll, so etwas wie dieses Projekt einfach vor sich hinzuwurschteln; man muß es publik machen - was doch der eigentliche Sinn von „publizieren“ ist. Nicht nur, daß so etwas irgendwo herumsteht.

Mein Wille ist eigentlich ein starkes Wünschen, das, mit Kant gesprochen, „praktisch“ geworden. Das Wünschen ließ mich Blochs „Hoffnung“ immer nahe sein,. Adornos „Negativität“ war mir, selbst als ich noch Anhänger war, immer fremd. Daher wohl auch die Abkehr, die nicht eine völlige ist, wohl aber eine Wendung, die sehr viel mehr zuläßt, als das Schuld-Dogma seiner philosophischen Double Binds erlauben wollte; sie läßt sogar mehr zu, als es Bloch rechtgewesen wäre. Dennoch, die beiden bleiben Leitlichter an meinem Weg, Irrlichter, weil sie sich immer, tu ich einen Schritt, um ebenfalls einen Schritt von mir entfernen, so daß sie immer vor mir leuchten: so bleib ich auf dem Pfad.
Welch eine meditative Musik, welch ein Gelöstsein! Welch ein ruhiges: Hier sind wir. Ganz einfach: pur.
Heute vormittag, so ist es vereinbart, wird Helmut Schulze zuerst und werde erst danách ich den dritten Abschnitt >>>> Giacomo Joyce einstellen. Damit wir uns ein wenig abwechseln, Ausgewogenheit werde. Dennoch will ich, selbstverständlich, schon einmal übersetzen, nachzudichten versuchen. Vorher aber schon mal einige Seiten der Argo-Korrekturen in die Dritte Fassung übertragen haben. Dazu liegt gleich der nächste Cage hier, das Klavierwerk, das mir >>>> Leukert einmal geschenkt hat, der den Komponisten sehr gut kannte. Überhaupt werde ich heute Cage hören. Es sei ein Cage-Tag, also. Es liegt nicht weniges seiner Musik in meinen Archiven, ich habe immer einen Bogen um ihn gemacht; unsere Berührungen gab es, ich saß mal neben ihm, saß mal mit ihm an einem Tisch, er, wie nahezu immer, in seinen US-Jeans, auch seiner Jeans-Jacke. Aber es gab zwischen uns nicht eigentlich einen Kontakt. Kann sein, daß das traurig ist. Wen man alles nicht berührt hat.
Die kapitalistisch-demokratische Gesellschaft hat aus dem Ritual das Event gemacht, sie übernahm das Rituelle, versiegelte indes die Türen, die in die Tiefe führen. Rituale aber reichen drein hinab. In >>>> Kloster Irsee spürte ich das wieder einmal ganz auf der Haut, als ich allmorgendlich in die Kirche ging, um an der Andacht teilzunehmen. Eine Viertelstunde Innenkehr. Einkehr, die auch Heimkehr ist. Ins Wünschen. Mit dem ich angefangen habe.
Auch dafür steht die Disziplin: für solch ein Ritual. Eines, das die Wünsche reinwahrt.
So machen wir mal weiter: - jetzt.
6.42 Uhr:
[Cage, Three Dances for prepared pianos (1944/45).]
Das lag hier noch als Datei herum; ich hab‘s eben für Die Dschungel formatiert >>>> und eingestellt: Vor dem Paradies, Argo 277 aus der gerade entstehenden Dritten Fassung. Oft korrigiere ich, wie jetzt auch, noch einmal, wenn der Text eine andere, nämlich veröffentlichte Form hat. Man sieht dann anders. So werden die publizierten Proben aus entstandenen Erzählungen zu wirklichen Arbeitsproben: das Netz gibt mir die nötige Distanz.
Nunmehr eine Stunde lang strikt Korrekturen übertragen.
10.32 Uhr:
[Cage, Concerto for Prepared Piano and Chamber Orchestra (1950/1951).]
Den dritten Abschnitt des Giacomo Joyce übertragen und auf >>>> parallalies Übertagung gewartet. Die nun da ist. Sehr schön, wie jetzt die beiden Versionen direkt >>>> d o r t unter dem englischsprachigen Original stehen. Eigentlich sollten wir das fortan immer so halten; dann sind die Vergleiche genauer.
Ich werd mich, vor dem Cello, an die nächste Rundmail setzen. Es ist nicht sinnvoll, so etwas wie dieses Projekt einfach vor sich hinzuwurschteln; man muß es publik machen - was doch der eigentliche Sinn von „publizieren“ ist. Nicht nur, daß so etwas irgendwo herumsteht.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 22. August 2012, 10:36- Rubrik: Arbeitsjournal
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