Wer spricht? Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (7)
Nähme ich das Weblog radikal, müßte ich nun andere Beiträge zulassen, also das Experiment für Mitspieler öffnen, so daß schließlich verschwömme, wessen Subjektivität dem jeweiligen Text zugrundeliegt. Das bedeutete, die Ambivalenzen und Äquivokationen von Verschaltungen in das Weblog selbst hineinzuholen, und wäre fast wieder kabbalistisch wie des Maimonides' Blatt bei Benjamin. Dessen Passagenwerk mir überhaupt als ungeheurer Vorläufer einer Web-Ästhetik vorkommt, zum Beispiel: „Der Grübler, dessen Blick, aufgeschreckt, auf das Bruchstück in seiner Hand fällt, wird zum Allegoriker.“ Davon führt ein innerer Link zu Benn, als Rönne in die Hirnschalen in seiner Hand blickt und denkt: „Welt“. Und davon geht abermals ein Link etwa zu Valéry. Und so fort und „wechselwirkend“ zurück. Literatur ist und war immer eine Art Chor, deshalb in ihren Höhen nahezu redundant der auffällige Rück- und MittenhineinGriff ins antike („chorische“) Drama; manchmal trägt sogar der Slam so etwas, besonders dann, hört man die gesprochenen Texte als simultan. Die Kraft der rebellischen Dichtung scheint,
nachdem die realistischen Texte sich marktgängig (also objektiv) machten, in der Subjektivität des Netzes wieder auf, und zwar interessanterweise gerade da, wo sie sich zum Chor addiert: nämlich o h n e daß sie objektiv wird. Obwohl sozusagen „alle“ reden, gibt es kein ordnendes Element, keinen auktorialen Erzähler. Zugleich sind die Subjektivismen, weil zwischen ihnen Sinn-Verbindungen (intentionale Links) bestehen, nicht beliebig. Das ist das Abenteuerliche daran, zusammen mit einer nicht von vornherein bestimmten Wertigkeit. Im Zusammenhang bekommt sogar das krud-Private einen allegorischen Sinn, der sich aber funktionaler Zurichtung entzieht: Der Zusammenhang h a t nämlich keinen, doch i s t.
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herbst & deters fiktionäre
nachdem die realistischen Texte sich marktgängig (also objektiv) machten, in der Subjektivität des Netzes wieder auf, und zwar interessanterweise gerade da, wo sie sich zum Chor addiert: nämlich o h n e daß sie objektiv wird. Obwohl sozusagen „alle“ reden, gibt es kein ordnendes Element, keinen auktorialen Erzähler. Zugleich sind die Subjektivismen, weil zwischen ihnen Sinn-Verbindungen (intentionale Links) bestehen, nicht beliebig. Das ist das Abenteuerliche daran, zusammen mit einer nicht von vornherein bestimmten Wertigkeit. Im Zusammenhang bekommt sogar das krud-Private einen allegorischen Sinn, der sich aber funktionaler Zurichtung entzieht: Der Zusammenhang h a t nämlich keinen, doch i s t.
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albannikolaiherbst - Freitag, 25. Juni 2004, 13:42- Rubrik: Litblog-THEORIE
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